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Fusion zweier historischer Kraftwerke6 min read

22. Oktober 2014, Lesedauer: 5 min

Fusion zweier historischer Kraftwerke6 min read

Lesedauer: 5 Minuten

Am Kasbach säumen ganze 15 Kleinkraftwerke einen Abschnitt von ca. 2,5 – 3 km Länge. Die Entwicklung des Tiroler Ortes Jenbach ist eng verbunden mit der Nutzung der Wasserkraft, die bis zum Anfang…

…des 15 Jahrhunderts zurück reicht. Die Elektrizitätswerk Prantl GmbH & Co KG betreibt einige dieser traditionsreichen Kleinkraftwerke. Dazu zählten auch das ehemalige Kraftwerk Brauwerk und dessen Oberliegerkraftwerk Grauswerk. Beide Anlagen waren aber bereits in die Jahre gekommen und mussten dringend saniert werden. In Zusammenarbeit mit dem Tiroler Ingenieurbüro Eberl entschieden die Verantwortlichen die beiden Kraftwerkstufen zum neuen Kraftwerk Brauwerk zusammenzuschließen. Im Frühjahr 2014 konnte das dreijährige Projekt abgeschlossen und die neue Anlage erfolgreich in Betrieb genommen werden.

Jenbach ist eine Tiroler Marktgemeinde im Bezirk Schwaz mit etwa 7.000 Einwohnern.  Der im Unterinntal, 36 km östlich der Hauptstadt Innsbruck, gele-gene Ort weist in Hinblick auf die Wasser-kraft eine ganz besondere Geschichte auf. Diese begann im 15. Jahrhundert, als für die in der Nähe von Schwaz gewonnenen Silber- und Kupfererze Schmelzhütten und Ver-arbeitungsstätten am Ufer des Kasbachs errichtet wurden. Aus diesen alten Hütten-betrieben entwickelten sich später Sägewerke, Hafnerbetriebe, Mühlen, eine Brauerei, Gerbereien und diverse Schmieden. Auf einer Länge von ca. 2,5 bis 3 km reihen sich heute ganze 15 Kleinkraftwerke am Kasbach aneinander. Der Grund für diese hohe Dichte ist leicht ausgemacht.

Konstante Wasserführung
Der Kasbach ist nämlich ein sehr besonderes Gewässer, weil die Wasserganglinie auch im Winter nur einen geringen Abfall zeigt. Begründet wird dies durch einerseits sehr tief liegende Quellen und andererseits wird vermutet, dass eine Verbindung mit dem nahegelegen Achensee besteht. Dieser könnte dem Kasbach als Puffer dienen – einen wissenschaftlichen Beleg hierfür gibt es allerdings nicht. Ein weiteres Kuriosum: Mitten im Lauf des Kasbachs verdoppelt sich, auf einer Strecke von ca. 250 m, plötzlich dessen Wassermenge. Weitere Quellen zeigen sich dafür verantwortlich.

Neues Kraftwerk Brauwerk
Einige der 15 Kleinkraftwerke am Kasbach betreibt die Elektrizitätswerk Prantl GmbH & Co KG, ein privater regionaler Energie-versorger mit Hauptsitz in Jenbach. Ein Großteil der Marktgemeinde wird durch das Unternehmen heute mit Strom versorgt.  Zwei seiner Kraftwerke sind das alte Brau-werk, das ehemalige Kraftwerk der Brauerei, und dessen Oberliegerkraftwerk Grauswerk, vormals eine Schmiede. Wie bei vielen Kraft-werken am Kasbach nagte auch an ihnen der Zahn der Zeit, und  so überlegte sich das Unternehmen, wie man die beiden historischen Werke am besten sanieren könnte. Die einfachste Variante wäre ein Turbinentausch gewesen. Dem Genehmigungsprozedere für die mehr als 200 Jahre alten Wasserrechte wäre man somit entgangen. „Doch man hätte mit den teils alten Krafthäusern leben müssen und so überlegten wir uns die beiden Kraftwerksstufen zu verbinden“, so Christof Mallaun von der Elektrizitätswerk Prantl GmbH & Co KG. Das Konzept des neuen Kraftwerks Brauwerk wurde daraufhin aus-gearbeitet und bei den Behörden eingereicht. „Die Zusammenarbeit funktionierte von Beginn an sehr gut. Man konnte aufzeigen, dass sich durch eine Zusammenlegung der beiden Kraftwerksstufen auch Vorteile für die Region und für die Ökologie des Kasbachs ergeben“, berichtet Mallaun. So würde statt zwei Fassungen nur mehr eine benötigt und ein Querbauwerk würde wegfallen. Die neue Fassung würde man auch von der linken Uferseite auf die rechte verlegen und somit der Landstraße eine Verbreit-erung und Ausweichmöglichkeit bieten. Die über 200 Jahre alten Wasserrechte sahen keine Restwassermenge vor und von einer entsprechenden Adaptierung sollte der Kasbach ebenfalls profitieren. Das Projekt fand Anklang und der Grundstein zum neuen Kraftwerk Brauwerk wurde gelegt.
 
Klappenwehr mit Seitenentnahme ohne Entsander
In Zusammenarbeit mit der Tiroler Ingenieurbüro Eberl ZT GmbH ging es nun an die Umsetzung des Projekts. Die neue Fassung situierte man im Bereich der alten Fassung des Grauswerks. „Zuerst wollten wir sie als Klappenwehr mit Seitenentnahme, einer Rechenreinigung und einem Entsander umsetzen, hatten jedoch Bedenken über den Standort des Entsanderbauwerks“, so DI (FH) Thomas Rödlach vom Ingenieurbüro Eberl. Dieses sollte am Fuße des rechtsseitigen Hanges Platz finden. Man befürchtete aber, dass dieser bei starken Regenfällen ins Rutschen geraten könnte. So entschied man sich letztlich gegen diese Variante und suchte nach einer neuen Lösung. Wie sich später herausstellen sollte, war dies eine gute Entscheidung, denn nach Beendigung der Bauarbeiten kam es nämlich genau an dieser Stelle zu einer Hangrutschung. Nach weiteren Überlegungen wurde man auf das Coanda-System aufmerksam und kontakt-ierte daraufhin die Südtiroler Stahlwasser-bauexperten der Wild Metal GmbH. Daraus entstand ein einzigartiges Wasserfassungs-system ohne Entsanderbauwerk, wie es nach Ansicht des Betreibers in dieser Weise in Österreich noch nicht umgesetzt wurde. Konkret wird dabei das Wasser des Kas-baches mit einer 5 m breiten und 2 m hohen Klappe aufgestaut. „Dadurch konnten wir schon eine maßgebliche Beruhigung der Fließgeschwindigkeit erreichen und somit eine entsandende Wirkung erzielen“, so Rödlach. Das Wasser wird anschließend rechtsseitig gefasst und über sechs Grizzly Optimus Coanda Feinsiebe der Firma Wild Metal, ins Unterwasser geleitet. Insgesamt wird eine maximale Ausbauwassermenge von 430 l/s inkl. der abzugebenden Mindest-dotiermenge gefasst und entsandet. Mit einer Spaltweite von 1,0 mm besitzten die Fein-siebe eine Filterwirkung bis zu einer Korn-größe von 0,5 mm. Alles Geschwemmsel über 0,5 mm wird über die Feinsiebe in den Spülkanal geleitet. Zusammen mit dem Dotierwasser wird es duch den Spülkanal in das Bachbett zurücktransportiert. Ein Grob-rechen mit einem Stabdurchmesser von 30 mm und einem Stababstand von 150 mm verhindert zusammen mit einer Tauchwand das Eindringen von sehr groben Geschwem-msel. „Durch dieses Konzept konnten wir sowohl auf ein Rechenreinigungssystem als auch auf das komplette Entsanderbauwerk verzichten“, so Stefan Thomaset Projektleiter der Firma Eberl abschließend.

Neue Rohrstrecke
Die beiden alten Druckrohrleitungen aus geschweißtem Stahl und Beton konnten nicht mehr verwendet werden und wurden deshalb stillgelegt.  Die Trasse wurde vom Ingenieurbüro Eberl komplett neu angelegt. Sie verläuft entlang der Straße und beläuft sich auf eine Gesamtlänge von 330 m. Bei der Wahl der Rohre setzte man auf das bewährte Flowtite-System von Amitech. Die flexiblen, korrosionsbeständigen Rohre aus Glasfaserkunststoff werden im Wickelver-fahren hergestellt, sind unkompliziert in der Verarbeitung und leicht zu handhaben. Geliefert wurden die DN600 Rohre von der Firma Etertec GmbH & Co KG aus Brunn am Gebirge. „Die einzelnen Elemente wurden von Etertec nummeriert angeliefert und dadurch gestalt-ete sich die Rohrverlegung sehr unkompliziert“, so Christof Mallaun.

Neues und altes Krafthaus in direkter Nachbarschaft
Das Krafthaus des neuen KW Brauwerk wurde direkt neben dem alten realisiert. Letzteres soll zu Anschauungszwecken erhalt-en bleiben. Das Krafthaus des Grauswerkes war leider zu baufällig und musste abgerissen werden. Bei der Kraftwerksausstattung setzt man auf eine horizontale Francis-Turbine der Troyer AG. Sie verfügt über eine Nenn-leistung von 103 kW und arbeitet mit 1.000 Upm. Bei einer Nettofallhöhe von 28,5 m  und einer Ausbauwassermenge von 430 l/s erwartet man ein Regelarbeitsvermögen von 750.000 kWh pro Jahr. In Kombination mit der Turbine wurde ein Synchron-Generator der Firma Hitzinger mit einer Leistung von 140 kVA installiert.

Einwandfreie Zusammenarbeit
Mit Anfang Winter 2013 konnten die wichtigsten Bauarbeiten erfolgreich abgeschlossen werden. Äußerst zufrieden zeigte man sich mit allen beteiligten Firmen und der Einhalt-ung der Liefertermine. „Wir hatten einen wirklich engen Zeitplan und so musste z.B. die Klappe, die wir im September in Auftrag gegeben haben, noch vor Weihnachten geliefert werden“, so Mallaun. Sowohl die Klappe als auch die Turbine wurden fristgerecht geliefert und montiert. Die Montage konnte sogar noch vor dem geplanten Meilenstein fertiggestellt werden.  Somit konnte das Kraftwerk ohne Verzögerung im Frühjahr 2014 in Betrieb genommen werden. Mit dem neuen Kraftwerk Brauwerk produziert die Elektrizitätswerk Prantl GmbH & Co KG nun ca. 20 % ihres Strombedarfs selbst und fügt der Geschichte und Tradition der Wasserkraft in Jenbach ein weiteres erfolgreiches Kapitel hinzu.

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