Projekte

Leistungsschub für Kärntner Kleinkraftwerk Tiefer Bach nach umfassender Revitalisierung7 min read

9. November 2020, Lesedauer: 5 min

Leistungsschub für Kärntner Kleinkraftwerk Tiefer Bach nach umfassender Revitalisierung7 min read

Lesedauer: 5 Minuten

In der Kärntner Gemeinde Radenthein wurde das Wasserkraftwerk Tiefer Bach im Vorjahr grundlegend saniert.

Damit die 2006 in Betrieb genommene Anlage im Zuge einer Effizienzsteigerung erneut den geförderten Ökostromtarif erhält, hatten sich die Anlagenbesitzer Jakob Forstnig jun. und der Energieversorger Kelag für eine umfassende Revitalisierung entschieden. Die durchgeführten Maßnahmen erstreckten sich von der Wasserfassung über die Druckrohrleitung bis hin zur Leittechnik sowie der Sanierung von Maschinensatz 1. Hauptverantwortlich für das erfolgreiche Projekt waren die Kärntner Turbinenbauer EFG sowie der für das Gutachten zuständige Erneuerbare Energien-Spezialist Christoph Aste. Bereits ohne die noch anstehende Revitalisierung von Maschinensatz 2 führte der Einsatz zu einer Steigerung des Regelarbeitsvermögens um beachtliche 16,68 Prozent.

Das sowohl im Sommer- als auch während der Wintersaison als Urlaubsdestination beliebte Nockgebiet im Westen der Gurktaler Alpen hat neben seinen landschaftlichen Vorzügen auch in Sachen Ökoenergieproduktion eine ganze Menge zu bieten. Im Kirchheimer Graben etwa, der sich als markanter Bergeinschnitt zwischen den Kärntner Gemeinden Bad Kleinkirchheim und Radenthein erstreckt, hat die Stromgewinnung aus Wasserkraft am Gewässer Tiefer Bach eine lange Tradition. Insgesamt vier Kleinwasserkraftwerke nutzen das energetische Potential des Wildbachs. Zuoberst in der Kraftwerkskette befindet sich das KW Twengbach, danach folgen das KW Kleinkirchheim, das KW Tiefer Bach sowie die 1920 erstmals in Betrieb genommene Anlage KW Untertweng. Bis auf die Erstgenannte stehen die Anlagen mehrheitlich im Besitz des Kärntner Energieversorgers Kelag. Bei den Kraftwerken Kleinkirchheim und Untertweng ist die Kelag zu 100 Prozent der Eigentümer, an der dazwischen befindlichen Anlage Tiefer Bach ist man zu 30 Prozent beteiligt. Die restlichen 70 Prozent der Tiefer Bach Kraftwerk GmbH & Co KG hält Jakob Forstnig jun., seines Zeichen Hotelier des 4-Sterne-Hauses Trattlerhof in Bad Kleinkirchheim.

Unterlieger 2015 neu gebaut
Schon der Großvater von Jakob Forstnig jun. hatte am Tiefer Bach ein Kleinkraftwerk betrieben. Sein Vater Jakob Forstnig sen. trieb die hydroenergetische Gewässernutzung noch weiter voran, dieser errichtete sowohl das Kraftwerk Kleinkirchheim als auch 2006 die Unterliegeranlage Tiefer Bach. Mit dem Bau des Kraftwerks Tiefer Bach änderten sich die Besitzverhältnisse des Oberliegers, dieser wurde von Forstnig an die Kelag veräußert, außerdem beteiligte sich der Energieversorger zu rund einem Drittel am Kraftwerk Tiefer Bach. Dessen Unterlieger, das Kraftwerk Untertweng, war von der Kelag bereits 2015 komplett erneuert worden. Im Zuge des Ersatzneubaus wurde der mehrere 1.000 m³ fassende Speichersee der Anlage aufgelassen und das Fassungsbauwerk in den Unterwasserkanal der Anlage Tiefer Bach integriert. Mit dieser Variante wird das abgearbeitete Triebwasser des Oberliegers nun von einem länglichen Schachtbauwerk direkt übernommen, darüber hinaus erzielte man dadurch einen Fallhöhengewinn von mehr als 20 m. In Kombination mit dem Maschinentausch von einer vormals auf Spitzenstromproduktion ausgelegten Francis-Turbine auf eine Zwei-Maschinenlösung konnte ein Leistungsplus von rund 25 Prozent erzielt werden.

Fördertarif im Visier
Rund vier Jahre später war schließlich beim Kraftwerk Tiefer Bach die Zeit für eine Generalsanierung gekommen. Diese sollte vom technischen Aufwand allerdings deutlich geringer ausfallen, schließlich ging die Anlage erst im Jahr 2006 in Betrieb: „Weil der bei der Fertigstellung gewährte Fördertarif kurz vor dem Auslaufen stand, haben wir uns ab 2018 mit dem Gedanken einer Anlagenrevitalisierung beschäftigt. Das Ziel der Sanierung bestand in einer Effizienzsteigerung des Kraftwerks um mindestens 15 Prozent, um somit erneut den geförderten Tarif beantragen zu können“, erklärt Betreiber Jakob Forstnig jun. In Absprache mit der Kelag wandte sich Forstnig an den Kärntner Ökoenergieexperten Christoph Aste, der mit seinem Ingenieurbüro „asteenergy“ eine Machbarkeitsstudie für die Sanierung des Kraftwerks Tiefer Bach erstellen sollte. Aste betont, dass Kraftwerksbetreiber mit einem entsprechenden Gutachten einen umfassenden Überblick darüber erhalten, welche technischen und ökonomischen Verbesserungen möglich sind.

Doppelte Maschinenlösung im Krafthaus
Bei der Anlage Tiefer Bach handelt es sich prinzipiell um ein klassisches Ausleitungskraftwerk, dessen Triebwasser direkt aus der Unterwasserführung des Oberliegers KW Kleinkirchheim entnommen wird. Von der Wasserfassung gelangt das Wasser über die 968,5 m lange GFK-Druckrohrleitung DN900, die sowohl erdverlegt als auch frei neben der Landstraße im Kirchheimer Graben verläuft, ins Krafthaus. In der Zentrale kommen zwei unterschiedlich leistungsstarke Francis-Spiral-Turbinen mit horizontaler Welle vom Kärntner Branchenspezialisten EFG als Stromerzeuger zum Einsatz. Maschine 1 wurde auf eine Ausbauwassermenge von 940 l/s ausgelegt, wodurch diese bei einer Nenndrehzahl von 1.500 U/min eine Engpassleistung von 505 kW im Netzparallelbetrieb erreicht. Die kleinere Maschine 2 hat ein Schluckvermögen von 560 l/s, bei ebenfalls 1.500 U/min kommt diese unter Volllast auf eine Engpassleistung von 324 kW. Als Energiewandler dienen zwei jeweils direkt gekoppelte Synchron-Generatoren.

Deutliches Optimierungspotential
Im Rahmen seiner 2018 erstellten Machbarkeitsstudie identifizierte Christoph Aste an den wesentlichen Anlagenkomponenten Potential zur Leistungssteigerung. Die zentralen Maßnahmen lassen sich in der Wiederherstellung der Nutzfallhöhe und der Erhöhung von Turbinen- und Generatorenwirkungsgrad zusammenfassen. Die starke Feingeschiebeführung der Kraftwerkskette hatte nach 12 Jahren Dauerbetrieb durch die Bank weitreichende Spuren hinterlassen. So war die Füllleitung der Absperrklappe blockiert, die Pegelsteuerung beschädigt und die Unterwasserkammer stark versandet. Um den Höhenverlust von rund 2 m auszugleichen, wurde die Unterwasserkammer entleert, die Bypass-Füllleitungen erneuert, die Tiefpunkte der Druckleitung und des Pegelschachts von Verschmutzungen befreit sowie die Endschalter überprüft. Um die Verschmutzungen im Triebwasserweg ausfindig zu machen, wurde die gesamte Ausleitungsstrecke mit einer mobilen Kamera vom Kärntner Unternehmen Rohrnetzprofis inspiziert und dokumentiert.

EFG sorgt für Turbinensanierung
Ein weiterer zentraler Revitalisierungsschritt bestand in der Sanierung von Turbine 1. Durchgeführt wurde diese direkt vom Hersteller EFG im unweit vom Kraftwerk gelegenen Unternehmenssitz in Feldkirchen. Ergänzend zu den Abnützungen durch den konstanten Sedimenttransfer war die Funktion der Francis-Maschine auch durch Verstopfungen von organischem Schwemmmaterial beeinträchtigt, was in weiterer Folge zu Wirkungsgrad- und Wasserverlusten führte. Festgestellt wurden außerdem Wasseraustritte an der Welle, eine Fehlfunktion des hydraulischen Reglers für die Leitapparat-Stellzeiten und die Verschmutzung der Laufradspalte. Das von den Revitalisierungsprofis von EFG durchgeführte Maßnahmenpaket beinhaltete die Sanierung der Labyrinthkammer mit gleichzeitiger Verbesserung der Wellendichtung, die Sanierung des Saugkrümmers, das Egalisieren der Laufradspalte, die Prüfung und Sanierung der Leitschaufeln, die Adaptierung des Turbinendeckels für die Druckmessung, die Adaptierung der Hydraulik zum Erreichen von verlässlichen Stellzeiten am Leitapparat sowie die Entfernung von Ästen, Tannenzapfen und anderem organischem Material. Dank der Generalüberholung konnte der Wirkungsgrad von Turbine 1 um mehrere Prozentpunkte gesteigert werden.

Generator überholt und Leittechnik aktualisiert
Auch der auf eine Nenndrehzahl von 1.500 U/min ausgelegte Drehstrom-Generator mit einer Spannung von 400 V sollte eine Generalüberholung erhalten. Die langjährige Einsatzdauer zeigte sich beim Energiewandler vor allem in Form von Ablagerungen, Lagerabnutzungen und Verschleißerscheinungen an den Isolatoren. Behoben wurden diese Mängel durch die gründliche Reinigung der Maschine, eine Isolationsprüfung, dem Wuchten und der Neulagerung der Antriebswelle sowie dem Ausbuchsen der Lagersitze.
In Sachen Leittechnik manifestierten sich die festgestellten Probleme vor allem in den häufigen Ausfällen der Kraftwerkssteuerung und einem fehlerhaften digitalen Regler für die Leitapparat-Servoventile. Die entsprechenden Maßnahmen an der Anlagenautomatisierung wurden von der Kelag in Eigenregie durchgeführt. Dazu zählen die Änderung der Notschluss-Ansteuerung, die Anpassung der Servoventil-Ansteuerung auf den PID-Regler, die automatische Wiederzuschaltung und die Optimierung der Maschinenfolgeschaltung im Parallelbetrieb. Zusätzlich zu der schon vor der Revitalisierung vorhandenen Fernüberwachungsmöglichkeit wurde die Steuerung nun auch mit einem Fernwartungszugang ausgestattet.

Revitalisierung macht sich bezahlt
Umgesetzt wurde die Revitalisierung Anfang 2019 während der Niederwasserperiode in den Monaten Jänner und Februar. Nach dem Abstellen von Maschine 1 wurde diese zur Gänze demontiert und zur Sanierung ins EFG-Werk nach Feldkirchen transportiert. Bereits Anfang März konnte die Anlage wieder in Betrieb gehen. Basierend auf den Vergleichszeitraum 1. März bis 30. Juni 2019 – während dieser Periode herrschte gemäß Aufzeichnungen eine vergleichbare Schüttung wie zwischen dem gleichen Zeitraum von 2008 bis 2018 – erstellte Christoph Aste sein finales Gutachten. Dabei wurde festgestellt, dass die maximale Leistung im Konsensbetrieb von 720,9 kW auf 792,6 kW um 9,95 Prozent gesteigert werde konnte. Noch deutlicher schlug sich der Erfolg beim Regelarbeitsvermögen nieder, dieses erhöhte sich im Vergleichszeitraum von vormals 1.293.730 kWh auf 1.509.503 kWh, was einer Steigerung von 16,68 Prozent entspricht. Das jährliche Regelarbeitsvermögen konnte im Zuge der durchgeführten Maßnahmen von 3.233 MWh/a auf 3.839 MWh/a erhöht werden. Aste betont, dass sich Revitalisierungsprojekte wie das Kraftwerk Tiefer Bach neben den technischen Optimierungen vor allem in ökonomischer Hinsicht sehr interessant darstellen: „Projekte dieser Art rechnen sich durch die Mehrerlöse des gesteigerten Regelarbeitsvermögens in Kombination mit dem geförderten Ökostromtarif sehr schnell. In Österreich herrscht diesbezüglich noch sehr viel Potential für Kleinwasserkraftbetreiber.“ Dies bestätigt Betreiber Jakob Forsting in seinem Resümee: „Die beteiligten Firmen haben alle sehr gut zusammengearbeitet. Das ist ein wichtiger Faktor, um den zeitlichen Rahmen eines derartigen Projekts wie geplant einzuhalten. Die Wichtigkeit der Fachberatung im Vorfeld kann ich nur hervorheben, weil somit in Abstimmung aller Parteien die richtigen Schritte gesetzt werden können. Wie sich bei unserem Projekt gezeigt hat, wurde damit das gewünschte Ergebnis erzielt.“

Teilen: