Erlebnisberg Watles nutzt das Wasser mehrfach8 min read
Lesedauer: 5 MinutenSeit mehreren Jahren arbeiten die Verantwortlichen des Ski- und Erlebnisbergs Watles im Südtiroler Obervinschgau an einem ausgeklügelten Wasserkonzept.
Beschneiung im Winter, Beregnung im Sommer, sowie eine hydroelektrische Nutzung nach modernsten Richtlinien der Wasserkraft – so lauten die Eckpfeiler eines umfassenden, zusammenhängenden Konzepts. Als letztes Puzzle-Teil dieses Systems wurden vergangenes Jahr zwei Wasserkraftwerke in das Leitungssystem integriert. Die beiden Anlagen, in denen jeweils eine 2-düsige Peltonturbine vom Fabrikat Tschurtschenthaler installiert ist, sollten zusammen im Regeljahr rund 400.000 kWh sauberen Strom erzeugen. Speziell von seiner Synergie her kann das Wassermanagement am bekannten Erlebnisberg oberhalb von Burgeis durchaus als beispielgebend für andere Tourismusregionen in den Alpen angesehen werden.
Der Erlebnisberg Watles im Malser Weiler Prämajur verdankt seinen guten Ruf nicht seiner Größe, seinen Liften und den vielen Pistenkilometer. Er verdankt ihn eher dem Gegenteil. „Unser Skigebiet hier ist klein, aber fein. Massentourismus kennen wir im Grunde nicht. Wir richten uns eher an Leute, die das Gemütliche suchen“, sagt Günther Bernhart, Präsident der Erlebnisberg Watles Touristik & Freizeit AG. „Zu uns kommen viele Familien mit Kleinkindern, speziell im Winter. Unser Angebot umfasst dabei vier Pisten mit insgesamt 18 Pistenkilometern, eine 4 Kilometer lange, beleuchtete Rodelbahn sowie den nagelneuen Ski Cross Parcour. Das Skigebiet gilt dabei als eines der sonnigsten in ganz Südtirol. Außerdem ist der Watles sehr beliebt bei Skitourengehern, wir haben für sie eine eigene Skitourenabfahrt angelegt.“ Aber auch im Sommer und im Herbst lockt der Erlebnisberg zahlreiche Wander- und Naturliebhaber mit den landschaftlichen Reizen des Obervinschgaus. Mit dem Sessellift erreicht man in wenigen Minuten die Bergstation auf 2.150 m Seehöhe, wo sich ein idealer Ausgangspunkt für zahlreiche Wanderungen mit herrlichem Panoramablick über den gesamten Obervinschger Talkessel und die umliegende Bergwelt befindet. Für die Kleinen wurde ein liebevoll gestalteter Spielplatz mit einem kleinen See in unmittelbarer Nähe des Berggasthofs angelegt. Im Winter sind es 500 bis 600 Personen pro Tag, die die Seilbahn auf den Watles nutzen, im Sommer sind es mit 400 bis 500 nicht viel weniger.
Planer entwickeln Gesamtkonzept
Hinter dem erfolgreichen touristischen Konzept der Vinschgauer steckt nicht nur großes Engagement und harte Arbeit, sondern zudem auch ein ausgeklügeltes Ressourcenmanagement. Allen voran spielt das Thema Wasser eine tragende Rolle, speziell wenn es gilt, Pisten zu beschneien und trockene Almwiesen künstlich zu bewässern. „Der Watles war das erste Skigebiet in ganz Südtirol mit einer Wasserkonzession für die Beschneiung. Bereits in den 1980er Jahren wurden dafür die ersten Weichen gestellt. Allerdings waren damals die Beschneiung und die Bewässerung völlig voneinander getrennt. Ein gemeinsames Konzept war noch nicht in Sicht“, erinnert sich der bekannte Wasserkraftplaner Dr.-Ing. Walter Gostner von der Malser Hauptniederlassung der Ingenieure Patscheider & Partner GmbH.
Der entscheidende Schritt erfolgte im Jahr 2010, als Patscheider & Partner von den Betreibern des Skigebiets den Auftrag erhielt, ein nachhaltiges Gesamtkonzept für die nächsten Jahre zu entwickeln. Im Fokus stand dabei ein effektives Wassermanagement und – damit ver- bunden – eine Zusammenführung von Beschneiung und Beregnung und – falls möglich – die Nutzung der Wasserkraft am Watles.
Aufwändige Vorarbeiten
Eine zentrale Rolle im Wassermanagement am Watles kommt einem natürlich entstandenen Bergsee, dem Pfaffensee, zu. Er liegt auf ca. 2.250 m Seehöhe und stellt mit seinem Fassungsvolumen von rund 90.000 m3 das Wasserreservoir für Beschneiung und Beregnung das. Dass man ihn überhaupt so nutzen kann, wie dies heute der Fall ist, war alles andere als selbstverständlich. „Der Pfaffensee hat den Status eines Naturdenkmals. Nahe liegender Weise war die Skepsis der Behörden gegenüber sämtlichen erweiterten Nutzungsplänen erheblich. Dementsprechend aufwändig gestalteten sich die Verhandlungen, als wir 2012 eine Erhöhung des bereits am Ende des 19. Jahrhunderts zu Bewässerungszwecken errichteteten Staudamms von 3 m auf 4 m beantragten“, sagt Walter Gostner. Er verweist darauf, dass umfangreiche limnologische Untersuchungen erforderlich waren und sogar eine große Umweltverträglichkeitsstudie angestellt werden musste, um am Ende nachzuweisen, dass eine Dammerhöhung keinerlei Schaden an dem Naturdenkmal anrichten würde. „Abgesehen davon darf man nicht vergessen, dass Günther Bernhart und Hans Telser mit bewundernswerter Hartnäckigkeit dafür Überzeugungsarbeit geleistet haben. Als Vertreter der neuen Generation der Liftbetreiber ergriffen sie die Initiative und setzten letztlich ein Projekt um, von dem eigentlich schon lange gesprochen worden war.“
Rohrleitung kommt in die Jahre
Im Wassernutzungskonzept ist der Pfaffensee allerdings nicht der einzige Speicher. Darüber hinaus wurde vor einigen Jahren auch ein unterirdischer Zwischenspeicher mit einem Fassungsvermögen von 5.000 m3 für die Beschneiung angelegt. Er ist gut 100 Meter unterhalb der Bergstation im Bereich der Lifttrasse situiert. Beide zusammen bilden sie eine Grundvoraussetzung für das Wassermanagement am Watles. Eine weitere stellt das Leitungssystem für Beschneiung und Bewässerung dar, das zuletzt allerdings schon etwas in die Jahre gekommen war. „In den nächsten Jahren wären die Rohre wohl fällig gewesen. Und da man sie ohnehin austauschen hätte müssen, war es naheliegend, dies nun im Rahmen der Implementierung der beiden Kraftwerke zu tun und somit gleichzeitig die Voraussetzung zu schaffen, dass auch die Bewässerung in Zukunft über die Beschneiungsleitungen erfolgen kann“, sagt Walter Gostner. Zum Einsatz kamen dabei duktile Gussrohre der Dimension DN200.
2015 starteten die Projektarbeiten für die beiden Kleinkraftwerke Watles 1 und Watles 2. Die Pläne dafür wurden ebenfalls von der Ingenieure Patscheider & Partner GmbH ausgearbeitet, die auch für die Ausschreibung und die örtliche Bauaufsicht verantwortlich zeichnete. 2017 konnten die Bauarbeiten in Angriff genommen werden. Im Herbst letzten Jahres wurden schließlich die neuen Maschinensätze installiert.
Südtiroler Wasserkrafttechnik punktet
Bei der Wahl der Maschinen standen Kriterien wie Zuverlässigkeit, Qualität und Performance, aber natürlich auch das Preis-Leistungs-Verhältnis im Vordergrund. Die Verantwortlichen entschieden sich im Rahmen der Ausschreibung für Turbinen des Südtiroler Wasserkraftspezialisten Tschurtschen- thaler, der auch dank zahlreicher Referenz-i anlagen punkten konnte. „Wir waren von dem Angebot der Firma Tschurtschenthaler sehr angetan. Die Referenzanlagen haben auch für das Unternehmen aus Sexten gesprochen. Und am Ende hat das Unternehmen alles gehalten, was wir uns versprochen haben“, so Günther Bernhart und meint ergänzend: „Da wir ja zuvor keinerlei Erfahrung mit der Wasserkraft hatten, war für uns das Know-how der Firma Tschurtschenthaler schon sehr wichtig.“
Konkret kamen zwei 2-düsige Peltonturbinen mit horizontaler Welle zum Einsatz, die jeweils einen direkt gekoppelten Asynchrongenerator antreiben. Während die kleinere Maschine der Stufe 1 auf ein Schluckvermögen von 37 l/s und eine Fallhöhe von knapp 100 m ausgelegt ist, wurde die Turbine der Unterlieger-Anlage für 278 m Fallhöhe bei einem Ausbaudurchfluss von 55 l/s konzipiert. Mit 120 kW beträgt die Nennleistung der größeren Turbine in Stufe 2 das Vierfache der 30 kW-Turbine der Oberstufe. „Wir haben die beiden Turbinen im Herbst letzten Jahres in Betrieb genommen, und sie haben von Anfang an einen sehr guten Eindruck gemacht. Auch die versprochenen Wirkungsgrade wurden nachgewiesenermaßen alle eingehalten. Wir sind sehr zufrieden“, freut sich Günther Bernhart.
Komplexe Steuerungstechnik
Zusammen kommen die beiden Maschinensätze somit auf eine Gesamtleistung von ca. 150 kW. Allerdings sind beide Kraftwerke gleichzeitig gemäß des Nutzungskonzeptes nur in der warmen Jahreszeit im Einsatz. Während die Oberstufe ganzjährig betrieben wird, kommt der leistungsstärkere Maschinensatz 2 in den Sommermonaten zum Einsatz. Sobald mit der Bewässerung der 75 Hektar trockenen Wiesen gestartet wird, nimmt Maschinensatz 2 vollautomatisch seinen Betrieb auf – und beendet ihn, sobald das Wasser oberhalb für die Beschneiung eingesetzt wird.
„Gerade in steuerungstechnischer Hinsicht brachte unser dreifaches Wassernutzungskonzept – Beschneiung, Bewässerung, Wasserkraft – eine Herausforderung für das beauftragte Unternehmen, Electro Clara SA aus dem Südtiroler Enneberg, mit sich“, erzählt Günther Bernhart. Was dabei durchaus speziell ist: Beide Turbinen werden nicht über den Pegel im Oberwasser, sondern über jenen im Unterwasser gesteuert. Walter Gostner erklärt dies so: „Wenn die Beregnung in Betrieb genommen wird, sinkt der Pegel im Unterwasserbecken. Das bedeutet, dass die Turbine ans Netz geht und über sie permanent so viel Wasser nachgeliefert wird, dass der Spiegel im Unterwasserbecken konstant bleibt. Es wird also soviel abgearbeitet, wie gerade für die Beregnung benötigt wird. Analog funktioniert dies für die Oberstufe im Winter bei der Beschneiung – mit dem Unterschied, dass hier der Pegel im unterirdischen Zwischenspeicher der maßgebliche Faktor für die Steuerung der Turbine ist. Dieses Zusammenspiel galt es, für Electro Clara möglichst einfach und effizient steuerungstechnisch umzusetzen.“ Unerlässlich dabei war natürlich, dass die Enneberger E-Technik-Spezialisten auch eine Kommunikation zur übergeordneten Steuerung von Beschneiung und Beregnung herstellten. Zudem verfügen die Anlagen – ganz ähnlich wie Trinkwasserkraftwerke – über eine vollautomatisch geregelte Bypass-Option, um die Wasserführung auch bei einem eventuellen Ausfall der Turbine weiter sicherzustellen. Ein umfassendes Fernüberwachungs- und Fernwirksystem, wie es Electro Clara heute schon standardmäßig realisiert, stellt zudem die Grundlage für eine effiziente Bedienung und Kontrolle des Systems dar.
Wichtig für die nachhaltige Entwicklung
Die Betreiber rechnen mit einer durchschnittlichen Stromproduktion von rund 400.000 kWh im Jahr, wobei die Unterstufe mit ca. 270.000 kWh den Löwenanteil liefert. Doch die Schwankungsbreite ist groß. Schließlich hängt die Produktion gemäß des Nutzungskonzepts stark von äußeren Einflüssen ab. Der gesamte Strom, den die beiden Kraftwerke am Watles heute produzieren, wird ins öffentliche Netz eingespeist. Die Anlagen sind nur für den Netzparallelbetrieb ausgelegt.
Für die kleine Tourismusregion Prämajur, die vorrangig auf „entschleunigten“ Fremdenverkehr setzt, stellt die umweltfreundliche Erzeugung von Ökostrom einen weiteren wichtigen Baustein im Sinne einer nachhaltigen Entwicklung dar. Das Gesamtkonzept, das in seinem Wassermanagement Beschneiung, Beregnung und Wasserkraftnutzung vereint, könnte somit durchaus Vorbildcharakter für andere Tourismusregionen in den Alpen erlangen.
Teilen: