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Projekt stärkt Eigenversorgung im Goms6 min read

5. Dezember 2014, Lesedauer: 4 min

Projekt stärkt Eigenversorgung im Goms6 min read

Lesedauer: 4 Minuten

Die Mehrzahl der Fließgewässer im Goms – ein Bezirk im Kanton Wallis – werden bereits energetisch genutzt. Inklusive dem am 30.05.2014 offiziell eröffneten Kraftwerk Walibach…

…kann die Region nun bereits 14 Wasserkraftwerke vorweisen. Das Gemeinschaftsprojekt der EnBAG AG (Energie Brig-Aletsch-Goms) und der Standortgemeinde Grafschaft – jeweils zu 50 % beteiligt – soll prognostizierte 12 GWh sauberen Strom im Regeljahr abwerfen. Durch das KEV geförderte Projekt möchten sich die Region und die EnBAG AG der Abhängigkeit und den Schwankungen des internationalen Strommarktes weiter entziehen und die ehrgeizigen Ziele der Energiepolitik von Bund und Kanton verfolgen.

In Hinblick auf das ehrgeizige Ziel der Schweizer Energiewende bis 2050 spielen die Versorgungsunternehmen eine zentrale Rolle. Die EVUs stehen deshalb gehörig unter Druck. Doch moderne EVUs müssen sich aufgrund der totalen Marktöffnung vom reinen Energielieferanten auch zum kundenorientierten Unternehmen weiterentwickeln.  Denn nun steht es allen Endverbrauchern frei ihren Energielieferanten selbst zu wählen, und so ist auch ein aktiver Kontakt zu den Kundengruppen von essentieller Wichtigkeit für den Unternehmenserfolg. Die EnBAG AG beteiligt die Vertragsgemeinden deshalb auch zu 50 % an ihren Kraftwerksprojekten. Diese direkte Einbindung der Gemeinden ist für das Unternehmen ein zentraler Erfolgsfaktor. So sollen durch faire Preise die Kundenbedürfnisse erfüllt und die Beziehung nachhaltig gestaltet werden. Diese Philosophie verfolgte man auch beim Bau des neuen Kraftwerks Walibach. Zu diesem Zwecke gründete die EnBAG AG (Energie Brig-Aletsch-Goms) die EnBAG Kraftwerke AG. Doch bevor das Projekt überhaupt gestartet werden konnte, mussten noch einige Hürden überwunden werden.

Erste Ideen bereits 2004
Das Bieligertal, mit seinem Gletscher, seinen Wäldern und Gebirgen wird durch den Walibach entwässert.  Dieser mündet zwischen den Dorfteilen Biel und Selkingen der Gemeinde Grafschaft in den Rotten (Rhone). Schon lange gab es von Seiten der EnBAG Überlegungen, den Walibach zur Stromproduktion zu nützen. Konkret wurde bereits im Jahre 2004 – vom damaligen Direktor der EnBAG – das Thema Kraftwerk Walibach auf den Tisch gebracht. Das Projekt scheiterte jedoch zuerst an finanziellen und ökologischen Hürden. Der Durchbruch zum Projektstart gelang erst im Jahre 2012 durch eine Einigung mit den Umweltverbänden.

„Zielführend war schlussendlich die Vereinbarung über eine gestaffelte Restwassermenge“, so Projektleiter DI. Jürgen Eiting.

Diese sieht in den Wintermonaten eine Dotation von 55 l/s, in den Übergangsmonaten 75 l/s und im Sommer 130 l/s vor. Somit war der Grundstein zum Projektstart gelegt, und die Planungs- und Genehmigungsphase konnte gestartet werden. Mit der Kostendeckenden Einspeisevergütung (KEV) war das Projekt zusätzlich auch wirtschaftlich abgesichert.

Unterteilung in drei Bauabschnitte
Nach gut einjähriger Planungsphase konnten im April 2013 schließlich die Baufahrzeuge am Walibach auffahren. Der Bau der Fassung, des Krafthauses und die Verlegung der duktilen Gussrohre erfolgten zeitgleich. Der kritische Teil des Projektes bestand hauptsächlich in der Verlegung der 3.780 m  langen Rohrstrecke. Um die Bauarbeiten möglichst im selben Jahr abschließen zu können, entschied man sich die Rohrstrecke in drei Abschnitte zu unterteilen. Der Plan sah vor, zuerst im Tal zu starten und je nach Witterung sich nach oben bis zur Fassung auf 2.100 m Seehöhe vorzuarbeiten. Abgesehen einiger Wetterkapriolen zu Beginn der Bauphase konnte jedoch aufgrund günstiger Witterung der mittlere Abschnitt gestrichen werden und direkt im oberen Abschnitt begonnen werden.

Geologisch sensibles Gelände
Ursprünglich war angedacht, die Rohrstrecke entlang des Hanges zu verlegen. Geologen rieten jedoch von dieser Variante ab – zu riskant wäre dieses Unterfangen gewesen. Deshalb entschied man sich die Rohrstrecke entlang des Bachlaufs anzulegen. In der Folge musste an drei Punkten der insgesamt 3.780 m langen Strecke eine Bachquerung vorgenommen werden. Den Walibach hatte man zu diesem Zweck an den betroffenen Stellen temporär umgeleitet. Die steile Topologie und ökologische Sensibilität des Geländes waren auch wesentliche Parameter für die Wahl des Rohrsystems. Die Betreiber setzten auf qualitativ hochwertige und strapazierfähige duktile Gussrohre vom Typ ZMU UNIVERSAL TIS-K DN 500, in fünf verschiedenen Druckstufen. Geliefert wurden die Druckrohre von der Wild Armaturen AG aus Rapperswil. Die Rohre der Druckklassen C40 – C100 eignen sich schubgesichert für Drücke von 30 – 75 bar (bautechnisch bis 83 bar mit Betonwiderlager). Für eine längskraftschlüssige Verbindung wurden die Rohre und Formstücke mit einer TIS-K Schubsicherung ausgestattet. Zugehörige Absperrklappen und Ausbaustücke gehörten ebenfalls zum Lieferumfang.

Innovativer Sandabzug
Die Fassung im Bieligertal wurde auf 2.120 m Seehöhe situiert. Sie wurde als Tirolerwehr ausgeführt. Die maximale Ausbauwassermenge beträgt 525 l/s  und wird seitlich in den 30 m langen Entsander geleitet. Ein Wintereinlass garantiert den ganzjährigen Betrieb der Anlage. Besonderes Augenmerk liegt auf dem verwendeten Entsander-System. Der innovative „HSR Sandabzug“ wurde von der Hochschule für Technik Rapperswil entwickelt. Der große Vorteil des Systems: Es kann bei laufendem Betrieb gespült werden und minimiert somit etwaige Produktionsverluste. Auch die Spülwassermenge konnte auf unter 1/6 gegenüber konventionellen Anlagen reduziert werden. Außerdem stellen die Anforderungen an das Bauwerk keine spezifische Anforderung dar. Das neue Abzug-System weist durch seine geringen Realisierungs- und Betriebskosten auch nachhaltige Vorteile auf und hat sich im Schweizer Raum bereits mehrfach bewährt.

Identes Turbinenpaar
Das Krafthaus baute man unterhalb der Landstraße bei Biel und oberhalb des Mündungsbereichs des Walibaches. Es befindet sich immer noch auf einer beträchtlichen Höhe von 1.290 m ü.d.M. Zwecks Integration in die alpine Landschaft wurde das Gebäude halb unterirdisch angelegt und fügt sich somit dezent in das Landschaftsbild ein. Auch in punkto Lärmemission weist diese Bauweise erhebliche Vorteile auf. Bei den inneren Werten setzten die Betreiber auf ein identes Maschinenpaar aus dem Hause Troyer AG. Mit den Niedrigwassermengen ging es sich gerade noch aus, dass zwei baugleiche Turbinen verwendet werden können.

„Dies ist vor allem in Hinsicht auf den Unterhalt von Vorteil. So ist keine doppelte Ersatzteillagerung nötig“, so Eiting.

Die Durchflussmenge beider Turbinen beträgt je 265 l/s. Bei einer Netto Fallhöhe von  772 m und einer Turbinenleistung von jeweils 1.810 kW erwarten die Betreiber eine Jahresarbeit von 12 GWh. Zwei Synchron-Generatoren aus dem Hause Hitzinger mit einer Leistung von jeweils 2.300 kVA sind direkt an die Turbinen angeschlossen und arbeiten mit 1.000 Upm. Im November 2013 konnten die Bauarbeiten schließlich erfolgreich abgeschlossen werden und die Anlage in den Testbetrieb übergehen.

„Aufgrund der problemlosen Verlegung der Rohre konnten die zuerst veranschlagten Kosten von ca. 15 Mio. CHF mit einer Endabrechnung von 13,5 Mio. CHF unterschritten werden“, zeigte sich Eiting sehr erfreut.

Der Probebetrieb verlief ohne größere Probleme, jedoch bemerkte man eine erhöhte Abnutzung der Laufradbecher. So wurde entschieden, dass man diese nachträglich noch beschichten lässt. Hier zeigte sich bereits der Vorteil des identen Maschinenpaares. Da nur ein Ersatzrad nötig ist, können Kosten eingespart und der Betrieb der Anlage ohne größere Unterbrechungen aufrecht erhalten bleiben.

Ökologische Ausgleichsmaßnahmen
Grundsätzlich ist der Walibach aufgrund seiner extremen Neigung und Fließgeschwindigkeit kein natürliches Fischgewässer. Im Mündungsbereich wird der Walibach jedoch mit Besatzfisch als Fischereigewässer genützt. Deshalb wurde mit den Umweltverbänden vereinbart, die Fischdurchgängigkeit vom Mündungsbereich bis zur Rückgabestelle am Krafthaus zu gewährleisten. Hier sorgten Sedimentablagerungen für eine natürliche Schwelle, welche die Fische nicht überwinden können. Deshalb wurde eine Trockenrinne als Bypass angelegt.

Als weitere ökologische Ausgleichsmaßnahme wird das Auenschutzgebiet im Mündungsbereich aufgewertet. An der Umsetzung dieser wird derzeit noch gearbeitet. Die offizielle Eröffnung des Kraftwerkes erfolgte am 30. Mai 2014.

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