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Nordoststeirisches Wasserkraftwerk Waldbach mit regionalen Spezialisten ans Netz gebracht7 min read

20. Juli 2024, Lesedauer: 6 min

Nordoststeirisches Wasserkraftwerk Waldbach mit regionalen Spezialisten ans Netz gebracht7 min read

Lesedauer: 6 Minuten

Bald zwei Jahre erzeugt das neue Kleinwasserkraftwerk Waldbach in der Oststeiermark sauberen Strom. Realisiert wurde das Projekt durch engagierte Bürgerinnen und Bürger, die nach dem Bau von zwei Photovoltaikanlagen ein Kleinwasserkraftwerk am Weißenbach realisierten. Bei der Betreibergesellschaft ÖKO Energie RIPO KG zeigt man sich stolz, dass das Kraftwerk zum Großteil von regionalen Branchenexperten umgesetzt wurde. Dabei ist in erster Linie die Mayrhofer Maschinenbau GmbH zu nennen, die sowohl den Stahlwasserbau der Wehranlage als auch die komplette elektromechanische Ausstattung für das Krafthaus lieferte. Das Herzstück der Anlage bildet eine Durchström-Turbine mit 110 kW Engpassleistung, deren jährliches Regelarbeitsvermögen bei rund 300.000 kWh liegt.

Kraftwerk Waldbach Steuerung_
Die Anlagensteuerung, die von verschiedenen Endgeräten wie PC oder Smartphone aus Kontrolle und Fernzugriff auf die Anlage ermöglicht, war ebenfalls Teil des Mayrhofer-Komplettpakets.
© zek

Das Joglland in der Nordoststeiermark, Heimat des berühmten Schriftstellers Peter Rossegger, bietet mit seiner hügeligen Topographie und den zahlreichen Gewässern ideale Voraussetzungen für die Stromgewinnung aus Wasserkraft. In der waldreichen Region, die sich über die Bezirke Hartberg-Fürstenfeld und Weiz erstreckt, reicht die Wasserkraft-Tradition mehrere Jahrhunderte zurück. Schon in früheren Zeiten nutzten Handwerker klassische Wasserräder für den Antrieb mechanischer Transmissionen für ihre Mühlen, Schmieden oder Sägewerke. „Mit der Einführung der Elektrizität wurden vermehrt Insel-Kraftwerke errichtet, die oft auch von mehreren landwirtschaftlichen Betrieben gemeinschaftlich genutzt wurden. Um die 30 Kleinanlagen sollen in der Region in Betrieb gewesen sein“, sagt Franz Riegler, der Geschäftsführer der ÖKO Energie RIPO KG, die eines der neuesten Kleinwasserkraftwerke in der Gemeinde Waldbach-Mönichwald errichtet hat.

Kraftwerk Waldbach Franz Riegler
Der Geschäftsführer der ÖKO Energie RIPO KG Franz Riegler beim zek HYDRO Lokalaugenschein in der Nordoststeiermark.
© zek

Erneuerbare hoch im Kurs
Im Gespräch mit zek HYDRO hebt Franz Riegler den hohen Stellenwert von nachhaltiger Stromerzeugung in der Region hervor, wobei in Waldbach-Mönichwald eine ganze Reihe von erneuerbaren Quellen genutzt werden. So kommt eine mit lokalem Holz befeuerte Biomasseanlage (Kraft-Wärme-Kopplung) zur Strom- und Wärmeproduktion zum Einsatz. Außerdem gingen 2014 und 2016 zwei Photovoltaikanlagen mit gemeinsam mehr als 500 kWp Gesamtleistung in Betrieb. Im Sommer 2022 konnte schließlich ein neues Kleinwasserkraftwerk am Weißenbach in Betrieb genommen werden. „Wir haben bereits bei der Projektierung der ersten Photovoltaik-Anlage mit dem Bau eines Wasserkraftwerks geliebäugelt, dessen Baustart nach umfassender Konzeption letztendlich im Herbst 2021 erfolgte“, so Franz Riegler, der betont, dass bei der Konzeption der Anlage auf eine ganze Reihe von Randbedingungen unterschiedlicher Natur Bedacht genommen werden musste. Etwa beim ursprünglich weiter bachaufwärts geplanten Standort der Wehranlage. Dieser musste weiter nach unten verlegt werden, wodurch ein unter Naturschutz stehendes Gebiet vom Bau des Kraftwerks unbeeinträchtigt blieb. In bautechnischer Hinsicht stellte die Rohrverlegung im anspruchsvollen Gelände und einer Vielzahl von zu querenden Leitungen keine leichte Herausforderung dar. „Wir hatten das Glück, dass mehrere Mitglieder der Kraftwerksgesellschaft handwerklich sehr begabt sind. Dadurch konnten viele Arbeiten, wie beispielsweise die Rohrverlegung, in Eigenregie umgesetzt werden, was sich natürlich positiv auf die Kosten ausgewirkt hat“, sagt Franz Riegler.

Lokale Wertschöpfung
Neben den selbst durchgeführten Arbeiten setzte die Kraftwerksgesellschaft auf die Kompetenz namhafter Branchenexperten. Den kürzesten Anfahrtsweg hatten die Mitarbeiter der Mayrhofer Maschinenbau GmbH aus Wenigzell, deren Firmensitz sich nur ca. fünf Kilometer vom Krafthaus der Anlage befindet. Das seit über 60 Jahren aktive Unternehmen schnürte für den Neubau ein umfassende Komplettpaket, das sowohl den gesamten Stahlwasserbau als auch das elektromechanische Equipment sowie die Kraftwerkssteuerung beinhaltete. Franz Riegler betont, dass mit dem Kraftwerksbau auch eine lokale Wertschöpfungskette verbunden war – vom lokalen Elektriker über den Baustoffhandel bis hin zum Baumaschinenverleih profitierten eine ganze Reihe von örtlichen Unternehmen von dem Projekt. Zuständig für die Planung der Anlage war die niederösterreichische IB Mosbacher GmbH, deren Geschäftsführer Jürgen Mosbacher auf eine beträchtliche Anzahl von Referenzprojekten in der Region verweisen kann. Darüber hinaus war das Ingenieurbüro auch für die Bauaufsicht während der Projekt­umsetzung zuständig.

Kraftwerk Waldbach Wehrklappe
Die Wasserfassung, an der bis zu 420 l/s Triebwasser aus dem Gewässer entnommen werden, wurde mit einer Wehrklappe in Fischbauchausführung ausgerüstet.
© zek

Kompakte Wehranlage
An der Wasserfassung wird der Weißenbach durch eine hydraulisch betriebene Wehrklappe aufgestaut und das Triebwasser zum orographisch rechts angeordneten Seiteneinlauf geführt. Direkt nach der Ausleitung strömt das Wasser durch das Entsanderbecken, in dem sich die feinen Sedimente des Gewässers absetzen können. Größeres Treibgut und Geschwemmsel werden am Ende des Entsanders durch einen vertikalen Feinrechen gestoppt. Die Rechenreinigung übernimmt eine hydraulisch bewegte Rechenreinigungsmaschine in Teleskoparmausführung, die das Rechengut in eine Spülrinne befördert. Der Fischaufstieg, der sich direkt neben dem Entsanderbecken befindet, wurde in Form einer technischen Lösung hergestellt. Der relativ geringe Höhenunterschied zwischen Ober- und Unterwasser wird durch einen Vertical-Slot-Pass passierbar gemacht, dessen Becken durch die Platzierung von hölzernen Schlitzelementen gebildet werden. Dotiert wird der Fischaufstieg mit konstant 80 l/s, wobei der Großteil der behördlich vorgeschriebenen Restwasserabgabe durch den Beckenpass geleitet wird. Die gesamte Restwasserabgabe, die im 3-Monats-Rhythmus angepasst wird, beträgt in Abhängigkeit zur Jahreszeit zwischen 88 und 104 l/s. Franz Riegler merkt an, dass auch innerhalb der Restwasserstrecke Maßnahmen gesetzt wurden, um die Fischdurchgängigkeit zu verbessern. Dazu gehörten der Abbau von bestehenden Fallstufen, aber auch die gezielte Platzierung von Gewässerbausteinen, um den Wasserstand in gewissen Bereichen zu erhöhen.

Kraftwerk Waldbach DRL Verlegung 90 x 120 mm
Die ca. 1,3 km lange Druckrohrleitung besteht aus GFK-Rohren DN600, die von der oberösterreichischen Geotrade Tiefbauprodukte GmbH geliefert wurden.
© Riegler

Kraftabstieg aus GFK
Die Verlegung des knapp 1,3 km langen Kraftabstiegs, der zur Gänze aus glasfaserverstärkten Kunststoffrohren (GFK) besteht, stellte laut Franz Riegler die größte Projekther­ausforderung dar. „Die Rohrtrasse verläuft in manchen Abschnitten in direkter Nähe zu einer bestehenden 20 kV-Leitung, welche die erdverlegte Energieableitung vom Windpark Steinriegel bildet. Somit war höchste Vorsicht bei der Rohrverlegung geboten, wobei die notwendigen Querungen der Mittelspannungsleitung in Anwesenheit vom Netzbetreiber Feistritzwerke durchgeführt wurden.“ Neben der Energieableitung vom Windpark musste die Druckrohrleitung auch die kommunale Infrastruktur wie Abwasserkanäle und Stromleitungen mehrfach queren. Hinzu kam noch anspruchsvolles Gelände im Bereich eines Steilhangs. Begünstigt wurden die Arbeiten von den weltweit im Wasserkraft-, Kommunal- und Industriesektor bewährten GFK-Rohren, deren geringes Gewicht im Vergleich zu weitaus schwereren Guss- oder Stahlrohren ein einfacheres Handling bei der Rohrverlegung ermöglichten. Geliefert wurde das komplette Rohrmaterial inklusive Sonderformstücken vom oberösterreichischen Vertriebsexperten Geotrade Tiefbauprodukte GmbH. Das leichte und dennoch robuste Rohrmaterial der Marke SUPERLIT vereint eine ganze Reihe von Vorteilen. Dazu zählen unter anderem die ausgezeichneten hydraulischen Eigenschaften, Beständigkeit gegen Umwelteinflüsse, konstant hohe Abriebfestigkeit sowie die sehr guten Fließeigenschaften zur Minimierung des Reibungswiderstands. Mitverlegt mit der GFK-Leitung wurden zudem ein Stromkabel sowie ein Lichtwellenleiter zur digitalen Anbindung der Wehranlage, die mittels Videokamera auch aus der Ferne überwacht werden kann.

Kraftwerk Waldbach
Die Durchström-Turbine mit direkt gekoppeltem Asynchron-Generator deckt konstruktionsbedingt ein breites Betriebsband ab.
© Mayrhofer

Mayrhofer-Komplettpaket
Das Krafthaus, das in unmittelbarer Nähe des Weißenbachs vor seiner Einmündung in die Lafnitz errichtet wurde, musste aufgrund der 20 kV-Leitung um einige Meter vom geplanten Standort abrücken. Unverändert blieb hingegen das elektromaschinelle Konzept im Inneren des Maschinengebäudes, das Mayrhofer entworfen hatte. Das Kernstück der Anlage bildet eine Durchström-Turbine mit direkt gekoppeltem Asynchron-Generator. Mit ihrem 2-zelligen Aufbau kann die Turbine auch bei stark verringertem Wasserdargebot konstant Strom erzeugen. Bei vollem Wasserdargebot schafft der für 420 l/s Ausbauwassermenge und 34 m Nettofallhöhe konzipierte Maschinensatz 110 kW elektrische Leistung. Komplettiert wurde der Mayrhofer-Lieferumfang durch die gesamte elektro- und leittechnische Ausstattung. Dies beinhaltete die automatische Anlagensteuerung inklusive Visualisierung und Fernwartungszugriff via PC, Smartphone oder Tablet, die Wasserstandsregelung über die Wehrklappe bzw. die Turbine, die Automatiksteuerung der Rechenreinigungsanlage sowie die Blindstromkompensation. Eingespeist wird der erzeugte Strom ins öffentliche Netz in unmittelbarer Nähe zum Krafthaus an einem Transformator des Netzbetreibers Feistritzwerke.

Kraftwerk Waldbach Krafthaus
Das Maschinengebäude befindet sich vor der Einmündung des Weißenbach in die Lafnitz.
© zek

Bald zwei Jahre in Betrieb
Rund zehn Monate nach dem ersten Spatenstich erfolgte im Juli 2022 die Erstinbetriebnahme des Neubaus. „Obwohl die Technik einwandfrei funktionierte, waren die ersten Betriebsmonate im Hinblick auf die Stromproduktion nicht sehr ertragreich. Schuld daran war die äußerst trockene Witterung über mehrere Monate hinweg, die grenzübergreifend die Stromerzeugung aus Wasserkraft minimierte. Glücklicherweise hat sich die Niederschlagssituation aber wieder stabilisiert, wodurch das Kraftwerk nun effektiv arbeiten und erzeugen kann“, resümiert Franz Riegler, der abschließend darauf hinweist, dass auch die Dachfläche des Maschinengebäudes mit einer Photovoltaik-Anlage ausgestattet wurde.

Erschienen in zek HYDRO Ausgabe 2/2024

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