Gelungene Kraftwerkslösung in Passeier6 min read
Lesedauer: 4 MinutenDie Konzessionen der beiden Kraftwerke, jene der Gemeinde St. Leonhard und jene von Hofer Delucca, in der Südtiroler Gemeinde St. Leonhard in Passeier standen in absehbarer Zeit vor dem Auslaufen.
Für die Betreiber stellte sich die Frage nach einer langfristigen, nachhaltigen und wirtschaftlich sinnvollen Lösung. Die Antwort darauf mündete in der Zusammenlegung der beiden Kraftwerksanlagen. 2009 wurde das Planungsbüro EUT des Dr.Ing. Robert Carminati mit der Planung des neuen
Kraftwerks Rasimbach beauftragt. Die Bauarbeiten verliefen zügig, sodass Ende August letzten Jahres die Firma Troyer AG
mit der Montage der beiden zweidüsigen Peltonturbinen beginnen konnte. Diese werden im Jahr rund 22 Mio. kWh Strom
erzeugen. Seit Spätherbst letzten Jahres ist die Anlage, die vollständig unterirdisch angelegt wurde, im Regelbetrieb.
Der Name „Rasimbach“ war in der
Südtiroler 3.500-Einwohner-Gemeinde
St. Leonhard schon seit langer Zeit
nicht mehr zu hören. Schließlich galt der als
ursprüngliche Bezeichnung für den Waltenund
Pfistradbach nach ihrem Zusammenfluss
bis zur Mündung in die Passer. Doch seit
einigen Monaten ist der Name in der
Gemeinde am Fuße des Jaufenpasses wieder
„in“. Der Grund dafür: Das neueste Wasserkraftwerk
im wasserreichen Hinterpasseier
wurde danach getauft.
Beim Kraftwerk Rasimbach handelt es sich
grundsätzlich um eine Wasserkraftanlage, die
aus der Zusammenlegung zweier Altanlagen
hervorging und in dieser Form heute für alle
Beteiligten einen erheblichen Mehrwert
bringt. Die Fragen, die am Ende zu dieser
Lösung geführt hatten, drehten sich vorrangig
darum, wie man die Wasserkonzessionen
des Gemeinde-E-Werks und der Gesellschaft
Hofer Delucca langfristig sichern konnte.
Angesichts der Tatsache, dass die Konzessionen
in wenigen Jahren verfallen wären, suchten
beide Betreiber nach einer Möglichkeit,
im Zuge einer Erneuerung auch die wirtschaftlichste
Form der Vergütung zu erlangen.
Hinzu gesellte sich die drängende Frage
der Stromverteilungsgesellschaft EUP, die die
Bürger der Gemeinde St. Leonhard mit
Strom beliefert, wie man zur eigenen Stromproduktion
kommt. „Als vielversprechendster
Lösungsansatz kristallisierte sich heraus, dass
die bisherigen Konzessionsinhaber, Gemeinde
und E-Werk Hofer Delucca, auf ihre Konzession
verzichten und um eine neue Konzession
mit 30-jähriger Laufzeit für das Neu-
Projekt Kraftwerk Rasimbach ansuchen. Die
Anteile am neuen Kraftwerk wurden unter
den drei Partnern – Gemeinde, E-Werks
Gesellschaft Hofer Delucca und EUP – aufgeteilt,
wobei dafür als Basis die Stromproduktion
der vergangenen Jahre herangezogen
wurde. Mit 49 Prozent ist die Gemeinde St.
Leonhard heute Hauptaktionär der Betreibergesellschaft
ESTL Konsortial GmbH“,
erklärt der Präsident der ESTL, Dr. Konrad
Pfitscher.
GERÜCHTE SORGEN FÜR EILE
Das Ingenieurbüro EUT, das sowohl für Vorprojekt
als auch anschließend für Ausführungsprojekt
und Bauleitung verantwortlich
zeichnete, brachte im Spätherbst 2009 das
Planungskonzept zur Vorlage, das erstmals
offiziell im April des Folgejahres in der Gemeinde
St. Leonhard vorgestellt wurde.
Pfitscher: „Es folgten zähe Verhandlungen mit
den Ämtern für Jagd und Fischerei, der
Wildbachverbauung sowie den Ämtern für
Wasserschutz und Wassernutzung, ehe eine
gemeinsame Basis gefunden werden konnte,
auf der das Projekt genehmigungsfähig war.“
Am 3. Dezember 2010 war es schließlich soweit:
Dem Projekt der ESTL wurde von der
Autonomen Provinz Bozen die 30-jährige
Wasserkonzession erteilt. Für erleichtertes
Durchatmen blieb den Projektbetreibern allerdings
kaum Zeit. „Die Zeit drängte. Immer
wieder tauchten in der Finanziaria des
Staates zu Jahresende Gerüchte auf, die Änderungen
der Förderrichtlinien betrafen. Eile
war geboten“, so Präsident Konrad Pfitscher.
Unter diesen Vorzeichen wurde noch vor dem
Weihnachtsfest, exakt am 23. Dezember
2010, mit den Bauarbeiten begonnen. Diese
konzentrierten sich von Beginn an vor allem
auf den Aushub des völlig unterirdischen Zentralengebäudes.
An den Fassungen waren die
Umbauarbeiten nicht allzu umfangreich.
EIN NEUES KRAFTHAUS ENTSTEHT
Wie sah nun das Konzept für die Zusammenlegung
der beiden Kraftwerke im Detail
aus? Beide Fassungen, jene am Waltenbach
und jene am Pfistradbach, die zuvor vom EWerk
St. Leonhard für das bestehende
Kraftwerk genutzt wurden, sollten zwar
saniert und am neuesten Stand der Technik
ausgerüstet, aber nicht komplett neu gebaut
werden. Eine nennenswerte Änderung an beiden
Fassungsbauwerken besteht darin, dass
hinter der Druckhaltekammer eine automatisch
wirkende Rohrbruchklappe und ein Beund
Entlüftungsrohr installiert wurde. Neu
wurde jener Leitungsabschnitt errichtet, welcher
vom Standort des alten Krafthauses des
E-Werks St. Leonhard bis hinunter zum
neuen Krafthaus verläuft. Es handelt sich
dabei um eine Stahlrohrleitung DN800, die
circa 516 Meter lang ist und von der Firma
Gufler Metall verschweißt wurde. Die Trasse
folgte dabei zum größten Teil der bestehenden
der alten Druckrohrleitung des Kraftwerks
Hofer Delucca.
HEIKLER BAU IN DIE TIEFE
„Das Krafthaus selbst konnte aus Platzgründen
nicht am ehemaligen Zentralenstandort
des Kraftwerks Hofer Delucca positioniert
werden. Dagegen sprach auch, dass für das
bestehende Kraftwerk ein Teil der Druckrohrleitung
im Bachbett verlegt war, was
heute nicht mehr genehmigungsfähig ist. Wir
mussten daher mit dem Standort ein wenig
weiter nach oben rücken. Die Anlage befindet
sich am östlichen Rand des Dorfkerns
von St. Leonhard“, so Pfitscher. Ein wesentlicher
Grund, warum man darauf achtete, die
Zentrale nach Möglichkeit unsichtbar ins
Ortsbild zu integrieren. Äußerlich ist heute
nur eine Zufahrtsrampe sichtbar, das daran
anschließende Zentralengebäude wurde zur
Gänze unterirdisch angelegt.
Dessen Errichtung stellte dabei den Knackpunkt
in der Projektrealisierung dar. Bis zu
einer Tiefe von fast 20 Metern reichten die
Grabungsarbeiten, wobei die Seitenwände
mit Kleinbohrpfählen und Spritzbeton abgesichert
werden mussten. Konrad Pfitscher:„
Die Arbeiten, die im Januar letzten Jahres
aufgenommen waren, erstreckten sich über
mehrere Monate. Die Baufirma ist dabei auf
jede Menge Lockermaterial, Ablagerungen des Baches, gestoßen. Die untersten zwei Meter bestanden dann aus
Fels. Gegen Mitte Mai war der Aushub schließlich fertig.“ Letztlich
war es auch der umsichtigen Bauleitung der Firma EUT zu danken,
dass auftretende Risken während des Baus auf ein Minimum begrenzt
werden konnten.
HOCHDRUCK-EQUIPMENT MIT QUALITÄTSVORSPRUNG
Ferragosto 2011: von der typisch italienischen Hitze-Katatonie ist im
Passeiertal nichts zu bemerken. Hier herrscht geschäftiges Treiben an
der Baustelle für das neue Kraftwerk. Letzte Arbeiten an der unterirdischen
Maschinenzentrale werden abgeschlossen, um den nächsten
Schritt im Bau-Fahrplan anzugehen: die Montage der Maschinensätze.
Der Auftrag für die elektromaschinelle Ausrüstung des Kraftwerks,
inklusive der Steuerung, der Schaltanlage sowie der Gebäudeinstallation
ging an die Firma Troyer AG aus Sterzing. Die Kunden im
Passeiertal wissen die Qualität der Wasserkrafttechnik des Familienunternehmens
von der anderen Seite des Jaufenpasses zu schätzen. Eine
Vielzahl erfolgreich realisierter Anlagen bestätigt das Vertrauen der
Passeirer Wasserkraftbetreiber.
Das Maschinenequipment im Krafthaus umfasst im Wesentlichen zwei
2-düsige Peltonturbinen, die jeweils einen bürstenlosen Dreh-strom-
Synchrongenerator Fabrikat WKV antreiben, Transformatoren, sowie
die 20-kVA Schaltanlage. Hinzu kommen zwei Kugelhähne, die auf
einen Berechnungsdruck von 64 bar ausgelegt sind. Die 2-düsigen
Peltonturbinen aus dem Hause Troyer sind selbstredend Spezialan –
fertigungen, konzipiert für eine Nettofallhöhe von 445 Meter und eine
Ausbauwassermenge von 575 l/s. Sie sind ausgelegt auf eine
Nennleistung von je 2.279 kW. Mit 1.000 Umdrehungen pro Minute
übertragen sie die Rotation auf den Rotor der direkt gekuppelten
Synchrongeneratoren, die jeweils auf eine Generatornennleistung von
3.000 kVA ausgelegt sind.
WIN-WIN-SITUATION FÜR ALLE PARTNER
Die gesamte Anlage ist nach dem heutigen Stand der Technik für einen
vollautomatischen, selbstüberwachten Betrieb ausgelegt. „Sämtliche
Steuerungsprozesse, angefangen vom Anfahren, der Synchronisierung
mit dem Netz, über Parallelschaltung bis hin zu Stillsetzung oder
Gefahrenabschaltung, werden von einer speicherprogrammierbaren
Leittechnik in modernster, modular aufgebauter Mikroprozess or –
technik gewährleistet“, erklärt Konrad Pfitscher. Auch diese Leit- und
Steuerungstechnik stammt aus dem Hause Troyer, ebenso wie ein
bedienungsfreundliches Visualisierungssystem.
Am 22. November letzten Jahres, nach erfolgreich absolviertem
Probebetrieb, konnte das neue Kraftwerk Rasimbach schließlich ans
Netz genommen werden. Seit diesem Tag läuft die Anlage nicht zuletzt
dank seiner exzellenten elektromaschinellen Ausrüstung wie ein Uhrwerk.
In Summe werden die beiden Maschinensätze, die im Übrigen
ganz in den Logo-Farben der Betreibergesellschaft ESTL gehalten wurden,
rund 22 Millionen Kilowattstunden erzeugen. Dem gegenüber
steht eine Investitionssumme von rund 6,4 Millionen Euro. Vor allem
der aufwändige Bau des unterirdischen Krafthauses schlug dabei mit
nicht unerheblichen Kosten zu Buche. Nichtsdestotrotz handelt es sich
beim neuen Wasserkraftwerk in St. Leonhard um eine hoch wirtschaftliche
Anlage, deren Amortisierungsdauer sich deutlich verkürzt. Für
die drei Partner in der neuen Betreibergesellschaft hat sich die avisierte
Win-Win-Situation am Ende tatsächlich eingestellt.
Bericht aus zek HYDRO – Juni 2012
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