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Kraftwerk Pencaligue in Honduras sorgt für regionalen Netzausgleich6 min read

16. Dezember 2019, Lesedauer: 4 min

Kraftwerk Pencaligue in Honduras sorgt für regionalen Netzausgleich6 min read

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Um die Stabilität der öffentlichen Stromnetze in Honduras – eines des ärmsten Länder Mittelamerikas – nachhaltig zu verbessern, setzen Energieversorger in den vergangenen Jahren zunehmend auf den Ausbau ungenutzter Wasserkraftpotentiale.

Im Nordwesten des Landes ging im Departamento Santa Bárbara im Sommer 2018 mit dem Kraftwerk Pencaligue eine 18 MW Anlage in Betrieb, die zur Stromversorgung einer nahe gelegenen Kleinstadt dient. Realisiert wurde das Projekt des ­Betreibers Hidroeléctricas de Occidente S. de R.L. mit wesentlicher Beteiligung österreichischer Branchenspezialisten. Die niederösterreichische Schubert Elektroanlagen GmbH lieferte und installierte als Subunternehmer die komplette elektro- und leittechnische Ausrüstung des Kraftwerks. Den Gesamtauftrag für die elektromechanische Ausstattung, darunter zwei auf über 7 MW sowie eine auf über 3 MW Engpassleistung ausgelegte Pelton-Turbinen, ging an die GUGLER Water Turbines GmbH aus Oberösterreich.

Neben Haiti zählt Honduras zu den ärmsten Ländern Mittelamerikas, über 70 Prozent der fast neun Millionen Einwohner leben unter der Artmutsgrenze. Aufgrund veralteter beziehungsweise fehlender Infrastruktur und Produktionsstätten stehen Stromausfälle in vielen Regionen des Landes auf der Tagesordnung. Um diese Versorgungsengpässe besser in den Griff zu bekommen, wird dem Ausbau regenerativer Energieformen, im Speziellen der Wasserkraft, hohe Bedeutung beigemessen. So bildete auch die mangelhafte Stromversorgung der Stadt Atima im Departamento Santa Bárbara im Nordwesten von Honduras den Ausgangspunkt für das Wasserkraftprojekt Pencaligue. Für den Kraftwerksbau sollte ein lokales Gewässer ausgeleitet und das Triebwasser mittels Freispiegelstollen zuerst durch einen Berg und mit einer anschließenden Druckrohrleitung zur Turbinierung geleitet werden. Das Projekt, benannt nach der gleichnamigen Region, hatte bereits um das Jahr 2010 seine Genehmigung erhalten, teilweise waren schon erste Bauarbeiten erfolgt. Aus wirtschaftlichen Gründen musste das Projekt allerdings gestoppt und für mehrere Jahre auf Eis gelegt werden. 2016 wurde das Projekt vom Energieversorger Hidroeléctricas de Occidente S. de R.L. übernommen, die Bauarbeiten zur konkreten Umsetzung des Projekts starteten im darauf folgenden Jahr.

Betreiber setzen auf österreichische Experten
Noch im Dezember 2016 beauftragte Hidroeléctricas de Occidente den österreichischen Wasserkraft-Allrounder GUGLER Water Turbines GmbH mit der Lieferung der kompletten elektromechanischen Ausrüstung für das Projekt. Die Oberösterreicher hatten für den Auftraggeber bereits 2015 zwei Pelton-Turbinen für das 10 MW Kraftwerk Mezapa in Honduras installiert und sich damit für ein weiteres Projekt im Land empfohlen. Als Sub-Unternehmen zur Lieferung der elektro- und leittechnischen Ausrüstung beauftragte GUGLER die niederösterreichische Schubert Elektroanlagen GmbH aus Ober-Grafendorf. Schon 2016 hatten die international hocherfahrenen Unternehmen das 12,9 MW Projekt „Carpapata III“ in Peru gemeinsam realisiert, 2017 folgte eine weitere Kooperation beim ebenfalls peruanischen Projekt „Marañón“ mit 19,7 MW Engpassleistung. Der Auftrag für das Projekt Pencaligue war hingegen der erste gemeinsame Auftrag in Mittelamerika. Für die Unterkunft der Monteure und Techniker wurde am Standort der Kraftwerkszentrale ein eigenes Camp errichtet, das aufgrund der hohen Kriminalität im Land rund um die Uhr von bewaffneten Sicherheitskräften bewacht wurde.

Druckrohrleitung nach Freispiegelstollen
Die Wasserfassung des Kraftwerks wurde mit einer beweglichen Wehrklappe ausgerüstet, an der Seitenentnahme können bis 2,9 m³/s für die Stromproduktion entnommen werden. Im Anschluss an die Ausleitung wird das Triebwasser zunächst in ein großvolumiges Entsanderbecken geleitet, in dem sich die feinen Sedimente des Gewässers langsam absetzen können. Über eine hydraulisch bewegte Spülklappe werden Sand und Sedimente wieder in den natürlichen Gewässerverlauf  zurück geschwemmt. Gleich danach beginnt ein rund drei Kilometer langer Freispiegelstollen, der mittels bergmännischen Sprengvortriebs erstellt wurde. Im Anschluss an die Strecke unter Tage fließt das Wasser in ein der Pegelregelung dienendes Becken, gleich danach beginnt der rund 3,8 km lange Kraftabstieg in Form einer Druckrohrleitung. Da die die Trassenführung der zwischen DN1700 und DN1500 ausgeführten Stahlleitung einen Hochpunkt unausweichlich machte, wurde am höchsten Punkt der Leitung ein Wasserschloss zum Druckausgleich errichtet. Beim Übergang in das zweckmäßig ausgeführte Krafthaus hat das Triebwasser eine Bruttofallhöhe von 413 m überwunden.

Turbinen decken breites Betriebsband
Beim Design der Maschinen stand laut GUGLER-Projektleiter Roland Fleischmann vor allem eine möglichst hohe Effizienz im Teillastbetrieb im Fokus der Konstrukteure. Da das Wasserdargebot vor allem außerhalb der Regenzeit zwischen Oktober und Mai sehr stark schwanken kann, wurden für optimale Wirkungsgrade zwei größere sowie eine kleinere Pelton-Turbine installiert. Vom maschinellen Design wurden die Turbinen jeweils als sehr gut regelbare 2-düsige Varianten mit horizontalen Wellen gefertigt. Die ursprünglichen Projektentwickler hatten im Krafthaus bereits den Einbau einer vierten Turbine vorgesehen, dies wurde allerdings aufgrund einer zu optimistischen Prognose in Sachen Wasserdargebot nicht realisiert. Während die größeren Turbinen bei einem Ausbaudurchfluss von jeweils 2 m³/s eine Engpassleistung von 7.334 kW erreichen, schafft die dritte Maschine bei einem Durchfluss von maximal 900 l/s eine Engpassleistung von 3.299 kW. Als Energiewandler dienen jeweils direkt mit den Turbinenwellen gekoppelte Synchron-Generatoren. Da die Betreiber bei der Projektübernahme auch zwei von den ursprünglichen Projektentwicklern erworbene Generatoren mit übernommen hatten, wurden die größeren Turbinen an diese vorhandenen Maschinen, die mehrere Jahre eingelagert waren, angepasst. Der kleinere Maschinensatz wurde als komplette Einheit mit einem Generator des Herstellers Marelli von den Oberösterreichern geliefert.

Netzbetreiber mit Betriebshoheit
Ein wichtiger Punkt in Sachen Elektrotechnik war laut Schubert-Inbetriebnahmetechniker Lukas Rudolf die Fernwirkmöglichkeiten durch den honduranischen Netzbetreiber. „Von Seiten des Netzbetreibers kam zu einem relativ späten Zeitpunkt die Auflage, dass die Wirk- und Blindleistung der Anlage jederzeit vorgegeben beziehungsweise bestimmt werden können muss. Diese Anforderungen konnte allerdings erst kurz vor der Inbetriebnahme endgültig abgeklärt werden, weil die Verantwortlichen erst zu diesem Zeitpunkt ihre Vorgaben spezifizieren konnten.“ Grundsätzlich werden dem Netzbetreiber die wichtigsten Messwerte des Kraftwerks übermittelt. Basierend auf diesen Daten wird die Leistung der Anlage hoch- oder runter gefahren, wodurch Stromschwankungen in der Region noch besser ausgeglichen werden können.
 
Elektro- und Leittechnik
Die Lieferung von Schubert beinhaltete neben der auf Basis WinCC programmierten Leittechnik die komplette elektrotechnische Ausstattung. Dies beinhaltete eine gasisolierte 36 kV Mittelspannungsschaltanlage für die Netz­einspeisung und Energiezählung. Drei Maschinentransformatoren (2 x 8,75 MVA und 1 x 3,75 MVA) sorgen für die Spannungsanpassung der erzeugten Energie vor dem Einspeisen ins öffentliche Netz. Weiters wurde ein separater Eigenbedarfstransforma­tor mit 200 kVA geliefert. Die Komponenten zur Regelung der drei Maschinensätze wurden in eigenen Steuerschränken installiert. Darin befinden sich neben der SPS-Turbinensteuerung auch die Komponenten zur Erregung sowie die elektrischen Schutzbauteile der Anlage. Die Niederspannungskomponenten von 480V bis 24V wurden ebenfalls in eigenen Schaltschränken montiert. Als zusätzliche betriebliche Sicherheitsmaßnahme im Falle eines kompletten Stromausfalls wurde darüber hinaus ein Notstrom-Dieselaggregat geliefert.

Anlage bald ein Jahr in Betrieb
Nach Abschluss der finalen Installationsarbeiten und der Freigabe durch den Netzbetreiber ging das Kraftwerk im Sommer 2018 schließlich erstmals in Betrieb. Im darauf folgenden Probebetrieb wurde die Anlage bei unterschiedlichen Betriebszuständen ausgiebig getestet und das Feintuning für eine möglichst effiziente Stromproduktion durchgeführt. Die Projektverantwortlichen bei GUGLER und Schubert ziehen nach dem Übergang in den Regelbetrieb unabhängig voneinander ein positives Fazit über das Projekt und die erste Zusammenarbeit in Honduras. Bereits in wenigen Monaten wird die Anlage ihr erstes Betriebsjahr feiern, im Durchschnitt rechnen die Betreiber mit einer durchschnittlichen Jahresproduktion von 100 GWh.

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