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Strom von der Schattseite – acht regionale Partner realisieren Gemeinschaftsprojekt9 min read

6. Dezember 2016, Lesedauer: 6 min

Strom von der Schattseite – acht regionale Partner realisieren Gemeinschaftsprojekt9 min read

Lesedauer: 6 Minuten

Am beschaulichen Hochplateau des steirischen Krakautals setzt man auf die Stromerzeugung aus Wasserkraft. Seit Ende November letzten Jahres ist eine neue Hochdruckanlage am Netz.

Sie wurde gemeinschaftlich von acht Partnern aus der kleinen Gemeinde Krakau realisiert. Mit einer leistungsstarken 6-düsigen Peltonturbine von Andritz Hydro erzeugt die Anlage rund 6 GWh im Regeljahr. Besonders stolz sind die Krakauer darauf, dass das neue Kraftwerk Schattseite fast zur Gänze von steirischen Unternehmen verwirklicht worden ist.

Zwischen dem Sölkpass und dem Preber liegt das malerische Krakautal – ein Hochplateau im südlichen Teil der Schladminger Tauern, auf dem sich heute die junge Gemeinde Krakau befindet. Sie ist im Rahmen der Gemeindereform von Ende 2014 aus der Fusion der davor eigenständigen Gemeinden Krakaudorf, Krakauhintermühlen und Krakauschatten hervorgegangen. Rund 1.500 Menschen leben in einer Region, die sich bei Naturliebhabern und Wanderfreunden steigender Beliebtheit erfreut.
Mehrere Bäche, wie der Etrachbach, der Feisterbach, oder auch der Rantenbach schlängeln sich durch das Krakautal. Seit einigen Jahren werden die Gewässer auch zur Stromerzeugung genutzt. Zwei noch relativ neue Kleinwasserkraftwerke gehören der Gemeinde bzw. dem hier ansässigen Landwirt Josef Schröcker, dessen Erfahrung in Sachen Kleinwasserkraft von den Krakauern hochgeschätzt wird. Naheliegend, dass sein Fachwissen auch gefragt war, als sich die Pläne um ein weiteres Kraftwerk am Rantenbach verdichteten.

Initiative aus eigener Kraft
Die erste Idee für das Kraftwerk entsprang allerdings einem anderen Krakauer – Erwin Schnedl, einem gelernten Kraftwerkstechniker, der in der Folge viel von seinem Fachwissen einbringen konnte. „Ursprünglich wollte ich 2006 alleine ein kleines Kraftwerk realisieren, allerdings haben mich damals die Rahmenbedingungen schnell wieder abgeschreckt. Als sich die wirtschaftlichen Rahmenbedingungen für die Kleinwasserkraft gebessert hatten, musste ich feststellen, dass in der Zwischenzeit Fremdinvestoren in der Gemeinde aufgetaucht waren – und den Anrainern bereits Dienstbarkeitsverträge unter die Nase gehalten haben“, erinnert sich Erwin Schnedl. „Zum Glück haben sich die Anrainer nicht beeindrucken oder einschüchtern lassen. Da sie auch an einem neuen Kraftwerk beteiligt sein wollten, haben wir uns dann einmal alle an einen Tisch gesetzt und am Ende beschlossen, gemeinsam ein Ausleitungskraftwerk am Rantenbach zu bauen.“ Neben Erwin Schnedl und den anderen sechs Anrainern im geplanten Verlauf der Rohrtrasse war auch Josef Schröcker im Boot. Als Betreiber der Unterlieger-Anlage wusste er nicht nur bestens über die Abflussverhältnisse Bescheid, sondern konnte auch viel von seiner Erfahrung als Kraftwerksbetreiber einbringen. „Im Grunde war diese Tatsache für uns sehr schön: Wir brauchten keinen externen Investor, wir acht Krakauer schafften das aus eigener Initiative und eigener Kraft“, freut sich Josef Schröcker.

Fehlerquellen minimiert
Nachdem ein gemeinsamer Konsens geschaffen war, blieb noch die Frage offen: Wer sollte die Anlage planen? Man habe mit mehreren Planern aus Salzburg und der Steiermark gesprochen, letztlich habe man sich für einen entschieden, der nicht nur sehr viel Erfahrung in der Kleinwasserkraft hat, sondern der auch menschlich am besten zu den Projektentwicklern gepasst habe, sagen die Betreiber. Die Wahl fiel auf das Büro PI Mitterfellner GmbH aus Scheifling, das zudem geographisch fast in der Nachbarschaft beheimatet ist. Firmenchef Heli Mitterfellner kennt nicht nur die Gegend ausgezeichnet, sondern auch die Leute. Für ihn war es besonders wichtig, auf die individuellen Wünsche der Krakauer bei der Planung einzugehen. „Gerade bei diesem Projekt waren die Überlegungen der Beteiligten  von Anfang an sehr ausgereift. Dank der großen Kraftwerkserfahrung, die hier die Betreiber, aber auch die beteiligten Firmen eingebracht haben, wurde versucht, schon im Vorfeld die Fehlerquellen auf ein Minimum zu reduzieren. Ich glaube, das ist uns gut gelungen“, meint DI Helmut Mitterfellner und ergänzt: „Ein Vorteil war sicher, dass wir über exakte Abflussmessungen am Standort aus den Jahren 1979 bis 1982 verfügten. Dadurch konnten wir die Maschine ganz exakt auslegen.“
2013 wurde das Projekt eingereicht. 2014 lagen die Genehmigungen vor, sodass bereits die Maschinen und der Stahlwasserbau ausgeschrieben werden konnte. Am Tag der Arbeit, am 1. Mai 2015, fiel schließlich der Startschuss für die Bauarbeiten. Man begann den Humus abzutragen – als Vorbereitung für die folgenden Rohrverlegungsarbeiten.

Hybridrohrleitung durch Moorgebiet
Die Druckrohrleitung für das Kraftwerk stellte vom Baulichen her auch das größte Kriterium im Projektverlauf dar. Schließlich galt es, eine 3.695 m lange Druckrohrleitung zu realisieren, die durchaus Tücken in sich barg. Dazu Josef Schröcker: „Wir hatten zwar hier weder besonders steile, noch besonders felsige Passagen. Dafür fanden wir über weite Strecken einen sehr tiefen Torfboden vor. 10 Meter und noch tiefer reiner Torfboden, dessen Halt von uns durchaus angezweifelt wurde. Daher haben wir uns für eine Hybridleitung entschieden, die einerseits aus GFK-Rohren und anderseits aus duktilen Gussrohren besteht. In den ‚Torf-Strecken‘ kamen die Gussrohre DN1000 zum Einsatz, die dank zug- und schubgesicherter Verbindung auch eventuelle Bewegungen des Bodens tolerieren. Das betraf drei Abschnitte mit einer Gesamtlänge von 455 Meter.“ Die restlichen 3.240 Meter wurden mittels GFK-Rohren in der Dimension DN1200 vom Fabrikanten Superlit erstellt, die vom oberösterreichischen Rohrspezialisten Geotrade geliefert wurden. „Auf eine Einladung hin haben wir das Produktionswerk von Superlit in Rumänien besucht – und waren durchaus angetan. Hier wird sehr hochwertige Qualität erzeugt. Das hat sich schließlich beim Kraftwerksbau auch bestätigt“, sagt Erwin Schnedl. Die GFK-Rohre der Marke Superlit bringen neben dem einfachen Handling dank des geringen Materialgewichtes auch den großen Vorteil mit sich, dass sie dank spiegelglatter Innenoberfläche sehr geringe Reibungskoeffiziente aufweisen und somit kaum Verluste im Kraftwerksbetrieb nach sich ziehen. Gerade bei einer Leitung dieser Länge ein starkes Argument. Die duktilen Gussrohre wurden von einem anderen traditionsreichen österreichischen Rohrspezialisten – von TRM Tiroler Rohre GmbH – geliefert. „Gerade was unsere Rohrleitung angeht, wollten wir nichts riskieren. Am besten soll sie 100 Jahre halten“, sagt Josef Schröcker.

Bewährungsprobe bei Niedrigwasser
Von seinem Konzept her handelt es sich beim neuen Kraftwerk Schattseite um ein Hochdruck-Ausleitungskraftwerk ohne Speicher. Das Triebwasser wird an der Wasserfassung über einen Seiteneinzug entnommen und über einen großzügig dimensionierten Zwei-Kammer-Entsander in die Druckrohrleitung geführt. Über selbige überwindet das Triebwasser die 102 Meter natürliches Gefälle bis zum Krafthaus. Darin ist die 6-düsige Peltonturbine installiert, die auf eine Nettofallhöhe von 95,41 Meter und eine Ausbauwassermenge von 2.200 l/s ausgelegt ist und rund 1,8 MW Leistung bringt. Die vertikalachsige Maschine stammt aus dem Hause Andritz Hydro, das sich im Ausschreibungsverfahren gegen andere Branchengrößen durchsetzen konnte. Dazu Josef Schröcker: „Wir hatten einige sehr gute Angebote von arrivierten und bekannten Herstellern. Am Ende hat uns aber das Offert von Andritz Hydro am besten gefallen. Wir waren uns sicher, dass wir ausgereifte Technik bekommen, die auf der einen Seite hohe Wirkungsgrade und auf der anderen eine lange Lebensdauer garantiert. Zudem hat auch der Preis gepasst.“
Die Wahl hat man bislang nicht bereut. Ganz im Gegenteil, wie Erwin Schnedl betont: „Wir blicken auf einen extrem wasserarmen Winter zurück. Für viele Kraftwerke in unserer Region bedeutete das, dass sie im Januar und im Februar öfter die Anlage abstellen mussten. Wir nicht. Mit einer Düse konnte das Kraftwerk auch in den trockensten Phasen am Netz bleiben. Wir haben immer Strom erzeugt – und nichts konnte einfrieren. Unsere Turbine hat somit ihre erste Bewährungsprobe mit Bravour bestanden.“

Zusatzwasser aus Kläranlage
Ein besonders heikler Punkt bei der Verwirklichung des Kraftwerks ergab sich aus dem Umstand, dass sich in der Ausleitungsstrecke des Kraftwerks zwei Kläranlagen befinden. „Das war tatsächlich eine Herausforderung für alle Beteiligten, zumal Befürchtungen hinsichtlich Geruchsbelästigung oder aber ökologische Bedenken von Fischerei-Seite laut wurden. Um absolut sichere Verdünnungsverhältnisse zu garantieren, haben wir schließlich ein spezielles Konzept entwickelt. Es sieht vor, dass die geklärten Abwässer aus der oberen Kläranlage in die Druckrohrleitung verpresst werden, während jene aus der unteren Kläranlage über eine 600 Meter lange Leitung am Kraftwerk vorbeigeleitet werden. Letztlich war das keine billige Lösung, in jedem Fall aber ein gangbarer Weg“, erläutert DI Helmut Mitterfellner.
Natürlich musste dieser Sonderlösung auch im Steuerungssystem des Kraftwerks Rechnung getragen werden. Realisiert wurde selbiges von den Spezialisten der MBK Energietechnik im steirischen Ilz, die sich in den letzten Jahren einen ausgezeichneten Ruf als elektrotechnischer Gesamtausrüster für Wasserkraftwerke gemacht haben. Bei MBK setzt man vor allem auf erprobte Industriekomponenten, die eine hohe Verfügbarkeit der Anlagen sicherstellen. Dabei kommen technische Innovationen aber auch nicht zu kurz. Für Planer Helmut Mitterfellner sind die Steuerungslösungen von MBK absolut „State-of-the-Art“. „Wenn man sich ansieht, wie die Visualisierung der Anlage umgesetzt wurde, dann kann man nur sagen: Da können auch noch größere Anbieter etwas lernen“, so der Planer. Alle acht Kraftwerkspartner verfügen heute über ein Tablet, auf dem sie via geschütztem Internet-Zugang jederzeit Zugriff auf ihre Anlage haben.

Innovative Stahlwasserbaulösungen
Im Hinblick auf die Verfügbarkeit des neuen Kraftwerks kommt – wie bei anderen Anlagen auch – der stahlwasserbaulichen Ausrüstung große Bedeutung zu. Dessen waren sich auch die Betreiber in Krakau bewusst und entschieden sich deshalb für einen erfahrenen Anbieter, den steirischen Branchenspezialisten S.K.M. aus dem steirischen Kammern. Neben einer massiven Stahl-Fischbauchklappe und dem Grundablass-Schütz waren Sepp Köhl und sein Team auch für Grob- und Feinrechen, sowie die Teleskoparm-Rechenreinigungsmaschine verantwortlich. Was die Kraftwerkskomponenten aus dem Hause S.K.M. auszeichnet, ist vor allem auf den zweiten Blick erkennbar. Beim Lokalaugenschein weist Josef Schröcker darauf hin, wie exakt die Greifharke des Teleskoparms in die Rechenzwischenräume greift. Auf diese Weise wird nicht nur ein effizienter Reinigungsbetrieb, selbstredend vollautomatisch, sichergestellt, sondern darüber hinaus auch ein geringer Verschleiß und somit eine lange Lebensdauer erreicht. „Man merkt, dass Josef Köhl über ein eigenes Kleinwasserkraftwerk verfügt. Er kennt dadurch beide Perspektiven – die des Stahlwasserspezialisten und die des Betreibers. Viele kleine, praktikable Lösungen sind somit mittlerweile in seine Produkte eingeflossen. Besonders hervorzuheben etwa der tropfenförmige Querschnitt der Feinrechenstäbe, die dadurch einen positiven Effekt auf etwaige Verwirbelungen am Einlauf haben“, so Josef Schröcker.

Erzeugung im Plansoll
Die Umsetzung des Kraftwerksprojektes erfolgte zügig. Innerhalb von nur sieben Monaten war die Anlage soweit hergestellt, dass sie erstmals Strom ans Netz lieferte. Am 30. November letzten Jahres war es soweit mit dem Andrehen. „Das Tolle war, dass die Anlage von Anfang an sehr gut gelaufen ist – und bislang durchgehend produziert hat“, zeigt sich Erwin Schnedl zufrieden. Im Regeljahr rechnen die Betreiber mit einer Stromerzeugung von 6 GWh, die man trotz der extrem wasserarmen Wassermonate in diesem Jahr noch erreichen möchte. Vieles deutet darauf hin, dass der Optimismus der Steirer mehr als begründet ist.

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