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Laufräder mit neuartigem Design für größtes IKB-Kraftwerk6 min read

7. Oktober 2016, Lesedauer: 5 min

Laufräder mit neuartigem Design für größtes IKB-Kraftwerk6 min read

Lesedauer: 5 Minuten

Nach einem Vierteljahrhundert Betrieb im Hochdruck-Kraftwerk Untere Sill war die Zeit für die Francis-Laufräder aus den 1980er Jahren gekommen. Die IKB hatte 2010  beschlossen, Sanierungen durchzuführen.

Diese Maßnahmen der Innsbrucker Kommunalbetriebe AG (IKB) sahen einen Laufradtausch in ihrem leistungsstärksten Wasserkraftwerk und zudem die Turbinen vor. Was dieses Vorhaben so speziell machte, war das Ziel, die Laufräder mit einem neuen hydraulischen Design zu entwickeln, um einen merkbaren Leistungsschub zu erreichen. Der Auftrag ging an den Tiroler Turbinenspezialisten Geppert, der vor der spannenden Aufgabe stand, nicht nur ein neuartiges Francis-Laufrad-Design zu entwickeln, sondern auch die Adaptionen und Sanierungsmaßnahmen an den bestehenden Turbinen insgesamt abzuwickeln. Mittlerweile sind zwei der drei Maschinensätze umgebaut.

Im Wipptal war Anfang des 20. Jahrhunderts Industriegeschichte geschrieben worden, als das Kraftwerk Obere Sill errichtet wurde. Als die Anlage 1903 ihren Betrieb aufnahm, war sie die größte und leistungsstärkste der damaligen k.u.k. Monarchie. Rund 60 Jahre nach dieser Pionierleistung machte man sich an die Umsetzung eines Unterlieger-Projektes. Zu diesem Zweck wurden an Sill und Ruetz zwei zusätzliche Wasserfassungen errichtet – und ein kleines „Zwischenkraftwerk“, das die Energie aus der Ruetz-Zuleitung mittels einer Kaplanturbine abarbeitet. Das Triebwasser aus dem „Zwischenkraftwerk“ und dem Oberlieger wird über einen 5,66 km langen Freispiegelstollen in ein Speicherbecken mit einem Fassungsvermögen von 33.000 m3 geleitet. Über ein Einlaufbauwerk gelangt das Wasser via einen gepanzerten Druckschacht zur Maschinenkaverne Untere Sill. In Summe können die drei installierten Maschinensätze – vertikale Francis-Spiralturbinen mit aufgesetztem Synchrongenerator – 32,4 m3/s verarbeiten. Bei einer Fallhöhe von 101,8 m kommt die Anlage somit auf eine Engpassleistung von 28 MW. Über einen Unterwasserstollen wird das abgearbeitete Triebwasser wieder in die Sill zurückgeführt. Heute befindet sich oberhalb der Maschinenkaverne ein Büro- und Verwaltungsgebäude der IKB.

LAUFRÄDER MIT NEUEM DESIGN
Die Turbinen im größten Kraftwerk der IKB sind enormen Belastungen ausgesetzt. Deren Folgen waren der Grund, warum man bereits in den 1980-er Jahren die drei Francis-Turbinen vom Baujahr 1964 austauschte. Mehr als zwanzig Jahre später stand man erneut vor dieser Entscheidung. „Grundsätzlich wiesen die alten Laufräder keine schlechten Wirkungsgrade auf, aber sie waren von ihrem technischen Zustand am Ende ihrer Lebensdauer angekommen. Sie zeigten Abrasionserscheinungen, und die Breite der Austrittskanten tendierte gegen Null. Hinzu kam, dass die Spaltdichtungen, also die Labyrinthe an der Saugseite der Laufräder, schon stark ausgewaschen waren, sodass wir sogar nach oben hin Wasseraustritte hatten“, erzählt Günther Thurner, mechanischer Instandhaltungsverantwortlicher im KW Untere Sill. Gründe genug, aktiv zu werden. Ein Austausch der Laufräder stand bevor. Doch die Verantwortlichen der IKB hatten diesmal etwas Spezielles im Sinn. Thurner: „Vor einigen Jahren tauchten in der Fachliteratur immer wieder Berichte hinsichtlich einer möglichen Wirkungsgradverbesserung von Francis-Turbinen auf, speziell im Hinblick etwa auf das X-Blade-Design. Das haben wir zum Anlass genommen, in die Ausschreibung der Maschinen die Weiterentwicklung des Laufraddesigns mit inkludiertem Modellversuch mit hinein zu nehmen.“

BETREIBER-KNOW-HOW GEFORDERT
Der Auftrag dafür ging an das bekannte Tiroler Turbinenbauunternehmen Geppert aus Hall, das zudem für die parallel dazu erfolgenden Sanierungen der Turbinen-Hauptkomponenten verantwortlich zeichnete. „Es entspricht nicht unserer Philosophie, die gesamten Demontage- und Sanierungsarbeiten an Dritte zu vergeben. Was für unser Team möglich ist, machen wir gerne selbst. Das betrifft die Demontage und die Zustandserhebung der Einzelteile sowie die Sanierung einzelner, zumeist kleinerer Teile. Dinge, wie Wellendichtungen, oder Ölkühlung, werden vom eigenen Personal erledigt. Wir sehen das als bewährtes Rezept, um stets bestens mit unseren Maschinen vertraut zu sein. Bei kleineren Störungen sind wir damit nicht auf Fremdunternehmen angewiesen – und im Bedarfsfall können wir mit den Turbinenfirmen auf Augenhöhe diskutieren“, argumentiert Günther Thurner.

UMBAU IN DREI PHASEN
Besonders gespannt waren die Fachleute der IKB 2011 auf die ersten Ergebnisse aus dem Modellversuch. Doch dieser ließ noch ein wenig auf sich warten, da der Versuchsstand an der ETH Lausanne wider Erwarten noch besetzt war. Im Januar 2012 war es schließlich soweit – und die Aussichten waren gut. Die gemessenen Daten waren vielversprechend – und das Laufrad befand sich innerhalb kurzer Zeit in der Fertigung. „Verständlicherweise wollten wir von diesem neuen Francis-Typus nicht gleich alle drei Laufräder auf einmal einbauen. Auch wenn die ersten Daten und auch die ersten Betriebswochen erfolgreich waren, wollten wir die Turbine auch über einen längeren Zeitraum beobachten, ob etwaige Schwingungen oder Ähnliches auftreten“, sagt Thurner. Aus diesem Grund sah der Zeitplan vor, Laufrad 2 im Jahr 2014 einzubauen. Das letzte der drei folgt 2016. Zeitgleich mit dem Umbau der ersten Turbine wurden in der Maschinenkaverne auch die Kugelschieberrevisionen durchgeführt. Diese zeigten ein deutlich hörbares mechanisches Problem, das eine Sanierung unumgänglich gemacht hatte. Die Koordination der Baustellenaktivität in der Kaverne brachte einige logistische Herausforderungen mit sich.

RETROFIT-TEAM IM EINSATZ
Grundsätzlich entsprach das neu entwickelte Francis-Laufrad natürlich den Abmessungen des alten, im Detail gab es jedoch kleine, feine Unterschiede. Speziell der Laufraddurchmesser war am Austritt ein wenig größer geworden, was selbstredend eine Anpassung des unteren Deckels an diesen Durch messer erforderlich machte. Zu diesem Zweck musste die Deckelschutzwand abgenommen, abgefräst und vollständig neu aufgebaut werden. Schließlich zeigte die alte Deckelschutzwand auch die Zeichen von Auswaschungen. Ein Auftrag, der von der Abteilung für Revitalisierungen im Hause Geppert übernommen wurde. Deren große Erfahrung war auch in einer ganzen Reihe von folgenden Aufgaben gefragt. Eine davon: der Umbau des Leitapparates. Thurner: „Der Leitapparat wurde von der Firma Geppert komplett umgebaut – von Bruchbolzen-Sicherung auf Spannelemente.“ Laut Thurner waren zuvor Bruchbolzen eingebaut, die im Fall einer Blockade – wenn sich beispielsweise etwas verklemmt – brechen, wodurch der Leitapparat davon unbeschädigt bleibt. Den gleichen Effekt haben nun die Spannelemente am Leitapparat, die bei derartigen Fällen Drehmomente bis zu einem gewissen Ausmaß übertragen. Wird dieses überschritten, rutschen sie durch. Dadurch kann in kurzer Zeit eine Rück-Positionierung ohne große Betriebsunterbrechung erfolgen.

BESCHICHTUNG FÜR TURBINENTEILE
Doch auch am nicht demontierbaren Bestand der Turbine, also dem einbetonierten, waren gewisse Maßnahmen erforderlich. „Im Bereich der Übergänge von den Deckeln auf den einbetonierten Teil, wo ja Spaltdichtungen vorliegen, haben wir doch beträchtliche Auswaschungen festgestellt. Hier war eine Sanierung unumgänglich“, so der Ingenieur der IKB. Für die Retrofit-Spezialisten aus dem Hause Geppert bedeutete dies, dass die einbetonierten Teile aufgeschweißt werden mussten. Damit die Komponenten letztlich wieder zusammenpassten, wurden sie mit einer mobilen Drehbank nachbearbeitet. „Es handelt sich dabei um metallische Flächen, die dann mittels einer Dichtpaste zusammen geschoben werden.“ Damit wurde, so Thurner, wieder die Dichtigkeit hergestellt. Zugunsten einer erhöhten Widerstandsfähigkeit gegen Abrasion wurden einige Turbinenteile mit Wolframkarbid beschichtet. Das betraf in erster Linie den Leitapparat und die Deckelschutzwände, nicht aber das Laufrad selbst. Dies sei – so Thurner – ganz bewusst nicht gewünscht worden, da man ansonsten am Laufrad im Fall der Fälle keine Reparaturen vornehmen könne.

LEISTUNGSPLUS VON DREI PROZENT
Als ideale Umbauphase wurde von den Verantwortlichen der IKB die Niedrigwasserphase gewählt, also von Dezember bis März, wenn auch zwei der drei Maschinensätze mit Leichtigkeit das anfallende Wasser abarbeiten können. Mit dem Einsetzen der Schneeschmelze waren die neuen bzw. neu sanierten Turbinen eins und zwei wieder betriebsbereit. Wie sehen nun die ersten Erfahrungen mit deren Leistungsfähigkeit aus? Rundum positiv, wie Günther Thurner berichtet: „Wir haben tatsächlich die dreiprozentige Leistungssteigerung erreicht. Das ist durchaus beachtlich bei Maschinen, die hydraulisch ja eigentlich schon sehr ausgereift sind. Wir sind absolut zufrieden.“ 2016 soll der Umbau auf die neuen Francis-Laufräder im KW Untere Sill abgeschlossen werden. Mit dem Know-how aus den beiden bisher erfolgten Arbeiten sollte sich dieser ebenso reibungslos bewerkstelligen lassen. Damit ist das größte Kraftwerk der Innsbrucker Kommunalbetriebe AG wieder für Jahrzehnte bereit für große Taten.

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