Ökologie

Fische fahren beim Tiroler Wasserkraftwerk Kniepass hoch hinauf7 min read

15. Juli 2024, Lesedauer: 6 min

Fische fahren beim Tiroler Wasserkraftwerk Kniepass hoch hinauf7 min read

Lesedauer: 6 Minuten

Zwischen 2020 und 2023 sorgte die Elektrizitätswerke Reutte AG im Tiroler Außerfern für die umfassende Erneuerung des Wasserkraftwerks Kniepass. Dabei wurde die gesamten Elektro- und Leittechnik im Maschinengebäude modernisiert, die Kaplan-Turbine saniert und ein drittes Wehrfeld errichtet, um die Hochwassersicherheit der Anlage zu erhöhen. Eine weitere zentrale Maßnahme stellte die Herstellung der ökologischen Durchgängigkeit dar. Aufgrund der schwierigen Rahmenbedingungen – äußerst begrenzte Platzverhältnisse und ein Höhenunterschied von nahezu 9 m zwischen Ober- und Unterwasser – entschieden sich die Betreiber für den Einsatz eines innovativen Systems. Mithilfe der von „der Wasserwirt“ Bernhard Monai entwickelten Fischliftschleuse gelangen die Fische über eine hydraulisch bewegte Transporteinheit sicher und zuverlässig nach oben. Beim Kraftwerk Kniepass wurde die Fischliftschleuse erstmals mit einem Fischerkennungssystem ausgestattet, das den Hubvorgang für aufstiegswillige Fische automatisch in Gang setzt und somit die Effizienz der Anlage erheblich steigert.

Kraftwerk-Kniepass
Vogelperspektive auf das zwischen 1951 und 1953 in der Kniepassschlucht errichtete Laufwasserkraftwerk.
© EWR

Knapp sieben Jahrzehnte nach seiner Fertigstellung war es an der Zeit, das Kraftwerk Kniepass umfassend zu modernisieren und auf den neuesten Stand der Technik zu bringen. Für die als Laufwasserkraftanlage am Lech konzipierte Anlage im Tiroler Außerfern, die zwischen 1951 und 1953 errichtet wurde, hatte die Elektrizitätswerke Reutte AG (EWR) ein ganzes Paket an Maßnahmen geschnürt, das zu ökologischen, technischen und energiewirtschaftlichen Optimierungen führen sollte. Nach einer siebenjährigen Planungs- und Genehmigungsphase konnten die Bauarbeiten des rund 15 Millionen Euro schweren Revitalisierungsprojekts im Sommer 2020 begonnen werden.

Erneuerung in allen Bereichen
Die Projektmaßnahmen fokussierten sich im Wesentlichen auf vier zentrale Bereiche: den Ausbau und die Revitalisierung der Kaplan-Turbine, die Erneuerung der gesamten El­ek­tro- und Leittechnik, die Erweiterung der Wehranlage um ein drittes Wehrfeld und die Herstellung der ökologischen Durch­gängig­keit. Die vertikalachsige Kaplan-­Schacht-Turbine mit ca. 2 MW Engpassleistung wurde demontiert und durch die Firma Kochendörfer komplettsaniert. Völlig erneuert wurde hingegen im Prinzip die komplette elektro- und regelungstechnische Ausstattung des Kraftwerks durch Siemens Energy. Den größten Bauaufwand verursachte der Bau eines dritten Wehrfelds an der Wehranlage, die auch gleichzeitig vom leistungsstärksten EWR-Kraftwerk Weißhaus genutzt wird. Der Grund für die Ergänzung um ein zusätzliches Wehrfeld war mit der Gewährleistung der Hochwassersicherheit an der Kraftwerksanlage verbunden. „Das dritte Wehrfeld stellt die n-1 Redundanz der Anlage sicher. Der Hubschütz mit Aufsatzklappe stammt von der Firma­ Künz, welche eine hervorragende Qualität und Arbeit ablieferte“, so Georg Hauser, Leiter Erzeugung bei der EWR. Eine weitere wesentliche Baumaßnahme war die Errichtung der neuen Fischaufstiegsanlage, die als Erstes im Rahmen des mehrstufigen Erneuerungsprojekts in der Kniepassschlucht in Angriff genommen wurde.

Kraftwerk Kniepass Fischlift
Das Lift/Schleusensystem befördert aufstiegswillige Fische in einer hydraulisch bewegten Transporteinheit ins Oberwasser.
© der Wasserwirt

Liftsystem für Schwimmer
Wegen der annähernd 9 m Höhenunterschied zwischen Ober- und Unterwasser und den äußerst begrenzten Platzverhältnissen an der Wehranlage war die Herstellung einer konventionellen Fischaufstiegsanlage keine machbare Variante. Aufgrund dieser Rahmenbedingungen setzten die Betreiber auf die vom Kärntner „der Wasserwirt“ Bernhard Monai entwickelten Fischliftschleuse. Der Wasserwirt hat sich in den vergangenen Jahren auf die vertikale Fischwanderung spezialisiert. Das System kann große Höhenunterschiede auf geringer Fläche überwinden. Anders als bei einem Lift zum Personentransport erfolgt das Heben und Senken der Transporteinheit aber nicht durch ein elektrisches Windwerk, sondern durch das Anpassen des Wasserstandes im Schachtbauwerk des Liftes. Die schwimmenden Passagiere werden mit Potentialenergie des Oberwassers im Schacht fremd­energiefrei nach oben gehoben, solange bis sich der Wasserspiegel im Schacht mit dem des Oberwassers ausspiegelt. Des Weiteren hat sich an diesem Standort das System mit Überpumpen des Oberwasserspiegels bewährt. Dabei wird der Wasserspiegel im Schacht mittels Pumpe noch circa 1 m über den Oberwasserspiegel gehoben. Die Fische werden dann im leichten Gefälle über eine Rohrleitung ins Oberwasser befördert. Diese Lösung wurde ebenso aufgrund der beengten Platzverhältnisse gewählt. Die einfache Funktion der Fisch­liftschleuse wird mittels der Hauptkomponenten Transporteinheit (Schwimmerkörper), Ein- und Ausstiegschieber sowie Schieber für die Restwasserdotation und den dazugehörigen Sensoren bewerkstelligt.

Kraftwerk Kniepass
Aufstiegswillige Fische in der Transporteinheit
© EWR

Neues Fischerkennungssystem
Der Entwickler Bernhard Monai führt an, dass sein Schleusensystem bereits acht Mal an unterschiedlichen Standorten in Österreich erfolgreich zum Einsatz kommt. Beim Kraftwerk Kniepass wurde die Fischliftschleuse erstmals um ein Fischerkennungssystem erweitert, das ursprünglich von kanadischen Anwendern für den Einsatz im Monitoring-Bereich entwickelt wurde. „Konkret handelt es sich dabei um den „WAWI resistivity counter“, bei dem eine sogenannte „Counter Box“ beim Einstiegsbereich der Fisch­liftschleuse platziert wird. Wenn Fische diese Vorrichtung passieren, verursachen sie eine Veränderung des Durchgangswiderstands, die vom WAWI resistivity counter erkannt wird. Infolgedessen wird ein Signal ausgesendet, das den Hub der Transporteinheit mit samt den eingeschwommenen Fischen einleitet“, so Bernhard Monai. Anders als bei den zeitgesteuerten Varianten der älteren Fischliftschleusen wird der Transportvorgang nun anlassbezogen in Gang gesetzt. „Die Integration des Fischerkennungssystems geht mit einer deutlichen Effizienzsteigerung der Vorgängerversionen einher, da die Fischliftschleuse nun keine Leerfahrten mehr durchführt und auch keine Fische im Unterwasser vor einem verschlossenen Einstieg stehen. Mit dieser Technik wird die intermittierende Betriebsweise gedämpft. Das bringt in weiterer Folge wesentliche ökologische Vorteile mit sich, und sorgt außerdem für einen geringeren Verschleiß der Anlageninfrastruktur“, bekräftigt Bernhard Monai.

Kraftwerk Kniepass Wehrklappe
Mit dem Einbau der dritten Wehrklappe konnte die Hochwassersicherheit der Anlage erheblich gesteigert werden.
© EWR

Individuelle Anpassungen
Der Entwickler lässt nicht unerwähnt, dass das Projekt beim Kraftwerk Kniepass mehrere Herausforderungen mit sich brachte. So erfolgt der Einstieg in die Fischliftschleuse direkt vom Unterwasserbereich aus über natürliche, in den Fels angepasste Becken. Ein weiterer Punkt waren die extrem beengten Platzverhältnisse, wobei das Schleusensystem auf lediglich 30 m² Fläche untergebracht werden musste. Eine konventionelle Fischaufstiegsanlage hätte beim gleichen Höhenunterschied von knapp 9 m eine Fläche von ca. 600 m² benötigt. Der Vergleich dient als Veranschaulichung. Ein Sonderbauwerk kann bei beengten Platzverhältnissen nicht mit bewährten Systemen verglichen werden.

Kraftwerk_Kniepass_
Im Maschinengebäude wurde die Kaplan-Schacht-Turbine von Grund auf revitalisiert und die Elektro- und Regelungstechnik umfassend modernisiert.
© EWR

System bewährt sich
Zum ersten Mal in Betrieb genommen werden konnte die neue Fischliftschleuse im Herbst 2021. Gemeinsam mit dem 2017 errichteten Oberliegerkraftwerk Höfen, dessen Fischwanderanlage bereits für voll funktionsfähig erklärt wurde, hat die EWR nun bei allen ihren Eigenkraftwerken am Lech von der Staatsgrenze bis zum Ursprung die freie Fisch­wanderung ermöglicht. Diese wichtige ökologische Maßnahme trägt wesentlich zur Erhaltung und Vernetzung von Lebensräumen für heimische Fischarten im gesamten Lech und der Vils bei. Bernhard Monai bekräftigt, dass mit der Anlage beim Kraftwerk Kniepass seit der Inbetriebnahme sehr gute Erfahrungen gesammelt werden konnten. Auch die Ergebnisse des fischökologischen Monitorings bestätigten mit den sehr guten Aufstiegszahlen die Funktionalität des Systems, das es mittlerweile zur Aufnahme in den offiziellen Leitfaden zur Herstellung von Fischaufstiegsanlagen geschafft hat. Georg Hauser, der Leiter Erzeugung bei der EWR, stellt Bernhard Monai und seinem Team ein sehr gutes Zeugnis aus: „Die Kniepassschlucht mit einer zu überwindenden Höhe von über knapp 9 m und beidseitigen nahezu senkrechten Felsflanken stellte uns bei der Auswahl der geeigneten Fisch­wanderhilfe vor eine große Herausforderung. Mit dem Ingenieurbüro der Wasserwirt – Projektmanagement GmbH konnten wir für diese nicht alltägliche Aufgabe einen profunden Partner gewinnen. Besonders die Innovationskraft und die Lösungsorientiertheit sowie die Begeisterung bei den unterschiedlichen Themenstellungen gilt es hervorzuheben. Bernhard Monai und sein Team waren zu allen Tages- und Nachtzeiten in enger Abstimmung mit unseren Projektleitern und haben uns speziell mit der Hydraulik und Automatisierung stark gefordert. Umso größer war unsere Freude, als wir die ersten Forellen mit dem Lift in das Oberwasser befördern konnten.“ Nach der ca. drei Jahre umfassenden Erneuerung konnte das technisch und ökologisch auf den neuesten Stand der Technik gebrachte Kraftwerk im Sommer 2023 wieder den Regelbetrieb aufnehmen. Seine nächsten Fischliftschleusen hat Bernhard Monai übrigens bereits in Planung, schon in der nahen Zukunft werden mehrere Anlagen in Österreich, Deutschland und der Schweiz realisiert. Ein neues innovatives Thema bei der Wasserwirt wird die Nutzung des Dotationswassers (Restwasser, Leitströmung) bei Fischliftschleusen und Fischaufstiegshilfen im Allgemeinen sein.

Kraftwerk Kniepass
Die annähernd 9 m Höhenunterschied zwischen Ober- und Unterwasser überwinden die Fische beim Kraftwerk Kniepass mit der Fischliftschleuse von „Wasserwirt“ Bernhard Monai.
© der Wasserwirt

Erschienen in zek HYDRO Ausgabe 2/2024

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