Neues Restwasserkraftwerk in Salzburg überzeugt mit innovativer Technik
Aktuell errichtet der Salzburger Energieversorger Salzburg AG in Neukirchen am Großvenediger im Pinzgau ein neues Kleinwasserkraftwerk am Obersulzbach, das noch in diesem Jahr den Vollbetrieb aufnehmen wird. Gleich drei unterschiedliche Turbinenvarianten kommen dabei im Kraftwerk Sulzau für die Stromproduktion zum Einsatz. Als technisch besonders innovativ sticht dabei die kleinste der drei, die Restwasserturbine, ins Auge. Es handelt sich um eine DIVE Maschinen- einheit, die zur Gänze in einer senkrecht stehenden, gut 20 Meter langen Druckrohrleitung installiert ist. Das für diesen Zweck hydraulisch optimierte System liefert im Regeljahr rund 1 Million Kilowattstunden.

© DIVE
Seit April 2023 laufen die Bauarbeiten im idyllischen Obersulzbachtal im Salzburger Pinzgau, um das Kraftwerksprojekt Sulzau zeitgerecht bis Frühling 2025 ans Netz zu bringen. Rund 23,5 Millionen Euro investiert die Salzburg AG gemeinsam mit der Lichtgenossenschaft Neukirchen in die Anlage, die im Regeljahr rund 18,4 Gigawattstunden sauberen Strom liefern soll. Damit zählt die neue Ökostromanlage zu den kleineren im Wasserkraftwerkspark des Salzburger Energieversorgers. Aus technischer Sicht hat sie allerdings einiges zu bieten: So sind im Maschinenhaus eine größere Francisturbine und eine kleinere 6-düsige Peltonturbine installiert. Bei einer Fallhöhe von ca. 78 Metern arbeitet die Francisturbine hohe und konstante Wassermengen ab, wie sie etwa in der Schneeschmelze und bei anhaltenden Niederschlägen gegeben sind. Die Peltonturbine agiert dagegen eher flexibel, passt sich bei konstant guten Wirkungsgraden an schwankende Triebwassermengen an und lässt sich ideal zur größeren Francisturbine dazuschalten. Zusammen erreichen die beiden Turbinen eine Engpassleistung von rund 5,6 MW. Ergänzt werden sie noch um eine dritte Turbine, die allerdings nicht im Krafthaus ihren Dienst versieht.
Ökostrom aus Dotierwasser
Vielmehr befindet sich diese im Bereich der Wasserfassung, die geprägt ist von zwei massiven Sperren, die schon vor Jahren von der Wildbach- und Lawinenverbauung errichtet worden waren. Das Einlaufbauwerk für das neue Kraftwerk wurde an der sogenannten „alten Blauseesperre“ gebaut, wo eine Gefällstufe von rund 21 Metern vorliegt. Und genau hier, wo das Dotierwasser in den Obersulzbach zurückgeführt wird, wollten die Kraftwerksplaner die gegebene Stufe ebenfalls zur Stromproduktion nutzen. Die Frage, die sich dabei stellte: Mit welcher technischen Lösung ließ sich dies effektiv und wirtschaftlich realisieren? Die Antwort lieferte die moderne DIVE- COAX-Turbine, die vom bayerischen Turbinenspezialisten speziell für Standorte dieser Art entwickelt wurde. Generell ist die DIVE Turbine dadurch charakterisiert, dass es sich um eine vertikal durchströmte, drehzahlgeregelte Propellerturbine handelt, bei der das Laufrad über die Turbinenwelle direkt mit dem zumeist komplett überspülten Generator verbunden ist. „Abhängig vom jeweiligen Zufluss kann die DIVE Turbine ein Wasserdargebot von weniger als 200 bis 2.200 l/s verarbeiten“, erläutert Thomas Friedrich, Projektleiter der Salzburg AG, die Flexibilität der Turbine und warum man sich für diesen Maschinentyp entschieden hatte. Im Detail sprachen für die DIVE Turbine der geringe bauliche Aufwand und darüber hinaus die vergleichsweise hohe Jahresarbeit mit dieser Technologie. Ein weiterer Vorteil für den Betreiber: Die Turbine muss auch bei minimalem Wasserdargebot nicht abgeschaltet werden. Gerade wenig Wasser resultierend aus extrem kalten Temperaturen würde bei einer Abschaltung zu Vereisungen führen.

© Salzburg AG
Permanenter Unterwasserbetrieb
Zentrale Anforderung im Konzept des Restwasserkraftwerks war, die Rohrleitung möglichst landschaftsverträglich und unauffällig direkt am Naturfels in unmittelbarer Nähe zur „alten Blauwassersperre“ zu integrieren. „Im Flussbett wäre ein Gebäude für die Maschine nicht möglich gewesen. Es war von vornherein klar, dass die Einheit in der freistehenden Rohrleitung im überfluteten Bereich installiert wird“, sagt Christian Winkler, Vertriebsleiter bei DIVE Turbinen GmbH & Co. KG und erläutert im gleichen Atemzug, warum gerade diese Betriebsweise den Eigenschaften der DIVE Turbine entgegenkommt: „Dank ihres patentierten Maschinendesigns, also der kompakten Lagereinheit für Turbine und Generator, und der wartungsfreien DIVE Dichtung ist ein hochwasserfester permanenter Unterwasserbetrieb der DIVE Turbine gewährleistet, was sie natürlich für diese Art von Einsatz prädestiniert.“ Das bedeutet selbstredend auch, dass die Maschine absolut hochwassersicher ist. Konkret lieferte der bayerische Wasserkraftspezialist neben der Turbine-Generatoreinheit, die Druckrohrleitung, die elektrische Ausrüstung und den Wechselrichter für den drehzahlvariablen Betrieb. Die Montagearbeiten wurden im September und Oktober 2024 durchgeführt.

© DIVE
Projektspezifische Adaptionen erforderlich
Entscheidend für eine erfolgreiche Umsetzung des Projekts war die von Ingenieuren von DIVE maßgeschneiderte Lösung für den Standort. Neben einer speziell angepassten Leitungsführung stand dabei die Adaption des hydraulischen Designs im Fokus der Ingenieure. Letzteres wurde mittels 3D-CFD-Verfahren bei DIVE „inhouse“ realisiert. Christian Winkler: „Bei der Anpassung der Maschine an die Gegebenheiten konzentrierten wir uns nicht nur auf die optimalen Wirkungsgrade im Nennpunkt, sondern auch auf ein exzellentes Teillastverhalten. Das Ziel lautete: Maximierung der Jahresarbeit – und das ist uns gelungen.“

© DIVE
Grundsätzlich handelt es sich bei der DIVE Turbine um eine doppeltgeregelte Maschine, deren Laufrad über feste Laufschaufeln verfügt. Die doppelte Regulierung ergibt sich durch die verstellbaren Leitschaufeln und die Drehzahlvariation. Die hydraulische Auslegung basiert auf dem Prinzip einer für den drehzahlvariablen Betrieb optimierten Diagonalturbine mit feststehenden Laufradschaufeln und Außenkranz. DIVE bezeichnet dieses Laufrad wegen der halbaxialen Anströmung als HAX-Laufrad. Die Maschine selbst ist eine COAX-Turbine, da der Leitapparat ebenfalls koaxial durchströmt wird. Basierend auf diesem Maschinenkonzept kann die DIVE Turbine entlang eines breiten Lastbandes effektiv betrieben werden. Eine zentrale Qualität speziell für den Einsatz im Restwasserkraftwerk Sulzau. Schließlich wird die Turbine im Winter üblicherweise auch bei extrem niedrigem Wasserdargebot, das durchaus deutlich unter 10 Prozent des Nenndurchflusses liegen kann, betrieben.
Belastung durch Geschiebe
Ein weiterer Punkt, warum die DIVE Turbine beste Voraussetzungen für den Standort an dem Pinzgauer Wildbach mitbringt: Aufgrund ihrer Geometrie, dem gesamten hydraulischen Design, aber auch aufgrund der eingesetzten Materialien zeigt sie sich in der Regel sehr widerstandsfähig im Hinblick auf Abrasion durch Geschiebe. Gerade größere Partikel verursachen grundsätzlich kaum Schäden am Laufrad. Die hohe mechanische Qualität des eingesetzten Laufrads basiert im Wesentlichen darauf, dass es aus dem Vollen gefertigt – also aus einem Stahlrohling gearbeitet – wird. „In diesem speziellen Fall wurde das Laufrad nach der Bearbeitung auch noch speziell gehärtet. Das war notwendig, da der Obersulzbach auch viel Gletscherschliff mit sich führt, was bekanntermaßen die Gefahr für Abrasion erhöht“, erklärt Projektleiter Felix Frey.

© DIVE

© DIVE
Drehzahlvariabel – dank Umrichtertechnik
Großes Augenmerk wurde auch auf die von der Firma DIVE-Turbinen durchgeführte elektrische Projektierung der projektspezifischen elektrischen Ausrüstung inkl. der Wechselrichter für den drehzahlvariablen Kraftwerksbetrieb gelegt. „Wichtig bei einem derartigen Anwendungsfall ist natürlich die applikationsspezifische Drehzahlsollwertgenerierung. Diese wurde so umgesetzt, dass auf hydraulische und elektrische Stabilität geachtet wurde. Mechanische und elektrische Resonanzen während der regenerativen Rückspeisung durch die geberlose Drehzahlführung galt es zu vermeiden“, geht Sven Hermann, Leiter der Elektrotechnik, ins Detail. Generell verweist er darauf, dass zugunsten der Robustheit der Steuerung die Komplexität in der Kundenschnitte reduziert werden konnte. Die Drehzahlregelung wird ermöglicht durch einen Permanentmagnetgenerator, der vom Laufrad der DIVE Turbine getriebefrei angetrieben wird, und elektronische Umrichter. Der Umrichterbetrieb der DIVE Turbine ermöglicht die Stromgewinnung bereits ab 5 Prozent des Nenndurchflusses – ein wesentlicher Faktor, warum die Maschineneinheit für den Einsatz in dem alpinen Wildbach bestens geeignet ist.
Starkes Kraftpaket mit 360 kW
Konkret installierte das Team des bayerischen Wasserkraftspezialisten am Obersulzbach eine DIVE-COAX-Turbine mit einem Laufraddurchmesser von 650 mm, das bei einer Fallhöhe von 21,05 m auf eine Ausbauwassermenge von 2,2 m3/s ausgelegt wurde. Dabei erreicht die Restwassermaschine eine Ausbauleistung von 360 kW. Da die Anlage in einem komplett geschlossenen Rohrsystem betrieben wird und Turbine und Generator im Inneren eine kompakte Einheit ohne Getriebe bilden, zeichnet sich das Ensemble auch durch einen sehr schall- und vibrationsarmen Betrieb aus. In Summe erzeugt das Restwasserkraftwerk im Regeljahr rund 1 GWh erneuerbaren Strom, womit ca. 400 Salzburger Haushalte versorgt werden können. Während die Restwassermaschine im November 2024 erfolgreich in Betrieb genommen wurde, laufen aktuell die Arbeiten an der Fertigstellung des Hauptkraftwerks, das im zweiten Quartal dieses Jahres plangemäß seine Tätigkeit aufnehmen wird. Gemeinsam mit dem neuen Restwasserkraftwerk wird das KW Sulzau der Salzburg AG dann im Regeljahr Strom für 5.000 Haushalte liefern.
Erschienen in zek HYDRO, Ausgabe 1/2025