„Unsere Ziele liegen auf Kavitationsdetektion und einem neuartigen Effizienzmanagement“

17. Juli 2025, Lesedauer: 8 min

Seit kurzem läuft das EU-geförderte Forschungsprojekt ReHydro, das ein weites Spektrum an Forschungsthemen in der Wasserkraft abdeckt. Ein Teil davon fokussiert auf das portugiesische Kraftwerk Valeira, das der Erforschung neuer Ansätze in der Kavitationsdetektion sowie der Effizienzmessung dient. Die Projektpartner sind Voith und EDP, Portugal, als Betreiber des Kraftwerks sowie die Hochschule München. Es handelt sich um ein EU-gefördertes 48-Monats-Projekt, das im Mai 2024 angelaufen ist. Es läuft also noch bis April 2028. Wir sprachen mit Prof. Dr. Axel Busboom von der Fakultät für Wirtschaftsingenieurwesen, der an der Hochschule München die Untersuchungen leitet.

Axel Busboom
Prof. Dr. Axel Busboom, Hochschule München / Fakultät für Wirtschaftsingenieurwesen
© Busboom

zek: Herr Professor, wo liegt der Schwerpunkt dieses Teilprojekts?

Busboom: Es gibt zwei Schwerpunkte: Der eine ist die Kavitation. Dafür gibt es bei Voith bereits ein Kavitations-Detektionssystem, dieses soll noch weiterentwickelt werden. Einerseits unter dem Aspekt, dass man die Kavitationseffekte klassifizieren möchte. Es soll darüber hinausgehen, dass man lediglich feststellen kann, dass etwas im Gange ist. Schließlich gibt es ja auch Kavitationsvorgänge, die für die Turbine nicht schädlich sind. Andererseits ist es Ziel, dass man auf Basis dieser Unterscheidungsmöglichkeit auch Rückschlüsse auf aktuelle oder zukünftige Schäden ziehen kann. Und der zweite Schwerpunkt lautet Effizienz. Diese wird ja üblicherweise im Rahmen der Inbetriebsetzung über ein standardisiertes Verfahren eruiert, wird danach aber in den allermeisten Fällen nicht mehr weiter überwacht. Wenn nun die Effizienz aus irgendwelchen Gründen – wie Kavitation, Verschleiß oder mechanische Fehler – mit der Zeit schleichend sinkt, merkt das der Betreiber unter Umständen nicht gleich. Wir gehen nun der Frage nach, ob man mithilfe von Durchflusssensorik die kinetische Energie bestimmen und im Abgleich mit dem Output die Effizienz errechnen kann. Und daraus leitet sich eine zweite Forschungsfrage ab, die noch gänzlich offen ist: Ob man dabei sogar komplett ohne Durchflusssensorik auskommen könnte? Das heißt, ob es möglich ist, über eine Art „virtuellen Sensor“ – lediglich auf Basis anderer relevanter Betriebsparameter Rückschlüsse auf die Effizienz ziehen zu können. Das übergeordnete Ziel ist also ein kontinuierliches Effizienzmanagement im Kraftwerksbetrieb.

Kavitation
Kavitation kann auf Dauer Materialschäden verursachen. Nun wird untersucht, wie sich Kavitation bestmöglich detektieren und identifizieren lässt.
© ReHydro

Was brauchen Sie technisch dafür?

Grundvoraussetzung ist, dass wir zuerst einmal den Durchfluss sauber messen können. Im zweiten Schritt werden wir der Frage nachgehen, ob wir da mögliche Korrelationen von anderen Parametern finden können.

Wie sieht dabei der aktuelle Status quo der Forschungen aus?

Wir haben aktuell den Punkt erreicht, an dem die Instrumentierung abgeschlossen ist. Dabei standen zu Beginn Fragen der Logistik, aber auch der Sicherheit im Vordergrund. Es ging darum, dass man auch aus der Ferne auf die Daten zugreifen kann und um die Einrichtung einer funktionierenden In­fra­struktur zur Datenerfassung.

Wie sieht die Sensorik genau aus?

Bei den Sensoren für die Erfassung von Kavitation handelt es sich um Ultraschall-Mikrofone, die eine Mess-Range bis zu 500 kHz aufweisen, also weit darüber hinaus, was das menschliche Ohr noch wahrnehmen kann. Die von der Firma Voith erdachte Methodik misst dabei nicht den Luftschall, sondern Körperschall. Zu diesem Zweck werden für die Sensoren Sackbohrungen außen am Turbinengehäuse durchgeführt. Es muss also nicht durchbohrt werden, somit gibt es auch keinen Eingriff in die Hydraulik. Die Anlage kann bei der Montage sogar weiterlaufen. Für die Messung werden die Sensoren an verschiedenen Stellen des Gehäuses platziert.

Welcher Schall wird nun genau gemessen?

Bei der Kavitation kommt es ja zu einem Implodieren der Wasserdampfbläschen, wobei die dabei erzeugten Schallwellen auf die Oberfläche des Turbinenblatts treffen. Diese werden dann als Körperschall übertragen. Unser Ziel ist es, diese Schallwellen eindeutig zu identifizieren.

Worin liegen dabei für Ihr Team die Herausforderungen?

Das Hauptproblem ist, dass die Sensorik natürlich alles Mögliche an Schall aufgreift. Voith hat an seinen Testständen in Heidenheim herausgefunden, dass es sich um sehr hochfrequente akustische Signale handelt, die mit dem Ohr nicht wahrnehmbar sind. Die Vielzahl an Geräuschen setzt sich unter anderem zusammen aus Schall von Vibrationen, Reibungsgeräuschen vom Wasser, vom Lager oder vom Generator und einigem mehr. Daher auch der Ansatz des Big Data getriebenen Machine Learning. Die KI lernt aus der Fülle an Daten, was letztlich relevant ist.

Messsensorik
Belastbare Daten aus der Durchflussmessung stellen die Grundlage für die Forschung dar. Dabei setzen die Forscher auf ultraschall- und differenzdruckbasierte Messsensorik.
© ReHydro

Worin erwarten Sie den zentralen Unterschied zwischen den Daten, die aus Valeira kommen werden und den Teststanddaten von Voith?

Die Teststanddaten sind optimal einzuordnen. Schwieriger wird die Interpretation der gemessenen Daten aus dem Kraftwerk Valeira, weil wir nicht wissen, wie zum Messzeitpunkt der Kavitationszustand war. Man spricht dabei von „ungelabelten Daten“.

Erwarten Sie sich am Ende eine Vergleichbarkeit aus den Daten, die einheitliche Rückschlüsse auch auf andere Anlagen zulässt?

Wenn wir uns mehrere Anlagen ansehen, dann weisen diese unterschiedliche Materialien, Fließgeschwindigkeiten, Drehzahlen und vieles mehr auf. Die Daten sind somit nicht 1:1 vergleichbar. Darin liegt für uns eine Herausforderung: zu schauen, ob die Erkenntnisse aus dem Machine-Learning-System dann auch übertragbar sind. Die Alternative wäre, dass man in den sauren Apfel beißen und das System für jede Anlage neu trainieren muss. Das wissen wir noch nicht.

Lassen Sie uns zum zweiten wichtigen Punkt des Forschungsprojekts kommen: der Entwicklung eines „virtuellen Sensors“. Zu diesem Zweck werden Sensoren für die Durchflussmessung angebracht. Setzen Sie dabei auf eine ultraschallbasierte Variante?

Ja, zum einen auf eine ultraschallbasierte Sensorik, und zum anderen auf eine differenzdruckbasierte.

Man braucht also die Messdaten dieser Sensoren, um den „virtuellen Sensor“ zu entwickeln?

Genau. Wir wollen im Rahmen einer typischen Machine-Learning-Anwendung das System so trainieren, dass man aus anderen, vorliegenden Messdaten den Durchfluss ableiten kann. Dafür braucht es vorher vertrauenswürdige Messdaten. Hat man einmal einen sauberen, aufgeräumten Datenbestand, kann das eigentliche Machine Learning beginnen.

Inwiefern bietet das Kraftwerk Valeira ein ideales Forschungsfeld?

Erstens – aus ganz pragmatischer Sicht – weil es eine bestehende Kooperation gibt, die uns ermöglicht, auf die Daten zuzugreifen. Zweites gibt es drei mehr oder weniger idente Turbinen, wodurch die Betriebszustände ganz gut vergleichbar sind. Und Drittens hat man hier bereits Kavitationseffekte festgestellt.

Wie könnten am Ende die Resultate des Forschungsprojekts aussehen?

Es könnte gegebenenfalls daraus ein System resultieren, das ein Betreiber einfach installieren kann und das eine belastbare Aussage über die kumulative Schädigung durch Kavitation trifft. Daraus könnte sich eine Betriebsstrategie ableiten lassen.

Geht es da um wirtschaftliche Strategien?

Im Grunde ja. Wenn man etwa online messen kann, in welchem Betriebsbereich die Kavitationsschäden am Turbinenlaufrad auftreten, kann man die Turbine bei Bedarf durchaus aggressiver fahren – also bis zum kritischen Punkt, an dem Kavitation beginnt. Und möglicherweise geht es sogar einen Schritt weiter. Angenommen, der Strompreis an den Spotmärkten ist gerade extrem hoch, dann könnte ein Betreiber die Maschine sogar temporär in den Kavitationsbereich bringen und eine gewisse Schädigung in Kauf nehmen, solange sich dies angesichts des hohen Strompreises wirtschaftlich vertreten ließe.

Sehen Sie noch weitere Nutzungsoptionen möglicher Forschungsergebnisse?

Ein anderer Aspekt wäre, perspektivisch Wartungsmaßnahmen zu optimieren. Etwa diese hinauszuzögern, weil der Grad der Schädigung noch relativ gering ist – oder aus anderen Gründen etwa auch vorzuziehen. Man könnte damit genau im Bilde sein, was bei der nächsten Revision zu erwarten ist, was natürlich die Bereitstellung von Material und anderen Dingen erheblich vereinfachen würde. Letztlich zielt es auf Optimierungen der Betriebsführung und der Wartungsstrategie.

Wann rechnen Sie mit den ersten Ergebnissen?

Derzeit befinden wir uns noch im ersten Viertel der Projektlaufzeit. Das Forschungsprojekt endet im Frühling 2028, dann werden alle Ergebnisse auf dem Tisch liegen.

Kraftwerk Valeira Wikipedia_Vitor Oliveira

ReHydro ist ein neues EU-finanziertes Forschungsprojekt, das sich darauf konzentriert, die Möglichkeiten einer nachhaltigen Sanierung und Modernisierung bestehender Wasserkraftwerke in ganz Europa aufzuzeigen. ReHydro soll demonstrieren, wie europäische Wasserkraft im Kontext des Klimawandels weiterhin eine führende Rolle in einem nachhaltigen Energiesystem der Zukunft spielen kann. Dabei werden neue Methoden und Werkzeuge erprobt, um nicht zuletzt eine Steigerung der europäischen Wasserkraftkapazitäten zu ermöglichen. Am ReHydro-Projekt sind 22 Partner aus sieben europäischen Ländern beteiligt: Jeder von ihnen bringt seine eigene einzigartige Expertise in das Projekt ein.

Erschienen in zek HYDRO, Ausgabe 3/2025