Ökologie Technik

Praktische Fischversuche an der DIVE-Turbine5 min read

14. April 2017, Lesedauer: 4 min

Praktische Fischversuche an der DIVE-Turbine5 min read

Lesedauer: 4 Minuten

Die bayerische DIVE Turbinen GmbH & Co. KG setzt sich bei der Planung von Wasserkraftanlagen intensiv mit dem Thema der fischfreundlichen Gestaltung auseinander.

Dabei gilt es, die turbinenbedingte Mortalitätsrate migrierender Fische abzuschätzen und auf ein absolutes Minimum zu reduzieren. Während für doppelt regulierte Kaplanturbinen einschlägige Formeln zur Berechnung der turbinenbedingten Mortalitätsrate existieren, konnte die Mortalität für drehzahlvariable Axialturbinen bislang nur sehr grob abgeschätzt werden. Im Juni 2016 wurden nun die ersten Praxistests an einer drehzahlvariablen DIVE-Turbine durchgeführt.

Das Kraftwerk Crampagna liegt an der Ariége am Fuß der Pyrenäen. Im Zuge einer Modernisierung wurde dort 2013 eine Rohrturbine durch eine DIVE-Turbine ersetzt. Dafür wurde in das alte Bauwerk ein neues Saugrohr sowie eine neue Turbinenkammer mit einer vollständig abgetauchten und drehzahlvariablen DIVE-Turbine integriert. Die elektronischen Komponenten konnten im bestehenden Krafthaus untergebracht werden. Die DIVE-Turbine, bestehend aus einer integrierten Turbinen-Generatoreinheit mit einer installierten Leistung von 540kW, hat einen Laufraddurchmesser von 1600mm und ein Turbinenlaufrad mit 5 Laufradschaufeln. Mittels Leitschaufelverstellung und Drehzahlvariation lässt sich die DIVE-Turbine an unterschiedliche Fallhöhen und Durchflüsse anpassen und ist damit doppelt reguliert. Die Drehzahlvariation ist ein wesentlicher Unterschied im Vergleich zu doppelt regulierten Kaplanturbinen: Bei diesen wird der Winkel der Laufradschaufeln den wechselnden Strömungsverhältnissen angepasst, während die Drehzahl konstant bleibt. Bei drehzahlvariablen Propellerturbinen, wie der DIVE-Turbine, sind die Laufradschaufeln fest mit der Nabe verbunden und die Drehzahl wird den wechselnden Strömungsverhältnissen angepasst. Im Hinblick auf die Fischfreundlichkeit weisen drehzahlvariable Propellerturbinen daher entscheidende Vorteile auf: durch die Anpassung der Drehzahl vermindert sich in allen Teillast-Betriebspunkten die Kollisionsgeschwindigkeit und –wahrscheinlichkeit für Lebewesen, die in die Turbine gelangen. Außerdem sind durch die fest mit der Nabe verbundenen Laufradschaufeln keine Spalte zwischen Nabe und Laufradschaufeln, wie es bei Kaplanturbinen mit verstellbaren Laufradschaufeln der Fall ist. Das Risiko des Einklemmens ist bei Laufrädern mit festen Laufradschaufeln daher eliminiert. Ebenso kann der Spalt zwischen Laufradschaufeln und Turbinenkessel bei festen Laufradschaufeln minimal gehalten werden, da kein Raum für die Verstellung der Laufradschaufeln benötigt wird. Bei der drehzahlvariablen DIVE-Turbine beträgt der Spalt zwischen Laufradschaufeln und Turbinenkessel, je nach Turbinengröße,  teilweise deutlich weniger als 2mm. Darüber hinaus ist keine aufwändige Mechanik zur Verstellung der Laufradschaufeln notwendig. Die Anzahl der Laufradschaufeln kann damit problemlos auf drei Laufradschaufeln reduziert werden. Dadurch wird die Kollisionswahrscheinlichkeit noch einmal reduziert. Drehzahlvariable Propellerturbinen weisen damit entscheidende Vorteile im Vergleich zu Kaplanturbinen auf: verringerte Kollisionswahrscheinlichkeit durch minimale Anzahl an Laufradschaufeln und reduzierte Drehzahl in Teillast, damit auch verminderte Kollisionsgeschwindigkeit in Teillast. Darüber hinaus, Verhinderung des Einklemmrisikos aufgrund keiner bzw. minimaler Spaltmaße.

Erster Freilandversuch zur Fischfreundlichkeit
Generell lässt sich die Mortalitätsrate für unterschiedliche Turbinentypen anhand von Formeln abschätzen. Diese Formeln wurden auf Basis von Ergebnissen aus Freilandtests entwickelt, geprüft und durch Korrekturfaktoren angepasst, so dass die Mortalitätsrate abhängig von geometrischen Parametern der Turbine berechnet werden kann. Allerdings liegen den Berechnungsformeln für Axialturbinen lediglich Freilandtests an Kaplanturbinen zu Grunde. Die oben beschriebenen Eigenschaften wie Spaltmaße und konstante Drehzahl fließen somit implizit in die Berechnungsformeln ein. Damit eignen sich die Formeln zur Berechnung der Mortalitätsrate an Kaplanturbinen nur bedingt zur Berechnung der Mortalitätsrate drehzahlvariabler Propellerturbinen.
Als Hersteller drehzahlvariabler Propellerturbinen hat die DIVE Turbinen GmbH & Co. KG nun an einem Kraftwerk mit einer DIVE-Turbine den ersten Freilandversuch zur Fischfreundlichkeit durchgeführt.  
Der Nachweis der Fischfreundlichkeit muss neben den lokal vorkommenden Fischarten typischerweise vor allem für Lachssmolts und Aale geführt werden, da diese zwischen Süßwasser und Meer migrieren und dabei eine Vielzahl von Wasserkraftanlagen passieren müssen. Da Lachssmolts saisonbedingt und regional begrenzt erhältlich sind, wurden für den ersten Versuch an der DIVE-Turbine Regenbogenforellen verwendet. Die Körperdimensionen der Regenbogenforellen sind mit denen der Lachssmolts vergleichbar.

Fische unter ärztlicher Aufsicht
Für den Test am Kraftwerk Crampagna wurden je 100 Forellen mit Körperlängen zwischen 18 und 25cm bei drei unterschiedlichen Drehzahlen in die Turbine geleitet. Die maximale Fischgröße von 25cm korrespondiert bei dieser Art mit einer lichten Stabweite des Feinrechens von 25mm.
Mit Hilfe eines geeigneten Kunststoffrohrs wurden die Forellen von oberhalb der Turbinenkammer direkt in den Leitapparat eingebracht. Am Ende des Saugrohrs wurde per Kran ein Netz eingebracht, in dem die Forellen nach der Turbinenpassage aufgefangen und zur tierärztlichen Untersuchung in Hälterungsbecken eingebracht wurden. Nach der tierärztlichen Untersuchung wurden die Tiere weitere 48 Stunden gehältert und anschließend ein weiteres Mal untersucht, um Langzeitschäden oder innere Verletzungen feststellen zu können. Die Tests wurden durch einen Tierarzt und die französische Wasserschutzbehörde ONEMA begleitet.
Für die drei untersuchten Betriebspunkte mit Drehzahlen n=150rpm, 200 rpm und 250 rpm ergaben sich die folgenden Resultate:
Die Ergebnisse der Praxisversuche zeigen, dass die Abschätzungen durch theoretische Modelle für Kaplanturbinen im Falle einer drehzahlvariablen Propellerturbine zu sehr konservativen Ergebnissen führen. In Realität liegt die Mortalitätsrate der drehzahlvariablen Propellerturbine weit unterhalb der theoretisch berechneten, wenn die Berechnungsformeln für Kaplanturbinen angewendet werden.

Niedrige GesamtMortalität am Kraftwerk
Durch die beschriebenen Vorteile wird bereits bei Volllast die Mortalität durch eine drehzahlvariable Propellerturbine im Vergleich zu einer Kaplanturbine deutlich reduziert. Darüber hinaus ergeben sich über den gesamten Betriebsbereich betrachtet nahezu gegensätzliche Verläufe zwischen Kaplan- und DIVE-Turbine (siehe Diagramm): Während bei der Kaplanturbine die Mortalitätsrate mit abnehmendem Durchfluss aus den genannten Gründen ansteigt, sinkt die Mortalitätsrate bei der DIVE-Turbine mit reduziertem Durchfluss erheblich.
Das Kraftwerk Crampagna ist mit einem modernen Feinrechen (lichte Stabweite 25mm) und einem Abstiegssystem ausgestattet, für welches eine Funktionsfähigkeit von ca. 70% angenommen werden kann. Damit lässt sich die Jahresmortalitätsrate für das Gesamtkraftwerk abschätzen. Mit einer abflussabhängigen mittleren turbinenbedingten Mortalitätsrate von 5,30%, lässt sich eine äußerst niedrige Gesamtmortalität des Kraftwerkes von ca. 1,59% erreichen.

Da die Kollisionswahrscheinlichkeit insbesondere auch von der Anzahl der Laufradschaufeln abhängig ist, ist zu erwarten, dass bei einer DIVE-Turbine mit drei Laufradschaufeln (Crampagna: 5 Laufradschaufeln) die Mortalitätsrate noch deutlich niedriger ausfällt. Somit kann in Kombination aus modernen Feinrechen und drehzahlvariabler DIVE-Turbine ein absolut fischfreundliches Kraftwerk realisiert werden, mit einer Gesamtmortalität am Kraftwerk von deutlich unter 1%.

Teilen: