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Viennahydro 2018 richtet Den Fokus auf die Themen der Zukunft8 min read

20. Juli 2018, Lesedauer: 6 min

Viennahydro 2018 richtet Den Fokus auf die Themen der Zukunft8 min read

Lesedauer: 6 Minuten

Vom 14. bis 16. November dieses Jahres findet die mittlerweile 20. Auflage der renommierten internationalen Wasserkraftkonferenz Viennahydro in Schloss Laxenburg vor den Toren Wiens statt.

Kaum eine andere Veranstaltung der Branche hat sich national wie international in den letzten Jahrzehnten eine derart hohe Reputation erarbeitet. Das liegt vor allem an der exzellenten Qualität der Themen. Vom 35-köpfigen hochkarätigen Veranstaltungskomitee werden letztlich nur Arbeiten von hohem Innovationsgrad, akademischer Reife und professioneller Aufbereitung zugelassen. Zum 20. Jubiläum rücken unter anderem Zukunftsthemen wie „Big Data“, „der digitale Zwilling“, oder das „Web-of-Cells“ in den Mittelpunkt. Natürlich kommen dabei auch die „klassischen“ Themen, wie Fragen der Pumpspeicherung, der intelligenten Betriebsführung, oder Probleme transienten Verhaltens nicht zu kurz. Rund 300 Teilnehmer aus bis zu 25 Nationen werden in Laxenburg erwartet.

Circa fünf Mal so viele Seiten wie Tolstois „Krieg und Frieden“, nämlich rund 10.000, umfassen mittlerweile sämtliche Tagungsbände, die von den Veranstaltern der TU Wien seit 1980 publiziert und an die Teilnehmer der Viennahydro verteilt wurden. Zum ersten Mal sind diese Daten nun alle archivarisch sortiert und digital verfügbar – und zwar auf einem USB-Stick, der sich im diesjährigen Willkommenspaket der Teilnehmer befinden wird. Nicht nur eine interessante Rückschau für alle Wasserkraft-Interessierten, sondern auch ein eindrücklicher Beleg für die hohe Qualität der Arbeiten, die bislang an der Veranstaltung präsentiert und diskutiert wurden. Dr. Eduard Doujak, der gemeinsam mit Prof. Dr.-Ing. Christian Bauer die Führungsspitze des Veranstaltungsteams bildet, verweist darauf, dass es ein zentrales Anliegen war und bis heute ist, das Niveau von Themen und Vorträgen möglichst hoch zu halten. „Hauptverantwortlich dafür ist das internationale Organisationskomitee, das mittlerweile aus 35 Personen besteht. Die geballte akademische Kompetenz des Komitees stellt sicher, dass mittelmäßige oder mangelhafte Arbeiten hier nicht zum Zug kommen“, erklärt Dr. Eduard Doujak vom Forschungsbereich Strömungsmaschinen am Institut für Energietechnik und Thermodynamik IET der TU Wien, das die Viennahydro im Zwei-Jahres-Rhythmus organisiert.

Internationalität gross geschrieben
Einzigartig an der Viennahydro ist die Option für Doktoranden aus aller Welt, ihr Forschungsthema und damit auch ihre wissenschaftliche Forschungstätigkeit einer breiten Öffentlichkeit zu präsentieren. In diesem Jahr steht den Doktoranden bereits zum dritten Mal dieser Weg offen, und die Resonanz hat sich über die Jahre immer mehr verstärkt. „Wir bieten hier Doktoranden eine tolle Möglichkeit, ihre Arbeit auf hohem internationalen Niveau vorzustellen. Zu unserer Freude wird dies auch immer mehr genutzt. Wir haben in diesem Jahr schon mehrere Einreichungen, etwa aus Norwegen, oder aus Deutschland, oder aus Österreich“, freut sich Eduard Doujak.
Generell ist die Veranstaltung stark international ausgerichtet. Internationale Themen kommen in diesem Jahr unter anderem aus den USA, Kanada, Schweden, Thailand, Nepal, um nur einige zu nennen. Dementsprechend bunt gemischt ist das Auditorium an der Viennahydro: „Für dieses Jahr sehe ich bereits jetzt einen sehr interessanten Mix. Wir erwarten Besucher aus 20 bis 25 Ländern“, so Eduard Doujak. Das altehrwürdige Schloss Laxenburg, dessen älteste Teile aus dem 12. Jahrhundert stammen, bietet dabei den idealen Rahmen für die auf drei Tage angesetzte Veranstaltung.

Zukunftsthemen im Brennpunkt
Altehrwürdig sind allerdings nur die räumlichen Rahmenbedingungen. Die Veranstaltung selbst bleibt ihrer Ausrichtung treu und fokussiert – wie in den Jahren zuvor – nicht nur brennende, aktuelle Fragen, die Wasserkraft-Insider umtreiben, sondern auch die Themen der Zukunft. „Gerade an Universitäten sollte man natürlich auch über Entwicklungen und Perspektiven der Zukunft denken und dazu forschen“, sagt Eduard Doujak und verweist damit auf einige äußerst spannende Zukunftsfragen, die auch an der kommenden Viennahydro aufs Tapet kommen.
Eine davon ist das Thema „Big Data“, dem ein eigener Schwerpunkt an der Veranstaltung gewidmet ist. „Im Grunde handelt es sich dabei um ein Thema, das aktuell sehr präsent ist, bei dem aber noch immer viele Fragen unbeantwortet sind, und das noch sehr viele Möglichkeiten für die Wasserkraft bietet“, ist der Wissenschaftler der TU Wien überzeugt. Schon heute liefern Messeinrichtungen, Sonden und die Maschinen selbst eine Vielzahl von Daten. Doch was geschieht mit den Daten? Erste Software-Systeme sind bereits am Markt, die Lösungen für folgende Fragen liefern sollen: Wie kann man die Vielzahl an Daten am besten filtern, verwerten, aufbereiten und analysieren? Und welche Schlüsse können gezogen werden? Damit befassen sich auch die Wissenschaftler, die an der Viennahydro darauf profunde Antworten liefern werden.

Web-of-Cells und Pumpspeicherung
Noch ein wenig futuristischer ausgerichtet erscheint das Thema „Web-of-Cells“, das sich im Hauptthema „Flexibler Betrieb moderner Wasserkraftwerke und ihre Interaktion mit dem Netz“ wiederfindet. Dabei handelt es sich um geplante, geographisch eingeteilte, kleinere Zellen eines Stromnetzes – hierarchisch gegliedert in Hochspannungs-, Mittelspannungs- und Niederspannungszellen. Sie sollen den Weg zu noch intelligenteren Netzen weisen, letztlich um die Netzinfrastruktur gemäß der europäischen Richtlinie zur Erreichung der Energieeffizienzziele vorzubereiten. Durch die bewusste Dezentralisierung sollen dabei auftretende Probleme schon auf lokaler Ebene behoben werden, so zumindest die Intention. „Grundsätzlich handelt es sich dabei eher um ein energiewirtschaftliches bzw. netztechnisches Thema. Es hat aber Auswirkungen auf die Wasserkraft, da diese ja mit der Pumpspeicherung eine der wichtigsten Speichertechnologien aufbietet. Der Horizont ist langfristig angelegt, er richtet sich für die Zeit nach 2030 – und ist somit doch etwas Zukunftsmusik“, sagt Eduard Doujak. In diesem Zusammenhang verweist er auf die Technik der Modularen Pumpturbine, die erst seit einigen Jahren am IET unter Federführung von Eduard Doujak entwickelt wird. „Die Modulare Pumpturbine könnte Web-of-Cells eine wichtige Rolle einnehmen, sie würde die Voraussetzungen sehr gut erfüllen. Wir setzen hier gerade die weiteren Schritte, um diese Technik bis zur Marktreife zur bringen.“ Selbstredend wird das Thema Pumpspeicherung im Allgemeinen und die Modulare Pumpturbine im Speziellen einen entsprechenden Raum an der Viennahydro einnehmen.

Wie lange bis zum Ende?
Ein weiteres, sehr spannendes Thema, an dem auch am Institut für Energietechnik und Thermodynamik IET geforscht wird, ist die Frage nach der Restlebensdauerberechnung. Bereits an der letzten Tagung 2016 wurde die Methode vorgestellt und die Forschungsergebnisse der vorangegangenen vier Jahre präsentiert. „Im Wesentlichen geht es darum, dass wir versuchen die Lebensdauer des Laufrades und eventuell des Leitapparates vorherzusagen, d.h. wie lange die Komponente unter den gegebenen Rahmenbedingungen – Laststufe, Einsatzdauer, etc. – noch betriebsfähig ist“, erklärt Eduard Doujak und ergänzt: „Heute werden Francisturbinen in den unterschiedlichsten Leistungsstufen – wie etwa im PSKW Obervermunt II von 0 bis 100 % – gefahren. Dem entsprechend ändern sich auch die Belastungen, die sich viel dynamischer darstellen. Damit bedarf es auch neuer, anderer Berechnungsmethoden.“ Aktuell sind die Berechnungsmethoden noch äußerst aufwändig, und wohl kaum für Designfindung von Interesse. Für relevanter hält der Wissenschaftler von der TU Wien den Anwendungsbereich Nachrechnung von Laufrädern, das durchaus zukünftig stärker nachgefragt werden könnte. Der Themenkomplex der Restlebensdauerberechnung wird auch in diesem Jahr wieder für großes Interesse und viele angeregte Diskussionen sorgen.

„Digitaler Zwilling“ erreicht Wasserkraft
Ein weiteres echtes Zukunftsthema mit großem Potenzial entspringt dem Konzept Industrie 4.0: der „digitale“ oder „virtuelle Zwilling“. Eigentlich ein visionärer Ansatz für industrielle Produktionsprozesse, der mittlerweile seinen langen Schatten auch in andere Bereiche wirft. Kern dieser Idee ist letztlich die Verschmelzung von realen und digitalen Systemen zu einer autonomen, intelligenten Einheit. Es geht dabei also um viel mehr als nur um die digitale Abbildung des realen Systems. Über den „digitalen Zwilling“ kann auf virtueller Ebene eingegriffen werden und Änderungen vornehmen, die sich in Echtzeit simulieren lassen können. Umgekehrt können natürlich auch Änderungen, die sich durch – welche Umstände auch immer – am realen System ergeben, am „digitalen Zwilling“ umgesetzt werden. „Durch diese Verschmelzung von realem und virtuellem Prozess entsteht ein Gesamtsystem, das sich im laufenden Betrieb selbst überwacht, steuert und korrigiert“, erklären die Forscher vom deutschen Fraunhofer-Institut für Produktionsanlagen und Konstruktionstechnik. Alleine diese Aussage verdeutlicht, welches Potenzial sich damit auch für die Weiterentwicklung in der Wasserkraft ergibt. Welche weiterführenden Fragen sich vor diesem Hintergrund ergeben, wird auf der diesjährigen Viennahydro eingehend erörtert.
Neben den wegweisenden Zukunftsthemen stehen an der Viennahydro natürlich noch andere, „klassischere“ Themenkomplexe auf dem Programm, wie etwa Hydraulische Systeme und transientes Verhalten, intelligente Steuerung und Monitoring, Wartung, Ertüchtigung und Modernisierung, Numerische Berechnung von hydraulischen Komponenten, Design, Experimentaltechniken und Physikalische Modelle, Kleinwasserkraft mit Very Low Head Turbinen und Hydrokinetischen Turbinen, Aspekte des Rechts sowie der Nachhaltigkeit.

Präsentation des hydraulischen Labors
Eine integrale Rolle kommt im Rahmen der Veranstaltung wie immer auch dem Ausstellungsbereich zu. Die Branchenunternehmen finden an der Viennahydro in Laxenburg ein ideales Umfeld vor, um den „Key Playern“ der Wasserkraft ihre Produkte und Dienstleistungen näherzubringen. Üblicherweise wird die räumliche Nähe zum Ausstellungsbereich von zahlreichen Entscheidungsträgern intensiv genutzt.
Pünktlich zum 20. Jubiläum wird es an der diesjährigen Veranstaltung auch eine echte Novität zu bestaunen geben. Das gesamte Labor der IET war im vergangenen Jahr in neue, größere, modernere Räumlichkeiten der TU Wien übersiedelt. In diesem Zuge wurde auch das neue hydraulische Labor in Betrieb genommen, das aktuell wohl einzigartig auf Universitäts-Niveau ist. „Im Rahmen der Tagung wird es die Möglichkeit der Besichtigung geben. Wie es genau ablaufen wird, steht allerdings noch nicht fest. Aber Interessierte werden unser neues Labor inspizieren können“, stellt Eduard Doujak klar. In diesem Zussammenhang verweist er auch auf das gesellschaftliche Rahmenprogramm, das ebenfalls seinesgleichen sucht: Die Besucher erhalten die Möglichkeit, am Abend des ersten Veranstaltungstages das Heeresgeschichtliche Museum zu besichtigen, inklusive eines Empfangs im gediegenen Ambiente dieses Hauses. Am Abend des zweiten Tages steht der schon traditionell gewordene Besuch des urgemütlichen, typische wienerischen Heurigen Fuhrgassl–Huber am Programm. Beide Abendtermine sind für die meisten Besucher der Viennahydro geschätzte Pflicht.
Vom 14. bis zum 16. November wird Schloss Laxenburg wieder zum Nabel der Wasserkraftwelt. Der Puls der Wasserkraft schlägt für drei Tage vor den Toren Wiens.


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