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Pionierkraftwerk an der Feistritz steigt dank Modernisierung auf neues Leistungsniveau9 min read

18. Jänner 2024, Lesedauer: 7 min

Pionierkraftwerk an der Feistritz steigt dank Modernisierung auf neues Leistungsniveau9 min read

Lesedauer: 7 Minuten

Das Kleinwasserkraftwerk Thaller in der Gemeinde Anger an der Feistritz, das in seiner ursprünglichen Form bereits vor mehr als 130 Jahren als eines der ersten Wasserkraftwerke in der Steiermark Strom erzeugte, wurde kürzlich von Grund auf modernisiert. Wegen einer behördlich vorgeschriebenen Vervielfachung der Restwasserabgabe beschloss die Betreiberfamilie, die in Anger das 4 Sterne Posthotel Thaller mit angeschlossenem 3 Hauben Lokal „Der Luis“ führt, eine umfassende Erneuerung. Das Ausleitungskonzept der Altanlage mit offenem Kanal wurde aufgelassen, nun wird das Triebwasser gleich an der bestehenden Wehranlage in dem neu daneben errichteten Maschinengebäude turbiniert. Geliefert wurde das komplette elektromechanische, stahlwasserbauliche und regelungstechnische Equip­ment inklusive Steuerung vom ober­österreichischen Kleinwasserkraft­allrounder Jank GmbH. Dank der modernen Wasserkrafttechnologie, deren Herzstück eine für 265 kW Engpassleistung konzipierte Kaplan-Turbine bildet, stößt das Traditionskraftwerk in neue Leistungs- und Erzeugungsdimensionen vor.

Kraftwerk Thaller Rechenreiniger
Der seitlich angeordnete Kraftwerkseinlauf wurde von der Jank GmbH mit einem horizontalen Schutzrechen und einer dazugehöriger Rechenreinigungsmaschine (am Bild noch ohne Dachabdeckung) ausgestattet.
© zek

Dass der Hauptplatz von Anger im Jahr 1895 als erster öffentlicher Platz in der Steiermark mit elektrischem Strom beleuchtet werden konnte, ist den Urgroßeltern von Alois (Luis) Thaller, seines Zeichens Hotelier, 3 Hauben-Koch und Kraftwerksbetreiber, zu verdanken. Seine Vorfahren hatten bereits 1891 eines der ersten elektrischen Strom produzierenden Kleinwasserkraftwerke im Bundesland errichtet. 30 PS-Leistung schaffte das Pionierkraftwerk an der Feistritz, das in seiner ursprünglichen Form mittels mechanischen Wasserrads einen Generator angetrieben hat. Nachdem zunächst nur private Verbraucher in Anger an das Kraftwerk angeschlossen waren, wurde vier Jahre nach der Erstinbetriebnahme auch der Hauptplatz der Gemeinde erstmals mit elektrischem Licht bestrahlt. Mit der Anschaffung eines leistungsstärkeren Generators 1897, der heute im Technischen Museum in Wien ausgestellt ist, wurde auch das lokale Stromnetz erweitert, und es konnten noch weitere Liegenschaften in Anger sowie der Ortsteil Trog mit Strom versorgt werden. Zwischen 1958 und 1959 wurde die Anlage durch die Großeltern von Luis Thaller mit dem Einbau einer vertikal­achsigen Francis-Turbine ausgebaut und erweitert. Mitte der 1970er Jahre musste die Wehranlage wegen des Baus einer neuen Umfahrungsstraße und der damit einhergehenden Gewässerregulierung neu errichtet werden. Der letzte größere Umbau des Kraftwerks vor der jüngsten Erneuerung erfolgte im Jahr 2001, wobei die Anlage wegen eines größeren Maschinenschadens mit neuem Getriebe, Turbinen-Regler und Generator ausgestattet wurde

Kraftwerk Thaller Luis Thaller 1
Luis Thaller, der Anlagenbetreiber und leidenschaftliche 3 Hauben Koch, freut sich über die mustergültig realisierte Erneuerung seines Traditionskraftwerks.
© zek

Vom Ausleitungs- zum Laufkraftwerk
Rund 20 Jahre später erhielten die Betreiber Post von der Behörde, die schließlich zu einem Komplettumbau des Kraftwerks führen sollte, erklärt Luis Thaller: „Um das Jahr 2019 herum haben wir die behördliche Vorschreibung erhalten, dass die zuvor mit 200 l/s festgelegte Restwasserabgabe der Anlage auf konstant 1.200 l/s erhöht wird. Ein wirtschaftlicher Betrieb des Kraftwerks, mit dem wir den Eigenbedarf unseres Hotels abdecken und ins öffentliche Netz einspeisen, wäre mit diese Versechsfachung der Restwassermenge undenkbar gewesen. Die Möglichkeit des Einbaus einer separaten Dotier-Turbine haben wir zwar in Betracht gezogen, allerdings hätte damit nur ein geringer Teil des Erzeugungsverlustes ausgeglichen werden können.“ Letzten Endes stellte sich nach der Abwägung verschiedener Varianten eine Kompletterneuerung des Kraftwerks als sinnvollste Lösung heraus. Mit der Generalplanung des Projekts wurde das niederösterreichische Ingenieurbüro Mosbacher GmbH beauftragt, das auf eine ganze Reihe von erfolgreichen Wasserkraftprojekten an der Feistritz verweisen kann. Neben dem Kleinwasserkraftsektor zählen auch Planungsleistungen für Fisch­wanderhilfen, Hochwasserschutz, Aquakulturen sowie Entwässerungs- und Versickerungsprojekte zum Portfolio des IB Mosbacher. Der Betreiber lässt nicht unerwähnt, dass das wasserrechtliche Verfahren und die Erteilung der Baugenehmigung von behördlicher Seite grundsätzlich unkompliziert verlaufen seien: „Die letztendlich auch umgesetzte Variante mit der Auflassung der ca. 110 m langen alten Ausleitungsstrecke und dem Neubau des Maschinengebäudes neben der bestehenden Wehranlage wurde von der Behörde wohlwollend aufgenommen. Durch die Änderung des Funktionskonzepts von einer Ausleitungs- auf eine Laufwasserkraftanlage stellte auch die Verdoppelung der maximalen Ausbauwassermenge von 4 auf 8 m³/s keine Hürde dar.“

Komplettpaket vom Kleinwasserkraft-Allrounder aus Oberösterreich
Die Umsetzungsphase des rund 40 km nordöstlich von der Landeshauptstadt Graz gelegenen Ökostromprojekts startete im Sommer 2022. Durchgeführt wurden die kompletten Hoch- und Tiefbauarbeiten von der oststeirischen Schuller Bau- & Transport GmbH. Vom Umbau weitgehend ausgenommen blieb lediglich die Mitte der 1970er Jahre eingebaute Wehrklappe mit einseitigem Antrieb, die mit einem neuem Hydraulikzylinder ausgestattet und in die moderne Anlagensteuerung eingebunden wurde. Ausgeführt wurde der komplette Stahlwasserbau vom renommierten Branchenexperten Jank GmbH, der an der Feistritz ebenfalls vier Wasserkraftwerke betreibt bzw. schon um die zehn Projekte am Gewässer realisiert hat. Zusätzlich sorgten die im oberösterreichischen Innviertel ansässigen Kleinwasserkraftallrounder für die Lieferung des gesamten elektromechanischen und leittechnischen Anlagenequipments. „Das Angebot, die komplette Kraftwerksausstattung von einem kompetenten Unternehmen aus einer Hand zu beziehen war für uns der Hauptentscheidungsgrund, um der Firma Jank den Zuschlag zu erteilen“, bekräftigt Luis Thaller. Siegi Jank, der Konstruktionsleiter des in 4. Generation geführten Familienbetriebs weist darauf hin, dass die wesentliche Projektherausforderung bei der baulichen Umsetzung lag: „Der Einlaufbereich des Kraftwerks neben der Wehranlage musste aufgrund der verdoppelten Ausbauwassermenge entsprechend groß ausgeführt werden. Da an den Wehrstandort aber ein Privatgrundstück angrenzt, war eine beliebige Verbreiterung nicht so einfach möglich. Schlussendlich wurde der alte Einlaufbereich inklusive eines bestehenden Wehrpfeilers angepasst, um die 8 m³/s Ausbauwassermenge ohne Beeinträchtigungen ins Maschinengebäude zu leiten. Bei der Konzeption des Einlaufbereichs waren wir übrigens auch unterstützend tätig, indem wir im Projektvorfeld eine computergestützte Strömungssimulation durchgeführt haben.“

Kraftwerk Thaller Denilpass 90 x 120 mm
Als gewässerökologische Passage dient an der Wehranlage ein eco²-Fischpass von der Grazer eco² fish solutions GmbH, mit dem auch schwimmschwächere Arten problemlos ins Oberwasser aufsteigen können.
© Georg Seidl

Modifizierter Denilpass bringt Fische ins Oberwasser
Der auf der orographisch linken Gewässerseite angeordnete Einlaufbereich wurde von Jank mit einem fischfreundlichen Schutzrechen mit horizontalem Profilstab ausgestattet. Gereinigt wird der 12 m lange und 1,8 m hohe Rechen mit 20 mm Stababstand von ­einer elektromechanisch angetriebenen Rechenreinigungsmaschine. Das seit Jahrzehnten bewährte Reinigungssystem mit Pe­gel­regelung, welches von Jank seit mehr als 40 Jahren gefertigt wird, befreit den Kraftwerks­einlauf zuverlässig von Geschwemmsel. Das von der ca. 22 m² großen Rechenfläche ­entfernte Treibgut wird über den neben der Wehrklappe angeordneten Grundablassschütz mit aufgesetzter Klappe auf direktem Weg in den Unterwasserbereich abgeführt. „Die vollautomatische Rechenreinigung stellt für uns als Betreiber eine wesentliche Erleichterung dar. Beim alten Kraftwerk war der ­Einlaufbereich mit einem Grobrechen mit händisch ziehbaren Stäben und einem nachgeschalteten vertikalen Feinrechen ausgestattet. Der Feinrechen war zwar ebenfalls mit einem automatischen Rechenreiniger ausgerüstet, allerdings musste vor allem im Herbst bei hohem Geschwemmselandrang oftmals händisch nachgeholfen werden“, so Luis Thaller. Zur Gewährleistung der ökologischen Durchgängigkeit für die aquatischen Lebewesen der Feistritz wurde die Wehranlage mit einer Fischaufstiegshilfe ausgerüstet. Wegen der begrenzten Platzverhältnisse entschieden sich die Betreiber für den Einsatz eines modifizierten Denil-Fischpass (eco²-Fisch­pass) von der Grazer eco² fish solutions GmbH. Bei dem weiterentwickelten Fischaufstieg handelt es sich um ein System, das schon zu Beginn des vorigen Jahrhunderts als gewässerökologische Passage bei Querbauten in Flüssen und Bächen eingesetzt wurde. In ihrer Urform waren Denil-Pässe aber nur bedingt für sohlorientierte bzw. schwimmschwache Fischarten geeignet. Der neu entwickelte Fisch­pass kann dank verschiedener konstruktiver Anpassungen auch von weniger starken Schwimmern zum Aufstieg ins Oberwasser genutzt werden. Darüber hinaus benötigt der modifizierte Denil-Fischpass durch seine kompakte Ausführung vergleichsweise wenig Platz, gewährleistet aufgrund der Fertigteilbauweise eine schnelle Montage und zählt außerdem zu den kostengünstigsten Fischaufstiegssystemen. Für das Kraftwerk Thaller lieferten die Grazer zur Bewältigung von 3,75 m Höhenunterschied am Wehrstandort insgesamt drei linear angeordnete eco²-Fischpässe, die zwischen drei Ruhebecken positioniert wurden.

Kraftwerk Thaller Maschinensatz_
Die doppelt regulierte Kaplan-Turbine von Jank generiert auch bei verringertem Wasserdargebot ein Maximum an Effizienz, unter Volllast erreicht das Kraftpaket 265 kW Engpassleistung.
© zek

Kaplan-Maschine überzeugt unter Voll- und Teillast
Als Herzstück der Anlage kommt eine von Jank entwickelte und gefertigte Kaplan-Turbine in vertikalachsiger Bauweise mit direkt gekoppeltem Synchron-Generator zum Einsatz. Die durch verstellbare Laufradflügel und dem Leitapparate doppeltregulierte Turbine kann das im Jahresverlauf variierende Wasserdargebot der Feistritz in einem breiten Teillastspektrum mit einem Maximum an Effizienz zur Strom­erzeugung nutzen. Somit deckt die für 8 m³/s Durchfluss und 3,75 m Nettofallhöhe ausgelegte Maschine konstruktionsbedingt ein breites Teillastspektrum ab und erreicht bei vollem Zufluss 265 kW Engpassleistung. Das 4-flügelige Laufrad hat einen Durchmesser von 1.360 mm und treibt den ebenfalls vertikal­achsigen Generator vom Hersteller Hitzinger mit exakt 231 U/min an. Der mit Wälzlagerung bestückte Generator erzeugt 400 V Spannung und wurde auf 350 kVA Nennscheinleistung ausgelegt. Ebenfalls im Jank-­Lieferumfang enthalten war das gesamte elektro­technische Equipment sowie die Leittechnik der Anlage. Für die vollautomatische Stromproduktion sorgt die von den Oberösterreichern selbst entwickelte Kraftwerkssteuerung JaPPOS (Jank Power Plant Operating System). Dem Stand der Technik entsprechend können die Betreiber via gesicherter Online-Verbindung rund um die Uhr aus der Ferne mittels PC oder Smartphone auf die Kraftwerkssteuerung zugreifen. Siegi Jank weist auf eine elektrotechnische Besonderheit hin: „Unser Leitsystem JaPPOS regelt auch die Eigenbedarfsabdeckung des Hotelbetriebs und sorgt für das Einspeisen des überschüssigen Strom in öffentliche Netz. Aktuell kann das Kraftwerk aber nur mit maximal 100 kW Leistung ins Netz einspeisen, weil am derzeitigen Einspeisepunkt nicht mehr möglich ist.“

Kraftwerk Thaller Anlieferung Maschinensatz 122 x 81 mm
Eindruck vom Einheben der weit vormontierten Kaplan-Turbine, dahinter auf der LKW-Ladefläche befindet sich der direkt mit dem Turbinen-Laufrad gekoppelte Synchron-Generator.
© Thaller

Modernisierung macht sich bezahlt
Nach der ohne nennenswerte Komplikationen verlaufenen Bauphase konnte das von Grund auf erneuerte Feistritzkraftwerk im heurigen Februar erstmals in Betrieb genommen werden. Luis Thaller zeigt sich mit dem Ergebnis der Anlagenmodernisierung grundsätzlich sehr zufrieden: „Der Maschinensatz hält was er verspricht und liefert auch bei geringeren Zuflüssen zuverlässig Strom. Neben dem Erzeugungsplus schätzen wir besonders den nun komplett vollautomatischen Betrieb des Kraftwerks und die problemlos funktionierende Reinigung des Einlaufbereichs. Vor dem Umbau musste praktisch jeden Tag bei der Anlage Nachschau gehalten werden. Wenn sich das Kraftwerk wegen einer Störung abgestellt hat, musste dieses manuell wieder hochgefahren bzw. mit dem Netz synchronisiert werden. Dieser Aufwand gehört nun endgültig der Vergangenheit an. Der einzige Wermutstropfen des Projekts liegt bei der aktuell mit 100 kW beschränkten Einspeiseleistung ins öffentliche Netz. Damit wir zukünftig mit noch höherer Leistung ins Netz einspeisen können, wird in absehbarer Zeit ein größer dimensioniertes Kabel zum Einspeisepunkt der Energie Steiermark verlegt.“ Nichtsdestotrotz hat sich das Ökostromprojekt in der Gemeinde Anger auf alle Fälle bezahlt gemacht: Das Regelarbeitsvermögen des Traditionskraftwerks an der Feistritz steigerte sich durch die Modernisierung um rund ein Drittel auf ca. 1.100.000 kWh.

Erschienen in zek HYDRO Ausgabe 5/2023

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