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Neues Bundesforste-Kraftwerk Luggauerbach im Gasteinertal nun auch offiziell in Betrieb8 min read

15. Oktober 2018, Lesedauer: 5 min

Neues Bundesforste-Kraftwerk Luggauerbach im Gasteinertal nun auch offiziell in Betrieb8 min read

Lesedauer: 5 Minuten

Wenige Monate nach dem ersten Andrehen der Turbine im Frühjahr  wurde das neue Kleinwasserkraftwerk Luggauerbach der Österreichischen Bundesforste (ÖBf) Ende August offiziell eröffnet.

Dank günstiger Wetterverhältnisse, optimaler Vorplanung und effektiv arbeitender Unternehmen konnte der komplette Neubau in einem Zeitraum von nur acht Monaten errichtet werden. Speziell die Errichtung der Wasserfassung und die Verlegung der über 1,6 km langen Druckrohrleitung bei herausfordernden Gelände- und Bodenbedingungen brachten hohen Bauaufwand mit sich. Im von Architektenhand ansprechend gestalteten Krafthaus nutzt eine 4-düsige Pelton-Turbine des Tiroler Herstellers Geppert rund 270 m an Bruttofallhöhe und eine Ausbauwassermenge von 500 l/s, unter Volllast schafft die vertikalachsige Maschine eine Engpassleistung von 1.100 kW. Ein direkt mit der Turbinenwelle gekoppelter Synchron-Generator des Linzer Branchenspezialisten Hitzinger mit einer Nennscheinleistung von 1.300 kVA dient als ebenso leistungsstarker Energiewandler. Rund 3,3 Millionen Euro investierten die Bundesforste in die Errichtung ihres bereits achten Kleinkraftwerks.

ÖBf-Vorstand Georg Schöppl bekräftigte am Tag der offenen Tür am 27. August vor zahlreichen Lokal- und Landespolitikern sowie Vertretern des Nachhaltigkeitsministeriums, dass das neue Kraftwerk
im Salzburger Dorfgastein in ökologisch besonders verträglicher Bauweise errichtet wurde. Darüber hinaus sorgten die ÖBf für eine ganze Reihe von Ausgleichsmaßnahmen. So wurden unter anderem die Fischdurchgängigkeit im unteren Gewässerabschnitt verbessert, eine bestehende Trinkwasserfassung erneuert, ein nahegelegenes Biotop renaturiert sowie ein Amphibienwanderkorridor erstellt. Maria Patek, neue Sektionsleiterin für Forstwirtschaft und Nachhaltigkeit im Bundesministerium für Nachhaltigkeit und Tourismus, sagte bei der Veranstaltung: „Das Kleinwasserkraftwerk Luggauerbach ist ein Vorzeigebeispiel für gelebte Nachhaltigkeit: Es leistet einen Beitrag zur Energiewende, versorgt die Region mit erneuerbarer Energie und wurde ökologisch und architektonisch besonders vorbildlich umgesetzt.“ Speziell der letzte von der Sektionsleiterin angesprochene Punkt fällt beim Betrachten der Zentrale sofort auf. Für die ansprechende Gestaltung des Krafthauses sorgte das Architekten-Duo F2 aus Schwanenstadt. Das Gebäude wurde durch seine Verkleidung aus Lärchenholz optisch unaufdringlich ins Landschaftsbild integriert, die leicht wellenförmige Dachkonstruktion nimmt gestalterisch Bezug auf das Element Wasser. Eine breite Glasfront spendet natürliches Licht und gibt den Blick frei auf die moderne Technik im Inneren. Das erste Wasserkraftwerk am Luggauerbach ist neben dem ebenfalls 2018 fertiggestellten Kraftwerk Taurach in Untertauern sowie einer Anlage in Dienten das bereits dritte Kleinkraftwerk der ÖBf in Salzburg. Mit den fünf  weiteren Anlagen in Oberösterreich und der Steiermark produziert die ÖBf an insgesamt acht Standorten sauberen Strom.


HOHE AKZEPTANZ FÜR KRAFTWERKSBAU
Im Anschluss an die vergleichsweise schnelle Genehmigungsphase  ging es im Juli des Vorjahres an die konkrete Realisierung des  Bauvorhabens. Mit der Generalplanung inklusive technischer und Detail-Planung sowie der Ausschreibung wurde die im  Kleinwasserkraftsektor vielfach bewährte „dlp Ziviltechniker-GmbH“  aus Oberösterreich beauftragt. Auf Seiten der Bundesforste sorgten  die beiden Projektleiter Gerhard Breitenbaumer und Christoph  Jatschka für die ordnungsgemäße bauliche und technische  Umsetzung des Neubaus. Jatschka hat nach der Inbetriebnahme wie   beim Kraftwerk Taurach die Position als Geschäftsführer inne.  Breitenbaumer betont, dass die zuständigen Behörden dem  Projektansuchen von Beginn an positiv gegenüberstanden. „In den  natürlichen Verlauf des Luggauerbach wurden durch die  Geschiebesperren der Wildbachund Lawinenverbauung bereits in den  Vergangenheit eingegriffen. Mit dem Kraftwerksbau wird hier nun auch sauberer Strom produziert, wobei die ökologische   Funktionsfähigkeit und der Zielzustand des Gewässers voll erhalten  bleiben.“ Jatschka ergänzt, dass die Restwasserdotation an der  Wehranlage ganzjährig dynamisch verläuft, jeweils 20 Prozent des  jeweiligen Zuflusses respektive mindestens 35 l/s verbleiben stets im natürlichen Bachverlauf.


STAHLWASSERBAU „MADE IN SÜDTIROL“
Im Fassungsbereich erforderten die geologischen Gegebenheiten  zusätzlichen Sicherungsaufwand. Aus Rücksicht auf die Hydrologie  des Gewässers durften die Beton- und Abbrucharbeiten zur  Errichtung der Wasserfassung erst Mitte Oktober beginnen. Damit die  Arbeiter das Tiroler Wehr unter sicheren Bedingungen errichten  konnten, musste vor dem Baustart ein stabiles Netz als Schutz vor  potenziellen Steinschlägen befestigt werden. Der Hang unmittelbar  neben dem Rechenhaus und dem unterirdischen Entsander wurde für den Aushub der Baugrube von oben nach unten durch eine  Spritzbetonsicherung mit zahlreichen Felsankern befestigt. Bedingt  durch seinen Status als alpiner Wildbach, der bei Unwetterereignissen innerhalb kurzer Zeit stark anzuschwellen vermag, wurde die  Wehranlage äußerst robust ausgeführt. Bereitgestellt wurde der  gesamte Stahlwasserbau vom Südtiroler Spezialisten Wild Metal  GmbH, die fachgerechte Montage erfolgte nach den Betonarbeiten  noch während der kalten Wintermonate. Neben dem Tiroler Wehr  wurde in der Mitte des Querbauwerks ein zusätzlicher Spülschieber  platziert. Somit lassen sich im Stauraum befindliches Geschiebe und  Sedimente dem Anlass entsprechend jederzeit ausschwemmen. Nach  der Ausleitung durch das Tiroler Wehr gelangt das Triebwasser  zunächst durch einen betonierten Kanal zu einem vertikalen  Feinrechen. Für bestmögliche Durchflussbedingungen sorgt dort ein  hydraulischer Teleskoparm-Rechenreiniger, der in einem  funktionellen Betonbau untergebracht wurde. Das entfernte  Geschwemmsel gibt die hydraulisch bewegte Maschine über eine  Spülrinne wieder in den Luggauerbach ab. Im Anschluss an den   Feinrechen befindet sich der unterirdische Entsander, durch einen Spülschütz werden die sich dort absetzenden Sedimente wieder in  das Gewässer abgegeben.

SCHWIERIGES GELÄNDE
Die Verlegung der über 1,6 km langen Druckrohrleitung DN500 entlang von Steilstufen bei gleichzeitig geologisch anspruchsvollen Bedingungen und eine tiefe Bachquerung stellte die ausführende Rumpf Bau GmbH aus Murau vor keine leichte Herausforderung. Nach der mustergültigen umgesetzten Rohrverlegung im schwierigen Gelände innerhalb weniger Monate stellen die ÖBf-Projektleiter dem Unternehmen einstimmig ein sehr gutes Zeugnis aus. Bedingt durch die anspruchsvollen Gegebenheiten wurde der gesamte Kraftabstieg mit hochbeständigen Gussrohren des Herstellers TRM komplett in schub- und zuggesicherter Ausführung erstellt. Von der  Wasserfassung ausgehend, verläuft die Druckleitung zunächst vorbei an einer Geschiebesperre der WLV und geht danach in das Steilstück über. Für die Sicherung und Stabilisierung des Erdreichs wurden an der abschüssigen Passage massive Querriegel aus Beton gesetzt. Im Anschluss flankierte die Leitung eine neu gefasste Trinkwasserquelle, kreuzt danach unterirdisch den Bach und durchquert im Anschluss zwei Leitdämme der WLV. Der unterste Abschnitt der Druckleitung bis zum Übergang ins Krafthaus verläuft schließlich durch flach abfallendes Gelände.


AUSGEREIFTE TECHNIK IM KRAFTHAUS
Die Maschinenmontage im Krafthaus startete wie vorgesehen kurz nach dem Jahreswechsel im Jänner. Mit dem laut Jatschka besten Preis-Leistungs-Verhältnis konnte sich der Traditionshersteller Geppert GmbH bei der Ausschreibung für die Lieferung der gesamten elektromechanischen und leittechnischen Ausrüstung qualifizieren. Elektronik und Leittechnik stellte als Sublieferant das Südtiroler Unternehmen „En-Co energy control“ bereit. Für eine ganzjährig möglichst effektive Stromproduktion fertigte Geppert eine optimal auf den Standort abgestimmte Pelton-Turbine mit 4 Düsen. Die Düsenverstellung erfolgt auf elektrischem Weg durch hochpräzise arbeitende Servomotoren. Bei ausreichender Schüttung kann die Turbine eine Ausbauwassermenge von 500 l/s verwerten, die nutzbare Nettofallhöhe beträgt 255,6 m, wodurch eine Engpassleistung von 1.100 kW erreicht werden kann. Ein gleichermaßen in Sachen Fertigungsqualität als auch mit hohen Wirkungsgraden überzeugender Synchron-Generator des Elektrotechnik-Spezialisten Hitzinger sorgt für die effiziente Energiewandlung am Maschinensatz. Das im Wasserkraftsektor weltweit versierte Linzer Unternehmen setzt beim Design seiner Maschinen sowohl auf breit gefächertes technisches Know-how als auch auf eine in jahrzehntelanger Arbeit selbst entwickelte Software. Diese Kombination aus Wissen, Erfahrung und Softwareunterstützung macht es möglich, die Maschine grundlegend mechanisch und elektrisch zu berechnen, um im praktischen Betrieb schließlich beste Wirkungsgrade zu erhalten. Die Generatorprüfung etwa erfolgt durch ein speziell von Hitzinger entwickeltes Verfahrens im  unternehmenseigenen Testfeld. Dabei wird die Maschine in  horizontaler Position elektrisch sowie in vertikaler Richtung  mechanisch umfassend geprüft. Das überarbeitete und bestmöglich an praktische Bedürfnisse angepasste Design des Klemmkastens kommt bereits beim Generator der Anlage Taurach zum Einsatz. Dank einer Zentralschmierung entfällt das manuelle Schmieren bei den intervallmäßigen Wartungen. Zur Kühlung des direkt gekoppelten Generators, der wie die Turbine mit 1.000 U/min dreht, kommt ein separater Wasserkreislauf zum Einsatz. Die Kühlung übernimmt das abgearbeitete Triebwasser über einen im Unterwasserbereich platzierten Wärmetauscher. Die insgesamt 6,9 t schwere Maschine
wurde auf eine Anschlussspannung von 690 V ausgelegt, ihre Nennscheinleistung beträgt 1.300 kVA.Vom Generator leitet man den erzeugten Strom zuerst über eine Mittelspannungsanlage und weiter an den in einem Nebenraum platzierten Transformator. Das Einspeisen ins Netz erfolgt in rund 500 m Entfernung zur Erzeugungsstätte bei einer örtlichen Trafo-Station. Zur Verlegung der unterirdisch ausgeführten Energieableitung musste gleich neben dem Krafthaus ein Bahndamm gequert werden, dabei kam es zum Einsatz einer rund 78 m langen Spülbohrung.


GANZJÄHRIG EFFEKTIVE STROMGEWINNUNG
Bedingt durch die wunschgemäß verlaufenen Bauphasen und anhaltend günstiger Wetterbedingungen konnte die Erstinbetriebnahme des neuen Kraftwerks sogar eher als geplant bereits im März stattfinden. Im Anschluss an den Probetrieb, bei welchem die Technik ihre Funktionalität unter Beweis stellen durfte und die ideale Abstimmung zwischen den einzelnen Gewerken ermittelt wurde, gingen die Betreiber schließlich im Sommer in den Regelbetrieb über. „Nachdem es bei der Inbetriebnahme im März noch relativ kalt war, führte der Bach auch nur entsprechend wenig Wasser. Im wärmeren April während der Schneeschmelze ging das Wasserdargebot dann rasch nach oben, wir konnten an mehreren Tagen unter Volllast produzieren und die Anlage ausgiebig testen“, erklärt Jatschka, der sich mit seinem Kollegen Breitenbaumer in Sachen Leistungsfähigkeit und Qualität des Kraftwerks übereinstimmend sehr zufrieden zeigt. Breitenbaumer ergänzt, dass trotz des überaus trockenen Rekordsommers die Stromproduktion zu keinem Zeitpunkt ausgesetzt werden musste. Obwohl nur ein Bruchteil der Ausbauwassermenge zur Verfügung stand, blieb die Energieproduktion auf einem niedrigen Level permanent aufrecht. Insgesamt investierten die Bundesforste rund 3,3 Millionen Euro in den Neubau, dessen Stromproduktion von der OeMAG für die kommenden 13 Jahre mit dem geförderten Einspeisetarif vergütet wird. Das prognostizierte jährliche Regelarbeitsvermögen des Kraftwerks beträgt über 4 Millionen kWh, der Energiebedarf von rund 1.000 durchschnittlichen Pongauer Haushalten kann somit auf  nachhaltige Weise gedeckt werden.

 

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