„Der Teufel steckt im Detail“: zu vermeidende Stolpersteine in Anlagenbauverträgen für Wasserkraftwerke6 min read
Lesedauer: 5 MinutenDas Sprichwort „der Teufel steckt im Detail“ gilt auch für Anlagenbau- oder Rehabilitationsverträge für Wasserkraftwerke. Im Anschluss an die Übersicht über die Kritischen Erfolgsfaktoren in der August-Ausgabe von zek HYDRO 2019 sollen ausgewählte Themen zu Anlagenbauverträgen beleuchtet werden, die zu Stolpersteinen führen können. 1 Sorgfältige Formulierungen tragen dazu bei, spätere Streitigkeiten bei der Abwicklung zu vermeiden. Gerade bei komplexen Projekten sollten die Vertragsparteien („Parteien“) möglichst umfassende individuelle Regelungen treffen, die auf das Projekt abgestimmt sind, die gegenseitigen Interessen ausbalancieren und den Intentionen der Parteien gerecht werden. 2 Mangels solcher Regelungen gilt das auf den Vertrag anwendbare Recht, das in diesen Fällen nicht immer zu sachgerechten Ergebnissen führt.
Je nach Größe des Projektes wird es eine Vielzahl von Projektbeteiligten geben. Die wechselseitigen Beziehungen sind vielfältig und hängen von der Vertragsgestaltung ab. Falls der Eigentümer/ Betreiber (Auftraggeber = „AG“) die Struktur eines Generalunternehmervertrages („Turnkey Contract“) wählt, verringert er für sich das Risiko der Schnittstellen im Leistungsumfang. Demgegenüber stehen ein höherer zu zahlender Preis und geringere direkte Einflussmöglichkeiten auf die einzelnen Leistungserbringer in Gestalt der Subunternehmer. Da diese – bzw. bei losweiser Vergabe die unmittelbaren Auftragnehmer („AN“) – i.d.R. untereinander keine vertragliche Bindung haben, wird es – oder sollte es – Aufgabe des AG sein, die Schnittstellen zu koordinieren und dafür zu sorgen, dass der eine AN die für seine Leistungserbringung erforderlichen Auskünfte und Unterlagen des anderen AN erhält. In den letzten Jahren bringen AGs vermehrt sog. Schnittstellenvereinbarungen ins Spiel, mit deren Hilfe die Last und das Risiko des Schnittstellenmanagements der Gesamtheit der einzelnen ANs zumindest für technisch eng verbundene/ voneinander abhängige Lose überbürdet wird. Ein AN sollte sorgfältig prüfen, inwieweit er bereit ist, eine solche Vereinbarung zu unterzeichnen. In diesem Fall muss sichergestellt sein, dass deren Wirkung nicht einer konsortialen Haftung eines AN, der seine Leistung im Konsortium erbrächte, gleichkommt.
Wegen der wechselseitigen Abhängigkeiten behält sich der AG i.d.R. das Recht vor, eine „Unterbrechung“ des Projektes zu erklären, während derer jeder AN seine Leistungserbringung anhalten muss und für die entstandenen (Vorhalte-) Kosten entschädigt wird. Dies erlaubt dem AG, das Gesamtprojekt bei erheblichen Verzögerungen eines AN, dessen Leistungen Voraussetzung für die Leistungserbringung eines anderen AN sind, wieder auf den abgestimmten Zeitplan zu bringen. Dieses Recht des AG sollte ein AN sich bewusst machen, unternehmerisch bewerten und sich gegebenenfalls bei lang andauernder Unterbrechung ein Kündigungsrecht vorbehalten.
Ein AN wird üblicherweise vertraglich verpflichtet, bei von ihm zu vertretenden Verzögerungen („Verzug“), dem AG pauschalierten Schadensersatz bzw. eine Vertragsstrafe3 mit Pauschalierungscharakter zu zahlen („Liquidated Damages“). Dem AG wird hiermit der Nachweis des Schadens und dessen Höhe erspart. In Hinblick auf die zu vereinbarende Höhe, z.B. pro Tag/Woche Verzug x % oder x ‰ des (Gesamt-) Preises, werden die Parteien jeweils ihr unternehmerisches Risiko eines Verzugs des AN kalkulieren; der AG wird dabei berücksichtigen, inwieweit er von einem AN wegen des Verzugs eines anderen AN in Anspruch genommen werden kann. Üblicherweise vereinbaren die Parteien dieses Recht als ausschließliches Recht des AG aus Verzug des AN. I.d.R. vereinbaren die Parteien hinsichtlich des pauschalierten Schadensersatzanspruches des AG bzw. der zu zahlenden Vertragsstrafe eine Haftungshöchstgrenze.
Das besondere Verhältnis Auftraggeber – Auftragnehmer
Auch die Abhängigkeiten eines AN vom AG während der Ausführung des Projektes sind vielfältig. Dem Thema Mitwirkungspflichten/ Obliegenheiten des AG sollten die Parteien besondere Beachtung schenken. Das betrifft Vorleistungspflichten des AG, der z.B. Unterlagen zur Verfügung stellen muss. Das betrifft aber vor allem Mitwirkungspflichten bei Genehmigungsvorbehalten des AG (z.B. betreffend ein vom AN zu lieferndes Detail – Design oder die Einschaltung von Subunternehmern). Das betrifft auch die Anwesenheits- bzw. Mitwirkungsrechte/-pflichten des AG im Rahmen von Qualitätskontrollen bei Prüfungen im Werk des AN oder seiner Subunternehmer sowie später bei den Phasen von der Inbetriebsetzung über den Probebetrieb bis zur (provisorischen) Abnahme. In dem Bereich des Zusammenwirkens zwischen AN und AG während dieser Phasen liegt ein erhebliches Risiko für Verzögerungen.
Die Parteien sollten daher soweit als möglich vertraglich präzisieren, wann der AG seinen Mitwirkungspflichten nachzukommen hat und in welchem Umfang er seine Rechte geltend machen kann (z.B. Ablehnung von Subunternehmern, die der AN vorschlägt, nur bei begründeten Zweifeln an deren Fähigkeit, die vereinbarten Leistungen zeitgerecht und in der geforderten Qualität zu erbringen). Kommt der AG seinen Mitwirkungsplichten nicht/ nicht zeitgerecht nach, sollte dem AN das Recht auf Zeiterstreckung und ggf. Mehrkostenersatz unter dem Vertrag zustehen.
Technische Beschaffenheitsmerkmale („Technical Guarantees“ ; Guaranteed Performances“)
Der AG lässt sich i.d.R. das Vorliegen (Leistung, Wirkungsgrade) oder das Nichtvorhandensein (Lärm, Vibrationen) gewisser technischer Beschaffenheitsmerkmale der Anlage bzw. einzelner Maschinensätze „garantieren“.4 Bei diesen für den AG besonders wichtigen technischen Merkmalen sollten die Parteien genau definieren, wie der spezifizierte Referenzwert, den der AN einhalten muss, ermittelt wird und welche Voraussetzungen AG-seitig eingehalten werden müssen. I.d.R. erfolgt der Nachweis vor der vorläufigen Abnahme. Der erfolgreiche Nachweis ist üblicherweise Voraussetzung für die Abnahme. Als Rechtsfolge für das Nichterreichen der vereinbarten Werte vereinbaren die Parteien i.d.R. die Pflicht des AN, einen pauschalierten Schadensersatz zu zahlen – bis zu einer Haftungshöchstgrenze, unter Ausschluss weiterer Rechte des AG, mit Ausnahme des Rechts, sich vom Vertrag zu lösen, wenn die Haftungshöchstgrenze ausgeschöpft ist, und weiterhin eine Abweichung von der vereinbarten Beschaffenheit vorliegt bzw. das Kraftwerk nicht betrieben werden kann.
Fazit
Durchdachte vertragliche Regelungen werden dazu beitragen, Überraschungen zu vermeiden und Risiken in der Ausführungsphase zu verringern.
Anmerkungen:
1 Der Aufsatz ersetzt nicht eine Rechtsberatung im konkreten Fall, die unter anderem von dem auf den Vertrag anwendbaren Recht abhängt.
2 Vorbehalten bleiben einzelne zwingende Regelungen des anwendbaren Rechts, von denen die Parteien nicht abweichen können.
3 Auf den dogmatischen Unterschied nach deutschem Recht wird hier nicht eingegangen.
4 Nach der Reform des deutschen BGB («Schuldrechtsreform») sind die Parteien gut beraten, klarstellende Sätze in die Verträge aufzunehmen, dass es sich nicht um «Garantien» i.S. gewisser §§ des BGB handelt, die zur Folge hätten, dass der AN seine Haftung für Abweichungen von den spezifizierten Werten unter dem Vertrag nicht mehr begrenzen könnte.
Erschienen in zek HYDRO Ausgabe 3/2024
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