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„Thermorüssel“ speist Durchström-Zwillinge5 min read

17. Feber 2015, Lesedauer: 3 min

„Thermorüssel“ speist Durchström-Zwillinge5 min read

Lesedauer: 3 Minuten

An der Großen Dhünn-Talsperre in Nordrhein-Westfalen, einer der größten Trinkwassertalsperren Deutschlands mit einem Fassungsvermögen von 81 Mio. m³, wurde zum …

Jahreswechsel ein sowohl ökologisch als auch energietechnisch höchst wertvolles Projekt umgesetzt. Im Rahmen der seit Mai 2014 durchgeführten Bauarbeiten am Entnahmeturm wurde ein sogenannter „Thermorüssel“ zur Verbesserung der Laichbedingungen der Fische am Unterlauf installiert. Diese zusätzliche Entnahmeleitung an der Talsperre speist als Nebeneffekt auch zwei neu installierte Ossberger-Turbinensätze am Fuß des 66 m hohen Entnahmeturms, bevor das optimal temperierte Wasser in den Unterlauf der Dhünn abgegeben wird. Mit den beiden Durchströmturbinen wird jährlich rund 1 Mio. kWh sauberer Strom erzeugt.

Der mit einer Temperatursonde ausgestattete schwenkbare Entnahmearm (Thermorüssel) verfügt über einen vertikalen Aktionsradius von insgesamt 14 m und ist dadurch in der Lage, Wasser aus unterschiedlichen Niveaus zu entnehmen. Mit dieser technischen Sonderlösung lässt sich anstatt des ganzjährig bisher zu kalten Tiefenwassers des Speichers zukünftig Wasser aus höher gelegenen, wärmeren Schichten an die Dhünn abgeben. Dadurch verbessern sich die Lebensbedingungen für alle Tier- und Pflanzenarten unterhalb der Talsperre, welche vom Wupperverband betrieben wird. Ein kluger Aspekt des Bauvorhabens im Rheinisch-Bergischen Kreis besteht in der Nutzung des energetischen Potentials der Talsperre, welche von Anfang an in der Planung vorgesehen war. Dabei überzeugte die Projektverantwortlichen bei der Ausschreibung der Maschinensätze das Konzept der Durchströmturbinen des etablierten Herstellers Ossberger, der über 100 Jahre Erfahrung im Wasserkraftsektor verfügt. Das optimal temperierte Wasser wird vor der Abgabe an die Dhünn über eine eigens errichtete Druckrohrleitung den neuen Turbinensätzen, die sich im Fuß des Entnahmeturms befinden, zugeführt. Somit wird als Nebeneffekt der ökologischen Maßnahme auch noch umweltfreundlicher Strom für 290 Haushalte erzeugt.

Zweifache Herausforderung
Jörg Werner, technischer Geschäftsführer der Coswiger Tief- und Rohrleitungsbau GmbH aus Dresden, welche das Projekt federführend umgesetzt hat, berichtet von den größten Herausforderungen der baulichen Maßnahmen: „Besonders heikel waren sicherlich die Montagearbeiten des Thermorüssels, welche von Tauchern durchgeführt wurden. Und natürlich die beengten Platzverhältnisse im Entnahmeturm bei den Vorbereitungen zum Anschluss der neuen Entnahmeleitung und Turbinen.“
Vorteilhaft für die Taucherarbeiten sollten sich die schneearmen Winter der vergangenen beiden Jahre erweisen, welche eine nur mäßig gefüllte Talsperre nach sich zogen. Somit konnten die notwendigen Schritte zur Montage des Temperaturrüssels an der Außenseite des Entnahmeturms die meiste Zeit in einer relativ geringen Tiefe von lediglich 3 m erledigt werden. Dabei wurde von Tauchern zuerst außen eine Schutzvorrichtung zum Durchbohren der 80 cm starken Wand von innen angebracht und nach erfolgter Rohrdurchführung das Drehgelenk des Entnahmearms montiert.

Es geht nach unten
Weniger feucht, aber nicht minder anspruchsvoll waren die Arbeiten im Inneren des insgesamt 66 m hohen Entnahmeturms. „Die Standleitung DN 700 wurde in Höhe von 50 m frei montiert, da mussten die Monteure natürlich durch eigens errichtete Stahltraversen vor dem Absturz geschützt werden“, erklärt Jörg Werner die Schwierigkeiten der Montage. Die Entnahmeleitung wird nach der Wanddurchführung parallel zu den Rohwasserentnahmesträngen DN 1200 zur Trinkwasseraufbereitung nach unten geführt. Dabei mussten von den Dresdner Rohrleitungsspezialisten am Grund des Entnahmeturms bei äußerst beengten Platzverhältnissen komplexe Schweißarbeiten ausgeführt werden.
Einerseits, um den sich auf DN 500 verjüngenden Entnahmestrang in das Rohrsystem einzubinden und andererseits um die Flanschanschlüsse für die in den Grundablässen positionierten Turbinensätze herzustellen. Die Regulierung der Abflussmenge an der neuen Entnahmeleitung erfolgt über die Turbinensteuerung und die bestehenden Regelarmaturen der Grundablässe.

Solide Technik
Am Grund des Entnahmeturms kommen zwei patentierte Ossberger Durchströmturbinen mit einer Durchflussmenge von jeweils 0,4 m³/s Wasser zum Einsatz, welche mit 610 U/min drehen. Diese sind neben ihrer kompakten und robusten Bauweise durch das selbstreinigende trommelförmige Laufrad zudem noch äußerst wartungsarm. Außerdem wird durch den mehrzelligen Aufbau über den gesamten Durchflussbereich ein optimaler Wirkungsgrad gewährleistet.
Die Turbinen werden bei einer Leistung von jeweils 140 kW und einer vom Wasserstand der Talsperre abhängigen Fallhöhe zwischen 35 und 45 m jährlich eine Strommenge von etwa 1 Mio. kWh produzieren. Vorgenommen wurde der reibungslose Einbau der Turbinensätze selbstverständlich von den Profis der Firma Ossberger, welcher in einem Zeitraum von 3 Wochen erfolgte. An der Großen Dhünn-Talsperre geht damit die 7. Wasserkraftanlage des Wupperverbandes ans öffentliche Netz und bildet somit einen weiteren zentralen Baustein in seinem Energiemanagement.

Förderungswürdiges Projekt
Die Kosten der zweifachen Aufrüstung der Talsperre beliefen sich auf insgesamt 1,5 Mio. Euro, wobei die Installation des Thermorüssels etwa 885.000 Euro ausmachte. Weil es sich dabei um ein neuartiges Projekt für den Lebensraum Dhünn und deren Fischfauna handelt, wurde der Bau des Thermorüssels zu 100 % vom Europäischen Fischereifonds (EFF) gefördert – aufgeteilt zu jeweils 50 % von der EU und 50 % vom Land Nordrhein-Westfalen. Die Kosten für die Wasserkraftanlage hingegen betrugen etwa 630.000 Euro und wurden aus Mitteln des Programms „Progress – NRW“ des Bundeslands mit einer Förderung von 133.000 Euro bedacht.
Besonders erfreut über das Projekt sind vor allem Naturschützer und Ökologen. Durch den Einsatz des Thermorüssels wird ein Temperaturanstieg im Unterlauf der Dhünn auf etwa 16 bis 18 Grad erwartet. Damit verbessern sich die Lebensbedingungen des Gewässers enorm, wodurch auf die Ansiedelung ganz neuer Fischarten wie Äschen, Schneider oder Elritzen gehofft werden darf.
Zum Winterbeginn befand sich das Projekt an der zwischen 1975 und 1985 errichteten Großen Dhünn-Talsperre in der Endphase. Anfang November wurde der elektrische Anschluss der neuen Wasserkraftanlage hergestellt und in das bestehende Prozessleitsystem der Talsperre eingebunden. Parallel dazu wurde die Temperaturerhöhungsleitung erstmalig in Betrieb genommen. Der Übergang in den Regelbetrieb erfolgte nach der durchgeführten Testphase zum Jahreswechsel.

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