Wasserkraft-High-Tech im KW Breien5 min read
Lesedauer: 4 MinutenÜber eine Länge von rund 4,7 Kilometer schlängelt sich der Breiener Bach vom Südtiroler Tiers durch ein klammartiges, stark steinschlaggefährdetes Tal bis nach Blumau.
Exakt jener Gewässerabschnitt wurde nun für das neue Kraftwerk Breien genutzt, das gemeinsam von den Gemeinden Karneid, Deutschnofen, Tiers, Völs am Schlern und Welschnofen, der SEL AG, sowie einer privaten Teilhabergruppe realisiert wurde. Speziell macht die Anlage vor allem das Krafthaus, das aufgrund der extrem beengten Platzverhältnisse in den Hang und drei Stockwerke unter die Gemeindestraße gebaut wurde. Am tiefsten Punkt befindet sich das hochwertige Herz der Anlage, 2 zweidüsige Peltonturbinen aus dem Hause Troyer AG, die im Regeljahr rund 14 Millionen kWh erzeugen.
Vor ziemlich genau zehn Jahren wurden die ersten Pläne für ein Wasserkraftwerk am Breiener Bach gewälzt. Von einer Umsetzung war man aber noch weit entfernt, schließlich tauchten bald ein zweites und später ein drittes Konkurrenzprojekt auf, die um die Konzession wetteiferten. Die Unterschiede zwischen den drei Konzepten waren grundsätzlich nicht allzu groß, lediglich in der Position des Maschinenhauses wurden verschiedene Ansätze verfolgt. 2009 kam es schließlich zum großen Kompromiss zwischen den drei Parteien. Man einigte sich darauf, jenes Projekt zu verwirklichen, das von einem privaten Konsortium vorgeschlagen worden war. Der Auftrag für die Ausführungsplanung wurde noch im selben Jahr an das Ingenieurbüro Seehauser & Partner – Dr. Ing. Johann Röck aus Bozen vergeben. Nachdem im Spätherbst 2009 die wesentlichen Baulose ausgeschrieben wurden, konnte bereits im März 2010 mit dem Bau der Wasserfassung begonnen werden. Danach kam der Projektverlauf allerdings ins Stocken. „2010 schien es für eine Weile so, dass man das Krafthaus an einem weniger schwierigen Standort errichten könnte. Nach einigem Hin und Her schwenkte man aber aus verschiedenen Gründen wieder auf den ursprünglichen Standort an der Gemeindestraße zurück. Im Herbst konnten wir letztlich das Maschinenhaus planen“, schildert Geom. Albert Gasser, der Projektleiter von Seehauser & Partner, den Grund für die Verzögerung.
FAST EINE KAVERNE
Einen der Knackpunkte des Projektes stellte die Verlegung der Druckrohrleitung über eine Länge von 4,6 km entlang des engen Bachbetts des Breiener Baches dar. Rund 10 Monate brauchten die beiden beauftragten Baufirmen für die Verlegung der Leitung, die aus Rohren aus Sphäroguss DN900 erstellt wurde. Parallel dazu wurden auch Leerrohre für das übergemeindliche Glasfaser-Telekommunikationsnetz und ein Abwasser-Sammler in der Künette mit verlegt. Mindestens ebenso aufwändig wie die Verlegung der Druckrohrleitung gestaltete sich der Bau des Maschinenhauses in der Gemeinde Karneid. „Bevor mit der 11 Meter tiefen Baugrube begonnen werden konnte, musste zuvor eine 20 Meter hohe Felsnase abgetragen werden. In der oberen Hälfte besteht das Gelände zum größten Teil aus stark erklüfteten und aufgelockerten Quarzporphyren. Zur Absicherung der Baugrube war daher die Errichtung einer circa 17 Meter hohen vernagelten Spritzbetonwand erforderlich, die darüber liegende Böschung wurde durch Maschendrahtnetze und verankerte Stahlseile gesichert. Während der Bauarbeiten wurden zusätzlich 14 Litzenanker mit einer Länge von bis zu 30 Meter eingebracht, um auftretende Felsbewegungen abzufangen“, erklärt der Bauleiter.
HIGH-TECH IM UNTERGESCHOSS
Der Großteil des Krafthauses, das drei Stockwerke in die Tiefe gebaut wurde, liegt heute unterhalb der Gemeindestraße. Während die Transformatoren und die Einspeisung auf Erdgeschossniveau untergebracht sind, wurden die beiden baugleichen Maschinensätze im untersten Stock der Anlage installiert. Dabei handelt es sich um zwei 2-düsige Peltonturbinen aus dem Hause Troyer AG mit je einem direkt gekuppelten Synchrongenerator vom deutschen Wasserkraftspezialisten WKV. Die Turbinen sind jeweils auf eine Nettofallhöhe von 333,17 Meter sowie eine Ausbauwassermenge von je 525 l/s ausgelegt. Die Ausbauleistung pro Turbine liegt bei 1.555 kW. An das Sterzinger Familienunternehmen wurde von Seiten des Bauherrn die elektromaschinelle Gesamtausrüstung des Kraftwerks vergeben. Diese umfasst nicht nur die beiden Turbinen und Generatoren, sondern darüber hinaus auch die beiden Kugelhähne, die Troyer selbst produziert, das Hosenrohr, die Transformatoren sowie die Nieder- und Mittelspannungsanlage. Außerdem übernahmen die Wasserkraftspezialisten südlich des Brenners auch die komplette elektrotechnische Ausrüstung, sämtliche Messeinrichtung und ein umfassendes SCADA-System. Mit diesem Gesamtpaket konnten die Betreiber nicht nur mit höchster Qualität in Sachen Wasserkraft- Technologie rechnen, sondern vermieden damit auch das unliebsame Thema der Schnittstellenproblematik. Egal, welches Problem auftauchen sollte, der Ansprechpartner heißt einzig und alleine Troyer AG.
ERFAHRUNG AUS 400 KRAFTWERKEN
Im August letzten Jahres war das Krafthaus letztlich bezugsbereit für die beiden Maschinengespanne. „Für uns gerade rechtzeitig. Bedingt durch den Umstand, dass der Krafthaus- Standort bis November 2010 nicht endgültig definiert war, konnte auch spät mit der Planung und der Fertigung der Turbinen begonnen werden. So ist es sich relativ knapp für uns ausgegangen“, erzählt der Projektmanager der Troyer AG, Franz Schwitzer. Grundsätzlich stellte das Projekt keinerlei erhöhte Anforderungen an die erfahrenen Turbinenbauer aus Sterzing. Schließlich kann das Unternehmen auf die Erfahrung und das Wissen aus rund 400 realisierten Wasserkraftwerken verweisen. Da ist es auch verständlich, dass auch bei 2-düsigen Peltonturbinen vielfach bewährte Lösungen, wie innenregulierte Düsennadeln und Strahlablenker, schon fast zur Selbstverständlichkeit werden. Neben Mechanik und Maschinenbau gehören aber auch die gesamte Elektronik und die Betriebssoftware zu den Stärken des Unternehmens. Dank dieser Qualitäten können die Betreiber auf höchste Verfügbarkeit ihrer Anlage bauen, die dank eines ausgereiften SCADA- Systems umfassend überwacht werden kann.
STROM FÜR 4.000 HAUSHALTE
„Im Oktober letzten Jahres haben wir alle Trockenproben ohne Netz abgeschlossen. Zu diesem Zeitpunkt war nicht ganz klar, wann der Netzanschluss erfolgt. Mitte Dezember sind wir dann in den Probebetrieb gegangen, der zwei Monate gedauert hat. Für diese Zeit hat die Firma Troyer AG auch die Wartung der Anlage übernommen“, so Schwitzer. Nach den Berechnungen der Planer soll das neue Kraftwerk Breien im Jahr rund 14,3 GWh Strom erzeugen. Keine Kleinigkeit, damit können rund 4.000 Durchschnittshaushalte mit sauberem Strom aus Wasserkraft versorgt werden. Für die Initiatoren – die Anrainergemeinden Karneid, Deutschnofen, Welschnofen, Völs und Tiers – sowie die beiden anderen Teilhaber stellt das neue Kraftwerk nicht nur eine lohnende Investition in die Zukunft und in den Klimaschutz dar. Mit seiner Realisierung konnte noch ein weiterer wichtiger Synergieeffekt erzielt werden: Die extrem steinschlaggefährdete Straße wurde durch die umfangreichen Sicherungsarbeiten im Zuge des Kraftwerksbaus „zumindest kurzfristig“ sicherer gemacht, wie es von Seiten des Planungsbüros Seehauser & Partner – Dr. Ing. Johann Röckheißt. Mittel- und langfristig wird es wohl ein „Tal der lockeren Steine“ bleiben. Aber ab jetzt eines, das jede Menge Ökostrom ans Netz liefert.
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