ÖBB setzen mit Neubau von Bahnstromkraftwerk Obervellach II auf Wasserkraft15 min read
Lesedauer: 11 MinutenNach rund vierjähriger Bauzeit wurde Ende Mai 2024 ein Jahrhundertprojekt der Österreichischen Bundesbahnen (ÖBB) im Kärntner Mölltal offiziell eingeweiht. Mit dem kompletten Neubau des Bahnstromkraftwerks Obervellach II erzeugen die ÖBB am Standort nun 125 GWh Ökostrom – umgerechnet der Strombedarf von rund 30.000 Fahrten mit dem Railjet von Villach nach Wien. Die Kraftwerkserneuerung, die mit einer 35-prozentigen Steigerung der Energieproduktion einherging, war mit erheblichen Bauaufwänden verbunden. Dazu zählten die Errichtung von drei neuen Wasserfassungen, einem rund 5.000 m langen Stollensystem sowie einem 60.000 m³ fassenden Speicherstollen. Im neuen Krafthaus kommen zwei leistungsstarke Maschinensätze zum Einsatz, die bei 488 m Fallhöhe und 9 m³/s Ausbauwassermenge gemeinsam knapp 37 Megawatt Engpassleistung erzielen. Der erfolgreiche Abschluss des 220 Millionen Euro schweren Projekts ist ein bedeutender Schritt für die Bundesbahnen, um die hochgesteckten ökologischen Ziele bis zum Jahr 2030 zu erreichen.
Seit mehr als 100 Jahren setzen die ÖBB auf die umweltfreundliche Energiegewinnung durch Wasserkraft. In den gebirgig geprägten Bundesländern Vorarlberg, Tirol, Salzburg und Kärnten entstanden bereits in den 1920er-Jahren die ersten Wasserkraftwerke für die Eisenbahn. In der Gegenwart beträgt der Jahresverbrauch an Bahnstrom mit 16,7 Hz in Österreich ca. 2.000 GWh. Rund ein Drittel dieses Bedarfs wird von ÖBB-eigenen Wasserkraftwerken erzeugt. Der Rest wird zum einen durch Partner-Wasserkraftwerke bereitgestellt und zum anderen aus dem öffentlichen Stromnetz bezogen, wobei dieser Strom von der ÖBB mittels Frequenzumformern auf die Bahnstrom-Frequenz umgewandelt wird.
Wasserkraft seit 100 Jahren
In Kärnten bildete das nach siebenjähriger Bauzeit 1929 fertiggestellte Wasserkraftwerk Obervellach I einen wesentlichen Eckpfeiler der Bahnstromversorgung im Süden Österreichs. Durch die fortschreitende Elektrifizierung der Eisenbahn wurde in den 1940er Jahren die Kraftwerksanlage um eine zweite Druckrohrleitung und einen dritten Maschinensatz ergänzt. Eine zusätzliche Erweiterung erfolgte in den Jahren 1947 bis 1948 durch die Beileitung des Kaponigbachs. Bereits seit 1910 versorgte das kleiner dimensionierte Kraftwerk Lassach, dessen Triebwasser später auch vom Kraftwerk Obervellach I genutzt werden sollte, die Baustelle des Eisenbahn-Tauerntunnels mit Strom. Nach einer über 100- bzw. 90-jährigen Betriebsdauer hatten die beiden Kraftwerke das Ende ihrer technischen Lebenszeit erreicht, weswegen die ÖBB eine umfassende Erneuerung anstrebten. Dieses Vorhaben wurde von der Kärntner Landesregierung im Jahr 2015 genehmigt, der Start der Hauptbauphase des neuen Kraftwerks Obervellach II, das die beiden alten Bahnstromkraftwerke Obervellach I und Lassach ersetzen sollte, erfolgte schließlich im Dezember 2020.
Laufkraftwerk mit Speicherfunktion
Anders als das alte Kraftwerk, das ausschließlich als Laufwasserkraftwerk betrieben werden konnte, wurde die neue Anlage als Laufkraftwerk mit Speicherfunktion konzipiert. „Dieser Kraftwerkstyp ermöglicht eine weitaus flexiblere Betriebsweise, die exakt auf die Anforderungen aus dem Bahnnetz abgestimmt werden kann. Das Speicherkonzept des Neubaus erklärt auch die erhebliche Produktionssteigerung um rund 35 Prozent im Vergleich zur Altanlage“ erklärt Projektkoordinator Helmut Hadlauer von der ÖBB-Infrastruktur AG. Ermöglicht wird die flexible Betriebsweise in erster Linie durch einen Speicherstollen mit 60.000 m³ Fassungsvermögen, der vor dem Beginn der Druckrohrleitung angelegt wurde. Direkt angrenzend an das Maschinengebäude in Obervellach wurde zudem ein Ausgleichsbecken errichtet: „Das Ausgleichsbecken hat die Aufgabe, die Wassermengendifferenz zwischen der Turbinenwassermenge und der bei den drei Wasserfassungen eingezogenen Wassermenge zu puffern und damit eine ökologisch verträgliche Wasserrückgabe in die Möll zu gewährleisten. Das Nutzvolumen des Ausgleichsbeckens beträgt 60.000 m³ und ist identisch mit dem Nutzvolumen des Speicherstollens. Damit wird ein Schwall- und Sunkausgleich erzielt“, so Helmut Hadlauer. Ein großer Teil der Bauarbeiten fand unter Tage statt. Dabei wurden der ca. 3,8 km lange Triebwasserstollen, der ca. 600 m lange Speicherstollen, der ca. 200 m lange Zufahrstollen und die beiden jeweils ca. 100 m langen Schrägstollen „West“ und Kaponig mit der bergmännischen Methode des zyklischen Vortriebs hergestellt. In ökologischer Hinsicht wurden im Zuge des Anlagenneubaus eine ganze Reihe von Verbesserungen erzielt. Dazu zählen verschiedene Maßnahmen für Tiere und Pflanzen im Bereich des Obervellacher Waldes sowie entlang der Möll auf einer Gesamtfläche von ca. 4 Hektar. Neue Stillgewässer für Amphibien, eine Aufwertung der Uferbereiche und die Schaffung eines Auwaldbereichs sind wichtige Renaturierungsmaßnahmen im Bereich der Möll. Auch die Bäche führen nun durchgehend Restwasser und sorgen somit für eine deutliche Aufwertung der aquatischen Lebensräume.
Bewährte Unternehmen am Zug
Für die Ausführung der umfangreichen Hoch- und Tiefbauarbeiten sowie die Herstellung der Druckrohrleitung wurde eine Arbeitsgemeinschaft (ARGE) gegründet. Unter der Federführung der ÖSTU-STETTIN Hoch- und Tiefbau GmbH wurden die Bauarbeiten gemeinsam mit den ARGE Partnern Jäger Bau GmbH und Bilfinger Industrial Services umgesetzt. Die obertägigen Ingenieurbau- und Erdarbeiten wurden durch die Habau Group ausgeführt. „Für den Ausbau der untertägigen Bauwerke wurden rund 1.400 Tonnen Bewehrung sowie ca. 50.000 m³ Beton verbaut. Eine besondere Herausforderung bei diesem Projekt stellte das weitläufige Projektgebiet sowie die angetroffenen geologischen Verhältnisse dar, welche jedoch durch die gute Zusammenarbeit aller am Projekt beteiligten Unternehmen gemeistert werden konnten“, sagt Stefan Lerchster, Bauleiter der Jäger Bau GmbH. Für die planerischen Agenden des Großprojekts sorgte ebenfalls eine Gemeinschaft aus bewährten Ingenieurbüros. Die Planungsgemeinschaft bestand aus der ingena ZT-GmbH, der Ingenieurbüro Passer & Partner Ziviltechniker GmbH und der Studio G GmbH, die sich im Zuge des Ausschreibungsverfahrens für die UVE-Einreichplanung und die Detailplanungen (Ausschreibungs- und Ausführungsplanung) bis hin zur Kollaudierung qualifizierten. „Die Herausforderungen bestanden u.a. im großen Projektgebiet, den örtlichen Gegebenheiten für die neu zu errichtenden Anlagenteile, den vielfältigen technischen Fragestellungen (Hydrologie, Hydraulik, Geologie, Tunnelbau, Hochbau, etc.) und nicht zuletzt auch in den wichtigen und vielfältigen Anforderungen des Auftraggebers“, erklärt Michael Binder vom Ingenieurbüro Passer & Partner. Für die Planung der Hohlraumbauten (Tunnel, Stollen und Wasserwege) sorgten unter anderen die Salzburger IGT Geotechnik und Tunnelbau Ziviltechniker GmbH. IGT begleitete das Projekt von der Ausschreibungsphase weg und erstellte die geotechnische Planung samt statisch konstruktiver Bearbeitung der Hohlraumbauten sowie u.a. die Ausarbeitung und Planung von Injektionskonzepten und Konzepte zur Materialbewirtschaftung und Wiederverwertung. Die ingena ZT-GmbH der Niederlassung in Innsbruck war mit zahlreichen Detailplanungen beschäftigt. Dazu zählten die Detailplanungen (Hoch- und Tiefbau) von Krafthaus, Kraftabstieg, Apparatekammer, Kleinwasserkraftwerk und Freiluftschaltanlage sowie Statik und Geotechnik aller Anlagenteile außer dem Stollenbau. ingena ZT-GmbH hat auch die Vorstatik für die Ausschreibung der Druckrohrleitung ausgearbeitet. Passer & Partner GmbH war für das hydraulische Gesamtkonzept der Anlage verantwortlich sowie für die Detailplanungen aller Wasserfassungen und des Ausgleichbeckens. Studio G aus Bruneck war mit der Ausschreibungsplanung und der Baubegleitung aller elektrotechnischen Anlagenteile inkl. der Freiluftschaltanlage befasst.
Drei neue Wasserfassungen
Das neue Bahnstromkraftwerk wurde auf eine Ausbauwassermenge von insgesamt 9 m³/s ausgelegt, wobei das Triebwasser aus dem Mallnitz-, Dösen-, Kaponig- und Steggrabenbach an insgesamt drei Wasserfassungen entnommen wird. Die Fassung am Kaponig- und Steggrabenbach wurde an der Vereinigung der beiden Gewässer errichtet, das ausgeleitete Wasser aus den Bächen wird in einem gemeinsamen Sammelbauwerk zusammengeführt. Die größte Wasserfassung befindet sich am Mallnitzbach, an dem das Gewässer durch eine Wehrklappe aufgestaut wird, und bis zu 7 m³/s durch eine Seitenentnahme ausgeleitet werden. Nach der Entnahme passiert das Wasser eine Beruhigungsstrecke mit zwei Sandfangkammern, fließt weiter durch den vertikalen Schutzrechen mit zwei Rechenreinigungsmaschinen in Teleskoparmausführung und gelangt schließlich zu den Entnahmekammern. An den anderen Fassungsbauwerken erfolgt der Wassereinzug über drei Tiroler Wehre. Das gesamte Stahlwasserbauequipment inklusive Rechenreinigungsmaschinen, Absperr- und Regulierorgane lieferte der Südtiroler Branchenexperte Gufler Metall KG, der seine Kompetenz bei anspruchsvollen Projekten ein weiteres Mal unter Beweis stellen konnte. Für die Automatisierung der Wasserfassungen sorgte durch Electro Clara ein weiterer Branchenspezialist aus Südtirol. Die Gadertaler lieferten die Leittechnik inklusive Sensorik für sämtliche Stahlwasserbaukomponenten an den Wasserfassungen sowie beim Ausgleichsbecken. Ebenfalls inkludiert im Leistungsumfang waren die Montage- und Verkabelungsarbeiten sowie die Inbetriebnahme. Die Leittechnik ist u.a. für die Steuerungen der Rechenreinigungsanlagen zuständig, zusätzlich wird auch der Wassereinzug bzw. die Abgabe der Dotierwassermenge geregelt. „Unsere größte Herausforderung bei diesem Projekt war die ganze Koordination und Abstimmung mit den anderen Lieferanten bzw. Gewerken, vor allem im Hinblick auf die Integration in die übergeordnete Kraftwerkssteuerung und die genaue Definition der Automatisierung“, sagt Electro Clara Geschäftsführer Janpaul Clara. Helmut Hadlauer betont, dass bei allen Wasserfassungen hoher Wert auf eine ordnungsgemäße Entsandung gelegt wurde, damit das Triebwasser in möglichst reinem Zustand ins Krafthaus gelangt. Besonders deutlich zeigt sich das an der Wasserfassung am Mallnitzbach. Dort wurde für eine einzelne der beiden Entsanderkammern, die jeweils eine Höhe von ca. 10 m, 4 m Breite und 50 m Länge aufweisen, mehr Betonkubatur als für die Errichtung des Maschinengebäudes benötigt. Auch die anderen zwei Wasserfassungen wurden mit Entsandungseinrichtungen ausgerüstet, diese konnten allerdings weitaus kleiner dimensioniert werden. Sämtliche Entsanderbecken wurden mit Kieswaagen ausgestattet, die bei zu hohen Sedimentmengen automatisch den Spülvorgang auslösen. Die Restwasserabgaben an den drei Fassungen werden durch eine vom Zufluss abhängige, dynamische Regelung bemessen, wobei jeweils eine jahreszeitlich gestaffelte Mindestdotation vorgeschrieben ist. Am Mallnitzbach wird das Restwasser ganzjährig an der hydraulisch bewegten Wehrklappe abgeführt. An den Fassungen am Dösen- und Kaponigbach werden die Mindestdotationen bei den Tiroler Wehren abgegeben. Zusätzlich werden dort die jahreszeitlich gestaffelten Restwassermengen bei den Sandfängen mittels gesteuerter Dotationseinrichtung abgeführt.
Herausforderungen unterschiedlicher Natur
Über die spezifischen Herausforderungen des Projekts könnte laut Helmut Hadlauer ein ganzer Roman verfasst werden: „Eine wesentliche Herausforderung bestand darin, den Bauablauf so zu planen, dass die bestehenden Anlagen so lange als möglich in Betrieb bleiben konnten. Die ersten Bauarbeiten fanden neben dem noch in Betrieb befindlichen alten Bestandskraftwerk statt. Des Weiteren sollte natürlich eine schnelle Umsetzung der Bauarbeiten erfolgen, um möglichst rasch wieder die energetische Kraft des Wassers für die Stromerzeugung nutzen zu können.“ Gleich zu Beginn der Bauphase im Dezember 2020, als die ersten Arbeiten im Dösenbachgraben durchgeführt wurden, war man mit widrigen Witterungsverhältnissen konfrontiert. Um den bergmännischen Vortrieb im Bereich des Dösenbachgrabens bewerkstelligen zu können, musste ein Deckel über dem Triebwasserstollen betoniert werden. Ebenfalls sehr herausfordernd stellten sich die geologischen Verhältnisse im Untertagebau dar, so Helmut Hadlauer: „Obwohl im Vorfeld umfangreiche Erkundungen im gesamten Projektgebiet durchgeführt wurden – und teilweise schlechte Verhältnisse prognostiziert wurden – gestalteten sich die Vortriebsarbeiten mit Einbrüchen, Wasserzutritten und durchwegs geringen Abschlagslängen als sehr schwierig. Insbesondere der enge Querschnitt von ca. 16 m² und die Länge von fast 4 km des Triebwasserstollens stellte sich herausfordernd dar. Wobei zu erwähnen ist, dass der Innenausbau mit einem Full-Round-Schalwagen mit Keramikbeschichtung eine gute Entscheidung war, und eine entsprechende Ausbauleistung erreicht werden konnte.“ Auch die Bau- und Montagearbeiten des durchgängig unterirdisch verlegten Kraftabstiegs DN1800 erfolgte aufgrund des steilen Geländes unter besonders schwierigen Umständen. Eine wesentliche Herausforderung war zudem die Vielzahl der Anlagen (drei Wasserfassungen, das Kleinwasserkraftwerk, der Speicherstollen, die Apparatekammer, das Krafthaus inkl. Freiluftschaltanlage, das Ausgleichsbecken), die steuerungstechnische Verknüpfung der einzelnen Anlagenteile, sowie die hohe Anzahl technischer Schnittstellen. „Zu erwähnen sei noch, dass die gesamte Bauzeit von Dezember 2020 bis zur Erstinbetriebnahme im Mai 2024 als sehr ambitioniert und herausfordernd geplant war und eine termingerechte Abwicklung nur durch ein gutes Zusammenspiel aller Beteiligten ermöglicht wurde“, sagt Helmut Hadlauer.
Neues Kleinwasserkraftwerk am Kaponigbach
Der Bau des Bahnstromkraftwerks wurde zusätzlich für die Errichtung eines neuen Kleinwasserkraftwerks am Kaponigbach genutzt, ergänzt der ÖBB-Projektkoordinator: „In den ersten Vorstudien war das Kleinkraftwerk noch nicht vorgesehen. Es stellte sich allerdings relativ schnell heraus, dass es sinnvoll ist, das Potential vom Gefälle der Wasserfassung Kaponigbach bis zum Einlauf des Speicherstollens zu nutzen. Zu Beginn der UVE-Planungen war das zusätzliche Kleinkraftwerk schon Bestandteil des Projekts Obervellach.“ Konzipiert wurde das Kraftwerk Kaponigbach nach dem klassischen Ausleitungsprinzip. Von der Wasserfasssung am Kaponigbach wird das Triebwasser über eine ca. 2,2 km lange DRL DN700 ins Maschinengebäude geführt. Nach der Turbinierung fließt das Wasser auf direktem Weg zum Speicherstollen des Bahnstromkraftwerks. Der Maschinensatz des Kleinkraftwerks besteht aus einer 3-düsigen Pelton-Turbine mit direkt gekoppeltem Synchron-Generator, der vom oberösterreichischen Wasserkraftallrounder GUGLER Water Turbines GmbH geliefert wurde. Die horizontalachsige Turbine wurde auf eine Ausbauwassermenge von 900 l/s und 211 m Bruttofallhöhe ausgelegt, womit diese bei vollem Wasserdargebot ca. 1,6 MW Engpassleistung erzielt. Anders als das Bahnkraftwerk, dessen Strom mit einer Frequenz von 16,7 Hz erzeugt wird, produziert das Kleinwasserkraftwerk Strom mit 50 Hz. In erster Linie dient der erzeugte Strom für die Eigenbedarfsversorgung des Kraftwerks Obervellach II. Während der Schmelzwasserperiode wird die Stromproduktion des Kraftwerks Kaponigbach, dessen jährliches Regelarbeitsvermögen im Bereich von ca. 5 GWh liegt, zudem ins öffentliche Netz eingespeist.
Stahlbauexperten verlegen Kraftabstieg
Für die fachgerechte Herstellung des Kraftabstiegs, der sich vom Speicherstollen bis zum Maschinengebäude im Tal über eine Länge von 1.660 m erstreckt, war die Bilfinger Industrial Services GmbH (BIS) zuständig. Der Leistungsumfang der international renommierten Stahlbauexperten umfasste die Planung, Fertigung, Lieferung und Montage inklusive Korrosionsschutz der Druckrohrleitung. Beim Einlaufkonus beginnt die Druckrohrleitung mit einem Durchmesser von 2.100 mm und verjüngt sich anschließend exzentrisch auf einen Durchmesser von DN1800. Nach einer ca. 200 m langen, einbetonierten oberen Flachstrecke geht die Leitungsführung über in den erdverlegten Steilhang mit bis zu 48° Grad Neigung, dies entspricht einem Gefälle von mehr als 100 Prozent. Nach dem steilen Geländeabschnitt folgt am Talboden eine untere Flachstrecke, die am ebenfalls von BIS gelieferten Hosenrohr endet. Die Abgänge des Hosenrohres verjüngen sich auf zweimal DN1200, danach werden die Verteilrohrleitungen mit diesem Durchmesser zum Krafthaus geführt. Vor dem Übergabepunkt im Krafthaus erfolgt eine weitere Reduzierung der beiden Verteilrohrleitungen auf jeweils DN800. „Die gesamte Planung, statische Berechnung und Fertigung aller Druckrohrleitungsteile inkl. des Hosenrohres erfolgten an unserem Standort in Wels. Die Montage konnte mit einem erfahrenen Team in der vorgesehenen Bauzeit, unfallfrei durchgeführt werden. Der Außenkorrosionsschutz erfolgte im Werk eines Nachunternehmers. Nach der Druckprobe der gesamten Leitung wurde der Innenkorrosionsschutz der Druckrohrleitung von einem weiteren Subauftragnehmer durchgeführt“, erklärt BIS-Projektleiter Franz Bacher.
Pelton-Turbinen liefern Bahnstrom
Die Herzstücke des neuen Bahnstromkraftwerks, dessen Maschinengebäude mit einer optisch ansprechenden Holzverkleidung versehen wurde, bilden zwei identisch konstruierte Pelton-Turbinen in 2-düsiger Ausführung. Geliefert wurden die beiden Turbinen in horizontalachsiger Ausführung vom Wasserkraft-Weltmarktführer ANDRITZ Hydro, der auch für die Ausstattung der elektrotechnischen Schutztechnik zuständig war. Basierend auf der nutzbaren Wassermenge und der zur Verfügung stehenden Fallhöhe stellte diese Maschinenvariante die ideale Lösung für den Neubau dar. Die Turbinen nutzen eine Bruttofallhöhe von ca. 488 m und wurden auf eine Ausbauwassermenge von je 4,5 m ³/s ausgelegt, womit diese im Volllastbetrieb gemeinsam 37 MW Engpassleistung erzielen. Die aus hochbeständigem Edelstahl gefertigten Pelton-Laufräder mit 1,79 m Durchmesser treiben mit exakt 500 U/min zwei direkt gekoppelte Synchron-Generatoren an. Zum ersten Mal angedreht wurden die Turbinen Mitte Februar 2024 im Rahmen der Anlageninbetriebnahme, in den darauffolgenden Monaten wurden die Gesamtanlage ausgiebigen Tests unterzogen. Im Regeljahr werden die ÖBB mit dem Kraftwerk Obervellach II ca. 125 GWh Ökostrom erzeugen – dies entspricht umgerechnet rund 30.000 Railjet-Fahrten von Villach nach Wien.
ÖBB setzen auf Ökostrom
Zur feierlichen Eröffnung des neuen Kärntner Bahnstromkraftwerks am 23. Mai hatte sich hoher Besuch seitens Politik und der ÖBB-Führungsetage angesagt. Leonore Gewessler, Bundesministerin für Klimaschutz, Umwelt, Energie, Mobilität, Innovation und Technologie, lobte das ökologische Engagement der ÖBB: „Die Energiestrategie der ÖBB zeigt, wie sich die Energiewende im Unternehmen auf vielen Ebenen lohnt: Der selbst produzierte Strom aus Erneuerbaren kann lokal verwendet werden, das stärkt die Unabhängigkeit und die Energie wird günstiger. Wasserkraft spielt neben Photovoltaik bei der Energiewende der ÖBB eine große Rolle. Ich freue mich, dass die ÖBB die Umsetzung ihrer Energiestrategie so ambitioniert angehen und in Zukunft noch mehr grünen Strom produzieren können.“ Manuela Waldner, Finanzvorständin ÖBB-Holding AG, hatte ausschließlich positive Worte zum erfolgreichen Projektabschluss: „Seit über 100 Jahren liefern Wasserkraftwerke der ÖBB grüne Energie für die nachhaltige Mobilität in Österreich. Mit der Fertigstellung des neuen Kraftwerks Obervellach II feiern wir heute einen wichtigen Meilenstein. Mit Wasser-, Sonnen- und Windenergie erzeugen wir in unseren Kraftwerken künftig noch mehr grünen Strom für den Betrieb unserer Züge und unserer Betriebsanlagen. Mein Dank gilt allen Projektbeteiligten, die den schwierigen Umständen zum Trotz dieses riesige Projekt erfolgreich zum Abschluss bringen konnten.“
Erschienen in zek HYDRO Ausgabe 4/2024
Teilen: