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Technik aus den Dolomiten bewährt sich in neuem Kraftwerk in der Lombardei5 min read

31. März 2017, Lesedauer: 4 min

Technik aus den Dolomiten bewährt sich in neuem Kraftwerk in der Lombardei5 min read

Lesedauer: 4 Minuten

Ein modernes Kleinwasserkraftwerk wurde im norditalienischen Val Camonica, unweit des berühmten Tonale-Passes in Betrieb genommen. Ausgerüstet wurde es mit einer 2-düsigen Peltonturbine.

Die Maschine, die auf 530 kW Leistung ausgelegt ist, wird im Regeljahr rund 1,5 GWh Strom erzeugen. Hinter dem Projekt steht mit der INBRE spa. einer der größten Privatinvestoren am italienischen Wasserkraftmarkt, der noch einiges vorhat in Sachen Kleinwasserkraft.

Zwischen den Provinzen Brescia und Bergamo erstreckt sich das langgezogene Val Camonica, das mit 90 Kilometern Länge überhaupt zu den längsten Tälern Italiens zählt. Seinen Namen verdankt das malerische Hochtal der Südalpen dem Volk Camundi, das vor über 1.000 Jahren in diesem Gebiet ansässig war. Interessant dabei, dass von den Camundi mehr als ihr Name überliefert wurde – und zwar viel mehr: Ebenso wie andere Völker in der Region vor ihnen hatten sie eine Vielzahl an Felsgravuren hinterlassen. Die Gravuren zeigen Alltagsmotive, geometrische Muster sowie abstrakte Formen und reichen mit den ältesten Darstellungen rund 8.000 Jahre in die Frühgeschichte der Menschheit zurück. Insgesamt sind circa 250.000 dieser Felszeichnungen erhalten. Dank dieser weltweit größten Sammlung von Petroglyphen wurde das Val Camonica ins Weltkulturerbe der UNESCO aufgenommen.
Als schützenswert wird auch die Natur in dieser Region angesehen. Über 510 km2 erstreckt sich hier der Regionalpark Adamello, der von einigen über 3.500 m hohen Gipfeln umrankt wird. Hier befindet sich auch der größte Gletscher der italienischen Alpen. Eine Grenze des Parks stellt der bekannte Tonale Pass dar, der zugleich eine Grenzlinie zwischen der Lombardei im Westen und dem Trentino im Osten markiert. Außerdem findet man hier auch die Wasserscheide zwischen dem Po, jenen nach Westen fließenden Gewässer, und der Etsch, jenen Gewässern, die nach Osten fließen.

Vitaler Wasserkraftmarkt in Italien
Es handelt sich um eine Region, die dank großer Höhenunterschiede und reicher Wasservorkommen ausgezeichnete Voraussetzung für die Wasserkraftnutzung mitbringt. Und generell präsentiert sich der italienische Wasserkraftmarkt durchaus vital. Vor allem dank der Einführung des Vergütungssystems Conto Energia, das dem EEG in Deutschland nicht ganz unähnlich ist, hat der Markt in Italien eine neue Dynamik erfahren. Lagen die Wasserkraft-Hotspots vor drei bis vier Jahren noch vorwiegend in Südtirol, werden derzeit mehr Anlagen in den anderen oberitalienischen Provinzen vom Piemont bis nach Udine gebaut. Das Gros der italienischen Erzeugungsanlagen liegt in Oberitalien, sie machen Italien immerhin zu drittgrößten Stromerzeuger aus Wasserkraft in der Europäischen Union.
Ein Unternehmen, das sich der Wasserkraft Oberitaliens verschrieben hat, ist die INBRE spa. Sie gilt als einer der größten privaten Wasserkraftinvestoren in Italien, die bereits circa 40 Anlagen – allesamt in der Lombardei – in den letzten Jahren verwirklicht hat. Das jüngste davon wurde erst kürzlich in der Gemeinde Vione im Valle Camonica in Betrieb genommen: das Kraftwerk Vallaro.

Turbine aus Sexten
Benannt ist das Kraftwerk Vallaro nach dem gleichnamigen Gebirgsbach, aus dem es sein Triebwasser bezieht. Der Vallaro mündet an der Talsohle in den Oglio, der das Val Camonica entwässert. Grundsätzlich handelt es sich um eine Hochdruckanlage, deren Anlagenteile zur Gänze oberhalb von 1.000 m Seehöhe errichtet wurde. Die Wasserfassung, ausgeführt mit einem Tirolerwehr und einem klassischen Sandfang, wurde auf 1.235 m Seehöhe angelegt. Von hier wird das Triebwasser durch eine Druckrohrleitung der Dimension DN450, die zur Gänze unterirdisch verlegt wurde, zum Maschinenhaus geleitet. Dabei überwindet das Triebwasser eine Fallhöhe von etwa 145 Metern. Nachdem das Wasser in der Turbine abgearbeitet wurde, fließt es durch einen 120 Meter langen Unterwasserkanal in den Oglio.
Das Kleinkraftwerk wurde am Letztstand heutiger Wasserkrafttechnik realisiert. Dementsprechend wichtig war den Betreibern, auch eine möglichst hochwertige elektromechanische Ausrüstung zu installieren: einen Maschinensatz, der den idealen Kompromiss zwischen Robustheit auf der einen Seite und sehr guten Wirkungsgraden auf der anderen darstellt. Der Auftrag darüber ging an die Firma Tschurtschenthaler aus dem Südtiroler Sexten. Die Wasserkraftspezialisten waren dabei nicht nur mit der Lieferung von Turbine und Generator betraut. Darüber hinaus zeichnete die Firma Tschurtschenthaler auch für die Hydraulik, eine Wasserklappe, den Hallenkran, 5 Schützen an der Wasserfassung sowie für Rohrbruchklappe und Rechenreinigungsmaschine verantwortlich. Die Profis aus den Dolomiten konnten somit ihr breites Wasserkraft-Know-how unter Beweis stellen.

Punktlandung im Terminplan
Der Auftrag erwies sich dabei vor allem in zeitlicher Hinsicht als große Herausforderung. „Wir haben den Auftrag im Juli 2015 erhalten. Der Zeitplan sah vor, dass die Maschinenmontagen noch vor dem Jahreswechsel abzuschließen waren, und die Inbetriebnahme bereits Anfang Januar 2016 zu erfolgen hatte. Zum Glück ist es uns gelungen, die Termine punktgenau einzuhalten“, erinnert sich Roberto Donizetti, Projektleiter bei der Firma Tschurtschenthaler.
Ausgelegt wurde die 2-düsige Peltonturbine aus dem Hause Tschurtschenthaler auf eine Ausbauwassermenge von 450 l/s bei einer Fallhöhe von rund 137,5 m. Dabei erreicht die Maschine eine Nennleistung von 530 kW. Die durchschnittliche Nennleistung wird mit rund 213 kW angegeben. Dass die Turbine die geforderten hohen Wirkungsgrade erbringt, wurde im Rahmen der nach der Inbetriebnahme durchgeführten Wirkungsgradmessungen eindrücklich bestätigt, wie Roberto Donizetti erklärt.

Weitere Projekte in Aussicht
An das Laufrad der Turbine ist direkt ein Synchrongenerator aus dem Hause Marelli Motori gekoppelt. Der leistungsfähige Stromwandler ist auf 650 kVA ausgelegt und nicht zuletzt aufgrund von Lärmschutzgründen mit einer Wasserkühlung versehen. Der Rotor wird mit einer Nenndrehzahl von 600 Upm angetrieben. Synchrongeneratoren aus dem Hause Marelli Motori zeichnen sich nicht nur durch hohe Wirkungsgrade aus. Darüber hinaus garantieren bewährte Einzelkomponenten eine lange Lebensdauer und eine hohe Verfügbarkeit.
In Summe wird das hochwertige Maschinenpaar im Regeljahr rund 1,5 GWh ans Netz liefern. Das reicht aus, um mehr als 200 Haushalte mit sauberem Strom aus der Region zu versorgen. Ein weiteres gelungenes Ökostromprojekt, das der sehr aktive Wasserkraftinvestor INBRE spa. verwirklicht hat. Es heißt, dass er noch weitere 30 Projekte ähnlicher Baugröße in der „Pipeline“ hat, die er in den nächsten Jahren realisieren möchte. Das neue KW Vallaro könnte dafür eine gute Musteranlage abgeben.

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