Grande Dixence feiert 75 Jahre – höchste Gewichtsstaumauer der Welt und Herzstück der Schweizer Wasserkraft

17. September 2025, Lesedauer: 5 min

Vor 75 Jahren wurde die Gesellschaft Grande Dixence SA gegründet, um ein Wasserkraftwerk zu bauen und zu betreiben, das einmal das größte der Schweiz werden sollte. Mit 285 Metern ist der gewaltige Sperrriegel aus Beton die höchste Gewichtsstaumauer der Welt – ein Meisterwerk der Ingenieurskunst, Symbol menschlicher Entschlossenheit und zugleich eine zentrale Säule der Schweizer Energieversorgung. In den kommenden Monaten wird das 75-Jahr-Jubiläum unter anderem mit einer Wanderausstellung in den konzedierenden Gemeinden, der Herausgabe eines historischen Buches, einer Ausstellung auf der Mauerkrone der Staumauer Grande Dixence sowie einem Tag auf der Foire du Valais gebührend gefeiert.

Gründung 1950 – Wasserkraft für die Westschweiz

Am 25. August 1950 gründete EOS (Energie Ouest Suisse, heute Alpiq) die Grande Dixence SA in Sitten, um angesichts des steigenden Strombedarfs der Westschweiz nach dem Zweiten Weltkrieg ein Wasserkraftwerk zu bauen und anschließend zu betreiben. 75 Jahre später ist Grande Dixence nach wie vor die größte Wasserkraftanlage der Schweiz und hält mehrere Weltrekorde, unter anderem den für die höchste Gewichtsstaumauer. Der Bau von Staumauern und Produktionsanlagen hat wesentlich zur Entwicklung der jeweiligen Alpentäler beigetragen. „Die Gesellschaft Grande Dixence hat von Anfang an großen Pioniergeist bewiesen, der das Wallis, die Schweiz und die Welt der Wasserkraft geprägt hat. Wir sind stolz auf dieses Erbe und möchten unser 75-jähriges Bestehen gemeinsam mit der Bevölkerung feiern, indem wir einen Blick auf die Vergangenheit dieses außergewöhnlichen Bauwerks werfen und gleichzeitig die bestehenden Infrastrukturen an die zukünftigen Bedürfnisse anpassen“, betont Amédée Murisier, Präsident der Grande Dixence SA.

GrandeDixence
Ein Bauwerk der Superlative: Grande Dixence, die höchste Gewichtsstaumauer der Welt, ist mehr als doppelt so hoch wie der Prime Tower in Zürich.
© Grande Dixence SA

Jubiläumsprogramm mit Ausstellungen und regionalen Veranstaltungen

Anlässlich ihres Jubiläums hat die Grande Dixence in den kommenden Monaten verschiedenste Aktivitäten geplant. „Grande Dixence hat zur Entwicklung der Alpentäler beigetragen und ist Teil der Geschichte der Region. Mit einer Wanderausstellung für alle konzedierenden Gemeinden möchten wir die Bedeutung unserer Wasserkraftanlage in Erinnerung rufen und der Öffentlichkeit unser Know-how näherbringen“, erklärt Beat Imboden, Geschäftsleiter der Grande Dixence SA.

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Grande Dixence SA feiert das 75-jährige Bestehen des Kraftwerks, das wie kaum ein anderes für die Energieunabhängigkeit der Schweiz steht.
© Grande Dixence SA

Bau der höchsten Gewichtsstaumauer – ein Jahrhundertwerk

Zwischen 1951 und 1961 arbeiteten rund 3.000 Männer an der größten Gewichtsstaumauer der Welt, die am Ende drei Jahre füher als geplant fertiggestellt werden konnte. Der letzte Kübel Beton wurde am 22. September 1961 verbaut. Die Zahlen sind schlichtweg beeindruckend: Mehr als 15 Millionen Tonnen schwer, besteht die Mauer aus sechs Millionen Kubikmetern Beton, sie ist damit schwerer als die Cheops-Pyramide in Ägypten. In Summe wurde genug Material verbaut, um eine 1,5 Meter hohe Mauer rund um den Äquator zu bauen.
An der Basis misst die Mauer 198 Meter, an der Krone noch 15 Meter. Die Krone selbst liegt auf 2.365 Metern über Meer und erstreckt sich über 695 Meter Länge. Hinter ihr staut sich der Lac des Dix, der mit einem Volumen von 400 Millionen Kubikmetern Wasser den größten künstlichen See der Schweiz bildet. Dieses Stauvolumen entspricht rund einem Fünftel der gesamten in der Schweiz speicherbaren elektrischen Energie.

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Für die Errichtung wurden insgesamt 6 Mio. Tonnen Beton verbaut.
© Grande Dixence, Médiathèk Valais-Martigny

Einzigartiges Wasserkraftsystem mit über 100 Kilometern Stollen

Das Wasserkraftsystem der Grande Dixence ist ein verborgenes Netzwerk aus über 100 Kilometern Stollen und Schächten. Diese Tunnel, die ohne Laser und Drohnen, aber mit unglaublicher Präzision gebaut wurden, verbinden 75 Wasserfassungen aus 35 Walliser Gletschern. Vier Pumpstationen leiten das Wasser zum Lac des Dix, von wo es über Druckleitungen zu den Produktionszentralen in Fionnay, Nendaz und Bieudron strömt.
1993 bis 1998 wurde das System mit dem Optimierungsprojekt Cleuson-Dixence erweitert, das die Produktionskapazität um den Faktor 2,5 steigerte. Mit 1.200 MW ist das unterirdische Kraftwerk Bieudron die leistungsstärkste Zentrale der Schweiz. Insgesamt liefert der Komplex jährlich durchschnittlich zwei Milliarden Kilowattstunden – genug, um 400.000 Haushalte zu versorgen. Damit trägt die Grande Dixence rund ein Fünftel zur nationalen Speicherkapazität bei und ist insbesondere in Trockenperioden oder im Winter ein flexibler Energielieferant.

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Aufwändige Bauarbeiten für die 285 m hohe Staumauer am Lac des Dix
© Charles Paris, Médiathèk Valais-Martigny

Harte Arbeitsbedingungen und bleibendes Vermächtnis

Die Grande Dixence ist nicht nur ein Bauwerk der Superlative, sondern auch ein Denkmal menschlichen Willens. Die Lebensbedingungen der Arbeiter waren hart: Sie lebten in einfachen Baracken nahe der Baustelle, medizinische Versorgung war spärlich, Arbeitsunfälle waren häufig. Trotzdem schufen sie ein gigantisches System, das bis heute hervorragend funktioniert.
Heute ist die Grande Dixence auch eine touristische Attraktion. Das ehemalige Arbeitergebäude ist mittlerweile Hotel und Restaurant. Jährlich besuchen tausende Menschen den Staudamm und den Lac des Dix, um die Anlage zu bestaunen.
Auch die Zukunft der Wasserkraft wird in der Region weitergedacht: Ein neues Projekt sieht den Bau des Gornerli-Stausees oberhalb von Zermatt vor, der neben Stromproduktion auch Hochwasserschutz bieten soll.
Die Grande Dixence steht exemplarisch für ein Jahrhundertwerk, das Innovation, Naturkraft und Ingenieurskunst vereint. Sie erzählt von Pionierarbeit, vom Mut, die Natur zu bändigen, und von der Fähigkeit, aus Wasser saubere Energie zu gewinnen – ein Vermächtnis, das bis heute das Wallis und die gesamte Schweiz prägt.

Erschienen in zek HYDRO, Ausgabe 3/2024