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Linthal 2015 – Die Riesentrafos erreichen ihren Bestimmungsort8 min read

25. Juni 2015, Lesedauer: 5 min

Linthal 2015 – Die Riesentrafos erreichen ihren Bestimmungsort8 min read

Lesedauer: 5 Minuten

Mit einer Investitionssumme von 2 Mrd. CHF ist das Projekt „Linthal 2015“ eines der bedeutendsten Ausbauprojekte der Axpo und der Schweizer Wasserkraft. Das neue, unterirdisch angelegte..

..Pumpspeicherkraftwerk Limmern soll in Zukunft Wasser aus dem Limmernsee in ca. 1.800 m Seehöhe in den 630 m höher gelegenen Muttsee zurückpumpen und bei Bedarf wieder zur Stromproduktion nutzen. Ein imposantes Großprojekt, das auch im Ausland seit Jahren mit regem Interesse verfolgt wird. Das Vorhaben inmitten der Glarner Alpen befindet sich bereits seit 2007 in Bau. In diesem Jahr konnte mit dem Erreichen zweier wichtiger Meilensteine ein weiterer großer Schritt in Richtung Fertigstellung gemacht werden. Zum einen wurde im Herbst 2014 die nun längste Staumauer der Schweiz durchgehend geschlossen und zum anderen erreichten die vier 190 schweren Tonnen ABB-Transformatoren ihren Bestimmungsort in der Trafokaverne. Aus diesem Grund luden die Axpo und ABB zum Medienevent nach Tierfehd um das Erreichte Revue passieren zu lassen.

In unserer hochtechnologischen Zeit zählt die Versorgungssicherheit mit Energie zu den wichtigsten Grundbedürfnissen einer funktionierenden Gesellschaft. Diese auch in der Zukunft zu bewahren ist nicht nur von essentieller Bedeutung, sondern wird auch immer mehr zur Herausforderung. Ein wichtiges Zahnrad im Getriebe der Sicherstellung der Versorgung stellen dabei Speicherlösungen zur Deckung des Spitzenstrombedarfs dar. Hier spielen vor allem Pumpspeicherkraftwerke eine zentrale Rolle. Sie sind quasi die Batterien Europas inmitten der Alpen. Mit dem Schweizer Pumpspeicherkraftwerk Limmern steht nun diesbezüglich eines der imposantesten Ausbauprojekte kurz vor seiner Fertigstellung. Der Schweizer Energieversorger Axpo investiert geplante 2,1 Mrd. CHF in das „Linthal 2015“ getaufte Projekt.  Ende 2015 soll die erste der insgesamt vier Maschinengruppen Strom produzieren. Nach Abschluss des Projektes wird jede Maschinengruppe eine  Pump- und Turbinenleistung von je 1.000 MW aufweisen. So wird die hochflexible Anlage später in der Lage sein, innerhalb weniger Minuten große Mengen an Spitzenstrom zu produzieren. In diesem Jahr konnte mit dem Erreichen zweier wichtiger Projektmeilensteine ein großer Schritt in diese Richtung gemacht werden.

Längste Staumauer der Schweiz
Einer dieser beiden Meilensteine bestand in der durchgehenden Schließung der Schwergewichtsstaumauer auf der Muttenalp. Sie soll den Nutzinhalt des dortigen Muttsee von 9 Mio. km3 auf 25 Mio. km3 steigern und somit das Potential der Spitzenstromproduktion des Pumpspeicherkraftwerks Limmern deutlich heben.  Seit Herbst 2011 wurde an der Realisierung der 1.025 m langen Staumauer gearbeitet. Im Herbst 2014 konnte sie mit der feierlichen Einbringung des letzten Kubikmeter Beton vollständig geschlossen werden. Somit entstand zum ersten Mal seit 30 Jahren wieder eine neue Staumauer in den Schweizer Alpen und sie darf sich mit ihrer Länge von knapp über 1 km auch gleich „längste Staumauer der Schweiz und höchstgelegene Europas“ nennen.

Etappenweiser Aufbau
Hochgezogen wurde sie in 68 Teilblöcken von jeweils 15 m Länge und 36 m Höhe. Der Bau erfolgte dabei nach einem genauen Schema, dem sogenannten Pilgerschrittverfahren.  Dabei wird jeder zweite Block – die „Vorläufer“ – bis zur abschließenden Höhe von 36 m betoniert. Anschließend werden die Blöcke dazwischen – die „Nachläufer“ – erstellt. Bei dieser Vorgangsweise kann der Beton besser auskühlen und die jeweiligen Vorläufer dienen anschließend praktischerweise als links- und rechtsseitige Schalung für die jeweiligen Nachläufer. Jeder Block selbst wurde wiederum in 3 m hohe Betonier-Etappen aufgeteilt. Insgesamt hat man ca. 250.000 m3 Beton verarbeitet, für dessen Produktion auch das Ausbruchsmaterial der Kavernen und Stollen verwendet wurde.

Trafokonzept von ABB überzeugte
Der zweite wichtige Meilenstein im Jahr 2014 war die Anlieferung der Transformatoren der zukünftigen vier Maschinengruppen. Den Zuschlag für Produktion und Lieferung derselben erhielt ABB, die den effizientesten Transformator mit den kleinsten Dimensionen und dem geringsten Gewicht offerieren konnte. „Unsere Vorgabe war es, sie so kompakt und energieeffizient wie möglich zu machen“, erklärte Jürgen Wendorff, Projektleiter für die Maschinentransformatoren von ABB Bad Honnef. Diese kompakte Spezialanfertigung war auch nötig, damit die Trafos überhaupt per Standseilbahn in die Kaverne transportiert werden können. Mit 9,7 m Länge, 3,1 m Breite, 4,2 m Höhe und einem Transportgewicht von 190 Tonnen sind die vier Trafos aber dennoch nur in Bezug auf ihre Leistungsdaten als „schlank“ zu bezeichnen. Diese erreichen, mit einer Nennleistung von 280 MVA und einem Nennstrom von 8.981 A im Unterspannungsbereich, durchaus beeindruckende Werte bei dieser Baugröße. Aufgespannt wird dabei von 18 kV auf 400 kV, um die vier Maschinen direkt mit dem Schweizer Netz verbinden zu können. Neben den vier Trafos liefert und installiert ABB für das neue Pumpspeicherkraftwerk auch die Hochspannungskabelverbindung zum Unterwerk Tierfehd, die Generatorableitung, die Mittelspannungsanlagen, das Kraftwerksleitsystem, die Gleichspannungsversorgungs- sowie die Notstromanlage. Außerdem liefert ABB eine aus 200 Elementen bestehende 380-kV-GIS-Anlage. Die im Endausbau 40 Meter lange und 5 Meter hohe gasisolierte Schaltanlage wird beim Kraftwerk Tierfehd installiert und von dort aus den Strom vom Kraftwerk über eine 380 kV-Leitung ins Netz einspeisen.

Vier Kolosse gehen auf Reise
Nach der Fertigung galt es die Schwergewichte in die über 900 km entfernten Glarner Alpen zu transportieren. Eine logistische Meisterleistung war gefragt, denn Herausforderungen gab es einige auf der rund 16 Tage langen Reise. In der ersten Etappe ging es von der ABB Fabrik in Bad Honnef per LKW-Tieflader bis zum Hafen nach Krefeld, wo jeweils zwei Trafos über einen Ponton auf ein Rheinschiff verladen wurden. Nach neun Tagen Schiffsreise legte die Fracht am Auhafen in Basel an. Einer der beiden Transformatoren wurde hier dann zwischengelagert, während der zweite über Nacht per SBB-Extrazug seine Reise bis zum Bahnhof Linthal fortsetzte. Ab Linthal ging es mit einem 53 m langen und über 3 m breiten Schwerlastzug, bestehend aus drei LKWs, im Schritttempo weiter.  Die Strecke führte über eine enge und kurvenreiche Straße hinauf nach Tierfehd unterhalb des Pumpspeicherkraftwerks. Ein Nadelöhr mit einigen Hausecken verlangte hier den Lastwagenchauffeuren einiges an Maßarbeit und eine ruhige Hand ab.

Mit der Standseilbahn in die Kaverne
In Tierfehd angekommen traten die Transformatoren ihre letzte Reise in die Trafokaverne, welche im Berginneren auf  1.700 m Seehöhe liegt, an. Dafür errichtete man extra einen 4 km langen Zugangsstollen mit 8 m Durchmesser und einer darin befindlichen Schwerlast-Standseilbahn mit einer Ladekapazität von 215 Tonnen. Der Ausbruch für den Zugangsstollen wurde im Oktober 2010 gestartet und erfolgte mit einer 160 m Tunnelbohrmaschine. Mit der 1.500 Tonnen schweren Spezialmaschine wurde rund 490.000 Tonnen Gestein ausgebrochen. Gebohrt wurde zuerst horizontal 300 m in den Berg hinein ehe es mit konstanten 24 % Steigung zur Kavernenzentrale auf 1.700 m Seehöhe hinauf ging. Dank modernster Vermessungstechnik konnte das Ziel zentimetergenau getroffen werden. Nach Fertigstellung des Rohbaus konnte mit der Montage der Standseilbahn begonnen werden.

Antrieb wie zwei Güterlokomotiven
Diese Aufgabe übernahm die Garaventa AG aus Goldau in der Schweiz. Für die Ingenieure des Schweizer Seilbahnspezialisten gab es einige Herausforderungen, wie etwa die Antriebsleistung für das maximale Transportgewicht von 215 Tonnen und die Hydraulik für das Be- und Entladen der Schwertransporte, zu bewältigen. Der Antrieb der Standseilbahn ist vergleichbar mit dem zweier Güterlokomotiven. Die beiden 40 Tonnen schweren Bahnwagen sind dabei mit einem 58 mm starken Zugseil miteinander verbunden. Besonders schwere Transporte am Ladungsmaximum stellen für die Standseilbahn einen Riesenkraftakt dar. Das Gewicht des Gegenwagens unterstützt deshalb den Transport und kann dementsprechend beladen werden. Umso höher die Last, umso langsamer erfolgt grundsätzlich der Transport mit einer Standseilbahn. Bei einer Ladung von 215 Tonnen beträgt die Geschwindigkeit nur mehr 0,5 m/s oder 1,8 km/h. Eine solche Ladung braucht also rein rechnerisch, bei konstanter Geschwindigkeit und ohne Unterbrechungen, knapp über zwei Stunden. Dabei nimmt aber das Be- und Entladen, abhängig vom Typ des Transportguts, in etwa nochmals dieselbe Zeit in Anspruch. Der Härtetest für die Standseilbahn waren die Transporte der vier Transformatoren. Jeder der vier ABB-Trafos brauchte dabei einen ganzen Tag bis er in der Trafokaverne ankam. 

Einzigartige Bahn
Die Standseilbahn, die extra für das Projekt „Linthal 2015“ gebaut wurde, ist in dieser Größenordnung auch für die Garaventa AG ein besonderes Projekt wie Arno Inauen, COO und Mitglied der Geschäftsleitung der Garaventa AG, betonte: „Die technischen Vorgaben sind mit den üblichen Standseilbahnen im touristischen oder innerstädtischen Bereichen nicht zu vergleichen. Eine große Standseilbahn in diesem Einsatzbereich, mit Fahrzeugen für bis zu 200 Personen, würde hier eine Nutzlast von vergleichsweise geringen 16 Tonnen aufweisen.“ Bis zu 30 Mitarbeiter des Unternehmens arbeiteten dabei gleichzeitig an der Umsetzung. In Hochzeiten waren, in Zusammenarbeit mit Partnerunternehmen, sogar bis zu 100 Personen zeitgleich im Einsatz. Zusätzlich zur Standseilbahn errichtete Garaventa auch noch zwei Bauseilbahnen im Außenbereich. Auch sie sind mit einer Ladekapazität von bis zu 40 Tonnen alles andere als gewöhnlich. 

Ein erfolgreiches Jahr geht zu Ende
Mit der kompletten Schließung der Staumauer und der Anlieferung der vier ABB Transformatoren konnten 2014, im vorletzten Projektjahr von „Linthal 2015“, zwei wichtige Projektmeilensteine zur vollsten Zufriedenheit der Projektverantwortlichen abgehakt werden. Die Arbeiten, vor allem in der Maschinenkaverne, laufen derzeit auf Hochtouren und man liegt perfekt im Zeitplan. Bereits im nächsten Jahr soll die erste der vier Maschinen planmäßig Strom produzieren. Mit dem neuen PSKW Limmern wird in die Zukunft investiert und ein wichtiger Beitrag für die Energiespeicherung geleistet. Nach ihrer Fertigstellung wird dem Schweizer Stromnetz ein hochflexibles Speicherkraftwerk, das innerhalb weniger Minuten sowohl große Mengen an Strom produzieren wie auch zeitweilige Stromüberschüsse aufnehmen und durch Hochpumpen von Wasser für eine spätere Nutzung speichern kann, zur Verfügung stehen.

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