Wasserkraft-Turbinen vor Sediment-Schäden schützen – mittels KI-System SediSense von Global Hydro

3. Dezember 2025, Lesedauer: 9 min

Sedimente im Triebwasser gelten als eine der größten unsichtbaren Gefahren für die Turbinen von Hochdruckanlagen. Um ihr Schädigungspotenzial zu minimieren, kamen bislang vorrangig Trübungssonden im Oberwasser zum Einsatz, die jedoch markante Schwächen aufweisen. Der oberösterreichische Wasserkraftspezialist Global Hydro machte sich auf die Suche nach Alternativen und wurde in der Kombination aus Körperschallsensorik und künstlicher Intelligenz fündig: Die neue Technologie, die man unter dem Namen Hydrox SediSense zur Marktreife geführt hat, ermöglicht erstmals eine präzise Detektion von schädlichen Partikeln dort, wo sie tatsächlich wirken – direkt an den kritischen Turbinenbauteilen. Die Innovation markiert eine Weltpremiere in der Wasserkraft und revolutioniert nicht nur die Art, wie Betreiber ihre Anlagen vor Abrasion schützen können, sondern eröffnet zudem neue Möglichkeiten für eine Maximierung der wirtschaftlichen Betriebsführung.

Global Hydro Sedimenterkennung
Spuren von Sedimenterosion an der Leitschaufel einer Francisturbine.
© Global Hydro
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Sedimente, wie hier in einem Oberwasserkanal eines Kraftwerks in Asien, stellen eine unmittelbare Gefahr für die Turbine dar.
© Global Hydro

Klimawandel erhöht Sedimentbelastung in Fließgewässern

Der Klimawandel wirkt sich auf die Fließgewässer und damit auch auf die Wasserkraftnutzung aus. Starkregen und Sturzfluten nehmen ebenso zu wie ausgeprägte Trockenphasen, Gletscher schmelzen ab. Das führt dazu, dass die Sedimentbelastung im Triebwasser ansteigt, besonders in den Gebirgsregionen Europas und Asiens. Welche Auswirkungen die zum Teil mikroskopisch kleinen Partikel im Triebwasser auf die betroffenen Turbinenkomponenten haben, ist vielen Betreibern wohlbekannt: Verschleiß an den Laufrädern und anderen Turbinenbauteilen. Die Folgen: sinkende Wirkungsgrade, steigende Wartungskosten und im schlimmsten Fall ungeplante Stillstände.
„Wir sehen gerade bei Kraftwerken, die Gletscher in ihrem Einzugsgebiet haben, oder deren Triebwasser stark von sedimentbelasteten Flüssen kommt, große Herausforderungen. Aus diesem Grund haben wir uns vor einigen Jahren die Frage gestellt: Wie können wir dieser Gefahr mit unseren digitalen Lösungen entgegenwirken?“, erläutert Thomas Stütz, Leiter Electrical Engineering und Software Entwicklung bei Global Hydro Energy, die Ausgangssituation. Er verweist darauf, dass man bereits seit längerem gewusst habe: Die Sedimentbelastung erfolgt nicht kontinuierlich, sondern vielmehr sporadisch. Es gelte daher, diese Peaks zu glätten, denn genau diese Phasen der extremen Spitzenbelastungen zögen die massivsten Schädigungen der Laufräder nach sich. „Aber diese Spitzen rechtzeitig zu erkennen, das war bis dato äußerst schwierig“, so der Fachmann.

Trübungsmessungen liefern oft ungenaue Daten

Bislang setzten Betreiber vor allem auf Trübungsmessungen, um Sedimente im Oberwasser zu detektieren. Belastbare Daten waren auf diese Weise aber sehr oft nur bedingt zu generieren. Die Gründe dafür liegen vor allem darin, dass die Sonden selbst auch den widrigen Umwelteinflüssen ausgesetzt sind. Ob das nun Algen, Luftblasen oder organische Schwebstoffe sind: All diese Einflussfaktoren können zu einem „falsch-positiven“ Messergebnis führen. Konkret heißt das: Es wird Trübung konstatiert und die Anlage gegebenenfalls abgestellt, obwohl möglicherweise kein Schädigungspotenzial vorliegt. „Diese Sonden erfassen eben nur die Wasserqualität, aber nicht das konkrete Schädigungspotenzial. Zudem sind sie oft kilometerweit von der Turbine entfernt montiert, schwer zugänglich, wartungsintensiv und störanfällig gegenüber diversen Einflüssen“, erklärt Günther Weidenholzer, Teamleiter im Bereich Data Science bei Global Hydro. Gemeinsam mit seinem Team hat er sich auf die Suche nach einer Alternative zu branchenüblichen Trübungsmessungen gemacht und damit bei Global Hydro den Stein ins Rollen gebracht.

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Mit Hydrox SediSense erweitert Global Hydro seine Digital Solutions um ein innovatives, KI-gestütztes Messsystem zur Echtzeit-Erkennung von Sedimentverschleiß an Turbinen und setzt damit neue Maßstäbe. Die Entwicklung und Markteinführung von Hydrox SediSense wurde durch die Austria Wirtschaftsservice GmbH (aws) unterstützt.
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Körperschallsensorik aus der fossilen Industrie adaptiert

„Wir wollten einen anderen Weg gehen, indem wir mit unserem Ansatz das direkte Schädigungspotenzial detektieren“, sagt Günther Weidenholzer. Den Schlüssel für eine neue technologische Anwendung sollte er allerdings nicht in der Wasserkraft selbst, sondern vielmehr in der fossilen Energieerzeugung finden. „In der Erdölförderung werden Körperschallanalysen im Ultraschallbereich seit Jahrzehnten genutzt, um abrasive Sandpartikel in Rohrleitungen frühzeitig zu erkennen. Diese robuste und erprobte Technologie haben wir nun für die Entwicklung von Hydrox SediSense erfolgreich für die Wasserkraft adaptiert“, so der Ingenieur.

Global Hydro Sedimenterkennung
Das Kraftwerk Luggauerbach in Dorfgastein (Österreichische Bundesforste AG) dient als Pilotanlage, die mit Hydrox SediSense überwacht wird.
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Die rote Kurve im Diagramm gibt die Verschleißrate wieder. Auswertung von Hydrox SediSense bei der 4-düsigen Peltonturbine des KW Luggauerbach.
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Einfache Montage macht Hydrox SediSense attraktiv

Für eine entsprechende Anwendung dieser Technologie in der Wasserkraft können die Körperschallsensoren an exponierten Bauteilen der Turbine montiert werden. Und das – ein markanter Vorteil – im Trockenen. Die Montage erfolgt in der Regel zerstörungsfrei, ohne Bohren oder Schweißen, zumeist mittels Klebeadaptern. Eine externe Infrastruktur am Einlauf ist obsolet. „Das macht die Lösung besonders attraktiv für Hochdruckanlagen, bei denen der Einlauf oft kilometerweit entfernt liegt. Dank einfacher Integration in bestehende Systeme ist Hydrox SediSense sowohl für Neuanlagen als auch für die Nachrüstung ideal geeignet“, erklärt Günther Weidenholzer.

Global Hydro Sedimenterkennung
Auch das Hosenrohr bietet sich für die Applikation der Messsonde an.
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Die Körperschallsonde wird einfach am Rohrkrümmer montiert.
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Von Körperschall zu KI-gestützter Datenanalyse

„Genau hier platzieren wir die Sensoren: auf den kritischen Turbinenkomponenten im Krafthaus. Sie erfassen Körperschallwellen im Ultraschallbereich, die durch den Aufprall der Sedimentpartikel entstehen. Diese Einschläge erzeugen je nach Größe, Geschwindigkeit und Härte der Partikel ein charakteristisches Schallmuster“, erklärt Weidenholzer. Und für die Auswertung dieses Schallmusters bringen die Experten von Global Hydro nun KI ins Spiel.
„Wir haben dafür KI-basierte Algorithmen entwickelt, die die üblichen Betriebsgeräusche abhängig vom aktuellen Betriebszustand abtrennen. Auf diese Weise kann ein spezielles Machine-Learning-Modell die Daten analysieren und jede Abweichung vom Normalbetrieb erkennen“, erklärt Daten-Spezialist Thomas Stütz.

Wirtschaftlicher Betrieb durch intelligente Sedimentanalyse

Das KI-Modell von Hydrox SediSense analysiert permanent die akustische Signatur der Turbine im Optimalbetrieb. „Jede noch so kleine Abweichung vom Normalzustand wird erkannt – etwa durch veränderte Einschlagsmuster bei erhöhter Sedimentbelastung. Unsere Data Science Experten interpretieren diese Signale mittels Machine Learning und Anomalieerkennung und können daraus entscheidende Erkenntnisse ableiten, wie: Wann treten schädliche Sedimente auf? Ab welcher Belastung ist ein Abschalten wirtschaftlich sinnvoller als weiterzufahren?“, sagt Günther Weidenholzer.

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Ein weiterer Vorteil der Körperschallsonden gegenüber den konventionell eingesetzten Trübungssonden ist, dass sie wesentlich günstiger sind.
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Sedimenterosion und Kavitation im Fokus

Ein Punkt, an dem die Ingenieure von Global Hydro noch eifrig tüfteln, ist die Einbeziehung eines bislang unterschätzten Aspekts in der Wasserkraft: die komplexe Wechselwirkung zwischen Sedimenterosion und Kavitation – zwei Phänomene, die sich nicht nur gegenseitig beeinflussen, sondern im schlimmsten Fall sogar gegenseitig verstärken.

Erfolgreiches Referenzprojekt in Tirol

Erste praktische Anwendungen zeigen schon jetzt eindrucksvoll, wie datenbasierte Entscheidungen schnell zu einem handfesten Mehrwert werden können. Bestes Beispiel: ein aktuelles Pilotprojekt am von der Ötztaler Wasserkraft GmbH errichteten Kraftwerk Tumpen Habichen in Tirol, dessen Betriebsführung der TIWAG obliegt.

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Renommierte Kraftwerksbetreiber wie TIWAG testen schon heute die Möglichkeiten, die Hydrox SediSense eröffnet: Wie hier beim ÖWK-Kraftwerk Tumpen-Habichen im Tiroler Ötztal.
© zek

KI wird Teil eines ganzheitlichen Präventionskonzepts

Das Tool von Global Hydro markiert einen entscheidenden Fortschritt im Umgang mit sedimentbedingtem Verschleiß in der Wasserkraft – insbesondere in Hochdruckanlagen alpiner und glazial geprägter Regionen, wie sie in Europa und Asien häufig vorkommen. „Der eigentliche Paradigmenwechsel liegt im Zusammenspiel von bewährten Schutzmaßnahmen gegen Verschleiß – wie hochfesten Werkstoffen, intelligenten Beschichtungen oder strömungsoptimierten Designs – mit datenbasierter Analyse: Hydrox SediSense erkennt potenzielle Schäden, bevor sie entstehen, und ermöglicht es Betreibern, ihre Betriebsweise dynamisch daran anzupassen“, rückt Geschäftsführer Heinz-Peter Knass die Innovation aus dem Hause Global Hydro in einen größeren Rahmen. Für Betreiber, die auf Sicherheit, Wirtschaftlichkeit und Zukunftsfähigkeit setzen, ist Hydrox SediSense weit mehr als ein Mess- und Analysesystem – es ist ein intelligenter Partner im Kampf gegen den unsichtbaren Feind Sediment.

Vorteile von Hydrox SediSense

Direktmessung der Schädigung: Anders als Trübungssonden, die indirekte Kenngrößen liefern, misst Hydrox SediSense den Einfluss der kinetischen Energie der Partikel – und somit den direkten Verschleiß.

Kostengünstige Hardware, intelligenter Algorithmus

Die Sensorik ist preiswert, robust und einfach zu installieren. Der wahre Wert liegt in der KI-gestützten Auswertung, die individuell für jede Anlage trainiert wird.

Einfach nachzurüsten

Dank der Montage außerhalb des Wassers ist die Lösung perfekt für Anlagen mit schwer zugänglichen Einläufen geeignet, zudem für Kraftwerke in Gletscherregionen oder Gebieten mit starkem Geschiebeeintrag.

Erschienen in zek HYDRO, Ausgabe 4/2025