SkiWelt Söll produziert Ökostrom mit eigenem neuen Kleinwasserkraftwerk
Von der Idee bis zum fertigen Kraftwerk in gut 12 Monaten – davon können die allermeisten Kraftwerksbauer in den Alpen nur träumen. Gelungen ist dieses Kunststück den Bergbahnen Söll in Tirol, die im Herbst 2024 ihre neue Ökostromanlage in Betrieb nahmen. Mit einer durchschnittlichen Jahresleistung von rund 1,5 GWh versetzt das neue Wasserkraftwerk Stampfangerbach die Bergbahnen nun in die Lage, rein rechnerisch den Stromverbrauch des gesamten Sommerbetriebs abdecken zu können. Oder anders ausgedrückt: Das Kraftwerk erzeugt rund ein Viertel des Stroms, den die Bergbahnen über das ganze Jahr verbrauchen.
Sommers wie winters kommen Naturliebhaber und Sportbegeisterte in der Bergwelt rund um die Tiroler Gemeinde Söll uneingeschränkt auf ihre Kosten. Zu diesem Zweck erschließen zwei moderne Gondelbahnen die malerische Gebirgslandschaft. Eine bringt die Gäste ganz hinauf auf den 1.828 m hohen Gipfel der Hohen Salve. Die andere führt hinauf nach Hochsöll, wo mit dem „Hexenwasser“ eine ganz besondere Erlebniswelt für Jung und Alt geboten wird. Hier wurde eine vielfältige Erlebniswelt am Berg geschaffen, inspiriert von der mythischen Seite der alpinen Geisterwelt, die mit allen Sinnen erfahren werden kann. „Mit dem Hexenwasser waren wir das erste Seilbahnunternehmen in Österreich, das ein richtungsweisendes Konzept für neue Akzente im Sommertourismus entwickelt hat. Das war 2002. Das Konzept trug Früchte, und der Stoßrichtung sind zahlreiche andere Seilbahnunternehmen über die Jahre gefolgt“, erklärt Mario Gruber, Geschäftsführer der Bergbahnen Söll. Neuen Ideen gegenüber waren die Verantwortlichen der Bergbahnen Söll schon früher sehr aufgeschlossen gegenübergestanden – vor allem, wenn sie gut waren. Das gilt natürlich auch für das jüngste Ökostromprojekt der Tiroler, das in Rekordzeit umgesetzt werden sollte.
Initialzündung von ungewöhnlicher Seite
Ausgangspunkt sei die anstehende Wiederverleihung des Wasserrechts für das Beschneiungssystem gewesen, in dessen Zuge man Umstellungen im Wassermanagement vorzunehmen hatte. „Dabei stand zu Beginn die Frage im Zentrum, wie wir die Befüllung für unseren bestehenden Speicherteich – unseren ersten aus dem Jahr 2012 – optimieren könnten. Eine Wasserfassung am Stampfangerbach bot sich dafür an“, erzählt Mario Gruber. Von Behördenseite wurde der Wasserkörper als „in gutem Zustand“ klassifiziert. Aufgrund der Nutzung in der Beschneiung kannten die Verantwortlichen der Bergbahnen die Hydrologie des Baches sehr gut, schließlich waren dafür schon früher umfangreiche hydrologische und limnologische Untersuchungen angestellt worden. Als auf die ersten Anfragen hin positive Signale von Seiten des Naturschutzes zu vernehmen waren, konnten die Unterländer den nächsten Schritt angehen.
Wirtschaftliche Machbarkeit gegeben
„Uns standen zum Glück viele Daten zur Verfügung. Damit ließ sich die Frage nach der Wirtschaftlichkeit eines Wasserkraftwerks ganz gut beantworten: 180 Meter Fallhöhe und die gegebene Hydrologie des Bachs sprachen dafür“, schildert Mario Gruber die ersten wirtschaftlichen Überlegungen, denen im Anschluss selbstredend die Fragen nach der technischen Machbarkeit folgten. Für eine konkrete Planung holten sich die Bergbahnen Söll 2023 das Ingenieurbüro Klenkhart & Partner aus Absam an Bord, mit dem man in der Vergangenheit schon bei der Planung des mittlerweile sehr umfangreichen Beschneiungssystems beste Erfahrungen gemacht hatte. „Dank der profunden Planung sowie der Tatsache, dass das Einvernehmen mit betroffenen Grundstückseignern prompt und sehr einfach herzustellen war und dass darüber hinaus keinerlei Wasserbezugsrechte eventueller Unterlieger zu berücksichtigen waren, konnten wir sehr schnell loslegen“, so der Geschäftsführer der Bergbahnen.
TechnoAlpin als Generalunternehmer
Und noch eine weitere Partnerschaft sollte sich im Zuge der Umsetzung des neuen Kraftwerks als sinnvoll und fruchtbar erweisen: „Das Gesamtprojekt haben wir in die Hände der Firma TechnoAlpin als Generalunternehmen gelegt. Sie bringt nicht nur eine hohe Kompetenz in Sachen alpiner Beschneiungstechnik mit. TechnoAlpin ist auch in der Lage, die komplette technische Realisierung eines Wasserkraftwerks in einem Skigebiet umzusetzen. Schon seit über 10 Jahren integriert TechnoAlpin Turbinen in bestehende Beschneiungssysteme, und das Interesse daran wird immer größer. Der wesentliche Vorteil ist die Mehrfach-Nutzung der aus der Beschneiung bestehenden Infrastruktur, die sonst ein wesentlicher Kostenfaktor bei der Neuerrichtung eines Wasserkraftwerkes wäre. Viele Skigebiete verfügen bereits über ein für große Drücke ausgelegtes Rohrleitungsnetz, zusätzlich sind Wasserfassungen und Teichanlagen zum Teil auch in höheren Lagen vorhanden. Diese Infrastruktur wird für die Beschneiung nur rund 2 Monate im Jahr genutzt. Bei vielen neuen Beschneiungsprojekten die TechnoAlpin momentan plant, wird die Doppelnutzung für einen möglichen Kraftwerksbetrieb im Sommer bereits integriert oder ist zumindest für einen späteren Ausbau vorgesehen.
Vom Konzept her handelt es sich bei dem Kraftwerk um ein typisch alpines Hochdruckkraftwerk, das allerdings auch ein paar Besonderheiten aufweist. Gefasst wird das Triebwasser mittels Tirolerwehr, das direkt in eine der zahlreichen Sperrenbauwerke integriert wurde. Dabei wurde eine schon bestehende Fassung in der Sperrenmauer rückgebaut und durch ein etwas größeres neues Tirolerwehr ersetzt. Im Anschluss daran wurde ein Sandfang gebaut, von wo das Triebwasser in weiterer Folge über einen unterirdischen Coanda-Rechen zwecks Filtrierung der Feinsedimente geführt wird. Vor die Einmündung in die Druckrohrleitung ist noch ein Regelbehälter vorgeschaltet, der ursprünglich der Beschneiung als Tagesspeicher diente. Über eine rund 2,5 km lange Druckrohrleitung wird schließlich das Wasser zum neuen Maschinensatz geleitet, der in einem Anbau in der Pumpstation am Ahornsee untergebracht ist.

© Wild Metal
Effiziente Entsandung im Untergrund
„Weil der Stampfangerbach grundsätzlich viel Geschiebe mitbringt, legten wir großes Augenmerk auf eine effiziente Entsandung“, erklärt Mario Gruber. Während größere Äste und Steine bereits vom Tirolerwehr ferngehalten werden, erfolgt die eigentliche Feinfiltrierung am Coanda-Rechen, der vom Südtiroler Stahlwasserprofi Wild Metal geliefert und montiert wurde. Konkret handelt es sich dabei um drei Module des patentierten Grizzly Power Optimus, der zur Gänze unterirdisch integriert wurde. Der Feinrechen stellt ein im Wesentlichen selbstreinigendes Schutzsieb dar, das aus einem speziellen abriebbeständigen Edelstahl gefertigt wird. Durch die geringe Spaltweite von nur 0,6 mm ist der Sandeintrag unterhalb dieser Partikelgröße auf ein Minimum beschränkt. Hinzu kommt, dass damit auch das Eindringen kleiner Gewässer-Lebewesen in das Triebwassersystem verhindert wird. Dabei ist das Schutzsieb selbstreinigend und erfordert nur geringen Wartungsaufwand. „Für uns hat sich das Coanda-System der Firma Wild Metal aus mehreren Gründen empfohlen. Neben einer effizienten Partikelabscheidung entfallen damit Kosten für einen Rechenreiniger, auch die Sandfanganlage konnte damit etwas kleiner dimensioniert werden“, sagt Mario Gruber.

© zek
Rohre garantieren höchste Standfestigkeit
Ein wesentlicher Punkt der Planung betraf den Kraftabstieg, wobei die Wahl der Rohre für die Druckrohrleitung klar und eindeutig ausfiel. „Aus der Beschneiung kennen wir die Gussrohre von TRM, also Tiroler Rohre, schon lange und sind dementsprechend von deren Qualität überzeugt. Und da für uns auch das Thema Belastbarkeit eine Rolle spielte – die Rohre wurden fast zur Gänze in der Landstraße verlegt – wollten wir uns auf keine Experimente einlassen“, erklärt Mario Gruber. Zum Einsatz kamen TRM-Rohre der Dimensionen DN400/DN500 in zug- und schubgesicherter Ausführung. Damit ist nicht nur eine hohe Lebensdauer der Leitung sichergestellt, sondern auch ein Höchstmaß an Robustheit und Belastbarkeit. Erwiesenermaßen hält sie in dieser Ausführung sogar Hangrutschungen oder Erdbeben stand. Um den Reibungswiderstand in der Druckrohrleitung möglichst gering zu halten, fiel die Wahl auf die beiden unterschiedlichen Rohrgrößen. „Wir haben uns entschieden, die größeren 500er-Rohre in den leicht zugänglichen Bereichen zu verbauen und die kleineren 400er-Rohre vor allem dort zu verwenden, wo es steil und schwierig zu bauen war“, erklärt der Geschäftsführer der Bergbahnen. Er verweist auch darauf, dass es wichtig war, dass die Verlegung der Rohre schnell erfolgt. Da die beauftragte Baufirma mit einer vergleichsweise schmalen Künette arbeiten konnte – und dies bei fast jedem Wetter, konnten die temporären Sperrzeiten für die Straße kurz gehalten werden.

© Bergbahnen Söll
Bauliche Eingriffe eingegrenzt
Nachdem im Frühling letzten Jahres sämtliche behördlichen Genehmigungen auf dem Tisch lagen, konnten Anfang Juni 2024 die Bagger auffahren. „Der Sommer letzten Jahres war kein besonders trockener. Trotzdem ist es gelungen, den engen Zeitplan einzuhalten“, resümiert Mario Gruber. Das lag nicht zuletzt am zuverlässigen Nachschub an Rohrmaterial aus dem Werk der Tiroler Rohre in Hall. Die Integration des Hoch- bzw. Tiefpunkts bei der einzigen Bachquerung konnte mustergültig umgesetzt werden. Die Druckprüfung im Spätherbst klappte auf Anhieb.
Abgesehen von den umfangreichen Rohrverlegungsarbeiten war das Bauprojekt eher vom Bemühen geprägt, die baulichen Eingriffe und die Bodenversiegelung gering zu halten. Der frühere Tagesspeicher etwa, der nun als Regelbehälter dient, war bereits vorhanden, auch eine Wasserfassung im Sperrenbauwerk existierte vorher schon – und auch für das Maschinenhaus wurde kein gänzlich neues Bauwerk „auf die grüne Wiese“ gestellt. Vielmehr nutzte man dafür die bestehende Infrastruktur der Pumpenstation am Ahornsee in unmittelbarer Nachbarschaft zur Talstation der Bergbahn, um daran das Krafthaus unauffällig und dezent anzubauen – ein besonders ressourcenschonendes Vorgehen. Die Baumeisterarbeiten für das Krafthaus als Teil-Generalunternehmerauftrag sowie das Tiroler-Wehr und der Sandfang wurden durch die Firma BODNER, ein langjähriger Partner der Bergbahnen Söll, ausgeführt. Weiters lag die Verbauung und Auskleidung des Stampfangerbachs mit Wasserbausteinen sowie die Rekultivierung im Bereich des Tiroler Wehrs und des Sandfanges im Auftrag der Firma BODNER.

© TechnoAlpin
Maschinensatz am Netz auch bei Niedrigwasser
Im neuen Krafthaus schlägt das technische Herz der Anlage, es besteht aus einer zweidüsigen Pelton-Turbine aus dem Hause des Südtiroler Turbinenspezialisten Sora, die einen wassergekühlten Synchrongenerator vom Fabrikat Marelli antreibt. Ausgelegt auf eine Netto-Fallhöhe von 166 m und eine Ausbauwassermenge von 250 l/s erreicht der Maschinensatz eine Nennleistung von 380 kW. Nach einer kurzen Inbetriebnahmephase lieferte der Maschinensatz Ende November 2024 – nach einer Bauzeit von gerade einmal fünf Monaten – erstmalig Strom. Im Regeljahr werden es ungefähr 1,5 Millionen Kilowattstunden sein, die man aus der Kraft des Stampfangerbachs generiert.
Konsequenterweise setzten die Betreiber auch beim Maschinenequipment sowie der zugehörigen Steuerung auf höchste Qualität. Die Turbine aus dem Hause Sora gilt nicht nur als hoch zuverlässig und leistungsstark, sondern weist außerdem enorme Flexibilität im Betrieb auf. Laut Angaben des Betreibers kann die Turbine auch noch mit 5 bis 6 Prozent der Ausbauleistung gefahren werden, bevor sie darunter abgestellt werden muss. „Außerdem war für uns natürlich das Thema Steuerung ein ganz zentrales. Die Firma En-co hat seine bewährte Turbinensteuerung für die Anlage realisiert. Im Anschluss daran haben die Programmierer von TechnoAlpin diese Steuerung inklusive kompletter Visualisierung in unser übergeordnetes Leitsystem eingebunden. Auf diese Weise haben wir neben unseren Pumpen und Schneianlagen auch das Kraftwerk optimal im Blick“, sagt Mario Gruber.

© zek
Optimierte Regelbehälternutzung eröffnet Perspektiven
Das Kraftwerkskonzept mit dem vorgelagerten Regelbehälter verbunden mit einer hochmodernen Steuerung sind für die Betreiber das große Asset der neuen Ökostromanlage. Mit einem Fassungsvolumen von circa 1.700 m3 ist der Speicher nicht allzu groß. Dennoch liegen in dessen fachgerechter Nutzung interessante wirtschaftliche Möglichkeiten. „Behördlich sind uns 40 l/s Restwasser vorgeschrieben, die permanent ins Bachbett abgegeben werden. Alles was darüber an Wasserdargebot ankommt, können wir – natürlich nicht über 250 l/s – nutzen. Das heißt, dass wir etwa überschüssiges Wasser in der Nacht speichern können, um es dann tagsüber bei Bedarf zu turbinieren. Dadurch geht bei uns auch kein Wasser verloren“, erläutert Mario Gruber das Funktionsprinzip und ergänzt: „Derzeit arbeiten wir mit unseren Partnern daran, dass wir das Kraftwerk in Zukunft auch nach dem Leistungsbedarf regeln können. Das heißt: Wenn die Bergbahnen gerade 100 kW Leistung benötigen, wird der Turbine nur das für diese Leistung nötige Wasser zugeführt, der Rest fließt in den Regelbehälter. Das macht uns sehr flexibel.“ Darüber hinaus denken die Betreiber der Anlage noch einen Schritt weiter. In Zukunft soll es die Leittechnik ermöglichen, die Steuerung des Kraftwerks an die aktuellen Spotmarktpreise der Strombörse anzupassen, um das Kraftwerk noch wirtschaftlicher betreiben zu können.

© Dietmar Denger
Entwicklung im Sinne der Nachhaltigkeit
Rund 2,5 Mio. Euro haben die Bergbahnen Söll in das neue Kraftwerk investiert. Höchst sinnvoll – gleich aus mehreren Gründen: Neben der offensichtlichen Optimierung der Eigenversorgungsquote, die man auch durch die Gründung einer Energiegemeinschaft unterstrich, stellt das neue Ökostromprojekt auch ein wichtiges Element für die Stärkung der eigenen Marke dar. Schließlich arbeitet man in der gesamten SkiWelt Wilder Kaiser-Brixental, zu der auch die SkiWelt Söll zählt, daran, dem Thema „Ökologie im Skigebiet“ gerecht zu werden. Mario Gruber: „Aufgrund der Entwicklung der letzten Jahre haben wir uns als Bergbahnen Söll Gedanken gemacht, wie ein nachhaltiger Skibetrieb sowohl mit Aspekten der Ökologie als auch der Ökonomie bestmöglich in Einklang gebracht werden kann. Mit der Errichtung unseres Kleinwasserkraftwerkes ist uns ein großer Schritt in diese Richtung gelungen. Heute liegt der Strombedarf unserer Seilbahn im Jahr bei 5 bis 5,5 GWh. Mit dem neuen Kraftwerk sind wir in der Lage, im Regeljahr rund 1,5 GWh zu erzeugen – also in etwa ein Viertel unseres Bedarfs. Dank dieser selbst produzierten Energie kann unser Sommerbetrieb mit den beiden Gondelbahnen fast zur Gänze energieautark betrieben werden.“
Erschienen in zek HYDRO Ausgabe 2/2025