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Wasserkraftwerk Gulling versorgt 5.000 Ennstaler Haushalte mit grünem Strom7 min read

13. Juli 2020, Lesedauer: 5 min

Wasserkraftwerk Gulling versorgt 5.000 Ennstaler Haushalte mit grünem Strom7 min read

Lesedauer: 5 Minuten

Zur Stromproduktion kann das an der Gulling errichtete Kraftwerk über 100 m an Fallhöhe sowie 5 m³/s an Ausbauwassermenge nutzen, wobei eine Ausleitungsstrecke von rund 3,4 km mittels GFK-Druckrohrleitung überwunden wird.

Im optisch ansprechend gestalteten Krafthaus sorgt ein vom niederösterreichischen Kleinwasserkraftspezialisten Kössler ausgeführtes Maschinengespann, bestehend aus zwei baugleichen Francis- und einer Pelton-Turbine, für ein Maximum an Effizienz – bei allen Betriebszuständen. Das von Wien Energie realisierte Kraftwerk wird im Regeljahr durchschnittlich 17 GWh Ökostrom für die Region erzeugen.

Der Bau eines Wasserkraftwerks im Gullingtal war ursprünglich von der Gemeinde Aigen und privaten Investoren initiiert worden. Die ersten Konzepte wurden bereits 2006 entwickelt, 2014 erhielt die geplante Anlage die Konzessionsgenehmigung. Nachdem sich die Projektbeteiligten dazu entschlossen hatten, das Vorhaben nicht selbst in die Realität umzusetzen, wurde ein Verkaufsprozess in Gang gesetzt, den im Jahr 2017 schließlich Wien Energie für sich entscheiden konnte. Als rechtlicher Rahmen wurde nach der Projektübernahme die Kraftwerk-Gulling GmbH gegründet, die zu 100 Prozent im Besitz von Wien Energie steht. Mit dem offiziellen Spatenstich im Oktober 2017 ging das Projekt in die Umsetzungsphase über, beim zek HYDRO-Lokalaugenschein Ende Juni 2018 waren die Rohrverlegung und die Errichtung der Wasserfassung schon weit fortgeschritten. Der Probebetrieb des in rund 1,5 Jahren Bauzeit errichteten Kraftwerks konnte im heurigen Frühjahr starten, mittlerweile produziert die Anlage seit mehreren Monaten im Regelbetrieb. Sowohl bei der Generalplanung, mit welcher die Salzburger Kohlhofer Ziviltechniker GmbH betraut wurde, als auch bei der baulich-technischen Ausführung setzte die Wien Energie auf bewährte Unternehmen mit langjähriger Branchenerfahrung. Für die Umsetzung der kompletten Erd- und Baumeisterarbeiten wurde eine Arbeitsgemeinschaft gegründet. Diese ARGE setzte sich aus der Granit-Bau GmbH, zuständig für den gesamten Hoch- und Tiefbau und der für die Rohrverlegung verantwortlichen Bernegger GmbH zusammen. Nach der Inbetriebnahme vertraut Wien Energie in Sachen Betriebsführung auf die Erfahrung des im Kleinwasserkraftbereich hochkompetenten E-Werks Gröbming. Inklusive des Neubaus an der Gulling sorgen die Mitarbeiter des lokalen Energieversorgers und Netzbetreibers bei elf Kleinkraftwerken in der Region (insgesamt 18 Turbinen, vier Anlagen stehen zu 100 Prozent im Eigenbesitz) für die ordnungsgemäße Betriebsführung und Routinewartungen.

3,4 KM Kraftabstieg in GFK hergestellt
Die rund 3,4 km lange Druckrohrleitung verläuft vom Einlaufbauwerk an der Wehranlage bis zum Krafthaus komplett unterirdisch, wobei sich der Trassenverlauf zu weiten Teilen an der bestehenden Gemeindestraße orientiert. Ab der Mitte der Rohrtrasse verjüngt sich der Rohrquerschnitt von DN1800 auf DN1600. Der von den Montageprofis der Bernegger GmbH verlegte Kraftabstieg besteht zur Gänze aus glasfaserverstärkten Kunststoffrohren (GFK) der Marke SUPERLIT, die vom oberösterreichischen Vertriebsspezialisten Geotrade geliefert wurden. Neben den beständigen Materialeigenschaften stehen die GFK-Rohre für beste Fließbedingungen und ein bekannt anwenderfreundliches Muffensystem. Dank der Flexibilität der Rohrstöße innerhalb der Verbindungsmuffen sind – bei diesen Dimensionen – Abwinkelungen bis zu einem 1° möglich. Weitläufige Richtungsänderungen der Rohrtrasse konnten somit ohne zusätzliche Formstücke hergestellt werden.

Wehranlage mit Seitenentnahme
Die Wasserfassung des Kraftwerks wurde unmittelbar neben einem stillgelegten Steinbruch situiert. Geliefert und montiert wurden sämtliche Stahlwasserbaukomponenten von der GMT Wintersteller GmbH aus Salzburg. Für Wien Energie hatten die Stahlbau-Allrounder schon 2014 ein hydromechanisches Komplettpaket bei der Wehranlagenerneuerung des niederösterreichischen Kraftwerks Opponitz bereitgestellt. Beim Kraftwerk Gulling wird das Gewässer ebenfalls mittels Wehrklappe gestaut und durch eine Seitenentnahme ausgeleitet. Bewegt wird das massive Bauteil in Fischbauch-Ausführung von einem einzelnen Hydraulikzylinder auf der orographisch linken Flussseite. Das seitliche Einlaufbauwerk wurde mit einem 12 m langen horizontalen Schutz­rechen ausgestattet, für optimale Zuflussbedingungen sorgt eine ebenfalls von GMT ­gelieferte Rechenreinigungsmaschine. Die pegelgeregelte Maschine entfernt zuverlässig jegliches Treib- und Schwemmgut vom bekannt fischfreundlichen Horizontalrechen und führt dieses zu einer Spülklappe, von dort gelangt das Material auf direktem Weg in die Restwasserstrecke. Um die feinen Sedimente der Gulling aus dem Triebwasserweg zu filtern, schließt an den Einlaufbereich ein großzügig dimensioniertes Entsanderbecken mit zwei separaten Kammern an. Über einen Spülschütz werden die Anlandungen im Entsander kontinuierlich ins Gewässer zurückgegeben. Nach dem Entsander wurde ein zusätzlicher Feinrechen in vertikaler Ausführung installiert. Ein dazugehöriger Teleskop-Rechenreiniger befördert das dort angetriebene Laub und Holz in eine Spülrinne, über welches das Schwemmgut ins Gewässer zurückgelangt. Die vorgeschriebene Restwasserabgabe erfolgt dynamisch und bewegt sich in Abhängigkeit von der Jahreszeit und den jeweiligen Zuflüssen zwischen 940 l/s und 2.400 l/s. Ein fixer Anteil der Restwasserdotation (180 l/s) fließt ganzjährig über die am Querbauwerk vorbeiführende Fischaufstiegsanlage. Der Fischaufstieg führt die Gewässerbewohner der Gulling zuerst über einen aus Betonelementen gefertigten Vertical-Slot-Pass ins Oberwasser, die abschließende Passage bis zum Ausstiegsbereich wurde als naturnahes Gerinne parallel zur Wehranlage realisiert.

Drei Turbinen für maximale Effizienz
Im optisch ansprechend gestalteten Krafthaus sind die Betreiber dank einer dreifachen Maschinenkonstellation für sowohl trockene als auch niederschlagsreiche Erzeugungsperioden bestens gerüstet. Der Zuschlag für die Ausführung des elektromechanischen Equipments ging im Zuge der Ausschreibung an den niederösterreichischen Kleinwasserkraft­spezialisten Kössler. Dieser lieferte zusätzlich zu den drei Maschinengruppen auch die Turbinenabsperrorgane, die Verteilrohrleitung, einen Bypass zur Wasserumleitung bei Maschinenausfällen, die hydraulischen Turbinenregler sowie den auf 10 t Traglast ausgelegten Maschinenhauskran. Die Kombination aus zwei baugleichen horizontalen Francis-­Turbinen und einer vertikalen 6-düsigen ­Pelton-Turbine sorgt dafür, dass die Anlage bei sämtlichen Zuflussbedingungen ein Maximum an Effizienz erreicht. Bei wenig Wasser kann die auf eine Ausbauwassermenge von 1 m³/s ausgelegte Pelton-Turbine ihre Qualitäten speziell im Teillastbetrieb unter Beweis stellen. Die auf jeweils 2 m³/s ausgelegten Francis-Turbinen wiederum können ihre Stärken vor allem bei ausreichend Wasserdargebot unter Volllast ausspielen. Gemeinsam kommen die drei Turbinen bei 102 m Bruttogefälle und optimalen Zuflussbedingungen auf eine Engpassleistung von über 4,1 MW. Als Energiewandler dienen den Turbinen drei jeweils direkt gekoppelte Synchron-Generatoren des tschechischen Herstellers G&Em. Für die Francis-Maschinen wurden zwei jeweils mit 1.000 U/min drehende wassergekühlte Generatoren mit einer Nennscheinleistung von 1.993 kVA in horizontaler Ausführung geliefert. Der luftgekühlte vertikale Generator der Pelton-Turbine verfügt über eine Drehzahl von 500 U/min und kommt bei 400 V Spannung auf eine Nennscheinleistung von 933 kVA. Mittels Transformatoren wird der erzeugte Strom auf 30 kV-Netzspannung gewandelt und über ein Erdkabel ins öffentliche Versorgungsnetz eingespeist. Anlagenbetrieb und Stromproduktion funktionieren dem Stand der Technik entsprechend natürlich vollautomatisch. Die Überwachung und Regelung des Kraftwerks erfolgt in der zentralen Leitwarte von Wien Energie. Bei betrieblichen Störungen, die aus der Ferne nicht behoben werden können, wird der Bereitschaftsdienst des E-Werks Gröbming alarmiert, der bei Bedarf innerhalb kurzer Zeit vor Ort Nachschau halten kann. Um sich mit den einzelnen Gewerken der Anlage vertraut zu machen, wurden die für die Betriebsführung zuständigen Mitarbeiter des E-Werks Gröbming in den Inbetriebnahmeprozess im heurigen Frühjahr miteinbezogen.

Lokal erzeugter Strom für 5.000 Haushalte
Bei der Eröffnungsfeier Ende September, zu der sich neben Vertretern aus Politik und Wirtschaft auch eine Vielzahl von interessierten Gemeindebewohnern beim Krafthaus eingefunden hatte, äußerte sich Michael Strebl, Vorsitzender der Wien Energie Geschäftsführung, sehr glücklich über den Projektabschluss: „Wien Energie investiert in den nächsten fünf Jahren eine halbe Milliarde in den Ausbau erneuerbarer Energielösungen. Das Kraftwerk Gulling ist ein Paradebeispiel für nachhaltige, lokale Energieerzeugung. Das ist Klimaschutz in der Region für die Region. Mit dem neuen Wasserkraftwerk werden vorhandene Ressourcen sinnvoll genutzt und wir können 5.000 Haushalte in der Region mit dem erzeugten Strom versorgen.“ Wien Energie Geschäftsführer Karl Gruber kam zu einem ähnlichen Fazit: „Topografie, Natur und Technik ergänzen sich hier an der Gulling auf optimale Art und Weise. Mit der Kraftwerksleistung von 4,1 MW können wir jedes Jahr rund 17 GWh sauberen Strom aus Wasserkraft für die Region gewinnen. Aus Ingenieurssicht ist die Anlage hervorragend gelungen und wir leisten gemeinsam einen Beitrag, damit die Region weiterhin so grün bleibt, wie sie heute schon ist.“ Wien Energie Projektleiter Josef Gradl betonte, dass große Bemühungen angestellt wurden, die Auswirkungen auf die Umwelt und die Bevölkerung durch die Bauarbeiten möglichst gering zu halten. So erfolgte beispielsweise die Anlieferung des Rohrmaterials „Rohr in Rohr“ (DN1600 in DN1800), wodurch die notwendigen Transporte um die Hälfte reduziert werden konnten. Weiters wurde das Aushubmaterial der Rohrkünette gleich vor Ort im naheliegenden Steinbruch aufbereitet. Somit konnte eine Vielzahl von Materialfuhren eingespart sowie Fuhren durch das Ortsgebiet von Aigen vermieden werden. Für die Umwelt wurden doppelt so viele Bäume gepflanzt als gerodet, außerdem wurden vielfältige neue Habitate auf den ökologischen Ausgleichsflächen geschaffen. Der Bürgermeister von Aigen im Ennstal  Raimund Hager kann dem neuen Kleinkraftwerk in seiner Gemeinde ebenfalls ausschließlich Gutes abgewinnen: „Wir sind sehr stolz auf das neue Wasserkraftwerk, das unsere Region mit umweltfreundlichem Strom versorgt. Als Gemeinde Aigen haben wir dieses zukunftsweisende und für unsere Umwelt so wichtige Projekt stets unterstützt und uns besonders dafür eingesetzt, dass die gesamte Anlage im Einklang mit der Natur stehen wird. Diese Symbiose von Natur und Technik ist hier wunderbar gelungen.“

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