enature® Fishpass etabliert sich über Österreichs Grenzen hinaus9 min read
Lesedauer: 6 MinutenÜberall wo beengte Platzverhältnisse den Einbau einer Fischaufstiegshilfe erschweren, bietet sich mit dem enature® Fishpass heute eine effiziente wie wirtschaftliche Lösung für den Kraftwerksbetreiber an – unabhängig von Gewässertyp und Wasserführung. Der neuartige Multi-Struktur Schlitzpass, der als eine Weiterentwicklung des klassischen Schlitzpasses oder Vertical Slot Passes gilt, hat sich mittlerweile bestens etabliert und wurde auch in den aktuellen Leitfaden zum Bau von Fischaufstiegshilfen 2021 aufgenommen. Nach zahlreichen Einsätzen an österreichischen Gewässern, wurde der enature® Fishpass mittlerweile auch an vier Schweizer Standorten erfolgreich installiert. Vertrieben wird das von der Kirchdorfer Concrete Solutions produzierte enature® System in der Schweiz exklusiv von dem in Kärnten ansässigen Ingenieurbüro Der Wasserwirt – Projektmanagement GmbH, das auch alternative Fischaufstiegshilfen wie etwa die bewährte Fischliftschleuse oder Lockströmungsdotationsbauwerke in seinem Leistungsportfolio führt.
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Siedlungsgebiete, die vom Schweizer Bundesamt für Energie mit dem Zertifikat „2000-Watt-Areal“ ausgezeichnet wurden, stehen für eine vorbildliche Umsetzung des Nachhaltigkeitsgedanken. Eines dieser Vorreiterprojekte nimmt aktuell am ehemaligen Industrie-Areal in der Gemeinde Cham im Kanton Zug Formen an. Dort wo mehr als 360 Jahre lang die Papierfabrik eine ganze Region prägte, entsteht heute ein neues Wohn- und Arbeitsquartier, das ein neues Kapitel der traditionsreichen Geschichte am Standort schreiben soll. Das besondere Merkmal des modernen Anlagenkomplexes liegt in seinem komplett CO2-freien Energiesystem mit einer 100 prozentigen erneuerbaren Energieversorgung. Der gesamte Strombedarf wird dabei zu 40 Prozent aus Photovoltaik-Anlagen und aus einem neuen Kleinwasserkraftwerk gedeckt. Letzteres existierte bereits am Standort Obermühle, von dem eine über 100-jährige Wasserkrafthistorie belegt ist. Aktuell ist eine Neuanlage im Entstehen, deren maschinelles Herz aus einer 220 kW starken doppeltregulierten Kaplanturbine bestehen wird. Auch die Wehranlage, wo 25 m3/s abgeleitet werden können, wird komplett neu gestaltet – und selbstverständlich auch ökologisch entsprechend adaptiert. „Hier an diesem traditionsreichen Standort herrschen nach wie vor relativ beengte räumliche Verhältnisse vor. Daher suchten wir eine einfache, wirtschaftliche und zugleich funktionelle Lösung für eine Fischaufstiegshilfe. Beim enature® Fishpass wurden wir letztlich fündig“, schildert der Planer des Kraftwerks, Fernando Binder vom Ingenieurbüro fmb- ingenieure.ch, die Ausgangssituation.
Neue Passage für Bewohner der Lorze
Gemeinsam mit dem Kärntner Ingenieurbüro Der Wasserwirt, der exklusiv die Lizenz für den Vertrieb des enature® Fishpass in der Schweiz innehat, ging fmb-ingenieure.ch an die Planung des neuen Fischpasses. Es galt, am Wehrbauwerk an der Lorze eine Höhendifferenz von 3,20 m zu überwinden. Konkret fiel die Wahl auf ein System der Größe „mittel“ mit 27 Becken, wobei die Schlitzweite mit 35 cm gewählt wurde. Die Fischaufstiegshilfe wurde so konzipiert, dass auch 80 cm lange Fische sie problemlos passieren können. Sie ist für die Zielfischarten Seeforelle, Barbe, Nase, Laube, Schneider, Rotauge, Gründling, Bartgrundel und Trüsche ausgelegt. „Die Sohle der Fischaufstiegshilfe besteht aus einem ca. 20 cm dicken Sohlsubstrat aus einer gerundeten Gesteinsmischung von 90 bis 250 mm Durchmesser. Dieses Sohlsubstrat verfügt über zahlreiche kleinere und größere Hohlräume, in welchen die bodenorientierten Fischarten sich gut verstecken können“, erklärt Binder. Die zu überwindende Höhendifferenz zwischen den einzelnen Becken liegt bei 12 cm. Die FAH, deren Gesamtlänge 130 m beträgt, wird mit 250 l/s kontinuierlich dotiert. Bereits im Herbst 2022 konnte der Multistruktur-Schlitzpass eingebaut werden. Er geht nun Mitte Februar dieses Jahres in Betrieb. Danach stehen noch umfangreiche Funktionsüberprüfungen auf dem Programm.
In der Regel übernimmt das Kärntner Ingenieurbüro Der Wasserwirt neben dem Consulting bei der Planung auch die Lieferung der Fertigteile. Je nach Bedarf und Vereinbarung werden entweder das ganze System, U-Kanal plus Schlitzeinbauteile, oder nur die Schlitzeinbauteile von Der Wasserwirt geliefert. Im Fall des Projektes in Cham fungierte Der Wasserwirt als Berater in der Planung und lieferte die Schlitzeinbauteile.
Premiere im Kanton Zürich
Das erste enature® Projekt im Kanton Zürich wurde allerdings von den Elektrizitätswerken des Kantons Zürich (EKZ) am Limmat-Kraftwerk Dietikon realisiert. Bereits 2019 gelang den EKZ eine aufwändige Modernisierung des traditionsreichen Laufkraftwerks auf der städtischen Grien-Insel, wobei sowohl am Haupt- als auch am neu angelegten Dotationskraftwerk ein enature® Fishpass installiert wurde. Das Kärntner Ingenieurbüro Der Wasserwirt zeichnete bei der Planung als Consulter verantwortlich und organisierte zudem die Lieferung und Montage. „Der U-Kanal wurde vor Ort in Ortbetonbauweise hergestellt. Danach wurden die Schlitzeinbauteile geliefert und montiert“, umreißt der Geschäftsführer von Der Wasserwirt, Bernhard Monai, den baulichen Aspekt. „Beim Bau der Fischwanderhilfen für das Wasserkraftwerk Dietikon (Zürich) war die Ausgangslage geprägt von den engen Platzverhältnissen aufgrund der innerstädtischen Situierung der Anlagen. Der enature® Fishpass war unter diesen Voraussetzungen die ideale Lösung“, erklärt Alfredo Scherngell, Leiter Wasserkraft bei EKZ und zentraler Projektkoordinator. Er bestätigt, dass das System aufgrund der verminderten Betriebswassermenge auch aus wirtschaftlichen Gründen für den Kraftwerksbetreiber sehr interessant sei. Konkret benötigt der enature® Fishpass einen um 30 bis 40 Prozent geringeren Wasserdurchfluss als bei einem herkömmlichen Schlitzpass bei voller Funktionalität.
Gute Abstimmung erforderlich
Konkret kam in Dietikon der enature® Fishpass System „mittel“ zum Einsatz. Dabei beträgt die Beckenbreite des Multistruktur-Schlitzpasses jeweils 217,5 cm, die Beckenlänge 300 cm, wobei die Schlitzweite in diesem Fall bei 30 cm liegt. Das Sohlsubstrat mit darin untergebrachten Störsteinen ist 20 cm hoch darin aufgebracht, und die Höhendifferenz zwischen den Becken wurde mit 15 cm gewählt. Die Fischaufstiegshilfe am Hauptkraftwerk an der Limmat wird kontinuierlich mit 224 l/s dotiert. Um die Auffindbarkeit der Fischaufstiegshilfe im Unterwasser für die Bewohner der Limmat zu erhöhen, wurde im Einstiegsbereich eine Zusatzströmung mittels eines Lockströmungsbauwerks geschaffen. Die Planung und der Bau von Lockströmungsbauwerken sind Teil des Leistungsportfolios von Der Wasserwirt, zahlreiche Referenzanlagen zeugen von der Effektivität dieser Anlagen. Geschäftsführer Bernhard Monai verweist in diesem Zusammenhang darauf, dass eine gute Zusammenarbeit mit allen Beteiligten, sowie eine professionelle Abstimmung gerade im Hinblick auf Bautoleranzen das Um und Auf einer erfolgreichen Projektabwicklung seien. Im Falle des modernisierten Kraftwerks Dietikon mit zwei neuen enature® Fishpässen klappte die Umsetzung mustergültig. „Wir wurden von der Firma Der Wasserwirt in allen Projektphasen, von der Konzeption über die Projektierung und Bau bis hin zur Inbetriebnahme und Nachbetreuung, stets optimal unterstützt“, findet Alfredo Scherngell von EKZ lobende Worte.
Wechselnde Schlitzfolge wirkt
Grundsätzlich handelt es sich beim enature® Fishpass um die Weiterentwicklung des klassischen Schlitzpasses oder Vertical Slot Passes. Im Rahmen einer zweijährigen, intensiven Zusammenarbeit mit der Universität für Bodenkultur Wien entwickelte die F&E-Abteilung der Kirchdorfer Concrete Solutions, einer Sparte der Kirchdorfer Gruppe, das neuartige Fertigteilsystem einer Organismenwanderanlage, das den Bedürfnissen der Gewässerorganismen in optimaler Weise gerecht wird, den Wasserbedarf minimiert und sich optimal für Standorte mit beengten Platzbedingungen eignet. Charakterisiert ist der Bautyp durch die vertikalen Schlitze der Zwischenwände, die über die gesamte Höhe des Bauteils reichen. Ein wesentlicher Unterschied zu den herkömmlichen Schlitzpässen liegt darin, dass die Schlitze alternierend angebracht sind. Das heißt: die Schlitze befinden sich nicht auf einer Seite, sondern sind wechselweise angeordnet. Auf diese Weise bildet das System auch kleine Zwischenbecken aus. Diese liegen zwischen den großen Erholungs- bzw. Ruhebecken, in denen die Energiedissipation erfolgt. „Die Abwechslung der Schlitzseite je Bauteil sowie die Ablenkung beim Schlitz durch eine Art Umlenkung führen zu einer Strömungsumlenkung, um eine geradlinig durchgehende Kurzschlussströmung von Schlitz zu Schlitz zu verhindern. Damit wird eine geschwungene Hauptströmung gewährleistet“, erläutert dazu Bernhard Monai die Vorzüge des neuen Systems.
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Flexibel in der Bauform
Um den Multistruktur-Fischpass an die Anforderungen an die jeweilige Leitfischart, respektive Fischregion bestmöglich anzupassen, ist das Fertigteilsystem in zwei verschiedenen Systemgrößen und mit unterschiedlich breiten Schlitzen (15 bis 35 cm) verfügbar. Für jede Systemgröße können zwei gerade Becken – entweder links oder rechts ausgerichtet – sowie ein 45-Grad-Becken gewählt werden, mit denen sich beliebige Kehren und Ausweichmöglichkeiten realisieren lassen. Für eine professionelle Planung bietet der Hersteller ein spezielles 3D-Tool an, das sämtliche Fertigteile des enature® Fishpass abbildet und sämtliche Bemessungsparameter für unterschiedliche Gefällevarianten berücksichtigt. Das standardisierte Fertigteilsystem bringt dabei nicht nur den Vorteil mit sich, dass es auch bei beengten Platzbedingungen sehr gut in neue und bestehende Anlagen integriert werden kann. Sondern darüber hinaus garantiert es auch eine sehr zügige bauliche Umsetzung, was nicht unwesentlich zur Wirtschaftlichkeit des Systems beiträgt.
Monitoring belegt Funktionalität
Dass der enature® Fishpass funktioniert und von den Gewässerbewohnern exzellent angenommen wird, belegen auch die Ergebnisse aus den zahlreichen Monitoring-Studien in sämtlichen Fischregionen. Einerseits wurde die Passage von stark bodenorientierten Arten, wie etwa der Koppe, oder schwimmschwachen Arten, wie der Rotfeder, sowie von Jungfischen und Neunaugen dokumentiert. Andererseits konnte auch die Migration von größenbestimmenden Fischarten nachgewiesen werden. Die größten bislang über den enature® Fishpass aufgestiegenen Fische sind der Wels mit 1.350 mm, der Hecht mit 1.140 mm und der Huchen mit 1.200 mm Körperlänge. „Zudem konnte etwa an einem Draukraftwerk ein quantitativer Aufstieg adulter Nasen im Zuge deren Laichwanderung nachgewiesen werden. Aufgrund der Restwassersituation an dem Standort liegt eine sehr gute Leitströmung vor“, sagt Bernhard Monai und verweist auf die besondere Bedeutung der Leitstromdotation. Gerade weil der enature® Fishpass eine deutlich geringere Dotation benötigt, sei besonderes Augenmerk auf die Ausgestaltung des Einstiegs sowie auf die Leitstromdotation zu legen. Bei größeren Gewässern ist daher manchmal zugunsten der optimalen Auffindbarkeit eine zusätzliche Dotation erforderlich. In diesem Fall bietet Der Wasserwirt auch seine vielfach bewährten Lockströmungsdotationsbauwerke an, die in Lizenz mit der Uni Kassel geführt werden. Die erste Anlage wurde vor ca. 15 Jahren in Kärnten gemeinsam mit der Uni Kassel umgesetzt und praxisbezogen weiterentwickelt. Fünf wurden bislang auch an Standorten in der Schweiz realisiert.
Alternative Passage über den Lift
Gerade an „diffizilen Standorten“, dort wo der Stand der Technik an seine Grenzen stößt, braucht es mitunter spezielle Lösungen. Seit 2012 arbeitet das Kärntner Ingenieurbüro an der Entwicklung der Fischliftschleuse nach dem System Der Wasserwirt. Sie kommt dort zum Einsatz, wo extrem beengte Platzverhältnisse kaum eine Standard-Fischaufstiegsanlage zulassen. Sie wurde daher auch für den Einsatz bei besonders beengten Platzverhältnissen in den österreichischen Leitfaden zum Bau von Fischaufstiegshilfen aufgenommen. Im Vergleich zu herkömmlichen Systemen erfolgt der Transport in der Fischliftschleuse nach dem System Der Wasserwirt über ein auf der Seite offenes Transportsystem, das sich dem Wasserspiegel in einem Schachtbauwerk anpasst. Zwischenzeitlich sind schon einige dieser Anlagen in Betrieb, allerdings laufen die Forschungsarbeiten dazu im Hintergrund weiter. Dazu Bernhard Monai: „Aktuell haben wir das System an acht Standorten umgesetzt, drei weitere sind in Planung. Außerdem wurden etwa weitere 10 Anlagen in Machbarkeitsstudien aufgenommen.“ Sechs der realisierten Anlagen wurden bereits einem vollständigen Monitoring unterzogen, wobei für alle der Nachweis der Funktionsfähigkeit erbracht werden konnte. Die zwei anderen Anlagen befinden sich noch in der Monitoring-Phase. Die jüngste Weiterentwicklung an der Fischliftschleuse nach dem System Der Wasserwirt betrifft die Fischerkennung. „Bislang erfolgten die Hübe der Fischliftschleuse nicht ereignisgesteuert, sondern gingen automatisiert 2 bis 3 Mal pro Stunde vonstatten. Wir konnten nun ein speziell entwickeltes System zur Fischerkennung implementieren, das die Anzahl der Hübe abhängig vom aktuellen Migrationsvorkommen um bis zu 50 Prozent reduzieren soll. Es wurde 2022 erstmals eingebaut“, erklärt Bernhard Monai. Das Monitoring dazu begann im Herbst 2022, die entsprechenden Auswertungen der Ergebnisse laufen gerade.
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