Interview

Alpenenergie vermarktet erfolgreich Strom aus dezentralen Erzeugungsanlagen9 min read

28. Dezember 2023, Lesedauer: 7 min

Alpenenergie vermarktet erfolgreich Strom aus dezentralen Erzeugungsanlagen9 min read

Lesedauer: 7 Minuten

Wenn Betreiber von Ökostromanlagen heute ihren Strom wirtschaftlich am Markt verkaufen möchten, ist ein kompetenter Handelspartner wichtig. Schließlich geht es im Stromhandel auch darum, in wirtschaftlich schwierigen Zeiten mit dem richtigen Partner wichtige Entscheidungen zu treffen. Dafür braucht es nicht nur Know-how, sondern auch viel Erfahrung. Eigenschaften, die der niederösterreichische Stromvermarktungsspezialist Alpenenergie seit Jahren unter Beweis stellt. Alpenenergie kauft Strom aus Kleinwasserkraft und Photovoltaik und verkauft diesen bestmöglich am Großhandelsmarkt. Zusätzlich betreibt das Unternehmen mit Sitz in Niederösterreich mit einem Partner die Plattform www.herkunftsnachweise.at, einen transparenten Marktplatz für den nationalen und internationalen Handel von Stromherkunftsnachweisen aller Art. Wir baten Geschäftsführer Thomas Eisenhuth zum Interview.

Rainer Sturm_pixelio.de
Herkunftsnachweise dienen als Nachweis der Herkunft elektrischer Energie. In Österreich ist jeder Lieferant gesetzlich verpflichtet, die Herkunft der gelieferten elektrischen Energie mittels Herkunftsnachweisen zu belegen.

Alpenenergie ist aus einer Initiative eines Pioniers der österreichischen Kleinwasserkraftszene und eines Stromhändlers entstanden, die auf der Suche nach einer Antwort auf die wirtschaftlich unbefriedigende Marktsituation waren. Seit 2015 bietet Alpenenergie eine marktgerechte und alternative Vermarktungsperspektive zu den bisherigen Anbietern an. Das Angebotsspektrum von Alpenenergie reicht dabei von einfachen, unbefristeten Stromverträgen, die basierend auf den Stundenpreisen im Kurzfristhandel (Spot) aberechnet werden bis hin zu langfristigen Liefervereinbarungen bei denen Alpenenergie Kraftwerkspools organisiert, die gemeinsam über Alpenenergie mit einem garantierten Mindestpreis namhafte österreichische Indus­trieunternehmen mit Strom beliefern. Mit dem Auslaufen vieler alter Strom-Förderregime ist in Europa in den letzten Jahren der Bedarf an alternativen, wirtschaftlich interessanten Vermarktungsmodellen für Ökostrom gestiegen.

Thomas Eisenhuth
Thomas Eisenhuth, geschäftsführender Gesellschafter Alpenenergie

zek: Was war der Antrieb für die Gründung des Unternehmens Alpenenergie?
Thomas Eisenhuth: Die Gründer von Alpen­energie kommen selbst aus dem Bereich Wasserkraft und sind Betreiber einiger Anlagen. Wir wollten etwas tun, um Betreibern einen finanziellen Mehrwert zu bieten und haben uns daher selbst in den Stromhandelsmarkt hineinbegeben. Unser Ziel ist es, Betreibern eine echte Alternative zu den Angeboten der Mitbewerber zu bieten.

zek: Wie sieht diese Alternative aus? Bieten Sie Wasserkraftbetreibern und – in kleinerem Umfang – Betreibern von Photovoltaikanlagen PPAs (Power Purchase Agreement) an?
Eisenhuth: Wir nennen das nicht PPA, da dieser Begriff inflationär gebraucht wird, sondern Langfristvermarktung. Wir reden hier nicht von einem Vertrag auf Monats- oder ­Jahresbasis, sondern von einer Laufzeit von sieben bis zehn Jahre. Damit sind wir einer der wenigen, wenn nicht der einzige, Stromvermarkter in Österreich, der solche langfristigen Modelle für Wasserkraftbetreiber anbietet.

zek: Sehen Sie einen steigenden Bedarf für solch langfristige Vermarktungen wie Alpen­energie sie anbietet?
Eisenhuth: Das ist sicherlich immer mehr ein Thema. Unsere Konkurrenten – meist große Versorger in öffentlichem Eigentum – sehen bei den Betreibern oft das sogenannte Kontrahentenrisiko: Ihre Risikoabteilungen befürchten Ausfälle bei langfristigen Verträgen. Solche Diskussionen habe ich auch schon geführt, doch was soll bei einem Wasserkraftwerk ausfallen? Außer die Technik, die man erneuern kann, laufen sie viele Jahrzehnte durch. Die Anlage ist ein sogenanntes Asset (Kapitalanlage Anm. d. Red.), während die Händler am Markt ja nur ein Büro haben. Also liegt das Risiko eher auf der Händlerseite und weniger auf der Erzeugerseite. Die Mitbewerber sehen das Risiko bei den Wasserkraftbetreibern, wir sehen hier aber eine Chance – deswegen unser Angebot an die Betreiber. Dass in diesen Zeiten ein Wasserkraftwerk pleite geht, halte ich nahezu für ausgeschlossen.

zek: Wie erleichtert Langfristvermarktung die Errichtung von Kleinwasserkraftwerken?
Eisenhuth: Bei einem neuen Wasserkraftwerk schaut man aus erstes auf den Fördertarif bzw. die Marktprämie, es ist auch sinnvoll als Betreiber dieses Instrument zu nutzen, um die Finanzierung sicherzustellen. Mit diesem Instrument und unserer Unterstützung kann man sich auf lange Sicht absichern, das kann man gut kombinieren.

zek: Welche Herausforderungen gibt es für Sie am Energiemarkt zu meistern?
Eisenhuth: Die einzige Herausforderung für uns als Stromvermarkter ist, was der Politik noch alles einfällt, um die Betreiber und uns mit noch mehr Auflagen zu belasten. Diese bedeuten meist nur Mehraufwand, aber kaum gesellschaftlichen Mehrnutzen, sondern oft nur Bürokratie. Man sollte die Betreiber einfach ihre Arbeit machen lassen.

zek: Wie haben sich die Krisen der vergangenen Jahre auf den Stromhandel ausgewirkt?
Eisenhuth: Die Verwerfungen, die es seit der Coronakrise gegeben hat sowie die politischen Eingriffe, die die Preise zur Explosion gebracht haben, haben dazu geführt, dass für alle Stromhändler die Risiken extrem nach oben gegangen sind und somit langfristige Kontrakte gar nicht mehr möglich waren: Aufgrund der hohen Sicherheiten, die unsere Dienstleister hinterlegen mussten sowie der entsprechend hohen Ausgleichsenergiekosten, die damit einhergehen. Vor diesem Hintergrund bieten wir ­einerseits Kleinwasserkraftbetreibern als auch den strom­abnehmenden Industrieunternehmen eine langfristige und verlässliche Perspektive an. Wir haben daher ein Modell entwickelt, das für beide Seiten Vorteile bietet und bereits große und namhafte Unternehmen in Anspruch nehmen: Wasserkraftbetreiber haben langfristig eine gesicherte Einnahme, auch nach Auslaufen der Fördertarife, das Unternehmen minimiert das Preisrisiko für seine Energiekosten.

zek: Welche Probleme sehen Sie derzeit in der Energiepolitik?
Eisenhuth: Durch den massiven Ausbau fluktuierender Energieerzeugung – Photovoltaik und Windkraft – haben wir vermehrt die Situation von sogenannten negativen Preisen: Das Angebot ist höher als der Bedarf. Der Stundenbedarf in Österreich liegt an Wochenenden bei etwa 5, an Wochentagen bei etwa 7-8 GW Leistung, das wird im 2. und 3. Quartal weitestgehend durch Wasserkraft abgedeckt. Hierzu 11 GW Photovoltaikstrom zuzubauen, bedeutet, dass der Strom zu dieser Zeit ins Ausland geht, wo er nicht bestellt wurde. Das hat Folgen für die Strompreise und für die Wasserkraftbetreiber, die für ihren Strom dann im Sommer an Tagen mit viel Wind und viel Sonne nichts erwirtschaften. Das war für uns der Grund, dass wir uns entschieden haben, eine Alternative anzubieten – etwas, das es in dieser Form am Markt noch nicht gibt. Statt sich nur kurzfristig abzusichern, verkaufen Wasserkraftbetreiber mit diesem Angebot an uns für zehn Jahre 70 Prozent der Menge zu 100 Euro pro MWh.

www.smard.de
Im Sommer gibt es in Österreich immer mehr Situationen, wo insbesondere Strom aus Photovoltaik (gelb) erzeugt wird,der gar nicht gebraucht wird. Quelle: www.smard.de

zek: Also für beide Seiten positiv, im letzten Jahr hatte man es ja auf Abnehmerseite auch nicht leicht.
Eisenhuth: Ja, wobei wenig über die Ursachen berichtet wird. Auf der Erzeugerseite hat man beispielsweise in Europa etwa 20.000 MW gesicherte Grundlast abgeschaltet unter dem Stichwort Klima und versucht diese mit Anlagen, die fluktuierend Strom erzeugen, zu ersetzen. Das hat eine Verknappung zur Folge gehabt, was auch die Preise steigen ließ. Zudem wurde der CO2-Preis politisch nach oben getrieben, der sich vor Corona verdreifacht hat. Während der Pandemie wurde in die welt­weiten Lieferketten eingegriffen und diese ­aufgrund politischer Entscheidungen unter­brochen – und somit entsprechend die Transportkosten in die Höhe getrieben. Das alles zusammen war der perfekte Mix, um die Preise zum Explodieren zu bringen. Das hat also nichts mit den Erzeugern oder Abnehmern zu tun, sondern einzig mit politischen Maßnahmen.

zek: Gibt es gesetzliche Rahmenbedingungen für den Stromhandel, die Sie befürworten würden?
Eisenhuth: Beim Stromhandel sollte die oberste Priorität die sein, dass sich die Politiker aus dem Handel komplett raushalten. Wir haben ein etabliertes System, das von der Politik in den letzten Jahren versucht wurde anzugreifen, das Merit-Order-­Prinzip: Es wird behauptet, dass das teuerste Kraftwerk die Preise vorgibt. Das ist so nicht richtig: Es setzt immer die Anlage den Preis, die eine Nachfrage gesichert erfüllen und garantieren kann – und das kann nun mal nicht eine fluktuierende Erzeugung wie Wind und PV, sondern nur ein Kraftwerk, das immer am Netz ist. Dabei kommt in Österreich nur Wasserkraft in Frage. Da aber Deutschland der bestimmende Markt und hier Wasserkraft wenig vorhanden ist – hier soll Wasserkraft nach Wunsch der dortigen Umweltministerin sogar zurückgebaut werden – setzen Kohle- und Gaskraftwerke den Preis.

zek: Was wäre Ihre Idee umweltfreundliche Energie zu fördern?
Eisenhuth: Man sollte aufhören, die Auflagen zu erhöhen. Bei den Kleinwasserkraftanlagen ist es das Thema Restwasser (EU-Wasserrahmenrichtlinie). Wenn kleine Betreiber zudem von den Behörden genötigt werden Fischaufstiegshilfen auszubauen, aber die Investition so hoch ist, dass sie in 20 bis 30 Jahren das Geld nicht wiedersehen, dann halte ich das nicht mehr für angemessen. Die Wasserkraft ist unser Schatz, den wir in Österreich haben: Verursacht keine Emissionen und ist immer zur Verfügung, wenn wir sie brauchen. Deswegen halte ich es für keine gute Idee, den Betreibern das Leben schwer zu machen. Im Gegenteil: Die Verfahren sollten vereinfacht werden. Natürlich entsprechend den gegebenen Umweltbedingungen.

Wasserkraftwerk-Mühling
Alpenenergie ist entstanden, um den Strom aus dezentralen Erzeugungsanlagen der Anton Kittelmühle Plaika GmbH zu vermarkten. Weil das Modell seit vielen Jahren erfolgreich ist, vermarktet Alpenenergie inzwischen mehr fremde als eigene Anlagen.

zek: Was halten Sie vom Erneuerbare-Energien-­Gesetz (EEG)?
Eisenhuth: Das EEG ist aus meiner Sicht viel zu ideologisch. Es ist natürlich sinnvoll die Erneuerbaren auszubauen, die keine Emissionen ausstoßen. Das ist natürlich zu befürworten, aber hier geht es wohl auch darum, bestimmte Gruppen zu bedienen – eben zum Beispiel PV in einem Maße auszubauen, für den es gar keinen Bedarf gibt. Vor Ergreifen solcher Maßnahmen sollte man zuerst schauen, wie viel Strom wann gebraucht wird und danach überlegen, wie kann man ihn am umweltfreundlichsten erzeugen kann. Aber so wie das bisher der Fall ist, habe ich meine Zweifel, ob das die richtige Richtung ist.

zek: Mit www.herkunftsnachweise.at betreibt Alpenenergie mit einem Partner den einzigen Handelsplatz für Herkunftsnachweise in Österreich: Welche Rolle spielen diese im Stromhandel?
Eisenhuth: Das sind Zertifikate, die die Strom­erzeugung aus einer bestimmten Anlage für einen bestimmten Erzeugungszeitraum beimisst. Wenn Alpenenergie den Strom kauft, dann immer zusammen mit den Herkunftsnachweisen.

zek: Welche Themen beschäftigen Sie derzeit beim Handel mit Herkunftsnachweisen?
Eisenhuth: In Österreich hat man parallel zum Erneuerbaren-Ausbau-Gesetz eine ElWOG­Novelle verabschiedet, die die Stromlieferanten zwingt nachzuweisen, wie viele Herkunftsnachweise getrennt oder gemeinsam mit Strom gekauft wurden – doch das ist laut EU-Recht rechtswidrig. Der Hintergrund ist: Wenn ich einen Herkunftsnachweis getrennt von Strom aus einem Wasserkraftwerk verkaufe, wird behauptet, man würde Greenwashing betreiben. Wir sind dagegen vorgegangen und haben bei der EU Einspruch eingelegt. Es soll Stromlieferanten freigestellt sein, Herkunftsnachweise aus dem eigenen Kraftwerk gemeinsam oder auch getrennt von Strom zu verkaufen – weil es ein freier Markt ist und so Einnahmen optimiert werden können. Ich halte es für hochproblematisch, dass man versucht, in Österreich die Lieferanten in gut und böse zu unterteilen. Es soll jeder seinen Strom mit oder ohne Herkunftsnachweise so gut wie möglich vermarkten dürfen.

zek: Vielen Dank für das Gespräch!

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