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Italienisches Kraftwerk Jovencan setzt zur Stromgewinnung auf österreichische Technik5 min read

24. September 2018, Lesedauer: 3 min

Italienisches Kraftwerk Jovencan setzt zur Stromgewinnung auf österreichische Technik5 min read

Lesedauer: 3 Minuten

Innerhalb einer rund sechsmonatigen Bauzeit wurde 2016 in der nordwestitalienischen Region Aostatal das Wasserkraftwerk Jovencan in der gleichnamigen Gemeinde errichtet.

Die Anlage wurde an einem Ausleitungskanal des Gewässers Dora Baltea angelegt und nutzt eine maximale Ausbauwassermenge von 25 m³/s sowie eine Bruttofallhöhe von 3,5 m. Umgesetzt wurde das Projekt vom italienischen Projektentwickler „E++“ in enger Zusammenarbeit mit dem österreichischen Wasserkraftspezialisten GUGLER Water Turbines GmbH. Die Österreicher, die für E++ in der jüngeren Vergangenheit bereits mehr als zehn Wasserkraft-Projekte realisiert hatten, lieferten mit der horizontalen Kaplan-Turbine in Bulb-Bauweise das Herzstück der neuen Anlage. Bei vollem Wasserdargebot schafft der vom Triebwasser komplett umspülte Maschinensatz eine Engpassleistung von 763 kW. Der erzeugte Strom wird zur Gänze ins öffentliche Netz eingespeist. Im Regeljahr produziert die äußerst unauffällig ins Landschaftsbild integrierte Anlage rund 3 GWh Ökostrom.

Die Region Aostatal befindet sich im Nordwesten von Italien und wird an ihren Außengrenzen von der Schweiz, Frankreich sowie der italienischen Provinz Piemont umrahmt. Mit einer Größe von 3.262 km² und knapp 127.000 Einwohnern ist das in politischer Hinsicht mit einem autonomen Sonderstatut ausgestattete Aostatal die sowohl flächen- als auch bevölkerungsmäßig kleinste Region Italiens. Dank ihres Wasserreichtums und der gebirgigen Topographie bietet die Region ideale Bedingungen zur Stromgewinnung aus der Kraft des Wassers. Davon zeugen Großkraftwerke wie das 1921 errichtete Speicherkraftwerk Champagne sowie eine Vielzahl von Anlagen unterschiedlicher Leistungsstufen. Mit einem Einzugsgebiet von 3.920 km² ist der sich auf einer Gesamtlänge von 160 km Richtung Po erstreckende Dora Baltea der dominierende Wasserlauf des Aostatals und wird seit langen Jahren zum Betrieb einer ganzen Reihe von Wasser­kraftwerken genutzt.

Wasserfassung mit Seitenentnahme
Das Ende 2016 fertig gestellte Kraftwerk Jovencan auf dem Gebiet der gleichnamigen Gemeinde zählt zu den jüngsten Kleinanlagen im Aostatal. Entwickelt und umgesetzt wurde das Projekt von dem im erneuerbare Energiesektor tätigen italienischen Unternehmen „E++“. Der Auftrag erfolgte durch einen privaten Betreiber und umfasste die Lieferung und Montage der kompletten elektrohydraulischen Kraftwerksausstattung und Leittechnik. Das Anlagenschema des Neubaus basiert auf dem klassischen Ausleitungskonzept. Zur Stromerzeugung wird der Dora Baltea im Ortsteil „Les Iles“ mittels einer beweglichen Wehrklappe aufgestaut und das Triebwasser durch eine seitliche Entnahme ausgeleitet. Zum Schutz vor Treibgut und Geschwemmsel ist der großzügig dimensionierte Einlaufbereich mit einem fischfreundlichen horizontalen Feinrechen ausgestattet. Für optimale Zulaufbedingungen sorgt eine ebenso horizontal arbeitende Rechenreinigungsmaschine mit Pegelregelung. Die Turbinierung und anschließende Rückleitung des abgearbeiteten Triebwassers in den Dora Baltea erfolgt zur Gänze unterirdisch.

Stromproduktion unter der Erde
Dank umfassender Vorplanung konnte die Bauphase innerhalb von rund sechs Monaten abgeschlossen werden. Während die Betonarbeiten von lokalen Unternehmen ausgeführt wurden, setzte E++ bei der Fertigung des Turbinensatzes auf das Know-how der österreichischen GUGLER Water Turbines GmbH. Gemeinsam haben GUGLER und E++ in den vergangenen acht Jahren im italienischen Raum bereits mehr als zehn Kleinwasserkraftprojekte erfolgreich realisiert, erklärt GUGLER-Projektleiter Nihad Suljagic und führt noch weiter aus, dass der im März 2016 erteilte Auftrag zur Fertigung einer Kaplan-Turbine in Bulb-Bauweise eine technische Premiere in der Zusammenarbeit der beiden Unternehmen darstellte. Aufgrund der behördlichen Auflagen zum Erhalt des Landschaftsbildes durfte die Turbinierung keinesfalls in einem oberirdischen Krafthaus durchgeführt werden. Dies erforderte den Einsatz einer unterirdisch montierten Bulb-Turbine, bei welcher der direkt mit der Turbinenwelle gekoppelte Generator vom Triebwasser umspült wird. „Die doppelt regulierte Maschine ist zwar primär für den Teillastbetrieb ausgelegt, erreicht aber auch zur wasserintensiven Schneeschmelze während der Frühlingsmonate durchwegs hohe Wirkungsgrade“, sagt Projektleiter Suljagic.

Turbine vormontiert auf die Baustelle
Die Planung, Konstruktion und Montage des horizontal verbauten Maschinensatzes erfolgte gemäß den Vergaben von E++ zur Gänze durch GUGLER. Insgesamt stehen der Turbine als grundlegende energetische Voraussetzungen eine maximale Ausbauwassermenge von 25 m³/s sowie eine Bruttofallhöhe von 3,5 m zur Verfügung. Bei idealen Zuflussbedingungen erreicht die Maschine somit eine Engpassleistung von 763 kW. Das mit drei Flügeln bestückte Laufrad hat einen Durchmesser von 2.100 mm und dreht pro Minute mit 188 Umdrehungen. Als Energiewandler dient ein ebenfalls mit 188 U/min drehender Permanentmagnet-Generator in wasserdichter Ausführung. Um den Einbau des Maschinensatzes bei begrenzten Platzverhältnissen zu ermöglichen, musste der Laufradring der Turbine in zweigeteilter Variante gefertigt werden. Beim finalen Einbau wurde der werksseitig komplett vormontierte Maschinensatz von einem Schwerlastkran eingehoben und innerhalb weniger Stunden fertig montiert. Zusätzlich wurde dem Thema Wartungsfreundlichkeit beim Turbinendesign hohe Priorität eingeräumt, ergänzt Suljagic: „Der Lieferumfang beinhaltete eine spezielle Demontage-Vorrichtung für den Generator, die sich mit Rollenlagern ausrüsten lässt und somit einen unkomplizierten Ausbau der tonnenschweren Maschine bei Wartungstätigkeiten sicherstellt.“

Inbetriebnahme vor dem Jahreswechsel
Die komplette elektro- und leittechnische Anlagenausstattung inklusive Transformatoren wurde von E++ in Eigenregie umgesetzt. Dem Stand der Technik entsprechend erfolgt die Stromproduktion des Kraftwerks Jovencan vollautomatisch. Mittels Onlineanbindung stehen dem Betreiber jederzeit  umfangreiche Informationen über den aktuellen Status der Anlage zur Verfügung. Die Stromgewinnung der Ende 2016 erstmals in Betrieb genommenen Anlage erfolgt optisch äußerst diskret. Nur ein kleines Gebäude, in dem die elektrotechnischen Komponenten untergebracht wurden, gibt einen Hinweis auf die unterirdisch arbeitende Turbine. Auch die Gestaltung der Wasserfassung orientierte sich weitestgehend am natürlichen Erscheinungsbild des Uferbereichs. Im Regeljahr erzeugt die Anlage durchschnittlich rund 3 GWh Ökostrom, der vom Betreiber zur Gänze ins öffentliche Stromnetz eingespeist wird. Damit kann umgerechnet der jährliche Strombedarf von rund 500 durchschnittlichen Haushalten abgedeckt werden. Die Kaplan-Turbine in Bulb-Ausführung hat sich laut Suljagic seit ihrer Erstinbetriebnahme bestens bewährt. Davon ist offensichtlich auch der Betreiber überzeugt, bereits Ende 2017 ging in nur zwei Kilometer Entfernung das nächste Wasserkraftwerk mit einer Bulb-Turbine von GUGLER in Betrieb.

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