Technik

Gleitlagerabnutzung an Francis-Turbine6 min read

6. Juni 2013, Lesedauer: 4 min

Gleitlagerabnutzung an Francis-Turbine6 min read

Lesedauer: 4 Minuten

Interessanter Einsatz für das Service-Team der PRÜFTECHNIK Alignment Systems in einem Kraftwerk am Isarkanal: An einer Francisturbine und am Generator sind markante Lagerschäden vorgefunden worden.

 

PRÜFTECHNIK wurde deshalb mit der Ursachenfindung beauftragt. Das Wasserkraftwerk wurde 1924 in Betrieb genommen und nutzt ein Gefälle von 26 m des mittleren Isarkanals, um mit vier vertikal ausgerichteten 9-MWFrancisturbinen Strom zu erzeugen. In diesem Kraftwerk sitzt der Generator über der Turbine und ist mit einer gleitgelagerten, vertikalen Welle verbunden (Abbildung 1). Das gestaute Wasser des Isar-Kanals vor dem Kraftwerk kommt aus Süden. Im weiteren Verlauf dieses Berichts wird diese Himmelsrichtung Oberwasser und dementsprechend der Austritt des Wassers aus dem Kraftwerk im Norden als Unterwasser bezeichnet. Die Bezeichnungen Westen und Osten entsprechen den Himmelsrichtungen.

EINSEITIGE ABNUTZUNGSERSCHEINUNG AN GLEITLAGER
Im Zuge einer planmäßigen Revision wurden am Gleitlager der Francisturbine und am unteren Gleitlager des Generators untypische einseitige Abnutzungserscheinungen entdeckt. Am Generatorlager waren die Abnutzungen auf der Oberwasserseite, an der Turbine auf der Unterwasserseite (Abbildung 2). Das Revisionsteam des Betreibers vollzog daraufhin eine Lotmessung der Gleitlagerung, ausgehend von der Generatoroberseite. Hier zeigte sich eine anscheinende Fehlausrichtung der Lager in Unterwasserrichtung um 2 mm. Um sich die Ergebnisse der Lotmessung durch eine Lasermessung bestätigen zu lassen, nahm der Kraftwerksbetreiber mit der PRÜFTECHNIK Alignment Systems Kontakt auf. Das PRÜFTECHNIK Service Team ging in zwei Schritten an die Messaufgabe.

HOHE GENAUIGKEIT MIT LASEROPTISCHEM MESSSYSTEM
Im ersten Schritt wurde die Fluchtung der Lager zueinander überprüft. Dabei wurde das laseroptische Messsystem CENTRALIGN® Ultra verwendet. Mit ihm lassen sich Bohrungs- oder Lagerfluchtungen relativ zueinander hochgenau messen, unabhängig von deren Lage. Zuerst wurde mittels Magnethalter der zum System gehörende Laser auf das obere Generatorlager montiert (Abbildung 3). Das Gegenstück zum Laser ist der Detektor mit angebautem Abtaster, der drehbar gelagert mittels einer speziellen Schnellmontage-Halterung in das zu vermessende Gleitlager eingespannt wurde (Abbildung 4). Die Messung erfolgte, indem pro Gleitlager mehrere Messpunkte in zwei Messebenen abgetastet wurden. Der Laser diente dabei nur als Referenzlinie für den Detektor. Der Detektor wiederum übermittelte drahtlos die Messdaten an das Bedienteil des CENTRALIGN ® Ultra. Hier wurde nicht nur die Fluchtung der Gleitlager zueinander berechnet, sondern auch die Neigung der einzelnen Gleitlager an sich. Mit dem Messsystem ROTALIGN® Ultra lassen sich so sehr gute Genauigkeiten von 1- 2/100 mm pro Meter Messstrecke erreichen. Besondere Auswirkung auf die Lage der vertikalen Welle hat das
obere axiale Traglager am Generator. Ein Winkelfehler in diesem Lager hat Auswirkungen auf die radiale Führung der Gleitlager. Deshalb sollte dieses Traglager unbedingt waagrecht ausgerichtet sein. Im zweiten Schritt der Messungen überprüfte das PRÜFTECHNIK Service Team dies mit dem hochgenauen Winkelmesssystem INCLINEO® (Abbildung 5). INCLINEO® kann sowohl absolut (also „ins Wasser“) als auch relativ Flächen messen – und das durch die drehbare Messzelle in horizontaler oder vertikaler Lage. Die Ebenheit und Waagrechtigkeit wurde am oberen axialen Traglagerflansch ermittelt. Zwar war der Flansch in sich relativ eben, allerdings wies er eine Neigung von 2/10 mm auf 1,6 m Flanschdurchmesser in Richtung Oberwasser auf.

EINSEITIGE VERSCHLEISSERSCHEINUNGEN DURCH FEHLAUSRICHTUNG DER LAGER
Zusammen mit der Messung der Lagerfluchtung zeigte sich ein Bild des Wellenganges, der sich mit den einseitigen Gleitlagerabnutzungen sehr gut deckte. Zwar waren die Lager in West-Ost Richtung gut ausgerichtet. Auf der Linie Oberwasser-Unterwasser zeigten sich dagegen Fehlausrichtungen: Das untere Generatorlager war um 0,3 mm zu weit Richtung Unterwasser verschoben. Das erklärte den Kontakt der Welle und die somit erhöhte Abnutzung des Gleitlagers auf der Oberwasserseite. Ähnliches
Bild an dem Turbinenlager: Hier war das Lager um ca. 0,15 mm zu weit in der Richtung Oberwasser. Dies entsprach dem Abnutzungsbild des unteren Turbinenlagers: es konzentrierte sich auf den unteren
Unterwasserteil des Lagers. Die Ergebnisse erhärteten also den Anfangsverdacht des Kraftwerksbetreibers, dass die einseitigen Verschleißerscheinungen an den Gleitlagern durch eine Fehlausrichtung verursacht wurden. Mit den Protokollen wurde somit eine gute Informationsgrundlage für das weitere Vorgehen geschaffen. Eine Korrektur des unteren Generatorlagers von 0,3 mm Richtung Oberwasser und eine geringfügige Nivellierung des oberen axialen Traglagers um 2/10 mm wurden durchgeführt. Ein Folgeeinsatz nach der Lagerfluchtungsmessung bot dem PRÜFTECHNIK Service Team die Gelegenheit, das neue ROTALIGN ® Ultra Hydropower zur Lagevermessung einer zweigeteilten vertikalen Welle (Antriebswelle Turbine zum Generator) anzuwenden. In der Zwischenzeit wurde die aus zwei 4 Meter-Segmenten bestehende Wellenanlage wieder eingebaut. Erste  Anfahrversuche verliefen positiv, sowohl Turbine als auch Generator entwickelten dabei keine signifikanten Schwingungen. Die Ausrichtung der Lager hatte offensichtlich Erfolg. Interessant war aber jetzt zu klären, wie die Winkellagen der beiden Wellensegmente zueinander waren. Damit konnte die Korrektur der Gleitlagergasse überprüft werden. Im Fall einer Fehlstellung hätte sich eine Biegung der Wellenanlage eingestellt. Darüber hinaus wollte man wissen, wie die Lage der Welle bezogen zur Lotrechtigkeit war. Herkömmliche Methoden wie das Senkblei oder das Lot sind in diesem Fall ungeeignet. Die erzielten Genauigkeiten dieser Prüfmittel liegen bei optimalen Voraussetzungen bei ca. 0,5 Millimeter pro Meter, was hier nicht ausreichend ist. Hier setzt das neue Messsystem ROTALIGN® Ultra Hydropower von PRÜFTECHNIK an. Das System besteht aus der leistungsstarken Plattform ROTALIGN® Ultra und dem hochgenauen Neigungsmesser INCLINEO®. INCLINEO® ist ein präzises elektronisches Inklinometer. Es nimmt relative Neigungswerte mit einer Genauigkeit besser als 0.01 Millimeter pro Meter auf, die es dann über Bluetooth® zur Auswertung und Darstellung an das ROTALIGN® Ultra schickt. Zum Ablauf der Messung: Eine Messung mit ROTALIGN® Ultra Hydropower läuft – wie auch bei den anderen PRÜFTECHNIK Geräten – in drei Schritten ab: nach Aufbau der Sensorik werden im Bedienteil die Dimensionen der zu vermessenden Wellenteile eingegeben. Im nächsten Schritt erfolgt die Messung. Die Neigungsmessung basiert auf dem Umschlagverfahren. Es werden zwei Messungen jeweils auf der gegenüberliegenden Stelle einer Welle durchgeführt, dabei gibt es zwei Optionen:

  • Ist die Welle drehbar, wird INCLINEO® auf der Welle befestigt und dreht mit der Welle (Umlaufmessung).
  • Ist die Welle nicht drehbar, wird INCLINEO® nacheinander auf zwei exakt gegenüberliegenden Positionen der Welle angesetzt (statische Messung). An jedem Wellenteil wird dabei mindestens in den vier Himmelsrichtungs-Positionen gemessen.

Im vorliegenden Fall war die Welle im Wasserkraftwerk drehbar. INCLINEO® wurde mittels eines starken Magnetfußes an die Wellensegmente angebracht. Pro Wellensegment erfolgten zwei Umlaufmessungen, um die Reproduzierbarkeit der Messung zu überprüfen (Abbildung 6).

DER LETZTE SCHRITT: DIE MESSERGEBNISSE
ROTALIGN® Ultra Hydropower zeigte, dass die Lage der Wellensegmente nur um 3/100 mm auf 4 Meter Segmentlänge abweicht (Abbildung 7a), ein sehr kleiner Wert. Ein Beweis dafür, dass die Lager jetzt sehr gut eingestellt sind. Bei Betrachtung der Lotrechtigkeit ergibt sich ein Versatz von 0,65 mm auf die 8 Meter Gesamtlänge der Welle in Unterwasser- und Westrichtung (Abbildung 7b). Möchte man die Lotrechtigkeit der Wellenanlage verbessern, könnte dies am oberen Axiallager verstellt werden. Laut Aussage des Betreibers hat dieser Wert keinen Einfluss auf den Betrieb der Turbine, entscheidend ist die Fluchtung der zwei Wellensegmente. In sich ist der Wellenstrang und auch die Lagerfluchtung sehr gut und genau ausgerichtet. Die Lagerschäden am unteren Generator- und Turbinenlager gehören nun der Vergangenheit an. Mit dem neuen ROTALIGN® Ultra Hydropower steht dem Anwender jetzt ein hochgenaues und schnelles Messsystem zur Verfügung, das vertikale Wellen auf Lage zueinander und zur Lotrechtigkeit ohne Sichtverbindung bestimmen kann.

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