Bahnstromkraftwerk Spullersee: Neue Druckrohrleitung für klimafreundliche Energieversorgung der ÖBB

7. August 2025, Lesedauer: 7 min

Das zwischen 1919 und 1925 errichtete Kraftwerk Spullersee der Österreichischen Bundesbahnen (ÖBB) begeht im heurigen Jahr sein 100-jähriges Jubiläum. Damit die Vorarlberger Speicheranlage mit einer Engpassleistung von 40 Megawatt auch in der Zukunft mit maximaler Effizienz grünen Bahnstrom für das heimische Bahnnetz erzeugen kann, wurde von den ÖBB zwischen 2019 und 2021 eine umfassende Erneuerung des rund 3,2 Kilometer langen Kraftabstiegs durchgeführt. Besonders herausfordernd war die Rohrverlegung im ca. 1.400 m langen Steilabschnitt, bei der die Grabungs- und Montagearbeiten im bis zu 40 Grad steilen Gelände umgesetzt werden mussten. Aufgrund des anspruchsvollen Terrains und des hohen Betriebsdrucks von über 80 bar wurde der Kraftabstieg entlang der Steilstufe aus robusten Stahlrohren hergestellt. Geliefert wurde das hochbeständige Rohrmaterial für die Steilstufe vom Tiroler Branchenexperten ALPE PIPE SYSTEMS GmbH & Co. KG, der seinem Ruf als kompetenter Partner ein weiteres Mal gerecht werden konnte.

Kraftwerk Spullersee
Abbauarbeiten der alten Druckrohrleitung am Steilhang.
© ÖBB

Ökostrom für Vorarlbergs Bahnnetz

Der „Ökostrom-Jubilar“ ist für die ÖBB in Österreichs westlichstem Bundesland von großer Bedeutung. Gemeinsam mit dem Laufwasserkraftwerk Braz, welches mit dem zuvor im Kraftwerk Spullersee turbinierten Triebwasser betrieben wird, wird ausreichend saubere Energie produziert, um den gesamten jährlichen Bahnstrombedarf Vorarlbergs abzudecken. Zudem kann das Kraftwerk Spullersee Lastspitzen aus dem Bahnstromnetz ausregeln und somit einen wichtigen Beitrag zur Stabilität des ÖBB Stromnetzes liefern. Seit der Erstinbetriebnahme im Jahr 1925 wurde das Speicherkraftwerk mehrfach erweitert, umgebaut und modernisiert. So wurden bereits 1931 die drei bestehenden Maschinensätze um eine weitere Turbine ergänzt, wodurch sich die Ausbauleistung der Anlage von vormals 12,6 MW auf ca. 22 MW erheblich steigerte. Zwischen 1962 und 1966 wurde das Stauziel im Spullersee durch eine Sperrenerhöhung um ca. 6 m erhöht, damit vergrößerte sich der Speicherinhalt von 13,5 auf 15,7 Millionen m³. Zwischen 1979 und 1982 erfolgte die Errichtung einer dritten Druckrohrleitung, zudem wurde der Maschinensatz 4 umgebaut. Im Zeitraum zwischen 1984 und 1988 wurden die älteren drei Turbinen durch zwei neue Maschinengruppen ersetzt, damit wurde eine Steigerung der Ausbauleistung auf 36 MW erzielt. Nachdem von 2019 bis 2021 die Erneuerung des Triebwasserwegs durchgeführt wurde, erfolgten zwischen 2022 und 2023 noch umfassende elektro- und leittechnische Modernisierungen in der Kraftwerkszentrale. Dank der Neuwicklungen der Generatoren 1 und 2 und den geringeren Verlusten im neu ausgeführten Triebwasserweg erreicht das Kraftwerk Spullersee nun 40 MW Engpassleistung.

Kraftwerk Spullersee
Zwischen 2019 und 2021 wurde der rund 3,2 Kilometer lange Triebwasserweg des Vorarlberger Bahnstromkraftwerks Spullersee erneuert. Die drei am Bild ersichtlichen Druckrohrstränge entlang des Steilhangs wurden dabei durch eine einzelne, komplett erdverlegte Stahlleitung ersetzt.
© ÖBB

Bauarbeiten unter extremen Bedingungen

An der innerhalb von knapp drei Jahren durchgeführten Kompletterneuerung des rund 3.200 m langen Kraftabstiegs, der sein technisches Lebensende erreicht hatte, waren laut ÖBB Projektleiter Stefan Zauner eine ganze Reihe von herausfordernden Randbedingungen geknüpft: „Zu den größten Herausforderungen zählten die hochalpine Lage des Projektgebiets und die damit einhergehenden Witterungsverhältnisse. Hinzu kamen die beengten Platzverhältnisse im Rohrstollen sowie das steile Gelände, in dem große Teile der Rohrverlegungsarbeiten stattgefunden haben. Darüber hinaus fiel nahezu die gesamte Projektdauer auf die Corona-Pandemie, was im Hinblick auf die vorgeschriebenen Hygiene- und Schutzmaßnahmen erheblichen Zusatzaufwand mit sich brachte. Dennoch konnte das Projekt termingereicht abgeschlossen und das Kraftwerk wie geplant wieder in Betrieb genommen werden.“

Kraftwerk Spullersee
Der Vertriebsspezialist ALPE PIPE SYSTEMS GmbH & Co. KG lieferte die hochwertigen Stahlrohre DN1100 vom Fabrikat Mannesmann Großrohre.
© ALPE

Technische Umsetzung im Detail

Der ÖBB Projektleiter betont, dass die Arbeiten im hochalpinen Gelände auch während der Wintermonate keine Pause einlegten, damit das Projekt im vorgesehenen Zeitraum abgeschlossenen werden konnte. Nachdem im August 2019 die Vorarbeiten begonnen hatten, wurde im Herbst 2019 der rund 480 m lange Zugangstunnel zum bestehenden Rohrstollen als Teil des neuen Ausrüstungskonzepts ausgebrochen. Parallel zu diesen Arbeiten wurde Anfang Jänner 2020 der Spullersee bis auf den ursprünglichen Seespiegel entleert. Im Rahmen der Seeentleerung wurde auch eine neue, seeseitige Apparatekammer ausgebrochen sowie wichtige maschinenbauliche Anlagen wie zwei neue notschlusstaugliche Absperrklappen eingebaut. In einer Zwischenbetriebsphase von Mai bis Juni 2020 wurde das Schmelzwasser im Einzugsgebiet des Speichers abgearbeitet. Zum Schutz der Arlbergbahnstrecke vor den Bauarbeiten wurde bereits im Oktober 2019 eine Schutzeinhausung errichtet. Ende Juni 2020 wurden die neuen Absperrklappen geschlossen und das alte Stollenrohr aus Stahl aus dem Jahr 1924 auf der gesamten Länge von 1.750 m durch eine neue Druckrohrleitung aus glasfaserverstärktem Kunststoff (GFK) ersetzt. Zwei Monate später startete die Rohrverlegung am finalen Abschnitt des Kraftabstiegs, der nach dem Stollen über äußerst steiles Gelände ins Maschinengebäude führt. Dabei wurden drei zuvor oberirdisch verlaufende Rohrstränge durch eine einzelne, komplett erdverlegte Stahlleitung DN1100 mit 1.460 m Länge ersetzt. Für die ausführenden Spezialisten war die Rohrverlegung besonders herausfordernd, da die Arbeiten im bis zu 40 Grad steilen Gelände sowohl im Winter als auch im Sommer durchgeführt werden mussten.

Kraftwerk Spullersee
Im Inneren wurden die Rohre mit einer Epoxyd-Beschichtung versehen, für den Außenschutz vor Umwelteinflüssen sorgt eine PE-Umhüllung.
© ALPE

Hochwertige Stahlrohre aus Tirol

Geliefert wurden die Stahlrohre vom Tiroler Branchenexperten ALPE PIPE SYSTEMS GmbH & Co. KG im Auftrag des Generalauftragnehmers Ing. Berger & Brunner Bauges.m.b.H., die ebenfalls in Tirol ansässig ist. Der ALPE-Geschäftsführer Luis Kluibenschädl beschreibt den Lieferumfang des Referenzprojekts folgendermaßen: „Die spiralgeschweißten Rohre stammen vom deutschen Traditionshersteller Mannesmann Großrohre. Zum Einsatz kamen Rohre mit Wandstärken von 12,5 bis 22,5 mm, die dem Betriebsdruck von mehr als 80 bar zuverlässig standhalten. Die Rohre sind außen mit einer verstärkten PE-Umhüllung und innen mit einer Epoxyd-Beschichtung versehen. Zusätzlich wurden die Rohre bauseits mit einem schützenden Fließ umwickelt, um im Steilhang die Rutschgefahr zu verringern. Als Verbindungsart kam die Stumpfschweißmethode zum Einsatz, die höchste Qualität garantiert. Da der Rohrtransport bauseits mit einer Materialseilbahn erfolgen musste, betrugen die gelieferten Rohrlängen zwischen 12 und 13,5 m. Damit war sichergestellt, dass die maximale Tragkraft der Seilbahn nicht überschritten wird.“ Luis Kluibenschädl betont, dass aufgrund der hohen Druckstufe hochlegierter Stahl zum Einsatz gekommen ist, der möglichst geringe Wandstärken ermöglichte: „Auf Kundenwunsch wurde die Wandstärke der Rohre nach ‚außen‘ abgearbeitet. Das brachte den Vorteil mit sich, dass trotz unterschiedlicher Wandstärken sämtliche Rohre den gleichen Innendurchmesser aufweisen, was in weiterer Folge die Minimierung der Reibungsverluste begünstigt. Sämtliche Rohre wurden mit der ‚3.2-Zerfifizierung‘ geliefert, die eine Überwachung der Produktion durch den TÜV-Nord nachweist. Für kleinere Richtungsänderungen der Rohrtrasse wurden an den Rohrenden Gehrungsschnitte hergestellt. Die Schweißnähte der einzelnen Rohre wurden bauseits nachträglich mit Schrumpfmanschetten versehen, wodurch eine durchgehende PE-Schutzumhüllung der gesamten Leitung erreicht wurde.“

Kraftwerk Spullersee
Eindruck von der herausfordernden Rohrverlegung.
© ALPE

Abschluss des größten Erneuerungsprojekts der Kraftwerksgeschichte

Die Erneuerung des Triebwasserwegs wurde im Mai 2021 abgeschlossen, direkt im Anschluss startete der Probebetrieb. Zwischen 2022 und 2023 stand schließlich noch die Neuwicklung der Generatoren 1 und 2 sowie eine umfassende Erneuerung der elektro- und regelungstechnischen Sekundärtechnik im Maschinengebäude auf dem Programm. Dies beinhaltete die Modernisierung der Maschinenautomatik, der Kraftwerksleittechnik, der Erregungs- und Schutztechnik sowie der hydraulischen Turbinenregler. Zum 100-jährigen Bestehen des Kraftwerks Spullersee zieht ÖBB Werksgruppenleiter Stefan Pecina ein positives Fazit über das größte Erneuerungsprojekt der Kraftwerksgeschichte und betont dabei die konstruktive Zusammenarbeit der ausführenden Unternehmen und Personen: „Die Stimmung unter den Projektbeteiligten war stets geprägt vom Respekt vor der Größe der Aufgabe und dem gemeinsamen Ziel, das Projekt erfolgreich abzuschließen.“

Erschienen in zek HYDRO, Ausgabe 2/2025