Lungauer investieren in saubere Wasserkraft6 min read
Lesedauer: 4 MinutenDie Nutzung heimischer Ressourcen zum Zwecke der Energiegewinnung – das haben sich vier findige Unternehmer aus dem Salzburger Lungau auf ihre Fahnen geschrieben.
Gemeinsam haben sie unlängst unter großem persönlichen Einsatz ein innovatives Kleinwasserkraftwerk in der UNESCO Biosphärenpark-Gemeinde Weißpriach realisiert. Die Anlage, die auf knapp 300 kW Leistung ausgelegt ist, wird im Jahr rund 1.000 Megawattstunden sauberen Strom liefern – und einen wichtigen Beitrag zum „grünen Image“ des idyllischen Lungauer Seitentals liefern. Überdies darf das Kleinkraftwerk aufgrund der zugunsten des Lärmschutzes realisierten Lösungen durchaus als „Musteranlage“ bezeichnet werden.
Kaum ein anderer Bezirk in Österreich, in dem Eigenständigkeit und Selbstversorgung historisch bedingt eine derart bedeutende Rolle zugekommen ist wie im Salzburger Lungau. Gerade was die Elektrifizierung angeht, war man über Jahrzehnte auf die Initiativen von Einzelnen angewiesen. Eine flächendeckende Stromversorgung wurde erst nach 1946 verwirklicht, als die Stromautobahn über den Radstädter Tauern auch den südlichsten, stark ländlich geprägten Teil des Salzburger Innergebirges erreichte. Vor diesem entwicklungsgeschichtlichen Hintergrund ist es nicht verwunderlich, dass hier auch heute noch Kooperationsgeist und die Besinnung auf bodenständige Werte und Ressourcen lebendig und geachtet sind.
Schützenswertes Natur-Idyll
Gelebt werden diese Werte von jungen Unternehmern wie Robert Gruber und Franz Baksa, die schon seit einigen Jahren in erneuerbare Energien in ihrem Heimatbezirk investieren. Zuletzt hatten sie vor drei Jahren die beiden Kleinwasserkraftwerke Müllnerbauer und Dorfergraben in Zederhaus – einer weiteren der 15 Lungauer Gemeinden – in die Tat umgesetzt. Für ihren letzten „Coup“ schlossen sich die beiden mit zwei anderen lokalen Unternehmern zusammen, um ein weiteres Kleinwasserkraftwerk zu errichten – und zwar im malerischen Weißpriach-Tal. Aufgrund seiner relativen Abgeschiedenheit hatte das idyllische Tal mit der kleinen, auf mehrere Fraktionen aufgeteilten Gemeinde bei Wanderern und Naturliebhabern bis vor wenigen Jahren noch den Status eines Geheimtipps. Heute ist es mittlerweile auch über die Salzburger und Steirer Grenzen hinaus als Natur-, Wander- und Fischer-Eldorado bekannt. Das Tal liegt auf 1.100 m Seehöhe südlich des Hauptkamms der Schladminger Alpen. Es ist geprägt von dichten Wäldern, seinen Almen und den markanten Bergseen. Entwässert wird das Tal durch die Longa – ein Begriff, der aus dem Slawischen stammt und so viel heißt wie „die Gekrümmte“. Gerade Fliegenfischer schnalzen bei ihrer Erwähnung mit der Zunge. Aufgrund des reichen Naturlebensraums zählt Weißpriach heute zu den schützenswerten UNESCO-Biosphärenpark-Gemeinden.
Bach mit massiven Querbauwerken
2012 fassten die vier Lungauer die Idee ins Auge, an einem Longa-Zubringer in der Fraktion Hinterweißpriach – dem Brandgrabenbach – eine neue Ökostromanlage zu errichten. Durchaus ein Projekt, das Stolpersteine auf dem Weg zur möglichen Umsetzung in sich bergen könnte. Nicht zuletzt ob der Tatsache, dass der Naturraum zu den hoch schützenswerten im Land zählt. Das Quartett beschloss, sich an einen etablierten Wasserkraft-Planer zu wenden, mit dem man gemeinsam in den „Projektmarathon“ gehen wollte. „Ganz wichtig war natürlich der Umstand, dass der Brandgrabenbach seit vielen Jahren durch Quer- und Sicherungsbauwerke der Wildbach- und Lawinenverbauung geprägt ist. Ein ‚sehr guter Zustand’ war somit nicht gegeben. Damit waren aus naturschutzrechtlicher Hinsicht bereits gute Vorzeichen gegeben“, erklärt der zuständige Projektplaner DI Peter Santner vom Planungsbüro Dienesch – Laner – Prax Ziviltechniker-GmbH. „Ein weiterer positiver Aspekt war der Umstand, dass der Großteil des Trassenareals einem der vier Betreiber gehört, was aufwändige und manchmal auch teure Verhandlungen mit Trassenanrainern obsolet machte.“
Ganglinie ohne Historie
Zwei Punkte gab es jedoch, die den Planern von Dienesch – Laner – Prax einiges an Kopfzerbrechen bereiteten. Zum einen die sehr knapp bemessene Zeit von der Projektidee bis zur von den Bauherrn gewünschten Umsetzung, sowie das Fehlen einer auf langjährigen Messungen beruhenden Wasserganglinie des Brandgrabenbachs. „Natürlich gab es von Seiten der einheimischen Bevölkerung subjektive Einschätzungen des Schüttungsvermögens. Doch diese konnten wir nicht als Planungsgrundlage heranziehen. Wir haben dann zügig mit eigenen Wassermessungen begonnen. Aber erst in Zusammenarbeit mit dem hydrographischen Dienst des Landes Salzburgs ist es schließlich gelungen, eine Dauerlinie für das Gewässer zu entwickeln, auf deren Basis eine sichere und funktionelle Auslegung für die Nutz- und Restwassermengen erfolgen konnte“, so Peter Santner. Im Frühsommer 2014 wurde – nach Vorliegen der erforderlichen Genehmigungen – mit dem Bau der Anlage begonnen. Die Baumeister- und die Rohrverlegungsarbeiten konnten noch im selben Jahr abgeschlossen werden, während die Installations- und E-Technik-Arbeiten erst in diesem Jahr realisiert wurden. Seit Frühling 2015 ist das neue Kleinkraftwerk im Probebetrieb.
Fassung vor Muren geschützt
Beim neuen Kleinwasserkraftwerk Brandgrabenbach handelt es sich um eine moderne, wenngleich durchaus klassisch konzipierte Hochdruck-Anlage. Die Wasserfassung wurde auf etwa 1.350 m Seehöhe als Tirolerwehr angelegt, dem ein Sandfang, das Schiebergebäude mit Feinrechen und Rechenreiniger angeschlossen sind. Aufgrund der Geschiebeträchtigkeit und der Gefahr von Vermurungen wurde die Fassung derart kompakt geplant, dass sie als „murfähig“ einzustufen ist. 265 m beträgt die Bruttofallhöhe, die das Triebwasser – maximal 135 l/s – bis zum Maschinenhaus überwindet. Darin ist eine 4-düsige Peltonturbine mit einer Leistung von 270 kW installiert, die einen Synchrongenerator von Hitzinger antreibt. Der Grund, warum sich die Betreiber für eine Turbine des Südtiroler Wasserkraftspezialisten entschieden hatten, ist einfach erklärt. Im 2013 errichteten Kraftwerk Dorfergraben hatte man ebenfalls auf eine Turbine von Troyer gesetzt – und damit bislang beste Erfahrungen gemacht.
Gussrohre im Felsgelände
Beste Erfahrungen hatten die Wasserkraftbetreiber zuvor auch schon mit den duktilen Gussrohrsystemen des Tiroler Traditionsherstellers TRM gemacht, die eine auf Jahrzehnte hinaus sichere Triebwasserführung von der Entnahme zur Energieumwandlung im Maschinenhaus gewährleisten. Auf einer Trassenlänge von 1062 m kamen nun Rohre mit einem Durchmesser von DN300 und einer Druckstufe von PN40 zum Einsatz. „Für dieses Projekt eigneten sich die duktilen Gussrohre von TRM besonders gut, da die Verlegung großteils in steilem und felsigem Gelände erfolgte. Die Rohre konnten mit dem vor Ort gegatterten Material gebettet werden, sodass wir kein Bettungsmaterial in die schwer zugänglichen Bereiche liefern mussten. Das erspart nicht nur das Bettungsmaterial, sondern überdies Zeit und Geld. Zudem erwiesen sich die Verbindungselemente im Handling als ausgezeichnet“, erklärt Peter Santner. Prioritäres Ziel der Verlegung war ein möglichst gestreckter Verlauf der Leitung. Aufgrund der schwierigen Topographie kamen dennoch 11 Rohrbögen zum Einsatz. Auch Betonwiderlager zur Aufnahme der Längs-kräfte wurden installiert. Für ein Höchstmaß an Betriebssicherheit sorgt die längskraftschlüssige VRS-T®/BLS®-Verbindungen, wodurch die Rohrleitung nun auch höchsten außergewöhnlichen Belastungen, wie etwa einem Hangrutsch, standhalten kann.
Lärmschutz für die Anrainer
Seit Frühling 2015 läuft das Kleinkraftwerk rund um die Uhr. Im Regeljahr wird die Anlage rund 1,05 GWh sauberen Strom aus der Kraft des Brandgrabenbachs erzeugen. Das Krafthaus, das mit seiner Lärchenoptik bestens an die Naturlandschaft des Weißpriachtals angepasst wurde, weist aufgrund seiner Nähe zu einigen Wohnhäusern zudem noch eine Besonderheit auf: Es wurde besonders geräuscharm ausgeführt. Zu diesem Zweck wurde eine auf 43dB ausgelegte Lärmschutztüre eingebaut, der Generator mit Wasserkühlung versehen und im Auslaufbereich Dichtlappen angebracht. Mit diesen Maßnahmen wurde der Vorbildcharakter des neuen Ökostromerzeugers in dem Lungauer Seitental abgerundet. Die vier Betreiber können sich über ein Kleinkraftwerk freuen, das den südlichsten Bezirk des Bundeslandes Salzburg einen Schritt näher zur Energieunabhängigkeit bringt.
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