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Südtriols größtes privates KW am Netz9 min read

21. Feber 2014, Lesedauer: 6 min

Südtriols größtes privates KW am Netz9 min read

Lesedauer: 6 Minuten

Im September 2011 kam der große Moment für eines der spannendsten Wasserkraftprojekte in Südtirol der jüngsten Vergangenheit: Das Kraftwerk „In der Klamme“ wurde ans Netz geschaltet.

Vorangegangen waren 18 Monate intensiver Bautätigkeit, in denen sowohl in technischer als auch in ökologischer Hinsicht neue Wege beschritten und neue Ideen verwirklicht wurden. Heute erzeugt die Anlage, die mustergültig in den Naturraum Ahrntal integriert wurde, rund 27 GWh sauberen Strom im Jahr.

Ein Kraftwerk im Nahbereich eines Naturparks zu errichten, braucht Fingerspitzengefühl und ein gutes Konzept. Vor allem dann, wenn es um ein Wasserkraftwerk geht, das im Vorfeld durchaus für kontroverse Diskussionen gesorgt hatte. Doch die Pläne – entwickelt vom Brunecker Planungsbüro Studio G – hatten nicht umsonst den Vorzug gegenüber Mitbewerbs-Projekten bekommen. Schließlich gelang es den Planern aus dem Pustertal, wirtschaftliche Ökostromerzeugung mit einer ökologisch und landschaftsästhetisch hochwertigen Lösung in Einklang zu bringen. Ein  Beleg dafür: das Krafthaus, das man soweit möglich unterirdisch errichtete, dessen Frontfassade mit örtlichen Holzmaterialien verkleidet und das letztlich mit bewehrter Erde begrünt wurde. In unmittelbarer Nähe wurden im Rahmen der Ausgleichsmaßnahmen noch ein Amphibien- und ein Fischteich angelegt.

PLANERISCHE KOOPERATION
Gemäß dem ursprünglichen Plan wird das Triebwasser in St. Peter aus der Ahr abgeleitet – und weiter über einen  1.300 Meter langen Druckstollen und anschließend über eine 2.000 Meter lange, unterirdisch verlegte Druckrohrleitung zum Maschinenhaus geleitet. Ein komplexer Triebwasserweg, dessen Planung um Umsetzung zu  den Kernherausforderungen des Projektes zählte. Für die Fachplanung von Stollenbau und Hydraulik, die  Fachbauleitung, sowie die ÖBA Stollenbau wurde der Auftrag an das Planungsbüro BERNARD INGENIEURE aus Hall  vergeben. Das Südtiroler Planungsbüro Patscheider und Partner wurde mit Statik und statischer Bauleitung beauftragt. Die Kooperation der drei Planungsbüros klappte bestens. Die optimale Koordinierung stellte die Grundlage dafür dar,  dass die aufwändigen Bauarbeiten am Ende im Zeit- und Kostenplan gehalten werden konnten. Mithilfe einer 145 m  langen Tunnelbohrmaschine wurde der allergrößte Teil des Stollenausbruchs bewerkstelligt. Am 24. Oktober 2010  erfolgte der Durchschlag am Ostportal – ein echter Meilenstein des Kraftwerksprojektes. In der Folge schritten die  Bauarbeiten zügig voran, selbst die frostigen Temperaturen des Winters 2010/2011 brachten den Projektverlauf icht ins Stocken.

VERLEGUNG AUF ENGSTEM RAUM
Was das Projekt grundsätzlich auszeichnet, ist die Tatsache, dass die meisten Komponenten der Anlage unterirdisch  angelegt und später in das natürliche Gelände integriert wurden. Dies gilt natürlich in erster Linie für die Druckrohrleitung. Selbige wurde mitsamt dem Trassenverlauf in Zusammenarbeit der Firmen Amitech und Wieser OHG  aus Mühlen in Taufers projektiert und verlegt. Eine echte Herausforderung für das Bauunternehmen: Schließlich  waren nur minimale Toleranzen vorgegeben. Dazu der Planer Dr. Ing. Anton Griessmair: „Bei der oberirdischen Verlegung im Rohrstollen mit 3,90 m Durchmesser wurden hohe Ansprüche an Präzision und Zeit gestellt. In nur 25  Arbeitstagen verlegte die Wieser OHG auf engstem Raum circa 1.300 lfm des GFK Rohres DN1800, wobei 300 lfm  davon als Bogen ausgeführt werden mussten.“ Im Stollen erfolgte die Rohrverlegung auf vorgefertigten, verzinkten  Rohrsätteln. Für die Einbringung der Rohre in den Stollen wurden diese selbst als Deichsel verwendet. Die restlichen 2  der insgesamt 3,3 Kilometer langen Triebwasserleitung verlegte das Team der Wieser OHG unterirdisch im Erdreich.  Dieser Bauabschnitt stellte bis auf zwei Steilstufen keinerlei größere Herausforderung für die Baufirma dar. Dass die  Verlegung professionell durchgeführt wurde, belegte die Druckprobe, die auf Anhieb ein erfolgreiches Ergebnis lieferte.Neben den Rohrverlungsarbeiten war Wieser OHG beim Bau des Kraftwerks „In der Klamme“ noch mit sämtlichen  Erdbewegungsarbeiten beauftragt. Beide Baulose wurden zur vollen Zufriedenheit der Projektträger abgewickelt. Seit  Jahren ist das Unternehmen führend bei der Realisierung von Groß- und Kleinkraftwerken in ganz Norditalien.

UNTERIRDISCHE INFRASTRUKTUR
Auch die in einer Felskaverne angelegte Doppelkammer-Entsandungsanlage gilt als prägender Bestandteil der  Anlage, der wenig von einer Standardlösung hat. 9500 m3 Fels mussten für dessen Errichtung ausgebrochen werden.  Gut 83 Meter beträgt die Länge des Sandfangs, der zusätzlich mit einer Verjüngung in Flaschenhalsform für 12,30  Meter ausgeführt wurde. Speziell dieser komplexe Übergang von der Fassung zum Sandfang entpuppte sich für die  Planer als knifflige Angelegenheit, wie von Seiten der Projektleitung von BERNARD INGENIEURE zu hören war. Die  Entsandungsanlage wurde in Zusammenarbeit der beiden Baufirmen Strabag AG und Unionbau GmbH exakt nach den Vorstellungen von Planern und Bauherrn errichtet. Neben dem Aspekt eines landschaftsschonenden Vorgehens  lagen die wesentlichen Gründe für die unterirdische Bauweise an den beengten Platzverhältnissen, an den örtlichen  Gegebenheiten und am Schutz vor allfälligen Lawinen. Selbstredend bringt diese Bauweise auch den großen Vorteil  mit sich, dass sie für den Betrieb in den kalten Wintermonaten optimale Voraussetzungen bietet. Ebenso wenig  oberirdisch erkennbar wurde auch das Wasserschloss realisiert. Das ehemalige Tunnelportal wurde nach dem Einbau  der Druckrohre wieder mit Aushubmaterial und Erdreich gefüllt, das Gelände zurückgebaut, an das bestehende  Gelände angepasst und für die zukünftige Bewirtschaftung wieder vorbereitet. Nach den groben Geländemodellierungen wurde die sorgfältig abgetragene und zwischengelagerte Humusschicht wieder aufgetragen.

MIT GRÖSSTER RÜCKSICHT AUF DIE NATUR
Für die Erhaltung der limnologischen und fischbiologischen Lebensraumqualität in der Ausleitungsstrecke wird eine  großzügige Restwasserdotation garantiert. Entsprechend den Vorschlägen der zuständigen Landesämter Südtirols  sieht diese eine Restwasserabgabe vor, die sich aus einem Fixanteil von 350 l/s über die Fischtreppe und einem  dynamischen Anteil von über 25 Prozent – rückgerechnet von den Öffnungen der Turbinendüsen – an der  Wasserfassung zusammensetzt. Zusätzlich werden in der betroffenen Gewässerstrecke einige Konsolidierungssperren mittels einer Sohlrampe rückgebaut, um auch dort die Durchgängigkeit für die Fische zu gewährleisten. Neben den  Milderungsmaßnahmen, die unter anderem die möglichst landschaftsschonende Bauweise beinhalteten, galt es für  den Projektträger, auch Umwelt-Ausgleichsmaßnahmen durchzuführen. Umgesetzt wurden diese im Rahmen der  landschaftsökologischen Baubegleitung von Dr. Kurt Kußtatscher (Büro für Landschaftsökologie TRIFOLIUM, Bozen). In deren Mittelpunkt standen vor allen Dingen Konzepte, den aquatischen und limnischen  Lebensgemeinschaften zusätzlichen Lebensraum zu schaffen und somit die Qualität dieser Lebensräume etwas zu  verbessern. Sowohl der Rück- bzw. Umbau von Wanderhindernissen im Bachbett als auch das Anlegen von  Amphibien- und Laichgewässern waren deshalb Teil des Ausführungsprojektes. Abgerundet wurden die ökologischen  Maßnahmen durch die Schaffung von zusätzlichen, mit Steinen gestalteten Klein-Nischen für Flora und Fauna. In den  Uferbereichen wurden wieder heimische Bäume und Sträucher angepflanzt.

VERKLAUSUNG AUSGESCHLOSSEN
Hervorzuheben sind neben den ökologischen und den baulichen Aspekten des Kraftwerks aber auch die Lösungen,   ie im Stahlwasserbau umgesetzt werden konnte. Die umfangreiche stahlwasserbauliche Ausrüstung für die Fassung,  die Entsandungsanlage sowie diverse Schützen und Rechen wurden von der Firma GMT Wintersteller GesmbH aus dem Salzburger Kuchl mustergültig realisiert. Sie stellen aus sicherheitstechnischen Aspekten auch eine wichtige Grundlage  ür eine hohe Verfügbarkeit der Anlage dar. Eine ganz spezielle Lösung lieferte GMT für die Wasserfassung, die – wie  ei so vielen anderen Komponenten des Kraftwerks – auf den ersten Blick nicht erkennbar ist. Das gelieferte  irolerwehr  urde mit einem darunter liegenden, automatisch arbeitenden Gegenrechen ausgeführt. Eine Verklausung des Durchfallrechens wird damit ausgeschlossen. Die einzelnen Rechenfelder werden dabei jeweils mit einem  ydraulisch angetriebenen Gegenrechen kammartig von unten gereinigt. Das dabei gelöste Rechenmaterial wird durch das abfließende Wasser weggeschwemmt.

MASCHINENGESPANN VOM FEINSTEN
Vom wilden Wasser der Ahr kann das neue Kraftwerk „In der Klamme“ in Starkwasserzeiten an der Tirolerwehr bis zu  4,8 m³/s einziehen. Mit einem Druck von circa 17 bar trifft das Wasser auf die beiden sechsdüsigen vertikalen  Peltonturbinen. Konsequenterweise wurde von Planern und Projektverantwortlichen auch in Sachen elektromaschinelle Ausrüstung höchstes Augenmerk auf Qualität gelegt. Die zwei sechsdüsigen Peltonturbinen stammen vom  Traditionshersteller Geppert aus Hall in Tirol. Diese entsprechen dem letzten Stand der Technik, weisen neben einem hohen Wirkungsgrad auch eine sehr robuste Bauweise auf. Ausgelegt sind die Turbinen bei einer Fallhöhe von 176,35 Meter und einem Ausbaudurchfluss von 4,8 m³/s auf 7.315 kW. Nicht weniger hochwertig präsentiert sich die Generatorlösung. Die beiden Synchrongeneratoren, deren Rotorwelle jeweils direkt gekuppelt mit dem Laufrad der  Turbinen ist, stammen vom österreichischen Qualitätshersteller ELIN Motoren GmbH. Die Generatoren des Weizer  Motorenspezialisten zählen seit vielen Jahrzehnten absolut zum Topstandard in Sachen Synchron-Generatoren für die  Wasserkraft – sowohl, was Wirkungsgrad, als auch was deren hohe Verfügbarkeit und Lebensdauer anbelangt. Die  eiden Synchrongeneratoren wandeln die mechanische Energie des Laufrads in elektrische um. Ausgelegt sind sie jeweils auf knapp 5 MVA Generatorleistung. Der erzeugte Strom wird über ein unterirdisch verlegtes  Mittelspannungskabel 20 kV in eine Primärkabine in Mühlen in Taufers geleitet und dort in das 130 kV-Netz der  ERNA  eingespeist. Diese 20 km lange Kabelleitung wurde aus Zeitgründen vom Bauherrn des Kraftwerks selbst  verlegt. In Summe wird das neue Kraftwerk im Regeljahr rund 27 Mio. Kilowattstunden erzeugen. Mit dieser  Erzeugungskapazität stellt die neue Anlage heute eine neue, wesentliche Säule in der Sicherung der  Versorgungsunabhängigkeit im Südtiroler Ahrntal dar. Speziell, im Falle der immer wieder auftretenden Stromausfälle  im überregionalen Stromnetz, kommt dem Kraftwerk große Bedeutung zu.

KRAFTWERK MIT LANGER VORGESCHICHTE ABER KURZER BAUZEIT
Bereits im Jahre 2002 hat die Ahr Energie GmbH, welche von deren Präsidenten Dr. Karl Hellweger, 10 Ahrntaler  Bürgern bzw. Firmen gehalten wird, ein Projekt zur Erhaltung der Wasserkonzession für Strom – produktion  eingereicht. Im Jahre 2004 wurde die Umweltverträglichkeitsprüfung positiv abgeschlossen. In den folgenden fünf  Jahren bis 2009 musste das Projekt gegen weitere Konkurrenzprojekte verteidigt werden, mehrere Gerichtsverfahren  waren notwendig. Schlussendlich konnte die Ahr Energie GmbH als Sieger des Wettbewerbes im Frühjahr 2010 mit den  Bauarbeiten für das Kraftwerk beginnen. Die Anlage war im Juli 2011 betriebsbereit und konnte Anfang  September 2011 ins Öffentliche Netz einspeisen.

PROJEKTBEGLEITUNG
Das gesamte Projekt wurde von Anfang bis Ende vom Ingenieurbüro Studio G des Dr. Ing. Anton Griessmair aus  Bruneck hauptverantwortlich erstellt und begleitet und in Teamarbeit mit spezialisierten Büros und Technikern  schlussendlich zur Ausführungsreife gebracht und während des Baus begleitet. Wesentlichen Anteil an der  Projektentwicklung und Bauleitung, vor allem im Bereich Tunnelbau und Wasserhydraulik, hatte das Büro BERNARD  Ingenieure aus Hall in Tirol sowie das Ingenieurbüro Patscheider & Partner aus Mals im Vinschgau für die Statik. Die  landschaftskölogische Baubegleitung sowie die Umsetzung der Ausgleichs- und Milderungsmaßnahmen wurden von  Dr. Kurt Kußtatscher (Büro für Landschaftsökologie TRIFOLIUM, Bozen), durchgeführt.

Bericht aus zek HYDRO – Februar 2012

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