Interview

Interview: GHE Heros Turbinenregler7 min read

22. August 2012, Lesedauer: 5 min

Interview: GHE Heros Turbinenregler7 min read

Lesedauer: 5 Minuten

Manfred Huber steht gemeinsam mit Michael Limmer der Abteilung für Steuerungs- und Regeltechnik bei GHE vor.

Im Gespräch mit der zek HYDRO erläutert er die wichtigsten Key Features und Qualitätsmerkmale moderner Steuerungssysteme für Wasserkraftwerke und verrät dabei einige Details, was das Steuerungssystem Heros der dritten Generation alles können wird.

zek: Was können die heutigen computerbasierten Steuerungssysteme eigentlich besser als die alten relais-gesteuerten?
Huber: Viel. Waren früher nur ein paar wenige, prioritäre Komponenten überwacht, so kann man in einem modernen Steuerungs und Automationssystem, wie wir es mit dem HEROS anbieten, so gut wie alle Messwerte – auch aus der Kraftwerksperipherie – in Echt-zeit auslesen und dem Betreiber über eine bedienerfreundliche Visualisierung zugänglich machen. Außerdem fällt die Reaktion des Systems heute deutlich „intelligenter“ aus.

zek: Was verstehen sie unter „intelligenter“?
Huber: Früher war es zum Beispiel so, dass bei einer Störung einfach die Maschine vom Netz gerissen wurde und der Generator in Überdrehzahl ging. Es ist nachvollziehbar, dass das vor allem für den Generator auf Dauer nicht gerade günstig war. Heute ist das System in der Lage, differenzierter zu reagieren. Wenn etwa lediglich ein hydraulischer Defekt vorliegt, wartet das System automatisch bis die Maschine Leistung abgebaut hat. Schließlich ist der klassische Notschluss in dieser Situation nicht erforderlich.

 zek: Was entgegnen Sie Skeptikern, die eine Gefahr für die Datensicherheit oder generell für die Anlage durch Hacking orten?
Huber: Heute ist eine Anbindung an den Internet Standard. Und die Gefahren sind allgemein gültig. Entscheidend ist, dass der Zugang für die Fernsteuerung nicht in fremde Hände gelangt. Wir als Programmierer sind also angehalten, den Zugang auf das Notwendigste begrenzt offen zu halten und dabei alle dem Stand der Technik entsprechenden Sicherheitsvorkehrungen zu treffen.

zek: Wie sicher sind die Daten vor Systemabstürzen?
Huber: Wir haben im HEROS mehrere Redundanzebenen eingezogen und bieten eine Datensicherung an mehreren Speicherorten an. Zudem ermöglichen wir unseren Kunden, die Daten auf unseren Server zu laden, was eine weitere Sicherheitsebene bedeutet. So sind alle laufenden Daten und alle Auswertungsdaten mehrfach gesichert. Außerdem ist es bei uns Standard, den Inbetriebsetzungs- Status hier am Standort Niederranna zu hinterlegen.

zek: Das heißt, dass Sie dem Betreiber also jederzeit wieder seine Standard-Einstellungen liefern können?
Huber: Korrekt. Wir hatten so einen Fall auch schon einmal nach einem Blitzschlag- Schaden an einem Kraftwerk. Wir haben das System bei uns im Haus neu aufgesetzt, eingepackt und dem Kunden geschickt. Nach dem Systemtausch konnte die Maschine sofort wieder anfahren.

zek: Es scheint, dass der Service-Gedanke einen hohen Stellenwert hat?
Huber: Definitiv. Wir bieten unseren Kunden umfassenden Support. Konkret können wir uns, ebenso wie der Betreiber, über die Fernsteuerung einloggen und den Status überprüfen. Wir können Prüfsequenzen einleiten, um dem Kunden bei einem Problem weiterzuhelfen. Darüber hinaus liefern wir die neuesten Updates für die Software. Wir erachten es als selbstverständlich, dass wir uns auch ein, zwei Jahre nach Inbetriebsetzung noch um eine Anlage kümmern. Wobei wir zudem sehr umfangreiche Wartungsverträge anbieten.

zek: Kurz zur Hardware: Auf welchem System baut das HEROS auf?
Huber: Wir vertrauen schon seit vielen Jahren auf die Hardware-Module BECKHOFF aus Deutschland. Diese sind von hoher Qualität. Und – was für uns als weltweiten Wasserkraft- Lieferanten wichtig ist – man bekommt die Ersatzteile auf der ganzen Welt – und das einfach und schnell.

zek: Was kann das HEROS?
Huber: Grundsätzlich muss man vorausschicken, dass das HEROS in der zweiten Generation – wie es heute von uns angeboten wird – alle aktuellen Anforderungen eines modernen wärterlosen Kraftwerksbetriebs abdeckt. Das System überprüft laufend sämtliche Geräte, Instrumente, Messparameter usw. Diverse Betriebssequenzen werden präzise gesteuert, angefangen von der Sequenzsteuerung für alle Turbinen, Leitapparat, Düsen, Triebwassermenge bis hin zur Synchronisierung, der An-passung an die Netzfrequenz und dem Zu-schalten auf Netzparallelbetrieb. Darüber hinaus ist unsere Software in der Lage, auch auf unterste Steuerungsebenen durchzugreifen. So können wir über die Fernsteuerung auf das Generator-Schutzgerät zugreifen und sind damit in der Lage, auch sämtliche Para-meter aus dem Generator auszulesen.

zek: Wo liegen denn nun besondere Stärken des HEROS?
Huber: Ein spezielles Feature unserer Software ist etwa eine ausgefeilte Wassermengenaufteilung bei Mehr-Turbinen-Anlagen. Je nach Wasserdargebot regelt das HEROS vollautomatisch, an welche Turbine übergeben wird, sodass die Anlage stets im Bestpunkt arbeitet. Wir haben intensiv an dieser Steuerung gearbeitet – und diese ist bereits bei einigen Anlagen im In-und Ausland im Einsatz. Sie hat den Praxistest mehr als bestanden. In diesem Punkt spielt unser System sicher seine Stärken aus. Ein weiterer wichtiger Pluspunkt ist die bewusst einfache Architektur unserer Software, die relativ flexibel eine Erweiterung für neue Anforderungen zulässt.

zek: Das bedeutet demnach, dass das HEROS kein Steuerungssystem „von der Stange“ ist?
Huber: Ja, es ist zwar modular aufgebaut, wird aber für jedes Kraftwerk individuell gestaltet und angepasst. Die einzelnen Bausteine des Systems sind vielfach bewährt und getestet.

zek: Bestehen Möglichkeiten für „Trockentests“ von neuen Steuerungssystemen?
Huber: Ja, seit einigen Jahren verfügen wir über einen Simulationsstand, der in mehrfacher Hinsicht für unsere Arbeit unersetzlich ist. Zum einen können wir für jedes neue Kraftwerk einen Simulator programmieren, über den wir das dafür konzipierte Steuerungssystem laufen lassen. Damit können wir das gesamt Betriebsverhalten und das Funktionieren des HEROS auf Herz und Nieren in einem virtuellen Kraftwerk testen. Speziell, wenn nun ein Kunde gewisse Änderungen an der Anlage plant, nutzen wir unseren Simulator, um die Auswirkungen im Vorfeld zu prüfen, bevor die erste Schraube gelockert wird. Zum anderen dient uns der Simulationsstand dazu, unser HEROS immer weiter zu entwickeln. Es ist eines unserer wichtigsten Tools auf dem Weg zur dritten Generation.

zek: Steht die dritte Generation denn schon in den Startlöchern?
Huber: Wir arbeiten intensiv daran. Man muss sich vorstellen, dass die Software-Entwicklung ein dynamischer Prozess ist, in den dauernd neue Ideen, neue Erkenntnisse aus Forschung und Entwicklung, sowie praxisrelevante Daten einfließen. Wir sind derzeit im Stadium der Konzeptarbeit und der ersten Umsetzungsphase.

zek: Verraten Sie unseren Lesern, welche Neuerungen im HEROS der dritten Generation zu erwarten sind?
Huber: Es betrifft fast alle Aspekte. Unser Turbinenregler ist bereits sehr ausgereift, sein Algorithmus soll aber für die dritte Generation neu programmiert werden. Wasserstands- und Leistungsregler wurden auf mehreren Testanlagen weiter optimiert, die Einstellparameter und Aufzeichnungsdaten werden effizient in einer Datenbank abgelegt. Dadurch lassen sich die Daten häufig replizieren und bringen eine weitere Redundanzebene mit sich. Ein weiteres zentrales Thema ist die Bedieneroberfläche: Die Bedienung wird völlig überarbeitet und neu gestaltet, der Bediener soll intuitiv geführt werden. Zum Beispiel bei einem Störungsfall wird der Betreiber aktiv auf die Quelle der Störung hingewiesen und von der Software bei seiner Reaktion dahingehend unterstützt. Verfeinert wird dieses System durch ausgefeilte, detailreiche grafische Übersichten, die für die Bedienung über Touch-Screen-System programmiert werden. Details möchte ich aber noch nicht verraten.

zek: Wird das erfolgreiche Konzept der Triebwasseraufteilung im HEROS auch noch weiter verbessert?
Huber: Ja, bislang war es vor allem für die Verteilung zwischen mehreren Turbinen bzw. für die Düsensteuerung bei Pelton-Turbinen konzipiert. Nun arbeiten wir an einer Weiterentwicklung dieser Anwendung für Niederdruckanlagen mit Kaplanturbinen. Neu dabei ist, dass es für jeden Betriebspunkt in einer 3D-Zuordnung eine Einstellung für den Bestpunkt gibt, also ein absolut exaktes System. Das heißt: Je nach Fallhöhe werden die Einstellungen der Turbine für den Bestpunkt optimiert. Der Prototyp dieses Reglers wird bereits erfolgreich getestet.

zek: Gibt es auch neue Anforderungen, denen in der dritten Generation Rechnung getragen wird?
Huber: Ja, die gibt es. Zum Beispiel werden kleine Pumpturbinen in Zukunft ein Thema sein. Sollte der Markt danach verlangen, werden wir auch das passende Steuerungssystem dafür liefern können. Ein zweites Zukunftsthema ist eine vollautomatisierte Anpassung des Kraftwerks an Nachfrage und Höchsttarife. Unter der Voraussetzung eines Smart-Grids sollte es möglich sein, über eine Trendauswertung des Wasserdargebots die Anlage so zu steuern, dass sie zur wirtschaftlich ertragreichsten Zeit die höchste Stromproduktion erbringt.

zek: Wird einem hochwertigen Steuerungssystem Ihrer Meinung nach immer noch ein zu geringer Stellenwert eingeräumt?
Huber: Ich glaube, dass sich das gerade ändert. Die Betreiber merken sehr wohl, dass es über die Verlässlichkeit hinaus auch noch wichtige Punkte gibt, die man bei einem Steuerungssystem beachten muss. Schließlich werden im mechanischen Bereich um Zehntelprozentpunkte im Wirkungsgrad gefeilscht. Doch wenn die Steuerung nicht optimal arbeitet, kann die Anlage sehr schnell 2, 3 oder 4 Prozent an Gesamtwirkungsgrad einbüßen. Und diesen Zusammenhang erkennen heute immer mehr Betreiber.

Teilen: