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Schaukraftwerk Rabengrabenbach macht Stromproduktion für Wildparkbesucher erlebbar9 min read

5. April 2021, Lesedauer: 6 min

Schaukraftwerk Rabengrabenbach macht Stromproduktion für Wildparkbesucher erlebbar9 min read

Lesedauer: 6 Minuten

Vor dem Eingang des Wildparks Mautern in der gleichnamigen obersteirischen Gemeinde wurde im Herbst 2019 ein neues Kleinwasserkraftwerk am Rabengrabenbach in Betrieb genommen.

Die zwischen Mai und Oktober des Vorjahres errichtete Ausleitungsanlage ist bereits das dritte Wasserkraftwerk der Mauterner-Energiegewinnungsgesellschaft m.b.H. im steirischen Liesingtal. An der mit einem selbstreinigenden Coanda-Rechen ausgestatteten Wasserfassung können bis zu 72 l/s Ausbauwassermenge gefasst werden. Zur Turbinierung ins Tal gelangt das Triebwasser über eine rund 2,7 km lange Gussrohrleitung DN250, die dabei eine Nettofallhöhe von fast 430 m überwindet. In dem mit zwei großflächigen Fensterfronten als Schaukraftwerk konzipierten Kraftwerksgebäude schafft eine 2-düsige horizontale Pelton-Turbine vom Osttiroler Wasserkraftexperten Maschinenbau Unterlercher GmbH eine Engpassleistung von 262 kW. Noch im heurigen Jahr könnte die Bauphase des nächsten ­Wasserkraftprojekts von Betreiber Heinrich Prinz Reuss beginnen.

Mehr als 300 tierische Bewohner wie Füchse, Bären, Wölfe oder Luchse, die in den weitläufigen Gehegen des Wildparks Mautern beobachtet werden können, üben eine starke Anziehungskraft auf Jung und Alt aus. Mit über 90.000 Gästen im Jahr konnte der mit einer Ausdehnung von rund 130 Hektar zu den größten europäischen Tierparks zählende Alpenzoo 2019 einen neuen Besucherrekord aufstellen. Eine Attraktion technischer Natur hat sich im Vorjahr auf dem Besucherparkplatz des Wildparks dazu gesellt. Gemeint ist damit das neue Wasserkraftwerk Rabengrabenbach, das im Spätherst 2019 erstmals seinen Betrieb aufnehmen konnte. Neben dem in den 1990er Jahren errichteten Laufkraftwerk Liesing und dem 2017 fertig gestellten Ausleitungskraftwerk Rannachbach ist die Anlage Rabengrabenbach bereits das dritte Wasserkraftwerk der Mauterner-Energiegewinnungsgesellschaft m.b.H. Die Gesellschaft steht zu 99 Prozent im Besitz von Heinrich Prinz Reuss, für den die Energieproduktion aus lokalen Ressourcen hohen Stellenwert einnimmt. Zusätzlich zu den drei Wasserkraftwerken betreibt Reuss noch eine Biomasseheizanlage, die aus dem nachwachsenden Rohstoff Holz der Prinz Reuss’schen Forstverwaltung befeuert wird.

Anlagenkonzept überarbeitet
Ein erstes Konzept, das hydroenergetische Potential des Rabengrabenbachs zur Stromgewinnung zu nutzen, war schon vor längerer Zeit erstellt worden. Das später verworfene Konzept hatte darin bestanden, in die Druckleitung der Beschneiungsanlage eines mittlerweile aufgelösten Skigebiets zwei Turbinen zu integrieren, erklärt der für die Generalplanung zuständige Projektleiter vom Ingenieurbüro e² engineering GmbH Hans Schmeißl: „Die Turbinen hätten gemeinsam allerdings nur eine Leistung von etwa 50 kW erreicht. Wir haben eine viel effizientere Lösung entwickelt, indem wir die Anlage von der bestehenden Fassung bis ins Tal hinunter geplant haben. Eine entsprechende Wirtschaftlichkeitsberechnung hat schließlich bestätigt, dass damit eine Leistung von über 260 kW möglich wird.“ Dieses Konzept überzeugte auch den Betreiber, woraufhin 2016 mit den konkreten Planungen begonnen wurde. Anders als bei der ebenfalls von e² geplanten Anlage Rannachbach wurde die behördliche Genehmigung für den Neubau im weiter südlich gelegenen Rabengraben ohne zeitraubende Verzögerungen erteilt, im Herbst 2018 lag die wasserrechtliche Bewilligung auf dem Tisch. „Ein großer Vorteil bei dem Projekt bestand sicherlich darin, dass sich die Anlage inklusive der Druckrohrleitungstrasse zur Gänze auf dem eigenen Besitz von Herrn Reuss befindet, oftmals langwierige Verhandlungen mit Grundbesitzern entfielen somit komplett“, merkt Schmeißl an. Während der darauf folgenden Winter- und Frühlingsmonate wurde das öffentliche Ausschreibungsverfahren abgewickelt, im Mai des Vorjahres konnte die Umsetzungsphase des Projekts starten.

2,7 km lange Druckleitung
Zu Beginn der Bauarbeiten konzentrierten sich die Arbeiten auf die Verlegung des unteren Teilstücks der Druckrohrleitung entlang des Sessellifts und der Forststraße. Weil der Wildpark zum Saisonstart von Mai bis 20. Juni von Donnerstag bis Sonntag geöffnet hatte, durfte in diesem Abschnitt nur jeweils zwischen Montag und Mittwoch gearbeitet werden. Damit wurde sichergestellt, dass der Bustransfer, mit dem die Besucher im Halbstundentakt zwischen Tal- und Bergstation entlang der Forststraße befördert werden, nicht von den Grabungsarbeiten beeinträchtigt wird. Die Rohrverlegung in diesem Bereich konnte noch vor der ganzwöchigen Öffnungszeit des Wildparks abgeschlossen werden, danach wurden die Arbeiten in dem nicht von Besuchern frequentierten Trassenabschnitt Richtung Wasserfassung fortgesetzt. Durchgeführt wurde die Rohrverlegung von der Gebr. Haider Bauunternehmung GmbH, der Hans Schmeißl ein sehr gutes Zeugnis ausstellt: „Im mittleren Abschnitt verläuft der Kraftabstieg über eine rund 400 m lange Steilpassage mit über 35 Grad Gefälle. In diesem Bereich, beim dem man schon zu Fuß achtgeben muss nicht auszurutschen, hat die eingespielte Montagepartie mit ihren beiden Baggern wirklich bemerkenswerte Arbeit geleistet.“ Bei der Materialauswahl der ca. 2,7 km langen Druckleitung DN250 fiel die Entscheidung zugunsten der hochbeständigen duktilen Gussrohre der Tiroler Rohre GmbH in komplett zug-und schubgesicherter Ausführung. Die zu 100 Prozent aus Recyclingmaterial hergestellten Rohre überzeugen neben besten Fließbedingungen mit ihrer robusten Beschaffenheit und einer patentierten Kupplungstechnik und sind optimal für die anspruchsvollen Bedingungen im alpinen Raum geeignet. Nach der Anlieferung per Lkw konnte für den Transport der Rohre eine Materialseilbahn verwendet werden, die für die notwendige Holzschlägerung entlang der Rohrtrasse durch das Forstgebiet temporär aufgestellt worden war. In Summe nahmen die Arbeiten an der Druckleitung rund vier Monate in Anspruch, gegen Mitte September war auch das letzte Teilstück der Rohrtrasse verlegt.

Selbstreinigende Wasserfassung
Als Wasserfassung kommt an der Wehranlage wie beim Kraftwerk Rannachbach wieder ein „GRIZZLY“ Coanda-System von der Südtiroler Wild Metal GmbH zum Einsatz. Die konstruktionsbedingte Selbstreinigungsfunktion des Coandas sorgt dafür, dass sowohl größere Steine und Äste als auch kleineres Geschwemmsel wie Laub oder Nadelwerk über den Grob- und den darunter befindlichen Feinrechen mit einem Spaltmaß von nur 0,6 mm gespült werden. Geliefert und fachgerecht montiert wurde der gesamte Stahlwasserbau vom oberösterreichischen Branchenexperten Danner Wasserkraft GmbH. Dessen Lieferumfang bestand neben dem Coanda-­Rechen unter anderem aus dem Einlaufkonus für die Anbindung zur Druckrohrleitung, ­einem Einlaufschieber, einem Sandspülschieber, drei Restwasserschiebern, einem Zählerschachtschieber und der Not­umgehung mit Hubgalgen und Kettenzug. Danner Projektleiter Clemens Kaltenböck weist rückblickend darauf hin, dass die Reaktionszeit zwischen Bestellung und Auslieferung der Stahlwasserbauteile sehr knapp bemessen war. „Die Lieferung der ersten Komponente, nämlich des Einlaufkonus, erfolgte mitten in der Urlaubszeit. Eine kleine Herausforderung bestand auch darin, dass an der Wehranlage kein Baustromanschluss vorhanden war. Da die Wasserfassung ohne Betondecke errichtet wurde, musste die benötigte Be­dien­ebene als nachträgliche Stahl­konstruktion montiert werden. Dazu haben wir eine stählerne Unterkonstruktion ohne Kran eingebracht, die anschließend mit Riffelblechen verkleidet wurde, um begehbar zu sein. In Erinnerung bleibt die unkomplizierte Zusammenarbeit mit dem Planungsbüro und dem Bauherren.“ Da sämtliche Schützen und Reguliereinrichtungen manuell zu bedienen sind, benötigt die Wehranlage auch keinen separaten Stromanschluss. Im Beruhigungsbecken vor dem Beginn der Druckrohrleitung wurde die Sonde für die pegelgeregelte Maschine installiert, deren Daten über ein mit der Druckrohrleitung verlegtes Kupferkabel übertragen werden. Die Restwasserabgabe wird über die drei Schieber im Wehrhaus reguliert, in Abhängigkeit zur Jahreszeit beträgt diese 20, 22 oder 24 l/s. Für die Ausführung sämtlicher Betonarbeiten an der Wasserfassung und der Zentrale sorgte die Baufirma Gusel aus Niederösterreich. Die laut Schmeißl größte Herausforderung beim Bau der Wehranlage bestand in der Stabilisierung der auf der linken Bachseite befindlichen Hangfläche. Um ein Abrutschen von Erd- und Felsmassen in die Baugrube zu verhindern, wurde in Absprache mit der geotechnischen Bauaufsicht ein spezieller Wandverbau errichtet. Nach dem Abschluss der Betonarbeiten wurde die Hangfläche mit einer naturnah ausgeführten Steinschlichtung befestigt.

2-düsiges Kraftpaket aus Osttirol
Als Herzstück der Anlage kommt eine 2-düsige Pelton-Turbine des bewährten Osttiroler Kleinwasserkraft-Allrounders Maschinenbau Unterlercher GmbH zum Einsatz. Bei einer Bruttofallhöhe von 445,4 m und einer Ausbauwassermenge von 72 l/s schafft das in horizontaler Bauform gefertigte Kraftpaket unter Volllast eine Engpassleistung von 262 kW. Die Turbinenschaufeln werden aus einem Edelstahlblock gefräst und anschließend mit einer stoff- und formschlüssigen Verbindung mit Seitenscheiben zu einem hochwertigen Laufrad zusammengefügt. Diese von der Maschinenbau Unterlercher GmbH patentierte Herstellungsmethode garantiert ein Höchstmaß an Genauigkeit und ist zudem absolut betriebssicher. Bedingt durch den respektablen Höhenunterschied zwischen Wasserfassung und Zentrale schießt das Triebwasser mit über 40 bar Druck auf das Laufrad. Der Strahlablenker mit elektrischem Servoantrieb und die beiden ebenfalls elektrisch geregelten 24 V Düsen­antriebe stammen aus Unterlercher-Eigenproduktion. Als Energie-   wandler dient ein direkt mit der Turbinenwelle gekoppelter Syn­chron-­Generator vom Linzer Hersteller Hitzinger in luftgekühlter Ausführung. Wie die Turbine dreht der auf eine Nennscheinleistung von 350 kVA ausgelegte Schnellläufer mit exakt 1.500 U/min. Kraftwerkswärter Mario Sussmann bestätigte bei der zek HYDRO-Anlagenbeschau im heurigen Mai, dass der Maschinensatz sowohl unter Volllast als auch im Teillastbetrieb sehr effektiv Strom produziert. Seit der Inbetriebnahme blieb die Turbine auch bei stark verringertem Wasserdargebot während der niederschlagsarmen Wintermonate zuverlässig am Netz.

Elektro- und Leittechnik von MBK
Bei der elektro- und leittechnischen Kraftwerksausstattung setzte der Betreiber erneut auf die Kompetenz des steirischen E-Technik-Spezialisten MBK Energietechnik GmbH. „Nachdem schon die Anlagen Liesing und Rannachbach mit MBK-Steuerungen ausgestattet sind, war es naheliegend, das Unternehmen auch wieder für unser neuestes Kraftwerk zu beauftragen. MBK-Geschäftsführer Christian Mund kenne ich als äußerst zuverlässigen Ansprechpartner, mit dem die Zusammenarbeit stets sehr gut funktioniert“, sagt Sussmann. „Durch die gute Kooperation aller beteiligten Firmen konnte im Herbst vorigen Jahres nach sehr kurzer Montagezeit die Anlage problemlos in Betrieb genommen werden. Seit diesem Zeitpunkt läuft die Anlage ruhig und – wären nicht ab und zu ein paar Netzstörungen – komplett störungsfrei. Obwohl es sich um eine sehr kompakte Anlage handelt, muss auf keinerlei Komfort verzichtet werden. Neben der kompletten Archivierung sämtlicher wichtiger Betriebsdaten hat der Kunde natürlich auch die Möglichkeit, die Anlage von der Ferne aus zu bedienen und zu überwachen. Alles in allem ein sehr gelungenes Projekt, das auch den Besuchern am ‚Wilden Berg‘ einen Einblick in die Energieerzeugung durch Wasserkraft gewährt“, erklärt Christian Mund.

Schaukraftwerk am „Wilden Berg“
„Die Anlage sollte vor den zahlreichen Wildparkbesuchern nicht versteckt, sondern bewusst präsentiert werden. Deswegen wurde das Krafthaus direkt am Eingang des Parks errichtet und mit zwei großflächigen Fensterfronten als Schaukraftwerk gestaltet. Zusätzlich werden noch heuer Schautafeln am Gebäude aufgestellt, die die Energieerzeugung aus Wasserkraft mit aussagekräftigen Bildern und verständlichen Texten erklären“, sagt Schmeißl, der sich im selben Zug sehr zufrieden über den Projektverlauf zeigt. Im Regeljahr kann das Kraftwerk Rabengrabenbach rund 1 GWh Ökoenergie produzieren. Die Einspeisung des erzeugten Stroms ins Netz der Energie Steiermark erfolgt auf direktem Wege über eine nahe gelegene Trafostation. Das nächste Wasserkraftprojekt der Mauterner-Energiegewinnungsgesellschaft m.b.H steht übrigens bereits in den Startlöchern. Weil die Behörden mit dem Ausbruch der Corona-Krise sämtliche Bewilligungsverfahren vorerst eingestellt haben, konnte die schon weit fortgeschrittene Genehmigung für ein neues Kleinkraftwerk am Gaisgrabenbach nicht mehr im heurigen Frühjahr eingeholt werden. Ein Baustart 2020 steht laut Schmeißl allerdings durchaus noch im Bereich der Möglichkeiten.

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