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Das erstaunliche Comeback eines Traditionskraftwerks am Toblinosee4 min read

4. Oktober 2016, Lesedauer: 3 min

Das erstaunliche Comeback eines Traditionskraftwerks am Toblinosee4 min read

Lesedauer: 3 Minuten

Über Jahrzehnte war das alte Kraftwerk am idyllischen Toblinosee in der Provinz Trentino stillgestanden. Die Traditionsanlage, die in den Jahren 1927 bis 1928 errichtet wurde, war schon fast vergessen.

Ehe sich im Jahr 2009 der führende trentinische Stromproduzent Hydro Dolomiti Enel – kurz HDE – um eine Reaktivierung bemühte. Das Niederdruck-Kraftwerk wurde unter der Federführung des Südtiroler Wasserkraftspezialisten Tschurtschenthaler wieder mit einer neuen elektromaschinellen Ausrüstung ausgestattet – und erneut in Betrieb genommen. Es soll jährlich immerhin eine eineinhalb Millionen Kilowattstunden sauberen Strom erzeugen.

Rund 15 Kilometer westlich von Trient gelangt man in das sehenswerte Tal der Seen, das „Valle dei Laghi“. Einer dieser Seen ist der Toblinosee, der zurecht als der bekannteste davon gilt. Seine Lage, das Panorama, seine Farbe und das bekannte mittelalterliche Wasserschlösschen Castel Toblino sorgen für echtes Postkartenambiente. Sanfte Hügel umgeben das Gewässer, auf deren Hängen man Wein- und Obstgärten, dichte Wälder und Zypressenalleen vorfindet. Und – noch etwas findet man in einem der Olivenhaine am Monte Uliveto, ein wenig außerhalb des Dorfes Sarche an der rechten Uferseite des Sees: das etwas antiquiert wirkende Zentralengebäude eines historischen Wasserkraftwerks, aus dem bis vor wenigen Monaten kein Mucks zu hören war. Es handelt sich um das Kraftwerk Toblino, das in den Jahren 1927 bis 1928 errichtet worden war. Eine für damalige Verhältnisse stattliche Erzeugungsanlage, der allerdings vorerst keine allzu lange Betriebsgeschichte beschieden war.

KRAFTWERK IM DORNRÖSCHENSCHLAF
Als in den 1960er Jahren die italienische Elektrizitätswirtschaft verstaatlicht wurde, kam es zu verschiedenen Änderungen in den Eigentümerverhältnissen. In den Wirren dieser Zeit wurde die Anlage stillgesetzt und aufgrund diverser Änderungen der Rahmenbedingungen ein wirtschaftlicher Betrieb in Abrede gestellt. So kam es, dass das alte Wasserkraftwerk tatsächlich in einen „Dornröschenschlaf fiel“, der mehr als ein halbes Jahrhundert dauern sollte. Erst im Jahr 2009 war die Stadt Calavino mit der Hydro Dolomiti Enel in Kontakt getreten – um eine etwaige Reaktivierung des Kraftwerks zu prüfen. Und dies mit Erfolg. Die Behörden begrüßten in der Folge die Initiative der HDE, den Gesamtbestand zu sanieren und das Kraftwerk mit moderner Wasserkrafttechnik auszustatten. Das Gesuch um eine neue Betriebskonzession hatte Erfolg.

ROBUSTE MASCHINENLÖSUNG
Auf das Grundkonzept der Anlage hatte die Rundumsanierung allerdings keinen Einfluss. Es handelt sich um ein Niederdruck-Kraftwerk, welches das Wasser aus dem Fluss Sarca bezieht. Maximal können laut neuer Wasserkonzession 2.500 l/s für die Stromproduktion eingezogen werden. Im Jahresmittel beläuft sich die Triebwassermenge auf 1.635 l/s. Das Triebwasser überwindet eine Fallhöhe von 11,50 m, um im frisch sanierten Maschinenhaus auf eine Kaplanturbine zu treffen, die auf einer gemeinsamen vertikalen Welle einen Synchrongenerator antreibt. Als größter Stromproduzent des Trentinos mit zahlreichen Wasserkraftwerken im eigenen Kraftwerkspark war den Verantwortlichen der HDE natürlich an einer robusten und zugleich hoch effizienten Maschinenlösung gelegen. Daher kamen für den Auftrag nur renommierte Branchenunternehmen in die engere Wahl. Wie etwa die Firma Tschurtschenthaler aus Sexten, die mittlerweile seit Jahrzehnten mit ausgereifter Wasserkrafttechnik von sich reden macht.

FRUCHTBARE KOOPERATION
Beim Kraftwerksprojekt Toblino konnte die Firma Tschurtschenthaler nicht nur ihre Kompetenz in Sachen Turbinen, sondern auch im Stahlwasserbau und in der Gesamtleitung des Projektes unter Beweis stellen. Im Auftragsumfang waren neben der elektromechanischen Ausrüstung auch die Installation neuer Elektroschränke sowie der Mittelspannungs-Transformatoren – ausgeführt durch die Firma Eltech srl aus Calvisano – die Steuerung der Anlage, sowie diverse stahlwasserbauliche Komponenten enthalten. Darunter fielen etwa die Schleuse mit dem Feinrechen und die Lieferung und Montage einer 14 m langen, neuen Rohrleitungsverbindung zwischen Becken und Turbinenzulauf DN1500. Auch die elektrischen und hydraulischen Verbindungen an der Wasserfassung wurden neu hergestellt. Sämtliche Arbeiten wurden unter der Federführung der beiden Firmen Tschurtschenthaler und Eltech abgewickelt, die dafür eine Bietergemeinschaft eingegangen waren.

KEINE EINFACHE MONTAGE
Großes Know-how erforderte die Montage von Turbine und Generator aufgrund der beengten räumlichen Situation und dem Fehlen eines entsprechenden Hallenkrans im Gebäude. Dabei konnten die Monteure der Firma Tschurtschenthaler ihre ganze Erfahrung ausspielen. Zielgerichtet und sehr konzentriert konnten sie diese Millimeterarbeit erfolgreich bewältigen. Bei der Turbine handelt es sich um eine Kaplanturbine, hergestellt vom deutschen Turbinenspezialisten WATEC Hydro, die über ausgezeichnete Wirkungsgrade verfügt. Sie ist auf eine maximale Leistung von 255 kW ausgelegt und treibt mit 600 Upm einen Synchrongenerator mit 300 kVA Leistung an. Der Maschinensatz wird im Schnitt rund 1,5 GWh Strom in dem reaktivierten Kraftwerk erzeugen. Die elektromaschinelle Lösung trägt sowohl die Handschrift des erfahrenen Wasserkraftspezialisten Tschurtschenthaler als auch jene des Allgäuer Turbinenbauers WATEC Hydro, die ein weiteres Mal bewiesen haben, dass sie in Sachen Niederdruck-Kraftwerke sehr gut harmonieren.

KRAFTHAUS MIT VIELEN AUFGABEN
Mit der Inbetriebnahme des renovierten Kraftwerks Toblino konnte ein neues Kapitel der Wasserkraftnutzung am Toblinosee aufgeschlagen werden. Das Kraftwerk wurde endlich aus seinem jahrzehntelangen „Dornröschenschlaf“ geweckt und liefert heute wieder ausreichend Energie, um rund 3.000 Haushalte mit grünem Strom zu versorgen. Darüber hinaus sind die Betreiber gemeinsam mit regionalen Initiatoren bestrebt, das Kraftwerksgebäude generell aufzuwerten und auch für kulturelle, gesellschaftliche, pädagogische und wissenschaftliche Zwecke zur Verfügung zu stellen. Damit ist das auch stark vom Fremdenverkehr frequentierte Gebiet um den malerischen Toblinosee um eine weitere Attraktion reicher.

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