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Kärntner Stadtgemeinde Spittal an der Drau nutzt ihre Trinkwasserquellen zur Ökostromproduktion9 min read

31. August 2024, Lesedauer: 7 min

Kärntner Stadtgemeinde Spittal an der Drau nutzt ihre Trinkwasserquellen zur Ökostromproduktion9 min read

Lesedauer: 7 Minuten

In der Kärntner Stadtgemeinde Spittal an der Drau wurde die Erneuerung der Trinkwasserversorgungsleitungen mit dem Bau einer neuen Ökostromanlage verbunden. Mit dem Austausch der in die Jahre gekommenen PVC-Leitungen wurde gleichzeitig das Trinkwasserkraftwerk Gmeineck errichtet. Das unmittelbar vor dem neuen Trinkwasserbehälter mit 500 m³ Fassungsvolumen errichtete Kraftwerk nutzt ein Gefälle von 240 m Nettofallhöhe und 110 l/s Ausbauwassermenge, womit die 1-düsige Pelton-Turbine bei vollem Durchfluss 230 kW erzielt. Bei der Stadtgemeinde zeigt man sich glücklich über den reibungslosen Projektverlauf und die Tatsache, dass die neue Ökostromanlage mit rund 1,4 GWh Regelarbeitsvermögen vorrangig von lokalen bzw. österreichischen Branchenexperten mustergültig umgesetzt wurde. Dabei konnte sich unter anderem die niederösterreichische Schubert CleanTech GmbH auszeichnen, welche die komplette elektro- und leittechnische Ausstattung für die Wasserversorgungsanlage und das Trinkwasserkraftwerk lieferte.

Trinkwasserkraftwerk Gmeineck Hochbehälter u Krafthaus
In die Erneuerung der Trinkwasserversorgung investierte die Stadtgemeinde Spittal an der Drau ca. 9,3 Millionen Euro. Im Bildvordergrund ist der neue Hochbehälter mit 500 m³ Fassungsvermögen zu sehen, links im Hintergrund befindet sich das Maschinengebäude des Trinkwasserkraftwerks.
© zek

Rund 90 Prozent des Trinkwasserbedarfs der ca. 15.500 Einwohner zählenden Stadtgemeinde Spittal an der Drau in Oberkärnten stammt aus Region Gmeineck, die wiederum zum Gebirgsstock der Reißeckgruppe zählt. Der Grundstein für die Wasserversorgungsanlage Gmeineck, in dem der Zusammenfluss von rund 70 Quellen ein höchst ergiebiges Trinkwasservorkommen bildet, wurde in den 1960er-Jahren gelegt, als die Stadtgemeinde die Nutzungsrechte des Quellgebiets für die kommunale Wasserversorgung erwarb. Nach rund sechs Jahrzehnten Dauerbetrieb war es an der Zeit, die Wasserversorgungsanlage zu revitalisieren, erklären Bürgermeister Gerhard Köfer und der zuständige Stadtrat Christoph Staudacher: „Um die Versorgungssicherheit mit Trinkwasser auch für die kommenden Generationen zu gewährleisten, beschloss die Stadtregierung eine umfassende Erneuerung der in die Jahre gekommenen Infrastruktur.“

Trinkwasserkraftwerk Gmeineck Luftaufnahme Herbst 2023
Vogelperspektive auf das Trinkwasserkraftwerk und den neuen Hochbehälter im Herbst 2023.
© STRABAG

Studie spricht für Spittal
Die ersten Konzepte für die Erneuerung der Trinkwasserinfrastruktur, die sich über die Gemeindegebiete von Spittal, Seeboden, Lendorf und Trebesing erstreckt, entstanden laut Bürgermeister Köfer und Stadtrat Staudacher um das Jahr 2008. „Eine zusätzliche Triebfeder des Projekts bildete eine vom bekannten Kärntner Ökostromexperten und Kraftwerksplaner Christoph Aste durchgeführte Studie, die sich mit ungenutztem energetischen Potential von Trinkwasserleitungen im Bundesland beschäftigte. Die Ergebnisse der Studie bestätigten, dass Spittal an der Drau aufgrund der hohen Quellschüttung in Gmeineck mit durchschnittlich 150 l/s sehr gut für die Errichtung eines neuen Trinkwasserkraftwerks geeignet war“, so Köfer und Staudacher. Die Realisierungsphase, welche die Erneuerung der Trinkwasser-Transportleitungen, der dazugehörigen baulichen und technischen In­frastruktur sowie die Errichtung des Trinkwasserkraftkraftwerks beinhaltete, konnte schließlich im Frühjahr 2021 beginnen.

Trinkwasserkraftwerk Gmeineck Druckrohrleitung 122 x 91 mm
Der rund 11 km lange Trassenverlauf der Druckrohrleitungen war abschnittsweise von herausfordernden geologischen Bedingungen gekennzeichnet.
© STRABAG

Bevölkerung steht hinter Projekt
Bertold Uggowitzer, Abteilungsleiter bei der Stadt Spittal und Gesamt-Projektleiter, betont, dass die wesentlichen Herausforderun­gen weniger in der praktischen Umsetzung, sondern in der Projektierungsphase angesiedelt waren. Aufgrund des zeitlich unbefristeten Wasserrechtbescheides aus den 1960er Jahren lief das grundsätzliche Bewilligungsverfahren vergleichsweise unkompliziert ab, auch in umweltrechtlicher Hinsicht wurden dem Projekt keine großen Steine in den Weg gelegt. „Dennoch waren für die Projektdurchführung Verhandlungen mit rund 90 Grundeigentümern sowie mehreren Agrargemeinschaften notwendig. Trotz dieser hohen Anzahl an Ansprechpersonen und Schnittstellen konnte innerhalb von zwei Jahren mit allen Beteiligten ein Einvernehmen hergestellt werden. Es wurde auf gut Kärntnerisch gemeinsam an einem Strick gezogen, wobei der stets wertschätzende und ehrliche Umgang miteinander sicher einer der wichtigsten Schlüssel zum Erfolg war. Es wurden keine Versprechungen gemacht, die nicht eingehalten werden konnten, und alle Abmachungen auf Punkt und Beistrich erfüllt. In Summe dauerten die Verhandlungen rund zwei Jahre, wobei mehrere Themenbereiche zeitgleich bzw. überschneidend abgewickelt wurden.“ Im Hinblick auf die regionale Wertschöpfungskette schätzt Bertold Uggowitzer es besonders, dass sich im Rahmen der europaweiten Ausschreibung eine Vielzahl von lokalen bzw. heimischen Unternehmen für die unterschiedlichen Bau- und Techniklose qualifizieren konnten. So wurden die Hoch- und Tiefbauarbeiten sowie die Verlegung der neuen Trinkwasserleitungen von der STRABAG AG umgesetzt, deren Gründungsgeschichte eng mit der Stadtgemeinde verbunden ist. Durchgeführt wurden Arbeiten von den Fachkräften der STRABAG-Niederlassung in Spittal, die ihr Know-how bei der Umsetzung von kommunalen Bauprojekten ein weiteres Mal unter Beweis stellen konnten. Mit der Ingenieurbüro Passer & Partner Ziviltechniker GmbH, die ebenfalls mit einer eigenen Filiale in Spittal vertreten ist, wurde ein kompetenter Partner für die Planung und Umsetzung des Projekts beauftragt. Passer & Partner-Projektleiter Wolfgang Fahringer blickt auf ein interessantes Projekt zurück, das eine Vielzahl von baulichen und technischen Schnittstellen beinhal­tete. „Durch uns erfolgt die Gesamtprojektleitung sowie die komplette Planung von der Optimierung des ursprünglich seitens der Stadtgemeinde vorgesehenen Entwurfes bis hin zur Kollaudierung. Die wesentlichen Vorteile der unsererseits geplanten Lösung liegen in der Erhöhung der Versorgungsicherheit für die Trinkwasserversorgung der Stadtgemeinde durch die Errichtung einer redundanten Transportleitung und der Wahl des Standortes für das Krafthaus, wodurch eine insgesamt größere Fallhöhe und auch eine ganzjährig bessere Zugänglichkeit erreicht werden konnte. Die Bearbeitung des Einreichprojektes und der Ausschreibungsplanung erfolgte gemeinsam mit unserem Schwesternbüro Adler+Partner ZT GmbH, Klaus. Die Ausführungsplanung und örtliche Bauaufsicht erfolgten durch unser Büro. Als Subunternehmer wurden zudem beigezogen: Philipp ZT-GmbH, Innsbruck (Statik); ETS – Claus Salzmann, Saalfelden (E-Technik), Ingenieurbüro Starke, Bozen (Turbine + E-Technik Kraftwerk) und fm-compliance GesmbH (Jurist Wasserrecht – dieser wurde im Zuge des Ausschreibungsverfahrens für die Planungsleistungen aufgrund der komplexen Vorgeschichte von der Stadtgemeinde ausdrücklich gefordert)“, erklärt Wolfgang Fahringer.

Trinkwasserkraftwerk Gmeineck Druckrohrleitung 90 x 120 mm
Die neuen Trinkwasserleitungen bestehen zur Gänze aus duktilen Gussrohren von der Tiroler Rohre GmbH.
© STRABAG

Duktile Gussrohre aus Tirol
Das Projekt, das im Frühjahr 2021 in die Realisierungsphase startete, beinhaltete die Erneuerung von ca. 6.800 m Druckrohr- und Transportwasserleitungen. Zudem wurde eine neue, rund 3.600 m lange redundante Versorgungsleitung errichtet, die bei Ausfällen oder Wartungen an der Hauptversorgungsleitung zum Einsatz kommt. Die Gesamtlänge der als Ersatz für Rohrbrücken errichteten Bachquerungen, die durch Unterdükerungen hergestellt wurden, lag bei über 250 m. Bei der Materialauswahl setzte die Stadtgemeinde auf duktile Gussrohre von der Tiroler Rohre GmbH (TRM), denen im Kommunal- und Wasserkraftsektor ein hervorragender Ruf vor­auseilt. Die robusten Materialeigenschaften der zu 100 Prozent aus Altmetall gefertigten Rohre kommen mit den oft extremen Bedingungen im alpinen Gelände problemlos zurecht. Dank der äußerst glatten Innenfläche der Rohre, die aus einer lebensmitteltauglichen Zementmörtelbeschichtung besteht, werden die Reibungsverluste auf ein Minimum reduziert. Das anwenderfreundliche und erprobte Muffensystem ermöglicht zudem ein rasches Voranschreiten der Verlegearbeiten. Abhängig von der verwendeten Dimension können die Rohrenden innerhalb der Verbindungsmuffen um bis zu 5 Grad abgewinkelt werden, wodurch weitläufige Anpassungen der Trassenführung ohne zusätzliche Rohrkrümmer hergestellt werden können. Bei der Erneuerung der Wasserversorgungsanlage Gmeineck kamen die Rohrdimensionen DN300, DN250 und DN200 zum Einsatz, wobei die gesamte Leitungsführung mit dem schub- und zuggesicherten Verbindungssystem VRS®-T hergestellt wurde.

Trinkwasserkraftwerk Gmeineck Maschinensatz
Die 1-düsige Pelton-Turbine mit direkt gekoppeltem Synchron-Generator schafft unter Volllast 230 kW Engpassleistung. Geliefert wurde das Kraftpaket inklusive Zubehör von der Osttiroler Maschinenbau Unterlercher GmbH.
© zek

 

Trinkwasserkraftwerk Gmeineck Stellantrieb Turbine
Die exakte Regelung der Pelton-Düse übernimmt ein elektrisch angetriebener Stellmotor.
© zek

Pelton-Turbine schafft 230 kW
Das Maschinengebäude des Trinkwasserkraftwerks wurde direkt neben dem neuen Hochwasserbehälter errichtet. Als Herzstück der Anlage fungiert eine 1-düsige Pelton-Turbine in horizontalachsiger Ausführung mit direkt gekoppeltem Synchron-Generator, die von der Maschinenbau Unterlercher GmbH aus Osttirol geliefert wurde. Bei vollem Wasserdargebot erreicht die auf 110 l/s Ausbauwassermenge und 240 m Nettofallhöhe ausgelegte Turbine 230 kW Engpassleistung. Komplettiert wird der Maschinensatz durch einen direkt mit dem Turbinen-Laufrad gekoppelten Synchron-Generator vom deutschen Hersteller AEM Dessau GmbH. In der Wasserkraftbranche werden die seit über acht Jahrzehnten kundenspezifisch gefertigten Maschinen für ihre hohen Wirkungsgrade und die lange Lebensdauer geschätzt. Für das Trinkwasserkraftwerk lieferte AEM eine luftgekühlte Maschine mit 400 V Spannung und 280 kVA Nennscheinleistung, die mit 1.000 U/min angetrieben wird. Eingespeist wird der vom Maschinensatz erzeugte Strom über die neu verlegte Energieableitung mit eigener Trafostation in das bestehen­de Netz des Kärntner Landes­energieversorgers Kelag. Das vom Kraftwerk abgearbeitete Wasser fließt nach der Turbinierung in den Hochbehälter, dessen Volumen sich bei der Neuausführung um das 1,5-Fache auf 500 m³ vergrößert hat.

Trinkwasserkraftwerk Screenshot Visualisierung Steuerung TWKW Gmeineck
Die Bedienung der Kraftwerksanlage erfolgt über ein großzügiges 15 Zoll Touchpanel.

E-Technik vom niederösterreichischen Automatisierungsprofi
Für die Ausführung der gesamten elektrischen Mess-, Steuer- und Regelungstechnik, die das komplexe Zusammenspiel zwischen Wasserversorgungsanlage und Trinkwasserkraftwerk regelt, sorgte der Automatisierungsexperte Schubert CleanTech GmbH. Zudem beinhaltete das Komplettpaket der Niederösterreicher auch das gesamte elektrotechnische Equipment der neuen Wasserversorgungsanlage inklusive dem Leitsystem. Die Anlagen wurden mit Steuerungsschränken ausgestattet, welche über LTE, Funk und Lichtwellenleiter mit dem neu installierten Prozessleitsystem kommunizieren. Zusätzlich wurden die Anlagen mit Messsystemen ausgestattet, die eine laufende Protokollierung der benötigten Wassermengen ermöglichen. Um die geforderten hohe Qualitätsstandards für Trinkwasseranlagen zu gewährleisten, kommen insgesamt drei UV-Anlagen zum Einsatz, die etwaige Keime in der Wasserversorgung zuverlässig abtöten. Der Generator des Maschinensatzes ist für die Versorgung des Eigenbedarfs der Wasserversorgungsanlage und als Überschusseinspeisung in das Kärntner-Netz konzipiert. Dieses erfolgt über das neue Wandlermessfeld im Krafthaus, das direkt in die Trafostation einspeist.

Trinkwasserkraftwerk Gmeineck Schaltschränke
Geliefert wurde das elektro- und regelungstechnische Equipment von der Schubert CleanTech GmbH aus Niederösterreich.
© zek

Problem erkannt – Problem gebannt
Schubert-Projektleiter Markus Hofstötter blickt auf ein anspruchsvolles Projekt zurück, das sich durch manche interessanten Herausforderungen auszeichnete: „Durch den neuen 400 kVA Transformator (20 kV/0,4kV), der vom Netzbetreiber Kelag betrieben wird, traten erhöhte Netzschwankungen auf. Diese Schwankungen wurden durch unser Schutzgerät erfasst und führten zu mehreren Abschaltungen bei schweren Unwettern oder hohen Schneelasten auf den Bäumen während der kalten Jahreszeit, als es zu Beschädigungen an Freileitungen kam. Nach Rücksprache mit dem Netzbetreiber wurde im Umspannwerk eine Ringleitung eingerichtet, die in weiterer Folge die Netz­sicherheit erhöhte.“ Um im Maschinengebäude ideale Temperaturen für die Stromerzeugung zu gewährleisten, wurde laut Markus Höfstötter eine nicht alltägliche Lösung realisiert: „Ein Teil des Krafthauses wurde aufgrund der Einbaubausituation und der äußeren Einflüsse klimatisiert ausgeführt. Dabei reduziert die Klimaanlage die Luftfeuchtigkeit und kompensiert gleichzeitig die Abwärme der Gesamtanlage. Dazu wurden eigens angefertigte Abluftstutzen am Generator installiert, die die Abwärme zur Klimaanlage führen und somit die Kondensatbildung an der Druckrohrleitung reduzieren.“

Jahrhundertprojekt mit Ökostrombonus
Rund 1,5 Jahre nach Baubeginn lieferte das erste Trinkwasserkraftwerk der Stadtgemeinde Spittal im Herbst 2022 erstmals sauberen Strom. Bürgermeister Gerhard Köfer und Stadtrat Christoph Staudacher zeigen sich äußerst zufrieden mit dem Endergebnis und betonen die gute Kooperation der ausführenden Akteure: „Vom Bürgermeister über die jeweiligen Referenten bis hin zur Verwaltung und nicht zuletzt den ausführenden Firmen haben alle Beteiligten eine sehr gute Leistung abgeliefert. Für die Stadtgemeinde war die Erneuerung der Trinkwasserinfrastruktur ein Jahrhundertprojekt, bei dem erfreulicherweise auch das energetische Potential für die Erzeugung von sauberem Strom nutzbar gemacht wurde.“ Im Regeljahr kann das neue Trinkwasserkraftwerk Gmeineck ca. 1,4 GWh Ökostrom zu 100 Prozent aus erneuerbaren Quellen erzeugen.

Erschienen in zek HYDRO Ausgabe 3/2024

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