Wasserkraftwerk Gschaid mit modifiziertem Denil-Pass und Restwasserturbine modernisiert6 min read
Lesedauer: 5 MinutenDie Wehranlage des Wasserkraftwerks Gschaid im oberen Feistritztal wurde zwischen Herbst 2021 und dem heurigen Frühjahr umfassend adaptiert. Begründet war der Umbau mit der Errichtung einer Fischaufstiegsanlage und der massiven Erhöhung der vorgeschriebenen Restwassermenge von 220 auf 1.050 l/s. Für die Herstellung der ökologischen Durchgängigkeit setzte Betreiber Mario de Monte auf den modifizierten eco²-Denilpass der eco² fish solutions GmbH. Mit der Kombination aus drei Denil-Pässen und zwei Ruhebecken wurde eine ideale Lösung für den begrenzten Platz am Standort gefunden. Eine kompakte Restwasserturbine in Bulb-Bauweise mit 27 kW Engpassleistung sorgt an der Wehranlage für eine Begrenzung der Erzeugungsverluste.
Wie bei vielen traditionellen Wasserkraftanlagen wurde auch am Standort des Kraftwerks Gschaid in der oststeirischen Gemeinde Birkfeld vor der Einführung der Elektrizität das hydroenergetische Potential mit einem mechanischen Wasserrad genutzt. Um die Jahrhundertwende erfolgte die Umrüstung zur Produktion von elektrischem Strom mit einer Francis-Turbine. Nachdem die Bestandstechnik Anfang der 1980er Jahre ihr technisches Lebensende erreicht hatte, wurde die Anlage an der Feistritz von der Betreiberfamilie de Monte komplett erneuert. Dabei wurde das vormals durch ein offenes Holzgerinne ausgeleitete Triebwasser von einem betonierten Druckkanal ersetzt, um Lagerfläche für das ehemalige Sägewerk zu schaffen. Zum Aufstauen des Gewässers wurde eine mittels Seilzugsystem bewegte Wehrklappe eingebaut. Im Maschinenhaus ersetzte eine Durchström-Turbine mit 5,2 m³/s Ausbauwassermenge und knapp 180 kW Engpassleistung die ausgediente Francis-Maschine. Ab 2003 wurde mit der Stilllegung des Sägebetriebs fast der komplette Stromertrag des Wasserkraftwerks ins öffentliche Netz eingespeist.
Restwasserabgabe vervielfacht
Über die Jahre wurde das Wasserkraftwerk bestmöglich in Schuss gehalten und jeweils in kleineren Schritten modernisiert. 2016 wurde am Kraftwerkseinlauf anstelle des fehleranfälligen Kettenzug-Rechenreinigers eine zuverlässige Maschine in Teleskoparmausführung eingebaut. Kurz darauf ereilten Mario de Monte, der den Betrieb von seinem Vater Karl Günther übernommen hat, wenig erfreuliche Nachrichten im Hinblick auf die Stromproduktion seines Kraftwerks: „Im Rahmen einer EU-Richtlinie wurden die vorgeschriebene Restwasserabgabe – wie bei fast allen Kraftwerksanlagen an der Feistritz – deutlich erhöht. In unserem Fall vervielfachte sich die Dotation von 220 auf 1.050 l/s, was natürlich mit erheblichen Erzeugungseinbußen einhergeht. Hinzu kam noch die Vorschreibung, eine Fischaufstiegsanlage zu errichten“, erklärt Mario de Monte. Um den behördlichen Auflagen gerecht zu werden, standen zwei Varianten zur Debatte. Entweder ein kompletter Neubau des Maschinengebäudes neben der Wehranlage inklusive Auflassung der ca. 100 m langen Ausleitungsstrecke. Oder die Erfüllung der behördlichen Vorgaben durch eine bauliche Anpassung der Wehranlage. „Da sich die vorhandene Technik in einem grundsätzlich guten Zustand befindet, habe ich mich für eine zielgerichtete Adaptierung der Wehranlage entschieden“ so Mario de Monte.
Bewährte Technik modifizert
Mit der Generalplanung wurde das niederösterreichische Ingenieurbüro Mosbacher GmbH beauftragt, das seine Kompetenz im Kleinwasserkraftbereich bei dem Projekt an der Feistritz einmal mehr unter Beweis stellen konnte. Für die Ausführung der Betonarbeiten zwischen September und November 2021 sorgte ein Bauunternehmen aus der Bezirkshauptstadt Weiz. Eine konventionelle Fischaufstiegsanlage in Form eines Beckenpasses kam zur Herstellung der ökologischen Durchgängigkeit wegen den begrenzten Platzverhältnisse nicht in Frage. Nach der Prüfung mehrere Konzepte fiel in Absprache mit dem IB Mosbacher die Auswahl zugunsten des modifizierten eco²-Denilpass, welcher vom Grazer Ingenieurbüro flusslauf e.U. entwickelt wurde. Bei dem System handelt es sich um die Weiterentwicklung eines Gegenstrompass oder Denil-Fischpass, der erstmals Anfang des 20. Jahrhunderts eingesetzt wurde, und somit zu den ältesten technischen Fischaufstiegssystem zählt. Entstanden ist der modifizierte, sohloffene eco²-Denilpass in enger, mehrjähriger Kooperation mit der TU Graz. Das System unterscheidet sich vom herkömmlichen Denilpass durch das Einbringen einer Substratgabione und einer neuartigen Lamellengeometrie. Die damit einhergehenden Verbesserungen der Strömungseigenschaften wurden im Rahmen mehrerer Versuchsanordnungen im Wasserbaulabor bestätigt. Zudem konnte mit dem in mehreren Ländern patentierten System erstmals der Aufstieg eines breiten Arten- und Altersspektrums in einem Denilpass belegt werden. Mittlerweile stellt der modifizierte eco²-Denilpass seine Praxistauglichkeit bei bereits 16 Kleinwasserkraftwerken unter Beweis.
Durchdachtes System
Die wesentlichen Vorteile des weiterentwickelten Denilpass liegen in der kompakten Bauweise und dem geringen Platzbedarf. In einer Forellenregion sind bis zu 30-prozentige Systemneigungen möglich, wodurch die Fische große Höhenunterschied auf kleiner Fläche überwinden können. Nach Hochwässern kann der eco²-Denilpass durch die manuell ausziehbaren Lamellen schnell und unkompliziert gespült werden. Darüber hinaus benötigt der Denilpass im Vergleich zu anderen Fischaufstiegsanlagen erheblich weniger Wasser für eine ordnungsgemäße Funktion und kann weitaus kostengünstiger realisiert werden. Die Stahlwasserbauelemente für den Denilpass beim Kraftwerk Gschaid fertigte die rund 20 Kilometer entfernte Mayrhofer GmbH aus Wenigzell, die 2016 bereits die Rechenreinigungsanlage erneuert hatte. Für den Höhenunterschied von knapp 4 m an der Wehranlage kommt eine Kombination aus insgesamt drei modifizierten Denilpässen und zwei Ruhebecken sowie einem technischen Umgehungsgerinne zum Einsatz. „Obwohl ich anfangs skeptisch war, kann ich, da ich das Monitoring begleitet habe, bestätigen, dass das System in der Praxis sehr gut funktioniert. Trotz des äußerst bescheidenen Fischbestandes im Unterwasser wurden bis zu 22 Fische täglich gezählt. Auch ein größeres Hochwasser hat der Denilpass problemlos überstanden. Das finale Einstellen der idealen Durchflussmenge findet in enger Abstimmung mit dem eco²-Denilpass Entwickler Georg Seidl über einen längeren Zeitraum statt“, sagt Mario de Monte.
Dotierturbine schafft 25 kW
Um die Erzeugungsverluste des Kraftwerks durch die vervielfachte Restwasserabgabe in Grenzen zu halten, wurde an der Wehranlage eine zusätzliche kompakte Turbine installiert. Dabei handelt es sich um eine einfach regulierte Kaplan-Turbine mit direkt gekoppeltem Synchron-Generator in Bulb-Bauweise eines französischen Herstellers. Das komplett überströmte vertikalachsige Maschinengespann nutzt eine Ausbauwassermenge von 1.050 l/s und eine Bruttofallhöhe von 3,85 m und erreicht somit eine Engpassleistung von 27 kW. Das gesamte elektro- und leittechnische Equipment, das in einem kompakten Schaltschrank untergebracht ist, stammt ebenfalls vom Turbinenbauer. Über ein Touchpanel an der Schaltschrankfront werden die zentralen Daten der Anlage dargestellt.
Betreiber zuversichtlich
Noch vor dem vergangenen Jahreswechsel konnten der modifizierte eco²-Denilpass und die neue Restwasserturbine erstmals in Betrieb genommen werden. Die abschließenden Restarbeiten wurden im heurigen Frühjahr erledigt. „Basierend auf den positiven Monitoring-Ergebnissen des Fischaufstiegs bin ich sehr zuversichtlich, dass die endgültige Kollaudierung der Anlage ohne Probleme über die Bühne gehen wird. Die Einbußen beim Hauptkraftwerk haben wir durch den Einbau der Restwasserturbine, die im Regeljahr ca. 180.000 kWh Strom erzeugen wird, zumindest etwas abgefedert“, so Mario de Monte.
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