Ökologie

Der modifizierte Denil-Fischpass macht Barrieren für Fische passierbar und spart Kosten11 min read

24. Feber 2023, Lesedauer: 8 min

Der modifizierte Denil-Fischpass macht Barrieren für Fische passierbar und spart Kosten11 min read

Lesedauer: 8 Minuten

Eine der zentralen Herausforderungen moderner Wasserkraftnutzung ergibt sich aus den aktuellen fischökologischen Erfordernissen. Es braucht heute betreiberfreundliche, platzeffiziente und zudem kostengünstige Lösungen für Fischaufstiegshilfen, die keinerlei Kompromisse hinsichtlich ihrer Funktionalität eingehen. Mit exakt dieser Zielsetzung ist das Grazer Ingenieurbüro für Gewässerökologie und Wasserbau flusslauf an die Aufgabe herangetreten, das alte Konzept des Denil-Fischpasses in die Neuzeit zu übersetzen. Auf Basis einer umfangreichen wissenschaftlichen Kooperation mit der TU Graz und zahlreichen Untersuchungen konnte der modifizierte Denil-Fischpass (eco 2-Fischpass) entwickelt werden, der die Passage nicht nur großen, schwimmstarken Fischen, sondern auch den bodenorientierten, kleineren Vertretern ermöglicht. Neueste Studien belegen mittlerweile eindrücklich die Funktionalität des Systems.

Denil eco2
Der eco2-Fischpass trägt den Erfordernissen
der EU-Wasserrahmenrichtlinie hinsichlich Durchgängigkeit vollumfänglich Rechnung. Ein Referenzbeispiel aus jüngster Zeit ist das Projekt an der Wehranlage des neu errichteten Kraftwerks Gliederwehr in Gleisdorf. Hier überwinden sowohl die größeren als auch die kleineren, bodenorientierten sowie schwimmschwächeren Fischarten einen Höhenunterschied von ca. 5 Metern.
© flusslauf

Seit 1951 war das Kraftwerk Gliederwehr in der oststeirischen Stadtgemeinde Gleisdorf in Betrieb. Doch vor einigen Jahren kam die Ökostromproduktion am Standort zum Erliegen. Der bedauerliche Grund dafür lag im Wesentlichen in der behördlich geforderten Durchgängigkeitsgestaltung an der Wehranlage. Planer DI Martin Konrad, Geschäftsführer des bekannten Planungsbüros interTechno Engineering GmbH, erinnert sich: „Schon 2015 haben wir für den Standort einen natürlichen Beckenpass geplant, der jedoch nie zur Umsetzung gelangte. Der private Betreiber der Anlage lehnte den Umbau aus wirtschaftlichen Gründen ab, was in weiterer Folge zum Entzug der Wasserrechtskonzession führte.“ Doch das vermeintliche Ende für den traditionsreichen Kraftwerksstandort war damit keineswegs gekommen. Über Intervention der Stadt Gleisdorf schaltete sich der lokale Energieversorger, die Feistritzwerke Steweag GmbH, ein und übernahm das Projekt. „Nach intensiven Studien haben die Betreiber sich dann für eine sehr innovative Lösung in Sachen Fischaufstieg entschieden. Für uns als Planer der Anlage war diese Entscheidung an die Bedingung geknüpft, dass auch die Umsetzung eines leitfadenkonformen Aufstieges möglich sein muss, sollten die Ergebnisse des Moni- torings nicht entsprechen. Das hatten wir auch im Bewilligungsverfahren gegenüber der zuständigen Behörde entsprechend darzustellen“, erklärt Planer Martin Konrad. Doch die Lösung für den Standort mit dem neuen eco2-Fischpass sollte halten, was man sich von ihr versprach. Bereits im Herbstmonitoring konnten mehrere hundert Fische aus zahlreichen Arten gezählt und protokolliert werden. Die Bewohner der Raab überwinden die circa 5 m Fallhöhe an der Staumauer durch den eco2-­Fischpass problemlos. Dabei war die Reputation des herkömmlichen Denil-Passes, wie man ihn von früher kannte, lange Zeit nicht die allerbeste.

Imageproblem der alten Bauform
Der Grund für den nicht allzu guten Ruf des Systems lag darin, dass der Bautyp in seiner ursprünglichen Form nur sehr eingeschränkt für Klein- und Jungfische mit Sohlbezug funktionierte. Arten wie Koppe, Gründling oder Schmerle nahmen diese Art Fischpass nicht an. Ein Grund, warum er in aktuellen Leitfäden und Regelblättern für Fischaufstiegshilfen nicht mehr empfohlen wurde. Auf der anderen Seite hingegen brachte der Denil-Fischpass allerdings früher schon einige sehr günstige Qualitäten mit, wie DDipl.-Ing. Georg Seidl, Gründer und Geschäftsführer von flusslauf e.U. betont: „Aufgrund ihrer Kompaktheit und ihrer großen Gefällekompatibilität – von 10 bis über 25 Prozent – waren Denil-Fischpässe seit jeher die kostengünstigste Variante von Fischaufstiegshilfen. Abgesehen von den geringeren Errichtungskosten und dem geringeren Platzbedarf punkten sie aufgrund der Fertigteilbauweise, die eine rasche bauliche Umsetzung garantiert. Und das auch bei bestehenden Anlagen. Hinzu kommt, dass der Denil-Fischpass kon­struktionsbedingt nur wenig Beton benötigt, was ebenfalls dem Umweltgedanken Rechnung trägt.“ Seine Funktionalität im Hinblick auf adulte Individuen und schwimmstarke Arten ist sehr gut belegt und steht seit Jahrzehnten nicht zur Debatte. Daher erscheint es auch wenig überraschend, dass Ingenieure es sich zur Aufgabe machten, eine beinahe abgeschriebene Technologie noch einmal zu überarbeiten und sie letztlich entscheidend voranzubringen.

Früher Selektiv für Kleinfische
Das Prinzip des Gegenstrompasses hat in jedem Fall Geschichte. Es geht im Wesentlichen auf die Entwicklung des belgischen Ingenieurs und Hydraulikers Gustav Denil zurück. Seine ersten Prototypen nahmen zwischen 1907 und 1909 ihren Betrieb auf. Ihrem Funktionsprinzip nach handelte es sich um steile Gerinne mit Neigungen zwischen 10 und über 25 Prozent, in denen vertikale Lamellen Gegenströmungen genieren. Auf diese Weise wird die Fließgeschwindigkeit im Zentrum des Fischpasses vermindert, um Fischen auch bei großen Fallhöhen eine Passage zu ermöglichen. „Eine Grundeigenschaft des Standard-Denil-Passes ist die hohe Fließgeschwindigkeit in Oberflächennähe, die zur Sohle hin jedoch markant abfällt. In wirtschaftlicher Hinsicht waren sie in ihren Frühzeiten besonders deshalb interessant, da sie vor allem den laichreifen Individuen wirtschaftlich relevanter Fischarten, wie Heringen und Lachsartigen, die Migration über wasserbauliche Querbauwerke ermöglichten. Für bodenorientierte Kleinfische galten sie allerdings bislang zu Recht als hoch selektiv“, führt Georg Seidl aus. Bis in die 1990er Jahre wurden Standard-Denil-Pässe in zahlreichen Regionen der Erde errichtet und zählten auch in Europa zu den häufig umgesetzten Bautypen. In den USA kommen sie bis heute noch zur Anwendung. Aufgrund ihres Defizits im Hinblick auf die bodenorientierten, schwimmschwächeren Fische war ihr Einsatz in den letzten drei Jahrzehnten in unseren Breiten rückläufig. Doch in den letzten Jahren erfuhr das Prinzip eine beachtliche Weiterentwicklung. In enger Zusammenarbeit mit der TU Graz gelang es dem Grazer Ingenieurbüro flusslauf den eco2-Fischpass zu entwickeln, der komplett neue Standards setzt.

 

Weg frei für Schwimmschwächere
Die wesentlichsten Unterscheidungsmerkmale des modifizierten sohloffenen Denil-Fischpasses zur Standardvariante bestehen einerseits in der Einbringung einer Substratgabione und anderseits einer neuen Lamellengeometrie. Bislang waren sämtliche Bautypen des Denil-Passes dadurch charakterisiert, dass ihre Lamellen auf der glatten Oberfläche aufliegen. Das bedeutete jedoch, dass Vertreter des Makrozoobenthos nicht zuletzt auch durch die turbulenten hydraulischen Bedingungen im Gerinne in ihrer Wanderbewegung beeinträchtigt werden. Bis zum heutigen Zeitpunkt ist es beispielsweise noch nicht gelungen, die bodenorientierte Fischart Koppe in einem Standard-Denil-Pass nachzuweisen. Eine zentrale Weiterentwicklung des herkömmlichen Denil-Fischpasses bestand nun in der Integration von Sohlensubstrat für bodenorientierte Kleinfische. Als Resultat zahlreicher Variantenstudien und Untersuchungen im Wasserbaulabor, am Computer und natürlich im Feld kamen die Wissenschaftler auf eine verkehrt-T-förmige Anordnung der Sohlensubstratgabione. „Grundsätzlich wurden mit der erstmaligen Substrateinbringung die Bedingungen geschaffen, dass bodenorientierte Arten nun den für ihre Wanderung erforderlichen Lückenraum bzw. Schotterkörper vorfinden. Durch die zentrierte Anordnung der Substratgabione gelang es uns zudem, eine markante Verringerung der Fließgeschwindigkeit, vor allem im bodennahen Bereich, zu erreichen. Generell konnten die hydraulischen Bedingungen im eco2-Fischpass gegenüber dem Standardmodell deutlich verbessert werden“, erklärt Georg Seidl. Er verweist dabei auf die höchst fruchtbare Zusammenarbeit mit der TU Graz, ohne die eine derartige Weiterentwicklung nicht möglich gewesen sei. „Wir haben in den letzten Jahren gemeinsam mit den Forschern der TU Graz weit über 100 Messkampagnen lanciert und daraus wertvolle Erkenntnisse gewonnen“, so der Gründer von flusslauf.

Denil eco2
Modifizierung des Standard-Denil-Passes
© flusslauf

Optimierungen und Adaptionen
Beginnend mit den ersten Untersuchungen im Wasserbaulabor der TU Graz im Jahr 2016 wurden bis jetzt laufend Optimierungen an dem System erarbeitet. Zuletzt wurde noch ein weiteres Mal an der Lamellengeometrie und an der Systemauslegung getüftelt. „Die neue Lamellengeometrie erlaubt eine noch größere Wasserersparnis und garantiert zugleich sehr gute hydraulische Konditionen bei geringeren Durchflüssen. Sie wurde bereits zum Patent angemeldet“, erklärt Seidl. Die Lamellen, die aus recyceltem Kunststoff hergestellt werden, können dabei ganz leicht entfernt werden – etwa zu Spülzwecken. Speziell nach Unwetter­ereignissen und Hochwasser, wenn es zu einem Eintrag von Feinsedimenten gekommen ist, stellt sich das Spülen von konventionellen Fischpasstypen, wie Schlitz- oder Beckenpass, zumeist als diffizil dar. Bedarf jedoch der eco2-Fischpass einer Spülung, können die Lamellen in kürzester Zeit herausgezogen werden. Danach wird die Dotationsblende entfernt und ein Spülstoß in Form einer kurzzeitig erhöhten Wassermenge durch das Gerinne geschickt, sodass nicht nur der Fischpass an sich, sondern auch etwaige Ruhebecken im System effektiv gespült werden. Generell ermöglichen die mitgelieferten Dotationsblenden eine rasche Drosselung des Durchflusses für Sichtungs- und Wartungszwecke. „Der einfach durchführbare Spülvorgang erleichtert dem Betreiber seine Wartungsaufgaben erheblich. Zudem bleibt der Fischpass so gut wie permanent in seiner Funktion stabil“, sagt Georg Seidl. Dass bei derartigen Spülvorgängen auch Sohlensubstrat mitgerissen wird, kann ausgeschlossen werden. Das Substrat sei sehr gut in den verwendeten Gabionen gefasst, so der Ingenieur.

Kostengünstig und betriebssicher
Der eco2-Fischpass wird in Stahlbauweise, wahlweise in Edel- oder Schwarzstahl, hergestellt und mit Sohlsubstrat befüllt eingebaut. Dabei ist er sehr einfach auch in bestehende Querbauwerke integrierbar. Die konstruktionsbedingte Einfachheit und der damit verbundene geringe Betonverbrauch macht den eco2-Fischpass auch zu einer sehr kostengünstigen Lösung. Da keine komplizierte und schadensanfällige Steuerung wie bei automatisierten Bautypen benötigt wird, kann der Betreiber auf eine sehr betriebssichere und wartungsfreundliche Lösung vertrauen. Dank der engen wissenschaftlichen Kooperation mit der TU Graz konnte die traditionelle Form des Denil-Fischpasses nun derart modifiziert werden, dass der neue eco2-Fischpass von flusslauf mittlerweile als technisch ausgereift gilt. „Tatsächlich gibt es aus technischer Hinsicht kaum mehr Stellschrauben, an denen sich drehen lässt. Abgesehen vielleicht von einem aktuellen Forschungsprojekt, bei dem wir uns mit der Geometrie und Anordnung von Ruhebecken befassen. Aber grundsätzlich steht für uns heute im Vordergrund, dass wir mit Funktionsbelegen für das gesamte Arten- und Altersspektrum an sämtlichen relevanten Standorten aufwarten können“, erklärt Georg Seidl.

Monitoring belegt Funktion
Zum gegenwärtigen Zeitpunkt wurden 20 Anlagen errichtet, für 11 davon wurde das biologische Monitoring bereits erfolgreich abgeschlossen, weitere Anlage befinden sich noch in der Monitoring-Phase. Erste Belege für die Funktionsfähigkeit des eco2-Fischpasses konnten 2017 an der Pilotanlage gesammelt werden, die an einem Standort in der oststeirischen Barbenregion an der Raab errichtet worden war. „Hier hatten wir die Möglichkeit, das System bei einer Neigung von 20 Prozent zu testen. Eine weitere Pilotanlage des eco2-Fischpasses konnten wir parallel zu einem Beckenpass in der Forellenregion installieren, um beide einem vergleichenden Monitoring zu unterziehen. Dabei gelang es uns erstmals, die Passage von Koppen in einem Denil-Fischpass nachzuweisen“, erinnert sich Seidl. Besonders beeindruckend seien auch die Ergebnisse an einem weiteren Versuchsstandort an der Pinka im österreichisch-ungarischen Grenzgebiet gewesen: „Wir haben hier einen eco2-Fischpass hydraulisch und biotisch untersucht. Interessant waren dabei die protokollierten Fischgrößen. Rund 2/3 der Individuen waren kleiner als 15 cm und rund 1/3 wies eine Körperlänge von unter 10 cm auf. Bei einem Gesamtaufstieg von knapp 9.300 Fischen in 57 Be­obachtungstagen belegt dieses Ergebnis eindeutig die hohe Funktionalität des eco2-Fischpasses für kleine und schwimmschwache Arten und Altersstadien.“

Konzentration auf größere Gewässer
Speziell im Hinblick auf die Forellenregion kann der biotische Nachweis als abgeschlossen betrachtet werden. Schließlich wurde dabei das gesamte Artenspektrum nachgewiesen. Was die Barbenregion anbelangt, die mit bis zu 56 unterschiedlichen Fischarten artenreicher als die Forellenregion ist, kann das Team von flusslauf auf mittlerweile drei positive Monitorings verweisen, zwei weitere sind aktuell in der Beprobung. „Erst unlängst haben wir das Monitoring an einem kleineren Gewässer mit einer durchschnittlichen Wasserführung von 500 l/s abgeschlossen. Dabei konnten wir rund 2.000 Fische aus allen dort lebenden Arten abbilden, was uns natürlich sehr gefreut hat. Zusammenfassend können wir sagen, dass wir an kleineren Gewässern und in der Forellenregion unsere Hausaufgaben gemacht haben. Unsere Aufgabe sehen wir nun eher darin, die Funktionsfähigkeit in den größeren Gewässern vollumfänglich nachzuweisen“, sagt Georg Seidl. Was sich im Zuge der umfangreichen Feldstudien ebenfalls bestätigen ließ: Der Umstand, dass der eco2-Fischpass nun auch von kleineren und schwimmschwächeren wie bodenorientierten Arten genutzt wird, bedeutet keineswegs, dass damit die großen Fische benachteiligt würden. Für sie bleibt die ursprünglich günstige Qualität des Systems vollumfänglich erhalten.

Neuestes Projekt über 8 m Fallhöhe
Ähnlich positiv bewertet der Forscher die jüngsten Ergebnisse des Herbstmonitorings am Standort des neu gebauten Kraftwerks Gliederwehr in Gleisdorf. „Es ist sehr erfreulich, dass wir bereits im Herbstmonitoring ­ das gesamte Größen- und Artenspektrum – Größen zwischen 4,5 cm und bis zu 48 cm Körperlänge – darstellen konnten. Wir blicken daher auch dem Frühlingsmonitoring sehr zuversichtlich entgegen“, so der Geschäftsführer von flusslauf. Zu diesem Zeitpunkt erwartet er dann auch die ersten Untersuchungsergebnisse aus einem noch spektakuläreren Projekt in der Steiermark. Während beim Wehrbauwerk des KW Gleisdorf rund 5 m überwunden werden, wurde an diesem jüngsten Kraftwerksprojekt ein eco2-Fischpass über eine Höhe von 8 m errichtet. „Auf die Ergebnisse sind wir natürlich sehr gespannt.“
Dem jungen Ingenieurbüro flusslauf ist mit dem eco2-Fischpass eine technische Weiterentwicklung gelungen, die sowohl in ökologischer als auch ökonomischer Hinsicht eine richtungsweisende Lösung für die aktuellen Anforderungen in der Kontinuumsanierung von Gewässern darstellt. Alternativ bietet das Unternehmen auch Fischschleusen, Fisch­lift-Systeme oder den technischen Beckenpass an, wenn es der Standort erfordert oder der Kunde es wünscht.

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