Ökologie Projekte

Kössler stellt Kaplan-Kompetenz am Balkan unter Beweis9 min read

8. Juni 2020, Lesedauer: 6 min

Kössler stellt Kaplan-Kompetenz am Balkan unter Beweis9 min read

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Im April letzten Jahres wurde ein neues prestigeträchtiges Kleinwasserkraftwerk im Westen von Bosnien & Herzegowina ans Netz genommen.

Das Flusskraftwerk Glavica, das am Ufer des Flusses Pliva errichtet wurde, glänzt vor allem durch seine maschinentechnische Ausrüstung, die vom niederösterreichischen Voith Tochterunternehmen Kössler geliefert wurde. Zwei baugleiche doppeltregulierte Kaplanturbinen mit einer Ausbauleistung von jeweils 813 kW stellen dabei eine zuverlässige und zugleich effiziente Stromproduktion sicher. Im Regeljahr liefert die neue Ökostromanlage immerhin 9,5 GWh sauberen Strom ans bosnische Netz.

Seit der Liberalisierung des Energiemarkts Anfang 2015 ist Bewegung in die erneuerbaren Energien in Bosnien & Herzegowina gekommen. Derzeit liegt der EE-Anteil bei circa 40 Prozent am Brutto-End- energieverbrauch. Damit liegt man im Vergleich zu einigen Nachbarländern sehr gut. Generell ist das kleine Land am Balkan durchaus leistungsstark in Sachen Energieerzeugung aufgestellt. Die Gesamtproduktion aller Anlagen zur Elektrizitätsgewinnung liegt bei etwa 17 Mrd. kWh. Das bedeutet, dass das Land 143 Prozent des Eigenbedarfs produziert und somit per definitionem energieautark ist. Als wichtigste Energiequellen Bosnien & Herzegowinas gelten Kohle und Wasserkraft, wobei derzeit noch rund doppelt so viel Strom aus Kohle als aus Wasserkraft stammt. Dennoch: Ein knappes Drittel der Stromerzeugung Bosnien & Herzegowinas liefert die Wasserkraft, deren Potenzial offiziellen Angaben zufolge erst zu rund 40 Prozent ausgeschöpft ist. Es ist davon auszugehen, dass die Wasserkraft schon bald der wichtigste Leistungsträger des kleinen Landes sein wird.

Technik aus Niederösterreich
Ein echtes Vorzeigebeispiel für moderne Wasserkraftnutzung wurde erst im Frühjahr dieses Jahres im Westen von Bosnien & Herzegowina ans Netz genommen: das Kraftwerk Glavica – ein Projekt mit Geschichte. Schließlich wurden bereits vor über 50 Jahren in den Zeiten des damaligen Jugoslawiens Pläne für den Bau eines Wasserkraftwerks an dem Standort gewälzt, der rund 2 Kilometer westlich der Stadt Šipovo gelegen ist. Diese Pläne sahen einen 30 Meter hohen Staudamm vor, der die Stauwurzel bis zurück zu den beiden Quellen des Flusses Pliva geschoben hätte – diese sind ungefähr 5 Kilometer vom Kraftwerksstandort entfernt. „An dieser Stelle wurden Vermessungen und geologische Tests auf beiden Seiten des Ufers durchgeführt. Davon ist heute noch ein 30 Meter langer Erkundungstunnel erhalten geblieben“, erklären die Betreiber der Projektgesellschaft BBB d.o.o. Šipovo gegenüber zek HYDRO. 1954 wurde am Standort eine Wassermessstation installiert. Über die folgenden drei Jahrzehnte wurden hier konstant und detailliert Wassermessungen vorgenommen, sodass der Standort laut BBB d.o.o. über eine der genaueren langfristigen Messungen im Vergleich zu anderen Wasserkraftprojekten in der Region verfügt. „Diese Messungen haben belegt, dass der Fluss Pliva einen der konstantesten Abflüsse in ganz Europa aufweist“, so die Projektbetreiber.

Möglichst naturverträgliches Projekt
„Das ursprüngliche Projekt hätte alle natürliche Schönheit am Standort bis zu den Quellen des Pliva zurück zerstört. Daher wurde später die Idee mit der 30 Meter hohen Staumauer fallengelassen. Schließlich ist der Pliva und seine Umgebung in diesem Bereich ein echtes Natur-Kleinod, das hohen Schutz genießt und auch verdient“, erklärt BBB d.o.o.. Noch vor dem Zerfall Jugoslawiens, Ende der 1980er Jahre, wurde erneut ein Wasserkraftprojekt am Standort ins Auge gefasst. Diesen Plänen zufolge wäre eine Kleinwasserkraftanlage mit einem 5 Meter hohen Querbauwerk und einer installierten Leistung von 0,97 MW geplant gewesen. Doch auch daraus sollte nichts werden. 2005 hatte die Regierung von Bosnien & Herzegowina eine öffentliche Ausschreibung für die Vergabe von Konzessionen für Kleinwasserkraftwerke an Flüssen in Bosnien & Herzegowina sowie der Republik Srpska gestartet. Die Konzession für den Standort   Glavica ging ein Jahr später an die Projekt- gesellschaft BBB d.o.o. Šipovo, die im Besitz der Familie Lujic stand. Nicht zuletzt weil   die Eigentümer der BBB d.o.o. selbst Einheimische sind, begann man nun mit großer Sorgfalt ein Konzept zu entwickeln, das eine maßvolle und naturverträgliche Wasserkraftnutzung ermöglichen sollte. Die Ökologie und die natürliche Schönheit des Pliva sollten dabei nicht beeinträchtigt werden. „Gemeinsam mit der Designfirma Encos aus Sarajevo haben wir den Konzeptentwurf weiterentwickelt und konnten dabei sowohl die landschaftsästhetischen und die ökologischen Aspekte des Flusses Pliva und seiner Umgebung als auch eine größere Ausnutzung des Wasserkraftpotentials als in den Plänen aus den 1980er Jahren auf einen Nenner bringen“, erklärt BBB d.o.o..

Leistungsplus gegenüber Altprojekt
Die neue Lösung von BBB d.o.o. und Encos sah nun einen Entwurf mit einer 235 Meter langen Längsschwelle vor, die das Wasser auf der linken Uferseite des Pliva in Richtung Wasserkraftwerk leitet. Diese Variante bedeutete eine Leistungssteigerung gegenüber dem Altkonzept auf etwa 1,5 MW. Auf der rechten Uferseite sorgen 18 kleinere Querschwellen, etwa 50 cm hoch und etwa 20 m lang, für eine reibungslose Fischmigration, flussaufwärts und flussabwärts. Ein weiterer Aspekt des Konzeptes betraf die Arbeiten im Unterwasserbereich. Dabei sollte das Flussbett auf eine Länge von 600 Meter vom über Jahrzehnte angesammelten Flussgeschiebe und Sediment befreit werden, was zu einer Steigerung der Nettofallhöhe von 1,5 m führen sollte. In weiterer Folge wurde der Projektentwurf dergestalt der Regierung und ihren Ministerien vorgestellt und letztlich in dieser Form akzeptiert. Dass es am Ende rund 10 Jahre dauerte, ehe man schließlich alle Genehmigungen für das Projekt auf dem Tisch hatte, lag vor allem daran, dass derartige Genehmigungsprozesse für die noch relativ jungen Behörden in gewisser Weise Neuland darstellten.

Sorgfältige Wahl der Lieferanten
Ein zentraler Punkt des Projektes umfasste selbstredend dessen Finanzierung, die man nicht ausländischen Investoren überlassen wollte. Dazu BBB d.o.o.: „Die Finanzierung konnte durch inländische Investoren realisiert werden, die Mittel aus eigenen Ressourcen bzw. Bankkrediten aufgestellt haben.“ Besonders wichtig war den Projektbetreibern in der Folge auch die Frage nach der Ausrüstung der Anlage. BBB d.o.o. vertrat dabei einen sehr klaren Standpunkt: „Da wir bei der Projektplanung größte Anstrengungen unternommen hatten, um umweltfreundlich und maximal umweltschonend zu planen, haben wir auch bei der Auswahl der Unternehmen für die Kraftwerksausrüstung größte Anstrengung und Sorgfalt walten lassen.  Neben dem Kostenpunkt waren die entscheidenden Kriterien Tradition, Erfahrung und hohe Qualitätsstandards in der Herstellung. Insgesamt haben wir Angebote von 12 Turbinenherstellern eingeholt. Nach eingehenden Überlegungen haben wir uns dann entschieden, das Kleinwasserkraftwerk mit den neuesten technischen Lösungen von Kössler, auszustatten, das auf unzählige Referenzen in ihrer 90-jährigen Unternehmensgeschichte verweisen konnte.“

Leistungsstark und Kompakt
 „Um die hydrologischen Bedingungen am Fluss Pliva optimal nutzen zu können, hat sich der Kunde für zwei vertikale doppeltregulierte Kaplanturbinen entschieden“, erzählt der Projektleiter aus dem Hause Kössler, Dipl.-Ing. Zijad Bajramovic. Das etablierte Turbinenbauunternehmen aus St. Georgen a. Steinfelde in Niederösterreich lieferte neben den beiden doppeltregulierten Kaplanturbinen auch die Generatoren sowie die gesamte Hydraulikanlage. Zudem war die Firma Kössler, die den gegenständlichen Auftrag im September 2017 erhielt, für die Supervision der Montage und die Inbetriebnahme verantwortlich. In allen Punkten konnten die Niederösterreicher dabei ihr Know-how unter Beweis stellen und den guten Ruf als kompetenter und erfahrener Partner in der Wasserkraft stärken. Dies bestätigen auch die Projektplaner von BBB d.o.o.: „Wir sind sehr froh darüber, diese technische Lösung sowie einen Turbinenhersteller gewählt zu haben, der uns während der gesamten Projektumsetzung mit seinen technischen Lösungen und Fachleuten begleitet hat.“ Ein wesentlicher Aspekt im Design der Turbinen betrifft deren Kompaktheit. „Der Schutz der Landschaft stellte eben ein wichtiges Kriterium für den Kunden dar. Das bedeutete in der Folge, dass es darum ging, die Höhe des Maschinenhauses möglichst gering zu halten. Dies gelang letztlich vor allem dank einer extra kompakten Bauweise der vertikalen Kaplanturbinen“, erklärt Zijad Bajramovic. Die Turbinen sind dabei so ausgeführt, dass das Turbinenlaufrad fliegend an der Generatorwelle angeordnet ist. Dadurch entfallen Lagerverluste, was – im Vergleich zur klassischen Ausführung einer vertikalen Kaplanturbine – zu einer Effizienzsteigerung der Anlage führt. Die zwei Maschinensätze sind auf eine Ausbauwassermenge von jeweils 14 m3/s sowie eine Bruttofallhöhe von 6,9 m ausgelegt. Die beiden baugleichen Turbinen treiben mit einer Drehzahl von 273 Upm pro Minute einen modernen, leistungsstarken Generator aus dem Hause Hitzinger an. Im Betrieb erreichen die doppeltregulierten Maschinen jeweils bis zu 813 kW Nennleistung.  

Herstellung und Montage vereinfacht
Beim Design der Turbinen setzten die Ingenieure von Kössler auf 4-flügelige Kaplan-Laufräder mit einem Laufraddurchmesser von knapp 1,6 m, um das Wasserdargebot optimal zu verarbeiten. Im Bestreben, stets am obersten Ende der Wirkungsgradmöglichkeiten zu agieren, können die Ingenieure der Firma Kössler beim Turbinendesign jederzeit auf bewährte Designs des Mutterkonzerns Voith zurückgreifen. Das ermöglicht bei mitunter schwierigen hydrologischen Bedingungen ein Maximum an maschinentechnischer Effizienz zu erreichen. Im konkreten Fall des KW Glavica stellt die verwendete Hydraulik des Typs VK4G eine Gemeinschaftsentwicklung von Voith und Kössler dar. „Die Herausforderung bestand darin, die Herstellungs- und Montageprozesse zu vereinfachen und gleichzeitig den hohen Wirkungsgrad der Voith Hydraulik so gut es geht beizubehalten“, erklärt dazu der zuständige Konstruktionsingenieur Jürgen Grill. Er verweist in diesem Zusammenhang auch darauf, dass das gesamte Maschinenkonzept neu überdacht und in Richtung höherer Montagefreundlichkeit überarbeitet worden ist. Durch dieses neue „Compact Design“ konnten sowohl die Montagezeit als auch die Betonierarbeiten – und somit die gesamte Fertigstellung markant beschleunigt werden.

9,5 GWh Ökostrom im Jahr
Durchaus speziell am Kraftwerk Glavica ist der relativ niedrige Ausbaugrad der Anlage. Das bedeutet, dass das Verhältnis zwischen der Ausbauwassermenge der Turbinen und der mittleren Wassermenge im Pliva vergleichsweise gering und somit der Nutzungsgrad hoch ist. An durchschnittlich 100 Tagen im Jahr laufen die Maschinen unter Volllast, der Gesamtnutzungsgrad des Wasserdargebots liegt bei 85 Prozent. Zijad Bajramovic: „Durch die relativ flach verlaufende Abflusslinie des Pliva Flusses kann ein Maschinensatz im Schnitt über 260 Tage im Jahr unter Volllastbetrieb betrieben werden.“ Heute, nachdem die Anlage seit April dieses Jahres am Netz ist, können die Projektentwickler von BBB d.o.o. Šipovo zufrieden resümieren: „Der Bau des Kraftwerks Glavica war aufwändig und anstrengend. Aber am Ende konnten wir eine wunderschöne Anlage realisieren – und es hat sich gelohnt.“
Im Regeljahr erzeugt das neue Laufkraftwerk rund 9,5 GWh sauberen Strom, womit mehr als 2.700 Durchschnittshaushalte in Bosnien & Herzegowina versorgt werden können. Damit trägt das Kraftwerk nicht nur dazu bei, die Ziele im Hinblick auf den Anteil der Erneuerbaren in dem Land am Balkan zu erreichen. Darüber hinaus ist es auch ein weiterer Baustein im Ausbau der Wasserkraft, die langfristig die Stromerzeugung aus Kohle ersetzen soll. In jedem Fall eine Anlage mit Modellcharakter. Für die Firma Kössler bereits die siebte von mittlerweile acht Wasserkraftanlagen in Bosnien & Herzegowina.

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