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Millioneninvestment in die Umweltverträglichkeit6 min read

16. April 2015, Lesedauer: 4 min

Millioneninvestment in die Umweltverträglichkeit6 min read

Lesedauer: 4 Minuten

Direkt an der Grenze zwischen Deutschland und der Schweiz befindet sich das in den Jahren 1926 bis 1931 erbaute Kraftwerk Ryburg-Schwörstadt. Mit einer Leistung von 120 MW ist die Anlage..

..das größte Wasserkraftwerk am Hochrhein. 2010 wurde den Betreibern von den zuständigen Behörden eine neue Konzession für weitere 60 Jahre erteilt – gekoppelt an insgesamt 17 Ausgleichsmaßnahmen, welche die ökologische Verträglichkeit des Kraftwerks nachhaltig verbessern. Die aufwändigste Konzessionsmaßnahme stellte dabei die Errichtung einer neuen Fischaufstiegshilfe mit einer Gesamtlänge von etwa 1,2 Kilometer dar. Gleichzeitig wurde an dem Fischpass auch ein Dotierkraftwerk errichtet, wodurch die ökologische Maßnahme auch einen energietechnischen Nutzen bringt.

Der Rhein, welcher zwischen dem Bodensee und Basel als Hochrhein bezeichnet wird, bildet eine natürliche Grenze zwischen Deutschland und der Schweiz. Aufgrund der Lage des Kraftwerks Ryburg-Schwörstadt, das sich sowohl auf deutscher Seite im Bundesland Baden-Württemberg und auf Schweizer Seite im Kanton Aarau befindet, mussten zur Konzessionserteilung die Behördenauflagen beider Länder erfüllt werden. Dies war auch der Grund, warum die ersten Vorplanungen und Umweltverträglichkeitsberichte zur Verlängerung der Konzession bereits 1996 erstellt wurden.

 „Das Ansuchen um eine Konzessionsverlängerung wurde schließlich 2007 eingereicht. Dank einer sehr guten Vorarbeit war die Erteilung der Betriebsgenehmigung zwar langwierig, weil die verschiedenen Stellen sich natürlich einigen und untereinander absprechen mussten. Extreme Schwierigkeiten oder Einwände hat es zum Glück aber nicht gegeben“, berichtet Geschäftsführer Beat Karrer über die Hürden der Neukonzessionierung.

Auflagen über Auflagen
In Summe schnürten die zuständigen Behörden und Verbände zusammen mit dem Kraftwerk ein Paket von 17 Maßnahmen, in deren Umsetzung die Kraftwerk Ryburg-Schwörstadt AG etwa 20 Mio. Schweizer Franken investierte. Dazu zählten neben einer Erweiterung der Verlandungszone auch Flachuferstellungen oder die Errichtung eines neuen Personenübergangs direkt am Kraftwerk.
Die aufwändigste bauliche Maßnahme mit dem gleichzeitig größten ökologischen Nutzen war aber das Anlegen des neuen Fischaufstiegsgewässers. Dieses führt die Gewässerlebewesen auf einer Gesamtlänge von insgesamt 1,2 Kilometer sicher um die Kraftwerksanlage. Als ideale Lockströmung für die rheinaufwärts wandernden Fische dotiert man mit 6 m³/s.
Da das Umgehungsgewässer nach etwa 800 Metern eine starkes Gefälle zu überwinden hat – die Staustufe weist eine Höhendifferenz von maximal 10,6 m auf – haben die Planer ab dieser Stelle einen Raugerinne-Fischpass vorgesehen. Weil diese aus Steinblöcken bestehende Treppenkonstruktion für die Fische einem Durchfluss von 6 m³/s nicht standhalten würde, werden 4,6 m³ Wasser über eine Druckleitung DN 1800 unterirdisch weitergeleitet. Und zwar zu einem neu errichteten Dotierkraftwerk, welches das Energiepotential des Restwassers optimal verwertet.

Turbine läuft auch ohne Öl wie geschmiert
Nach den langwierigen Konzessionsverhandlungen konnte mit dem Bau der Fischaufstiegshilfe und des dazugehörigen Dotierkraftwerks schließlich im Jahr 2012 begonnen werden. „Weil die Druckleitung teilweise unter dem neu zu errichtenden Raugerinne verläuft, mussten die Bauarbeiten auch zur gleichen Zeit starten. Der Aushub für die Rohrleitung konnte praktischerweise auch für die Modellierung der Fischtreppe verwendet werden“, so Beat Karrer.

Im Krafthaus selbst verrichtet eine doppelt regulierte Kaplan-Rohrturbine des deutschen Herstellers Wiegert & Bähr ihre Dienste. Bei den Planungen entschied man sich wegen des teilweise stark schwankenden Unterwasserpegels des Rheins für diesen Turbinentyp. Zudem lässt sich der Wirkungsgrad einer doppelt regulierten Kaplan-Maschine optimal an die unterschiedlichen Abflussverhältnisse des Gewässers anpassen. Die Turbine, deren Welle mit Betriebswasser geschmierten Lagern ausgerüstet ist und dadurch ohne Öl auskommt, hat eine Leistung von 351 kW, dreht mit 430 U/min und soll jährlich 2,5 GWh sauberen Strom produzieren. Während der Montage der Turbine im Werk von Wiegert & Bähr war ein Techniker des Kraftwerks Ryburg-Schwörstadt permanent vor Ort einbezogen. Dieser erhielt dadurch einen optimalen Einblick in die Funktionsweise der Maschine und konnte sämtliche Einzelteile der Maschine von Grund auf kennen lernen. Komplettiert wird der Maschinensatz durch einen direkt angetriebenen  Generator aus dem Hause AEM.
Eine besondere Herausforderung stellte für die Turbinenbauer die Einpassung der Turbine und der Absperrklappe in das kompakte Krafthaus dar. Oberste Priorität galt dabei der Zugänglichkeit des Maschinensatzes für künftige Wartungsarbeiten. In Zusammenarbeit mit den zuständigen Planern vom Ingenieurbüro Dr. Rolf-Jürgen Gebler, welche auch das Umgehungsgewässer planten, wurde die Anordnung der Turbine im Krafthaus festgelegt und somit eine optimale Wartungsfreundlichkeit erzielt.

Alles aus einer Hand
Zusätzlich zur Turbine wurden auch sämtliche Stahlwasserbauarbeiten am neuen Dotierkraftwerk von Wiegert & Bähr durchgeführt. Zum einen lieferte und montierte man ein 3,16 m breites und 2,24 m hohes Schwenktor am Einlauf des neuen Umgehungsgewässers. Dieses durch einen Elektrohubzylinder angetriebene Tor hat die Funktion, die Wassermenge der Fischaufstiegshilfe zu regulieren. Zum anderen errichteten die Monteure gleich zwei Einlaufrechen inklusive dazugehörigen Rechenreinigern. Der erste, 4,5 m breite Rechen mit einer Stablänge von 3,71 m sowie einem Stababstand von 15 mm, wurde im Bereich des Verteilbauwerks zur Turbine montiert. Der zweite Einlaufrechen befindet sich am Trennpfeiler zwischen Maschinenhaus und Wehranlage. Von dieser Stelle aus wird zusätzliches Lockwasser zum Ende des Trennpfeilers geleitet, wo sich zwei weitere Einstiege befinden. Über diesen Mittelpfeiler gelangen die Fische in einen Vertical-Slot-Fischpass, welcher am uferseitigen Raugerinne-Fischpass anschließt. Der Einlaufrechen des Trennpfeilers verfügt ebenfalls über einen Stababstand von 15 mm, ist aber mit einer Breite von 1,84 m sowie einer Stablänge von 2,89 m erheblich kleiner dimensioniert als sein Gegenstück.

„Die Entfernung von anfallendem Schwemmgut an den Schutzrechen übernehmen zwei baugleiche Zahnstangenrechenreiniger, die über einen elektromechanischen Antrieb verfügen. Ebenso wie beim Schwenktor wurde bei der Konstruktion auf einen hydraulischen Anrieb verzichtet, wodurch kein Öl oder Fett zum Betrieb benötigt wird“, hebt Markus Rest, Konstruktionsleiter bei Wiegert & Bähr, die Vorzüge der Maschine hervor.

Gesteuert wird die variabel einstellbare Hub- und Senkgeschwindigkeit der Putzharke über Frequenzumrichter, welche gleichzeitig ein sanftes Anfahren sowie Abbremsen ermöglichen. Für einen konstanten Anpressdruck der Harke auf den Rechen sorgen ein elektrischer Linearantrieb sowie ein vorgespanntes Federpaket.

Leittechnik auf dem neuesten Stand
Bei der elektrischen Ausrüstung des neuen Dotierkraftwerks setzte man auf die Kompetenz der Schweizer Firma Kobel aus Affoltern, Experten für Steuer- und Regelungstechnik speziell im Wasserkraftbereich. Diese installierten und programmierten die Steuerung für das Schwenktor, die Turbine und die Rechenreiniger und vernetzten die einzelnen Komponenten untereinander. Im Krafthaus kommt zur Turbinensteuerung die Siemens SIMATIC S7- 1500 beziehungsweise für die Rechenreiniger und das Einlauftor die SIMATIC S7-1200 zum Einsatz. Bis auf den etwas abgesetzten Rechenreiniger am Trennpfeiler sind alle Komponenten untereinander vernetzt und korrespondieren miteinander. Die Anlage läuft völlig automatisiert, ist aber aus Sicherheitsgründen der Leittechnik des Hauptkraftwerks Ryburg-Schwörstadt untergeordnet. Eingespeist wird die erzeugte Energie in das deutsche 20 kV Netz.

Investition zahlt sich aus
In Betrieb ist das neue Dotierkraftwerk schon seit dem 1. April des Vorjahres. Geschäftsführer Beat Karrer zeigt sich äußerst zufrieden mit dem Projektverlauf: „Die Fischtreppe wird sehr gut angenommen, die Turbine läuft einwandfrei und die Akzeptanz bei der Bevölkerung und den Umweltverbänden ist sehr groß. Es hat sich gezeigt, dass es mit dem Einbezug aller Beteiligten eine runde Sache geworden ist.“

Insgesamt investierte die Kraftwerk Ryburg-Schwörstadt AG über 20. Mio. Schweizer Franken in das Großprojekt und konnte innerhalb von 3 Jahren sämtliche der 17 Konzessionsauflagen umsetzen. Da ein Großteil der Baumaßnahmen von Firmen aus der Region durchgeführt wurde, kommt diese Investition nicht nur der Umwelt sondern auch der regionalen Wirtschaft diesseits und jenseits des Hochrheins zugute.

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