Österreichische Wasserkraftexperten rüsten indonesisches Kraftwerk Lintau mit XL-Maschinen aus6 min read
Lesedauer: 5 MinutenEin weiteres erfolgreiches Wasserkraftprojekt in Indonesien konnte der renommierte Branchenspezialist GUGLER Water Turbines GmbH unlängst abschließen. Für das völlig neu gebaute Kraftwerk Lintau im westindonesischen Sumatra lieferten die auf allen Kontinenten aktiven Oberösterreicher das gesamte elektromechanische und leittechnische Equipment. Als Herzstücke der Anlage kommen zwei vertikalachsige Kaplan-Turbinen mit jeweils 5,2 MW Engpassleistung zum Einsatz, deren Spiralen mit mehr als 8 m Durchmesser eine beachtliche Größe aufweisen. Trotz der Größe und hohen Leistung wurden die 6-flügeligen Laufräder „fliegend“ auf den Generatorwellen gelagert, wodurch in weiterer Folge keine separaten Turbinen-Lagerungen notwendig waren. Mit der Inbetriebnahme des Kraftwerks Lintau, das im September 2023 erstmals ins Netz eingespeist hat, konnte GUGLER erneut seinen Status als kompetenter Partner im internationalen Kleinwasserkraftsektor untermauern.
Mit seinen rund 275 Millionen Einwohnerinnen und Einwohnern gehört das südostasiatische Indonesien zu den bevölkerungsreichsten Ländern der Erde und ist gleichzeitig auch der weltgrößte Inselstaat. Der riesige Archipel verteilt sich auf insgesamt 17.508 Inseln, zu den Hauptinseln mit den meisten Einwohnern zählen Sumatra, Java, Borneo, Sulawesi und Neuguinea. Zur Deckung des Energiebedarfs setzt Indonesien primär auf Öl und Gas, über 80 Prozent der im Land erzeugten Energie stammt aktuell aus diesen fossilen Quellen. Diesem Faktum gegenüber steht ein enormes Potential an brachliegenden erneuerbaren Ressourcen, die nach dem Willen großer Teile der Bevölkerung in den kommenden Jahren erheblich stärker zu Energieproduktion herangezogen werden sollen.
Oberösterreicher liefern Komplettpaket
Schätzungen zufolge gibt es alleine im Bereich der Wasserkraft ein Potential von ca. 225 Terawattstunden jährlicher Erzeugungskapazität, das durch entsprechende Ausbaumaßnahmen genutzt werden könnte. Eines der neuesten Wasserkraftwerke in Indonesien, die Anlage Lintau, wurde von der Investmentgesellschaft GADANG HOLDINGS BERHAD realisiert. Die in Malaysien ansässige Gesellschaft ist mit ihren Unternehmenstöchtern vorwiegend in den Bereichen Tiefbau und Bauwesen, Immobilienentwicklung, Wasserversorgung, Elektronikindustrie, aber auch im Wasserkraftsektor aktiv. Grundsätzlich handelt es sich beim Kraftwerk Lintau um eine nach dem Ausleitungsprinzip konzipierte Anlage, die im westlichen Teil von Sumatra in der Region Lintau Buo Utara errichtet wurde. Bei der technischen Ausstattung des Maschinengebäudes setzten die Betreiber auf einen international renommierten Branchenexperten aus Österreich, der bis dato schon eine ganze Reihe von indonesischen Wasserkraftwerken mit seinen leistungsstarken Lösungen ausgestattet hat: Die aus Oberösterreich stammende GUGLER Water Turbines GmbH schnürte für das Projekt ein elektromechanisches und regelungstechnisches Komplettpaket.
Turbinen-Spiralen in XL-Ausführung
Zu den wesentlichen Projektmerkmalen zählten laut GUGLER-Projektleiter Thomas Berger die für den Kleinwasserkraftbereich beachtlichen Abmessungen der Turbinen-Spiralen: „Aufgrund der Nettofallhöhe von ca. 32 m und einer Ausbauwassermenge von jeweils 17,9 m³/s wurden die Spiralen der vertikalachsigen Kaplan-Maschinen aus Stahl gefertigt. Damit sind diese in der Lage, den beträchtlichen Kräften während des Betriebs zuverlässig standzuhalten. Beide Spiralen der doppeltregulierten Turbinen haben einen Durchmesser von über 8 m, was in weiterer Folge eine logistische Herausforderung mit sich brachte. Um sie auf dem See- und Landweg zu ihrem Bestimmungsort transportieren zu können, wurden die Bauteile in zweigeteilter Ausführung mit Flanschverbindungen ausgeführt.“ Michael Schober, Leiter Technologie & Entwicklung bei GUGLER, weist auf weitere Besonderheiten der XL-Maschinen hin: „Trotz der Größe und hohen Leistung wurden die 6-flügeligen Laufräder in fliegender Variante auf den Generatorwellen gelagert, was eine separate Turbinenlagerung unnötig machte. Mit dieser Lösung konnten die jeweils 37 t schweren Generatoren direkt auf den verstärkt ausgeführten Spiralen positioniert werden. Die Turbinen-Gehäuse wurden mittels FEM (Finite-Elemente-Methode) validiert um sicherzustellen, dass der Druck und das Gewicht der Generatoren sicher aufgenommen werden können. Zudem wurde mit der FEM-Anwendung die erforderliche radiale Steifigkeit ermittelt, die notwendig ist, um die Eigenfrequenz der Konstruktion weit genug über mögliche anregende Frequenzen festzulegen. Weiters kam bei der Kontruktion der Spiralen die Methode der numerischen Strömungsmechanik (Computational Fluid Dynamics, kurz CFD) zur Anwendung, womit eine optimale Strömungsverteilung des Triebwassers in den Turbinen gewährleistet ist.“
Auf hoher See zum Inselstaat
Hergestellt und vormontiert wurden die Turbinen in Europa. Im Anschluss an die im Rahmen der Werksabnahme absolvierte Druckprüfung der Maschinen wurden die Spiralen wieder zerlegt und mit den bereits weit vormontierten Antriebssträngen auf dem Seeweg nach Indonesien geschickt. Thomas Berger lässt nicht unerwähnt, dass der in Indonesien mittels Schwerlast-Lkws durchgeführte Transport über mehrere 100 Kilometer in die abgelegene Region Lintau eine eigene Herausforderung für sich darstellte: „Obwohl im Vorfeld eine Straßeninspektion vom Ankunftshafen zur Baustelle gemacht wurde, gab es kurz vor dem Kraftwerk in einem Dorf eine Engstelle, die nur mit viel Fingerspitzengefühl und dem Wohlwollen eines Grundstückbesitzers passiert werden konnte.“ Der Einbau der Maschinen im Krafthaus erfolgte durch lokales Personal unter der Anleitung eines GUGLER-Supervisors. Die Maschinenmontage wurde im Wesentlichen in drei Schritten durchgeführt. Zunächst wurden die Saugrohre – die als einzige Turbinen-Komponenten in Indonesien gefertigt wurden – positioniert und nach dem millimetergenauen Einrichten mit Beton vergossen. Danach ging es an das Montieren der Spiralen, die im Anschluss ebenfalls teilweise einbetoniert wurden. Nach diesem Schritt konnten schließlich die Antriebsstränge und in weiterer Folge die direkt mit den Laufrädern gekoppelten Synchron-Generatoren montiert werden. „Um Probleme mit Kavitation zu vermeiden, befinden sich die Laufräder ca. 2,5 m unterhalb des Wasserspiegels im Unterwasserbereich. Ebenfalls im Unterwasser befinden sich die beiden Wärmetauscher, die vom abgearbeiteten Triebwasser umspült werden und somit für die Kühlung der Generatoren-Gleitlagerungen sorgen. Die Generatoren an sich wurden in luftgekühlter Ausführung gefertigt“, merkt Projektleiter Berger an.
Testlauf mit Bravour absolviert
Die ebenfalls im GUGLER-Lieferumfang enthaltene elektrotechnische Ausrüstung beinhaltete sämtliche Steuerungs- und Schutzkomponenten sowie das dazugehörige SCADA-Leitsystem, das den vollautomatischen Anlagenbetrieb ermöglicht. Komplettiert wurde das Technikpaket durch die Eigenbedarfsversorgung inklusive Transformatoren, die Mittelspannungsschaltanlage und die beiden Haupttransformatoren zum Umwandeln des erzeugten Stroms auf Netzspannung. Die Erstinbetriebnahme der auf jeweils ca. 5,2 MW Engpassleistung ausgelegten Maschinensätze erfolgte schließlich im Frühherbst 2023. „Im Rahmen der Inbetriebsetzung wurde die Anlage bei einem sogenannten ‚Reliability Run‘ für 72 Stunden am Stück unter Volllast betrieben. Diesen Test haben beide Maschinensätze mit Bravour bestanden und ihre Leistungskapazität voll unter Beweis gestellt. Abschließend blicken wir auf ein technisch und logistisch herausforderndes Projekt zurück, das dank der guten Kooperation mit unseren lokalen Partnern einwandfrei abgewickelt werden konnte“, bekräftigt Thomas Berger und fügt an, dass GUGLER mit dem erfolgreichen Referenzprojekt weitere Türen für Wasserkraftprojekte in höheren Leistungsklassen im Land öffnen konnte.
Erschienen in zek HYDRO Ausgabe 5/2023
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