Innovative Fischschleuse eröffnet neue Möglichkeiten für Gewässerbewohner12 min read
Lesedauer: 8 MinutenDie Betonstaumauer der Vorsperre Eixendorf im Osten des Oberpfälzer Seenlandes wird schon in Bälde kein unüberwindbares Hindernis mehr für die lokale Fischpopulation darstellen. Im Gegenteil: In mehrjähriger Entwicklungsarbeit gelang es dem staatlichen Wasserkraftbetreiber Bayerische Landeskraftwerke GmbH, eine innovative Fischschleuse zu entwickeln, die speziell bei großen Höhenunterschieden und bzw. oder beengten Platzverhältnissen eine sehr gute technische Lösung bietet. Im Wesentlichen basiert das unterirdische Schleusensystem auf einer stationären Schleusenkammer, in der der oberwasserseitige Wasserdruck langsam auf das Unterwasserniveau reduziert wird, sodass die Fische in ihrer Migration aufwärts wie abwärts nicht geschädigt werden. Die Anlage soll in wenigen Wochen den Probebetrieb aufnehmen.
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Er ist der letzte und größte von drei Wasserspeichern entlang der Schwarzach im Oberpfälzer Seenland: Der Eixendorfer See, der in den 1970er Jahren errichtet wurde. Seinen Namen verdankt er der gleichnamigen Ortschaft, die vor rund einem halben Jahrhundert im Stausee unterging. Sein Hauptzweck liegt bis heute darin, den Bewohnern des Schwarzachtals Schutz vor Hochwasser zu bieten. Im Jahr 1987 wurde zusätzlich zur Hauptsperre noch eine Vorsperre im Bereich der Stauwurzel errichtet, um Geschiebe und Schlammablagerungen vor dem Hauptsee zurückzuhalten und damit dessen sukzessive Verlandung zu verhindern. Neben dem Schutz vor Hochwasser und der Sicherstellung der Wasserführung in Trockenphasen dienen beide Stauanlagen auch der Stromproduktion mittels kleiner Wasserkraftanlagen. Im Fall der Vorsperre Eixendorf kam das so genannte „bewegliche Kraftwerk“ zum Einsatz, das vom deutschen Wasserkraftspezialisten HSI entwickelt worden war. Seit sechs Jahren erfüllt die vollständig überströmte Anlage ihre Aufgabe und liefert mit ihrer Kaplan-Turbine und dem Permanentgenerator im Regeljahr rund 0,8 Millionen kWh Ökostrom. „Das bewegliche Kraftwerk ist unserem Geschäftsbereich der ökologisch optimierten Wasserkraft – oder „Öko-Wasserkraft“ – entsprungen. Schon damit haben wir den Fokus auf eine fischökologisch verträgliche Wasserkraftnutzung gelegt. 2019 hat das Bayerische Staatsministerium für Umwelt und Verbraucherschutz bei den LaKW den ‚Entwicklungsschwerpunkt für innovative Fischwandersysteme‘ eingerichtet. Mit diesem Auftrag arbeiten wir daran, Pilotanlagen zu planen, zu bauen und zu betreiben, um Erfahrungen mit neuer fischverträglicher Technik zu sammeln“, umreißt LaKW Geschäftsführer, Dipl.-Ing. (FH) Jochen Zehender, den Hintergrund.
Naturschutz bevorzugt Schleusensystem
Gemäß der EU-Wasserrahmenrichtlinie sind Wasserkraftbetreiber heute dazu angehalten, die Durchgängigkeit für die Fischpopulationen an den genutzten Querbauwerken sicherzustellen – in beiden Fließrichtungen. Im Fall der Eixendorfer Vorsperre wurde schon im Rahmen des Kraftwerksbaus vor einigen Jahren festgestellt, dass das Bauwerk durchgängig gemacht werden muss. Zehender: „Grundsätzlich wäre am Standort ein herkömmlicher Schlitzpass möglich gewesen, aber bedingt durch die steile Uferböschung wäre der Bau mit erheblichem Aufwand und Eingriff in das Landschaftsbild verbunden gewesen. Somit machten wir uns auf die Suche nach einer innovativen Lösung.“ Die Suche sollte die bayerischen Kraftwerksbetreiber nicht allzu weit in die Ferne führen. Auf das System der Druckkammer-Fischschleuse – entwickelt von der Kraftwerk am Höllenstein AG zusammen mit Herrn Johann Fischer – war man schon Monate davor aufmerksam geworden, so der Geschäftsführer der LaKW: „Wir haben dieses System, das einerseits sehr kompakt und wassersparend und andererseits sehr funktionell ist, dem Naturschutz und den Fischereiberechtigten vorgestellt, die sich ihrerseits sehr angetan von dieser Lösung zeigten. Nachdem ein gerichtlicher Vergleich am Bayerischen Verwaltungsgerichtshof, der auf eine Klage des Naturschutzes zurückging, den Bau einer Fischschleuse vorsah, waren die Weichen für das Projekt gestellt.“
Lockströmung optimal situiert
Gemeinsam mit dem in Sachen Wasserkraft und Ökologie erfahrenen Ingenieurbüro Pfeffer aus Regen ging man an die Planung. Es sollte ein Konzept für eine Druckkammer-Fischschleuse erarbeitet werden, das speziell an die Bedingungen an der Eixendorfer Sperre angepasst ist. „An der Vorsperre ist der Unterwasserpegel enormen Schwankungen ausgesetzt, die mitunter bis zu fünf Meter ausmachen können. Das wäre eben auch bei einer konventionellen Fischpass-Lösung ein gravierendes Problem gewesen. Denn: Wo situiert man einen Einstieg, wenn der Pegel derart schwankt? Bei einer Fischschleuse stellt sich diese Frage nicht“, erklärt der Projektleiter vom Ingenieurbüro Pfeffer, B.eng. David Hirtreiter. Ein weiterer zentraler Punkt, der für ein Fischschleusensystem sprach, war das Thema Lockströmung, wie Jochen Zehender betont: „Der Einstieg in das Schleusensystem liegt direkt neben dem Auslauf aus dem Kraftwerk. Bei einem herkömmlichen Fischpass wäre er deutlich weiter entfernt gewesen. Somit bietet das Konzept mit der Fischschleuse auch eine perfekte Lockströmung.“ Das bestehende bewegliche Kraftwerk ermöglicht über die überströmte Wehrklappe eine Option für den Fischabstieg. Diese Variante wird auch von Fischen angenommen, allerdings überwiegend von oberflächennah schwimmenden. Bodennahe Vertreter, wie etwa die Koppe, hätten bislang nicht so weit nach oben gefunden. Mit der neuen Fischschleuse steht den Fischen nun die gesamte vertikale Wassersäule zur Verfügung, um problemlos absteigen zu können. Für extreme Niedrigwasserphasen wurde ein kleiner Beckenpass vorgeschaltet, um auch bei diesen Bedingungen die Durchgängigkeit zu gewährleisten.
Öffnungen führen in die Schleuse
Bislang gab es von der Druckkammer-Fischschleuse nur einen einzigen Prototypen, dessen Patent an der Eixendorfer Sperre nun standortgemäß interpretiert, optimiert und verfeinert werden konnte. Im Wesentlichen besteht die fast zur Gänze unterirdische Anlage aus drei Bauteilen, dem Ober- und dem Unterbecken und der dazwischen angeordneten Schleusenkammer. Im Oberbecken befinden sich vier Öffnungen für den Ein- und Ausstieg, wobei im Betrieb nur jeweils zwei offen sein werden. Der Grund für die Verdoppelung liegt im Test- und Probecharakter des Systems: Im laufenden Betrieb will man testen, welche Öffnungen letztlich von welchen Fischen zu welcher Zeit besser angenommen werden. Was die Schleuse auch von technischen Fischpässen oder Fischliften unterscheidet, ist, dass die Fische in der Regel das Querbauwerk ohne großen Höhenversatz durchwandern. Eine Besonderheit dieser Fischschleuse besteht darin, dass im Auslaufbereich der Turbine eine Art Kolkbecken errichtet wurde. Dies war erforderlich, um den Unterwasserpegel im Hinblick auf die unabdingbare Überdeckung des Saugrohrs auf einem bestimmten Niveau zu halten. In dieses Kolkbecken wurden ebenfalls Öffnungen zum Vorbecken bzw. auch zum unterwasserseitigen Gewässerabschnitt hin eingebracht. Auch hier wurde für eine ausreichende Lockströmung gesorgt.
Passage nach Druckausgleich
Doch wie funktioniert nun dieses Schleusensystem? Angelockt von der Lockströmung schwimmen die Fische vom Unterwasser in das Kolkbecken, weiter Richtung Hauptschleuse und wandern in diese ein. In der Schleusenkammer können sich die Fische sowohl in Bereichen mit oder auch ohne Strömung aufhalten. Nach einer definierten Zeitspanne wird die Schleusenkammer unterwasserseitig mittels eines elektrischen Schiebers geschlossen. In dieser Betriebsphase sind die Fische nun eingeschlossen. In weiterer Folge erfolgt der Druckausgleich auf behutsame Weise. „Hier am Standort haben wir 5 Meter Fallhöhe. Würde man den oberwasserseitigen Schieber einfach aufmachen, wäre die augenblickliche Druckbelastung für die Fische zu groß“, erklärt Projektleiter David Hirtreiter. Zudem sind die Fische vor einer Schädigung an den unabdingbaren Feinrechen durch minimale Anströmgeschwindigkeiten von circa 0,3 m/s sowie durch sehr geringe Stababstände geschützt. Nach erfolgtem Druckausgleich wird der oberwasserseitige Schieber geöffnet, sodass das Wasser in Richtung Unterbecken fließen kann. Dass sich bei diesem Vorgang sowohl aufstiegs- wie abstiegswillige Fische in die Quere kommen könnten, stellt laut Jochen Zehender kein Problem dar: „In der Natur finden derartige Begegnungen ja auch statt.“ Ein wichtiges Kriterium für die Akzeptanz der Fischschleuse hängt mit deren Belichtung zusammen. Wie das fischökologische Monitoring beim Pilotstandort der Kraftwerk am Höllenstein AG gezeigt hat, zeigen die Fische bei optimal positionierten Lichtelementen in der Schleuse ein deutlich verbessertes Wanderverhalten. Im neuen Schleusensystem an der Eixendorfer Vorsperre wurden bereits mehrere Bullaugen als Lichteinlässe integriert.
Sensible Sprengarbeiten
Nachdem die LaKW das Projekt 2020 eingereicht hatte, dauerte es noch rund 1,5 Jahre, bis im Januar 2022 die behördlichen Genehmigungen dafür vorlagen. Im Zuge einer öffentlichen Ausschreibung konnte sich das Bauunternehmen Pfaffinger Bau mit Sitz in Passau den Auftrag über den Erd- und Massivbau sichern, während die Firma F.EE, Spezialist für Wasserkraft und Industrieautomation aus dem nahen Neunburg vorm Wald, für die gesamte stahlwasserbauliche Ausrüstung sowie die Auto- mations- und Leittechnik verantwortlich zeichnete. Beide Aufträge waren durchaus mit spannenden Herausforderungen verbunden, so mancher Arbeitsschritt an dem Prototypenprojekt erforderte viel Flexibilität und Know-how. Im Juni letzten Jahres fiel der Startschuss für die Bauarbeiten. „Das Knifflige an dem Bauvorhaben war, dass das Bauwerk hier auf massivem Felsuntergrund errichtet werden musste. Aus diesem Grund hat die Firma Pfaffinger den Fels aufgesprengt. Das war aufwändig, da die Sprengungen das direkt angrenzende Kraftwerk nicht gefährden durften. Unter penibler Schwingungsüberwachung hat das aber sehr gut funktioniert“, erinnert sich Planer David Hirtreiter. Als kaum weniger aufwändig gestaltete sich die Kernbohrung durch die 3,5 m dicke Schwergewichtsmauer der Vorsperre. Um die Stahlrohre vom Oberwasser her durch das massive Betonbauwerk zu führen, war dieser Aufwand unumgänglich. „Zu diesem Zweck hat die Baufirma eine Art Stahlkasten an der Sperrenwand abgesenkt und an diese geflanscht, danach wurde der Behälter ausgepumpt, sodass die Bohrarbeiten im Trockenen durchgeführt werden konnten“, erklärt der Geschäftsführer der LaKW und streut der Baufirma Rosen: „Nach circa einer Woche traf die Bohrung punktgenau auf die andere Seite. Die Baufirma Pfaffinger hat da wirklich sehr gute Arbeit geleistet.“
Kompetenzbeweis in Sachen Anlagenbau
Das komplexe Schleusensystem mit zahlreichen Krümmern, Schiebern, Rechenkästen und Lockströmungsrohren stellte für das auf Anlagentechnik, Automatisierung und Software spezialisierte Unternehmen F.EE durchaus eine gewisse Herausforderung dar. Gerade das Handling und die Montage der kleinen Passstücke sollte sich als schwierig erweisen. „Wir haben die Bauteile, also unter anderem Rohrstücke der Dimension DN1000, bei uns in der Firma vorgefertigt, genutet, lackiert und beschichtet. Zusammengebaut wurden sie letztlich erst in der Schleusenkammer selbst, das Einbringen größerer Bauteile war aufgrund der beengten Platzverhältnisse nicht möglich“, erläutert Stefan Strasser, Projektleiter bei F.EE die wesentlichen Arbeitsschritte. In das gesamte Stahlrohrsystem wurde am Grund ein Sohlsubstrat eingebracht. Auch was die Elektro- und Leittechnik anbelangt, konnten Stefan Strasser und das F.EE- Team ihre Kompetenz voll unter Beweis stellen. Von der Elektroplanung über den Schaltschrankbau und die Fertigung bis hin zur Programmierung leistete die Mannschaft von F.EE ganze Arbeit. „Wir haben vor vier Jahren auch die Leittechnik für das bewegliche Kraftwerk gemacht. In dieses System, basierend auf Siemens-Komponenten, haben wir nun auch die Visualisierung und Steuerung der Druckkammer-Schleuse über eine LWL-Leitung eingebunden“, so der Projektleiter von F.EE. Zu Redundanzzwecken wurde die gesamte Elektrotechnik Batterie gepuffert ausgelegt, sodass auch bei einem Stromausfall die elektrischen AUMA-Antriebe der Hauptschieber bedienbar sind und die Notbeleuchtung funktioniert. Sämtliche relevanten Daten über Betriebszustände, Pegelstände etc. können ganz einfach über eine Steuerung abgerufen werden, die sowohl vor Ort als auch über ein Tablet aus der Ferne bedienbar ist. Gerade für F.EE ein sehr interessanter Auftrag, für den man sämtliche Kompetenzen im eigenen Haus aufbieten konnte.
Anpassungen unabdingbar
Zum Zeitpunkt zweite Septemberhälfte sind die wesentlichen Arbeiten an der innovativen Fischschleuse an der Vorsperre Eixendorf nahezu komplett abgeschlossen. In 4 bis 6 Wochen soll, wenn alles weiterhin planmäßig verläuft, das erste Mal Wasser durch das Schleusensystem laufen. In der folgenden Probephase sollen dann in Abstimmung mit den Programmierern von F.EE allfällige Anpassungen vorgenommen werden. Funktionell werde es diese Anpassungen sicher noch brauchen, betont Jochen Zehender, schließlich sei auch eine Adaptierung der Schaltzyklen an das Wanderverhalten der Fische noch von ersten Betriebserfahrungen abhängig.
Ein weiteres spannendes Detail des Konzepts der Schleuse betrifft die Option der möglichen Stromerzeugung. Die für die Lockströmung erforderliche Wassermenge, die bislang über einen Drosselschieber geregelt wird, könnte auch durch eine kleine Turbine energetisch genutzt werden. „Die Genehmigungen dafür liegen schon vor. Allerdings rechnen wir hier mit keiner großen Strommenge, wenn man von einer Wassermenge von maximal 300 l/s und der Fallhöhe von 5 m ausgeht. Mehr als 10 bis 12 kW sind da nicht zu erwarten. Trotzdem bleibt das eine interessante Option, die wir uns noch vorbehalten“, so Zehender.
Prototyp mit Perspektive
Gerade im Hinblick auf die relativ geringe Fallhöhe von 5 m sei der finanzielle Aufwand für die anspruchsvolle Anlagentechnik verhältnismäßig hoch, so der Geschäftsführer der LaKW. Doch eines steht für ihn außer Frage: Die Anlage kann durch ihren Pilot-charakter wertvolle Erkenntnisse liefern, die auch bei höheren Fallhöhen verwertbar sind. Speziell die kompakte Bauweise, und der Einsatz bei großen Fallhöhen und bei beengten Verhältnissen machen die Technologie der Druckkammer-Fischschleuse so interessant für zukünftige Einsatzmöglichkeiten. Mit dem Fischabstieg an der Sperre Hilpoltstein gelang es der Bayerischen Landeskraftwerke GmbH gemeinsam mit ihren Partnern in jüngster Vergangenheit eine weitere Pilotanlage dieser Art zu realisieren. Nun bleibt abzuwarten, wie sich die beiden Schleusensysteme im Praxisbetrieb bewähren. Im positiven Fall könnten sie eine sehr interessante Variante für die Herstellung der Fischdurchgängigkeit an bestehenden Querbauwerken sein.
Erschienen in zek HYDRO Ausgabe 5/2023
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