Durchgängigkeitsprojekt am Kraftwerk Juramill ermöglicht Fischen freie Bahn
Zwischen 2023 und 2024 wurde beim Kleinwasserkraftwerk Juramill der Energiegenossenschaft ADEV im Kanton Basel-Landschaft ein umfangreiches Fischdurchgängigkeitsprojekt realisiert. Dank der Errichtung moderner Fischauf- und -abstiegsanlagen können die Gewässerlebewesen der Birs das Niederdruckkraftwerk nun ungehindert in beide Fließrichtungen passieren. Ins Oberwasser gelangen die Fische durch einen technischen Schlitzpass mit 24 Becken, wobei ein Höhenunterschied von etwa 3 m überwunden wird. Als Abstiegsmöglichkeit kommt eine bewährte Kombination aus einem horizontalen Schutzrechen mit Leitfunktion sowie ein Bypasssystem zum Einsatz, welches die Fische über zwei Fallstufen sicher ins Unterwasser führt.

© Lukas Pitsch
Die 1985 offiziell gegründete Energiegenossenschaft „Arbeitsgemeinschaft für dezentrale Energieproduktion“, kurz ADEV, im Kanton Basel-Landschaft feiert 2025 ihr 40-jähriges Bestehen. Kurz vor dem Jubiläum stand beim ADEV-Kleinwasserkraftwerk Juramill mit ca. 1,5 Millionen kWh Regelarbeitsvermögen zwischen 2023 und 2024 ein großangelegtes Ökologieprojekt auf dem Programm. Das seit 1997 in Betrieb stehende Laufwasserkraftwerk mit einer doppeltregulierten Kaplan-Rohrturbine nutzt eine Ausbauwassermenge von 15 m³/s und eine Bruttofallhöhe im Bereich von 2,3 bis 3,5 m, bei vollem Wasserdargebot erreicht die Maschine 320 kW Engpassleistung. Mit der Realisierung des Durchgängigkeitsprojekts hat die ADEV die Vorgaben des Schweizer Gewässerschutzgesetzes mustergültig erfüllt. Das Kraftwerk war zwar schon vor dem Umbau mit einer Fischtreppe ausgerüstet, diese entsprach allerdings nicht mehr den Vorgaben moderner Fischaufstiegsanlagen. Der Kanton Basel-Landschaft hatte entschieden, dass an der Birs, die bei Basel in den Rhein mündet, eine Verbesserung der Fischdurchgängigkeit notwendig ist. Begründet wurde die Entscheidung mit der Beseitigung von Hindernissen für die örtlichen Fischarten wie Bachforellen oder Äschen. Darüber hinaus werden mit den Maßnahmen nationale und internationale Bemühungen unterstützt, um den Lachs wieder im Rhein und seinen Zuflüssen anzusiedeln.

© Lukas Pitsch
Alter Fischaufstieg nicht mehr zeitgemäß
Als direkter Rheinzufluss ist die Birs als ideales Laichgewässer für den Lachs eingestuft. Deswegen wurde das Kraftwerk Juramill in der strategischen Planung des Kantons Basel-Landschaft zur Sanierung der Wasserkraft als Priorität 1 eingestuft. Die kantonale Sanierungsverfügung sah vor, dass am Kraftwerksstandort sowohl eine verbesserte, lachsgängige Fischaufstiegshilfe als auch ein Fischabstieg erstellt werden muss. Gemäß der Sanierungsverfügung war der bestehende Fischpass mit mehreren Mängeln behaftet: „Die Becken waren zu klein und zu flach, und die Wasserspiegeldifferenzen zwischen den Becken waren zu groß. Zudem lag der Einstieg der Aufstiegshilfe zu weit vom Turbinenauslauf entfernt, so dass die Fische ihn schwer finden konnten“, erklärt ADEV-Projektleiter Andreas Appenzeller in der Verbandszeitschrift von „Swiss Small Hydro“, die in ihrer Dezember-Ausgabe 2024 ausführlich über das Projekt berichtet hat. Als Generalplaner fungierte die in Chur ansässige Entegra Wasserkraft AG, die für der Erstellung des Vor- und Bauprojekts mit allen hydraulischen Auslegungen sowie für die Implementierung der stahlwasserbaulichen, elektrischen und steuerungstechnischen Ausrüstung sorgte. Eine ideale Symbiose im Hinblick auf Planung und Umsetzung wurde mit der Beauftragung der Birsfelder HYDRO-SOLAR Water Engineering AG geschaffen, welche dank der geografischen Nähe die aufwändige Detailprojektierung der baulichen Teile einschließlich der örtlichen Bauleitung effizient abwickeln konnte.

© Lukas Pitsch
Über 24 Becken ins Oberwasser
Der alte, aus Kalksteinen bestehende Beckenpass wurde durch einen modernen, aus Betonfertigteilelementen hergestellten Schlitzpass ersetzt. Bei einer Gesamtlänge von rund 100 m überwindet der neue Fischaufstieg ca. 3 m Höhenunterschied zwischen Unter- und Oberwasser. Die neue Konstruktion besteht aus 24 einzelnen Becken mit einer Durchschnittslänge von je 3,8 m, die es auch größeren Fischen ermöglicht, das Querbauwerk flussaufwärts zu überwinden. Am Grund der Becken wurde ein naturnahes Sohlsubstrat eingebracht, um die natürlichen Gegebenheiten des Flusslaufes nachzubilden. Zudem ermöglicht die durchgehende Sohle auch bodenorientierten Gewässerbewohnern den Fischaufstieg zu durchwandern. Dotiert wird der neue Fischpass mit konstant 300 l/s, dies entspricht einer Erhöhung der Durchflussmenge im Vergleich zum Altbestand um den Faktor 1,5.

© Lukas Pitsch
Horizontalrechen in fischfreundlicher Ausführung
Zur Gewährleistung des sicheren Fischabstiegs wurde der Kraftwerkseinlauf umfassend erneuert. Anstelle des zuvor vertikal ausgeführten Einlaufrechens kommt am Krafwerkseinlauf nun ein fischfreundlicher Horizontalrechen nach dem System Ebel, Gluch & Kehl zum Einsatz, dessen Stababstand lediglich 15 mm beträgt. Diese Anordnung macht es Andreas Appenzeller zufolge unmöglich, dass kleinere Fische wie junge Lachse durch den Schutzrechen in die Turbine gelangen: „Der Horizontalrechen dient nicht nur als Barriere, sondern auch als Leitstruktur, welche die Fische linear zum flussabwärts liegenden Rechenende führt. Von dort gelangen sie in einen seitlich angeordneten Bypass, der sie sicher an der Turbine vorbeiführt“, erklärt der Projektleiter im Beitrag von Swiss Small Hydro. Die Reduzierung der Anströmgeschwindigkeit des Wassers auf maximal 0,5 m/s trägt ebenfalls zur Erhöhung der Fischsicherheit bei. Durch die verringerte Geschwindigkeit wird das Risiko minimiert, dass selbst schwimmschwache Fische an den Rechen gedrückt werden. Die verringerte Anströmgeschwindigkeit und das enger dimensionierte Rechenfeld erforderten einen deutlich größer dimensionierten Schutzrechen sowie die Erweiterung des dahinter befindlichen Einlaufbeckens. Geliefert wurden der 14,8 m lange und 2,15 m hohe Horizontalrechen sowie die dazugehörige Rechenreinigungsmaschine mit Pegelregelung von der deutschen WIEGERT & BÄHR Turbinen- und Stahlwasserbau GmbH. Zusätzlich lieferten die international bewährten Branchenspezialisten für die Erneuerung des Stahlwasserbaus noch eine ganze Reihe an Absperr- und Reguliereinrichtungen. Dazu zählten unter anderem ein 2-teiliger Spülschütz mit Fischabstiegsöffnungen, ein Geschwemmselschütz, ein Absperrschütz am Fischausstieg sowie ein Absperrschütz am Umgehungsgewässer. Ebenfalls im Lieferumfang enthalten waren die elektrischen bzw. hydraulischen Antriebe, das in einer Außenkabine untergebrachte Hydraulikaggregat sowie die Verrohrung der Hydraulikleitungen.

© revita power
Dotierturbine im Bypass erzeugt Strom
Der neue Bypass nach dem Horizontalrechen besteht aus zwei Fallstufen und gewährleistet den Fischen eine sichere Abstiegsmöglichkeit zur Unterseite des Stauwehrs. Damit die Fische ihre Schwimmrichtung beibehalten, wird der Bypass mit konstant 800 l/s dotiert. Noch vor der ersten Fallstufe wird ca. die Hälfte des Wassers aus dem Bypass entnommen und zu einer neu installierten Turbine geleitet, die von der Schweizer revita power GmbH geliefert wurde. Die als Rohrbogenturbine mit direkt gekoppeltem Asynchron-Generator ausgeführte Maschine erreicht 6 kW Ausbauleistung. Zum Schutz vor Treibguteintrag wurde am Turbineneinlauf ein von revita gefertigter Lochblechrechen inklusive Rechenreinigungsmaschine montiert. Nach der Turbinierung fließt das Wasser mit der Dotierwassermenge aus dem Bypass im untersten Becken der Fischaufstiegshilfe zusammen. Durch diesen Zufluss wird eine konstante Lockströmung geschaffen, welche die Fische im Unterwasser gezielt zum Einstiegsbereich der Aufstiegslange leitet.
Ökologieprojekt mustergültig umgesetzt
Die Investitionskosten des mustergültig umgesetzten Ökologieprojekts beliefen sich in Summe auf rund 4,2 Mio. Franken. Hinzu kommen noch 0,7 Mio. Franken für Ertragseinbußen während der fast einjährigen Bauphase sowie für die künftige Minderproduktion infolge des erhöhten Wasserbedarfs für die Fischwandereinrichtungen. Weitere 0,1 Mio. Franken sind für die Wirkungskontrolle vorgesehen. In Summe betragen die Kosten also 5 Mio. Franken. Weil sich die Sanierung ausschließlich auf die Optimierung der Fischdurchgängigkeit fokussierte, werden die gesamten Kosten vom Schweizer Bundesamt für Umwelt (BAFU) übernommen. Trotz des erhöhten Wasserbedarfs für die Fischwandereinrichtungen kann durch die zusätzliche neue Turbine auch eine kleine Menge Strom produziert werden. Darüber hinaus wurde durch den Einbau des neuen Schutzrechens eine optimierte Anströmung auf die Hauptturbine erzielt. Somit rechnet ADEV-Projektleiter Andreas Appenzeller damit, dass die Gesamtproduktion des Kleinwasserkraftwerks Juramill nur in geringem Ausmaß beeinträchtigt wird.

© Lukas Pitsch
Erschienen in zek HYDRO Ausgabe 2/2025