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Kraftwerk Seitenstallgrabenbach sichert effektive Eigenstromproduktion5 min read

22. Dezember 2016, Lesedauer: 4 min

Kraftwerk Seitenstallgrabenbach sichert effektive Eigenstromproduktion5 min read

Lesedauer: 4 Minuten

In der obersteirischen Stadtgemeinde Rottenmann ging im Herbst des Vorjahres das zweite Wasserkraftwerk des Jagd- und Forstgutes „In der Strechen“ in Betrieb.

Das Jagd- und Forstgut befindet sich im Besitz von Alexandra Butz und erstreckt sich auf einer Fläche von rund 6.500 Hektar inmitten der Rottenmanner Tauern im Bezirk Liezen. Die von Grund auf neu errichtete Anlage am Seitenstallgrabenbach wurde als klassisches Ausleitungskraftwerk errichtet, als Wasserfassung kommt ein Tiroler Wehr zum Einsatz. Die bauliche Umsetzung des Kraftwerksprojektes erstreckte sich aufgrund der Rücksichtnahme auf den Jagdbetrieb über zwei Bausaisonen. Im Inneren des Krafthauses sorgt eine 4-düsige Pelton-Turbine des Herstellers ANDRITZ HYDRO für die effiziente Ökostromproduktion. Rund 2,4 GWh beträgt damit das jährliche Regelarbeitsvermögen der Anlage.

Auf die Nutzung von Wasserkraft zur Deckung des eigenen Strombedarfs setzen die Eigentümer der Forst- und Gutsverwaltung schon seit 13 Jahren. 2003 wurde bereits mit dem Kraftwerk „Strechenbach Mitte“ das erste moderne Kleinwasserkraftwerk auf eigenem Besitz in Betrieb genommen. Aufgrund der idealen Bedingungen zur Wasserkraftnutzung auf dem weitläufigen Areal gab es laut dem Betriebsleiter des Jagd- und Forstgutes, Mag. Thomas Haberl, schon längere Zeit Pläne für ein weiteres Kraftwerk auf eigenem Grund. Konkrete Formen nahm das Projekt schließlich mit dem Baubeginn Mitte 2014 an, nachdem alle behördlichen und umweltrechtlichen Genehmigungen ausgestellt waren.

Bewährte Unternehmen erneut am Zug
Mit den gesamten Planungsagenden des Neubaus wurde die Grazer Pittino ZT-GmbH beauftragt, mit welchem die Auftraggeber schon beim ersten Kraftwerksbau gute Erfahrungen gemacht hatten. Generell betraute man mit den baulichen und technischen Ausführungen jene Unternehmen, welche sich schon beim ersten Wasserkraftprojekt bewährt hatten. Der Großteil der Unternehmen stammt dabei aus der Steiermark und wurde mit Bedacht auf die regionale Wertschöpfungskette laut Geschäftsführer Haberl bewusst nach diesem Kriterium ausgewählt.
Für den Hoch- und Tiefbau sowie die Verlegung der Druckrohrleitung (DRL) kam eine Arbeitsgemeinschaft aus drei Baufirmen zum Zuge. Dabei sorgte die Rumpf Bau GmbH aus Murau für die ordnungsgemäße Verlegung der DRL in kompletter Gussausführung. Die ebenfalls aus Murau stammende Petautschnig Bau GmbH errichtete das Krafthaus, das Baulos für den Betonbau am Wehrbauwerk erhielt die TEERAG-ASDAG AG.

Druckrohrleitung komplett aus Guss
Den anspruchsvollsten Teil der Bauarbeiten stellte wie bei vielen Wasserkraftprojekten im alpinen Raum die Verlegung der DRL dar. Die rund 1,9 km lange DRL DN 500 des Kraftwerks Seitenstallgrabenbach machte dabei keine Ausnahme.
Beim Material entschieden die Eigentümer sich für die hochwertigen duktilen Gussrohre der Tiroler Rohre GmbH (TRM). Das Rohrsystem von TRM kombiniert ein bekannt anwenderfreundliches Muffensystem mit der massiven Belastbarkeit von duktilem Guss und hält somit auch extremen Einsatzbedingungen problemlos stand.
Wegen dem teilweise sehr steilen Gelände und komplexen Bodenkonditionen entlang der Rohrtrasse wurde die DRL teilweise in schub- und zugsicherer Ausführung verlegt. Der Trassenverlauf, welcher eine natürliche Gefällestufe von 268 m überbrückt, erforderte dabei die Erstellung einer Bachquerung für die Triebwasserleitung.
Dank der erfahrenen Monteure konnte diese unterirdisch errichtete Gewässerpassage der DRL trotz einer kurzfristigen baulichen Änderung ohne nennenswerte Verzögerungen erstellt werden.

Tiroler Wehr mit Wartungssteg
Für die Herstellung und Montage der hydromechanischen Ausrüstung am Wehrbauwerk wurden die erfahrenen Stahlwasserbauer S.K.M. GmbH aus dem steirischen Kammern engagiert. Das Unternehmen hatte sich  in den letzten Jahren bereits mit der Ausführung verschiedener Schlosserarbeiten  auf dem Jagd- und Forstgut bestens bewährt und wurde laut Thomas Haberl aus diesem Grund guten Gewissens erneut beauftragt. Dazu lieferte und montierte S.K.M. ein klassisches Tiroler Wehr mit oben liegendem Grobrechen zum Schutz gegen Geröll und grobes Geschiebe. Um optimale Zugänglichkeit beim händischen Reinigen des Grobrechens zu gewährleisten, installierte man direkt neben dem Wehr einen hydraulisch einklappbaren Wartungssteg. Die Reinigung des Feinrechens vor dem Entsanderbecken hingegen erfolgt völlig automatisiert durch einen hydraulischen Rechenreiniger mit Pegelsteuerung, welche in die übergeordnete Kraftwerkssteuerung integriert ist. Komplettiert wurde der Stahlwasserbau durch eine 2 m breite Stauklappe sowie jeweils einen Einlauf-, Kontroll- und Spülschütz.

Ökostromproduktion diskret und effektiv
Als Energieerzeuger der Anlage kommt eine hocheffiziente Pelton-Turbine des Herstellers ANDRITZ HYDRO zum Einsatz. Bei einer Ausbauwassermenge von 380 l/s und einer Nettofallhöhe von rund 254 m erzielt die Maschine mit ihren 4 elektrisch angesteuerten Düsen eine Leistung von maximal 800 kW. Zur Stromumwandlung dient ein direkt vertikal an die Turbinenwelle gekoppelter Synchron-Generator der Marke Hitzinger. Dieser Generator hat eine Nennscheinleistung von 950 kVA und verfügt über eine eigene Wasserkühlung. Mit diesem Maschinensatz kann die Anlage eine durchschnittliche Regelarbeit von etwa 2,38 GWh jährlich erreichen. Durch entsprechende Schallschutzmaßnahmen am Gebäude läuft die Stromerzeugung dabei äußerst leise ab. In Verbindung mit der geschmackvollen Lärchenholzfassade sorgte man gleichzeitig auch für ein optisch ansprechendes Äußeres des Wasserkraftwerks.

Maßgeschneiderte Elektro- und Leittechnik
Auch bei der elektrischen Ausrüstung und der Anbindung an das 36 kV Stromnetz setzten die Eigentümer auf bewährte Qualität. Mit der Auftragserteilung an die Siemens AG Österreich der Grazer Firmenniederlassung wurde die gesamte E-Technik an ein Unternehmen mit bekannt hoher Kundenzufriedenheit und großer Erfahrung im Kraftwerksbau vergeben. Für die Programmierung der Steuerungssoftware inklusive  Turbinenregler und Visualisierung sowie zur finalen Anlageninbetriebsetzung kam die MGX Automation GmbH aus dem steirischen Leibnitz zum Zug, welche den Auftrag gemeinsam mit Siemens umsetzte.
Siemens Projektleiter Dipl.-Ing. Manfred Paulus fasst den Lieferumfang für das Kraftwerk Seitenstallgrabenbach zusammen: „Angepasst an die Projektanforderungen lieferte Siemens für das Bauvorhaben die komplette elektrische Ausrüstung, von der Netzeinbindung über die Kraftwerksausrüstung bis hin zum Wehranlagenverteiler. Zu unserem Auftrag zählten dabei unter anderem die 36 kV-Netzeinbindung, eine 36 kV-Mittelspannungsschaltanlage und ein Transformator aus dem Siemens-Werk in Weiz mit einer Leistung von 1.000 kVA. Zusätzlich lieferte man die entsprechende Niederspannungs- und Gleichspannungsverteilung, die gesamten Schutz- und Leittechnikkomponenten sowie sämtliche Verkabelungen für das Kraftwerk inklusive Detailengineering und Montage.“ Abschließend verweist der Siemens-Projektleiter explizit auf die gute partnerschaftliche Zusammenarbeit mit der MGX Automation GmbH, die auch ein übergeordnetes Leitsystem geliefert hat, in welches das neue Kraftwerk eingebunden wurde.
Nach dem erfolgreichen Abschluss der Testphase ist das Kraftwerk Seitenstallgrabenbach nun schon seit September 2015 am Netz. Geschäftsführer Haberl zeigt sich im Gespräch mit zek Hydro zuversichtlich, dass die erwartete jährliche Energieausbeute von rund 2,4 GWh schon beim einjährigen Jubiläum der Anlage im heurigen Herbst erreicht werden kann.

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