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Tiroler Wasserkraft-Container überzeugen bei Premiere im mittleren Osten6 min read

5. August 2019, Lesedauer: 4 min

Tiroler Wasserkraft-Container überzeugen bei Premiere im mittleren Osten6 min read

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Mit der Lieferung von fünf in Containern vormontierten Kleinkraftwerken für den Einsatz in der Trinkwasserversorgung der iranischen Stadt Semnan hat der Wasserkraft-Allrounder Geppert ein weiteres Projekt im mittleren Osten erfolgreich abgeschlossen.

Von der im März 2018 erhaltenen Auftragsbestätigung bis zur kundenseitigen Abnahme Ende Juni mussten die anschlussfertigen Maschinensätze inklusive Generatoren und Hydraulikaggregaten innerhalb von weniger als vier Monaten von Grund auf konstruiert und gefertigt werden. Die von Geppert erstmals als Container-Variante ausgeführten Plug-and-play-Lösungen stellten vor allem hinsichtlich des knappen Zeitplans eine Herausforderung dar. Zur Stromgewinnung dienen fünf ultrakompakt entworfene Pelton-Turbinen mit vertikalen Wellen in jeweils 5- und 4-düsiger Ausführung. In Summe schaffen die leistungsstarken Kleinkraftwerke eine Engpassleistung von über 3 MW, die gesamte Jahresproduktion speisen die Betreiber direkt ins öffentliche Netz ein. Gleich nach der Ankunft vor Ort konnten die Container wie geplant innerhalb kürzester Zeit angeschlossen und in Betrieb gesetzt werden. Hersteller Geppert will das vielseitige und kostengünstige Container-System zukünftig noch stärker forcieren.

Bereits 2017 hatten die Tiroler Turbinenbauer für den Auftraggeber Roshd Sanat, ein in den Bereichen Energie, Bau und Industrie tätiger iranischer Konzern, die Komplettausstattung für ein Trinkwasserwasserkraft geliefert. Nahe der Millionenstadt Qom im Norden des Landes wurde an der bestehenden Haupt-Trinkwasserleitung ein Kraftwerk mit einer auf knapp 3,5 MW Engpassleistung ausgelegten Francis-Spiralturbine errichtet. Bei dem 2018 in Rekordzeit umgesetzten Projekt Ruzieh – benannt nach der Trinkwasserquelle „Ruzieh Springs“ – sollte ebenfalls das bislang ungenutzte Energiepotential einer vorhandenen Trinkwasserleitung zur Stromproduktion genutzt werden. Anders als beim Kraftwerk Qom beinhaltete das Projekt im Umland der rund 270 km weiter nordöstlich gelegenen Stadt Semnan die Fertigung von gleich fünf in Containern vormontierten Maschinensätzen. Diese Wasserkraft-Container sollten verteilt auf mehre Standorte entlang einer primären Trinkwasserleitung platziert werden, wozu Roshd Sanat einen entsprechenden Vertrag mit der Semnan-Wasserversorgung geschlossen hatte.

Auftrag mit engem Zeitkorsett
Die Planungen sahen vor, die einzelnen Container jeweils bei vorhandenen Zwischenspeichern der Trinkwasserleitung einzubauen. Das Station 1 genannte oberste Kraftwerk wurde bei einem Reservoir auf einer Seehöhe von 2.146 m installiert, das unterste Kraftwerk befindet sich auf 1.316 m. Bis auf Station 4, bei der die Auftraggeber eine Pump-­Turbine installierten, wurden sämtliche Maschinensätze von Geppert geliefert. Geppert-Projektleiter Ulrich Ruggenthaler nennt rückblickend die zeitliche Komponente als größte Projektherausforderung: „Nachdem wir die Auftragsbestätigung im März 2018 erhalten hatten, standen aufgrund des vom Kunden festgelegten Auslieferungstermins Ende Juni weniger als vier Monate für die Konstruktion, Fertigung und Werksmontage zur Verfügung. Darüber hinaus war es für uns auch eine Premiere, dass die Maschinensätze in Containern verbaut werden mussten.“ Ruggenthaler ergänzt, dass aufgrund der guten Auftragslage bei den Sub-Lieferanten auch die fristgerechte Anlieferung der zugekauften Komponenten wie Generatoren und Hydraulikaggregate keine Selbstverständlichkeit darstellte.

Kompakte Technik in Containern verbaut
Beim Verbau der Wasserkraftkomponenten in die eigentlich für Transportzwecke hergestellten Container mussten mehrere zentrale Bedingungen beachtetet werden. Die Turbinengehäuse, welche aufgrund der limitierten Platzverhältnisse nicht mit ansonsten üblichen äußeren Ringleitungen ausgeführt werden konnten, wurden als hochkompakte Einheiten gefertigt. Im Vorfeld durchgeführte computergestützte Strömungsanalysen hatten bestätigt, dass auch mit den komprimierten Turbinengehäusen optimale Werte hinsichtlich Funktionalität und Wirkungsgrad erzielt werden konnten. Das gewählte Design ermöglichte es außerdem, das Gehäuse fünfmal in identischer Ausführung herzustellen, die Anpassungen bei den einzelnen Turbinen beschränkten sich größtenteils auf Bauteile wie Düsennadeln oder entsprechende Mundstücke. Die wasserberührten Komponenten der Turbinen, wie die aus Monoblöcken gefrästen Pelton-Laufräder, wurden zur Gänze aus Edelstahl mit Lebensmittelzertifizierung gefertigt. Damit die Maschinensätze im Betrieb den einwirkenden Kräften optimal standhalten können, wurden diese auf stabile Rahmenkonstruktionen montiert. Zusätzlich wurde eine spezielle Konstruktion für die Montage der Fundamentplatte angefertigt. Beim Einbau wurden die Montagerahmen sowie die Bodenkonstruktionen der Container vor Ort mit den Betonfundamenten vergossen. Ein weiteres Augenmerk legten die Konstrukteure auf den Luftaustausch und die Wärmeabfuhr innerhalb der Metallcontainern. Dazu wurden sämtliche Generatoren mit eigenen Abluftschächten ausgestattet, wodurch die erwärmte Luft im Betrieb direkt ins Freie entströmt. Für die Frischluftzufuhr sorgen jeweils zwei separate Lüftungsschlitze in den Containergehäusen, das unvermeidlich an den Turbinengehäusen entstehende Schwitzwasser kann somit optimal verdunsten.

Engpassleistung bis zu 745 kW
Bis auf die Anzahl der Düsen – zwei Turbinen wurden jeweils in 5-düsiger Ausführung, drei Turbinen in 4-düsiger Ausführung ausgeliefert – wurden grundsätzlich baugleiche Maschinen gefertigt. Bedingt durch die beschränkten räumlichen Verhältnisse in den Containern hatten sich die Konstrukteure bei der Düsenregelung für eine platzsparende hydraulisch-mechanische Ausführung entschieden. Mittels eines Hydraulik-i zylinders werden die über ein stabiles Gestänge bewegten Düsennadeln punktgenau geregelt. Der Zylinder ist an ein ebenfalls in den Containern verbautes Hydraulikaggregat angeschlossen, welches gleichzeitig die Strahlablenker und die Notschlussklappen der Anlagen regelt. Zur Stromproduktion steht jeder Turbine eine Ausbauwassermenge von 500 l/s zur Verfügung, die nutzbaren Gefällestufen variieren zwischen 147 m und 189 m. Die 5-düsigen Turbinen drehen mit jeweils 750 U/min, die 4-düsigen Ausführungen kommen auf eine Drehzahl von 1.000 U/min. Bei vollem Wasserdargebot schaffen die Turbinen Engpassleistungen zwischen 499 kW und 745 kW. Als Energiewandler dienen fünf jeweils in vertikaler Richtung direkt mit den Turbinenwellen gekoppelte Synchron-Generatoren des Herstellers Marelli Motori. Die Generatoren drehen mit der exakt selben Drehzahl wie die Turbinen und wurden jeweils mit einer Anschlussspannung von 400 V ausgeführt. Bei den 5-düsigen Maschinen kommen die Generatoren auf eine Nennscheinleistung von zweimal 560 kVA, die 4-düsigen Maschinensätze wurden jeweils mit zwei 800 kVA und einem 630 kVA Generator bestückt. Komp­lettiert wurden die technische Innenausstattung der Container durch die Hydraulikaggregate. Die Turbinenregler, Nieder­spannungseinrichtungen und Transformatoren wurden an den Aufstellungsorten in jeweils separaten Gebäuden untergebracht.

Reibungslose Montage
Die Auslieferung der zuvor noch werksseitig vom Auftraggeber abgenommenen Wasserkraft-Container erfolgte wie vertraglich vereinbart Anfang Juli 2018. Auf dem Landweg ging es für die Wasserkraft-Container „Made in Tyrol“ auf die Tausende Kilometer umfassende Reise in den mittleren Osten. Aufgrund von Komplikationen bei der Verzollung verzögerte sich die Ankunft der Container in Semnan um mehrere Tage. Laut Projektleiter Ruggenthaler, der die Montage und Inbetriebsetzung zwischen Ende August und Anfang September vor Ort begleitet hat, erwies sich die Container-Ausführung als äußerst praktikabel. „Im Gegensatz zu einer großen Maschinenhalle mit mehreren Einzelkomponenten hat man bei den kompakten Wasserkraft-Containern nur eine einzelne Einheit, die man beim Einbau primär im Auge behalten muss. Dadurch konnte die Montage, bei der bis zu 40 Personen gleichzeitig beschäftigt waren, in sehr kurzer Zeit umgesetzt werden. Zum Zeitpunkt meiner Abreise am 7. September hatten allen Anlagen den Betrieb aufgenommen.“

Container-Lösung hat Zukunft
Wie beim Trinkwasserkraftwerk Qom wurde auch beim Projekt Ruzieh der Turbinenregler und die leittechnische Ausstattung vom auf die Automatisierung von Wasserkraftwerken spezialisierten kroatischen Unternehmen Pro Integris ausgeführt. Die Anlagensteuerung basiert auf einem SCADA-System und ermöglicht wahlweise den vollautomatischen oder manuellen Betrieb der Stationen. „Die Herausforderung bei der Steuerung stellte sich dergestalt dar, dass die Stromproduktion der Wasserkraftwerke und die Trinkwasserversorgung aufrechterhalten werden musste. Grundsätzlich hat natürlich die Trinkwasserversorgung Vorrang, weswegen zur Stromproduktion immer nur so viel Wasser verwendet werden kann, wie es die vorgegeben Pegelstände der einzelnen Reservoirs erlauben“, erklärt Ruggenthaler. Bei einem kompletten Stillstand der einzelnen Stationen öffnen sich in Sekundenschnelle entsprechende Bypass-­Systeme und gewährleisten somit jederzeit die Versorgung mit Trinkwasser. Via Online-Anbindung können die Kraftwerke komplett aus der Ferne überwacht und geregelt werden, zusätzlich ermöglichen in den Nebengebäuden installierte Steuerungspanels die Kontrolle der Anlagen vor Ort.
Bei Geppert zeigt man sich aufgrund der guten Erfahrungen beim Projekt Ruzieh äußerst zuversichtlich, was die Zukunft der Wasserkraft-Container angeht. Die Turbinenbauer sind überzeugt, dass die kostengünstigen Kraftwerkseinheiten zukünftig vermehrt zur elektrischen Versorgung entlegener Regionen eingesetzt werden können.

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