Ökologie

SAK schafft Schritt für Schritt die Fischdurchgängigkeit am Rheintaler Binnenkanal7 min read

28. August 2024, Lesedauer: 6 min

SAK schafft Schritt für Schritt die Fischdurchgängigkeit am Rheintaler Binnenkanal7 min read

Lesedauer: 6 Minuten

Bis vor wenigen Jahren stellten die drei Kleinkraftwerke Lienz, Blatten und Montlingen schwer zu überwindende Hindernisse für die Migration der Fische im Rheintaler Binnenkanal dar. Nachdem die Betreiberin der Anlagen, die St. Gallisch-Appenzellische Kraftwerke AG (SAK), 2022 bereits am Kraftwerk Lienz die Fischdurchgängigkeit nach modernsten ökologischen Richtlinien realisiert hatte, folgten im vergangenen Jahr nun die entsprechenden Anpassungen am Kraftwerk Blatten. Die neue, knapp 100 Meter lange Fischaufstiegsanlage und eine speziell entwickelte Fischabstiegsklappe ermöglichen den Gewässerbewohnern mittlerweile die Passage der Anlage in beide Richtungen. Bis Ende des Jahres soll auch noch der Umbau am Kraftwerk Montlingen erfolgen, sodass danach die komplette Durchgängigkeit des Rheintaler Binnenkanals hergestellt ist.

Kraftwerk Blatten 7_WILD METAL
An der orographisch rechten Seite des Binnenkanals wurde direkt im Anschluss an den Feinrechen der Fischabstieg mithilfe einer neuartigen Fischabstiegsklappe realisiert. Sie ist auch für größere Fischarten geeignet.
© Wild Metal

Um die Bewohner des Rheindeltas vor Hochwasser zu schützen und um die Rheintalebene zu entwässern, wurde von 1894 bis 1904 als einer von mehreren Binnenkanälen der Rheintaler Binnenkanal im schweizerisch-österreichischen Grenzgebiet errichtet. Der Kanal, der sich von der Gemeinde Sennwald bis zur Einmündung in den Alten Rhein in St. Margrethen über eine Länge von 23 Kilometer erstreckt, nimmt das Wasser zahlreicher Seitengewässer und Drainageleitungen auf und entwässert so das gesamte Gebiet zwischen Rhein und Alpstein. Bei Lienz, Blatten und Montlingen wurden damals drei Geländestufen mit je drei bis dreieinhalb Meter Höhenunterschied künstlich angelegt. „Schon während des Baus hatten die Verantwortlichen daran gedacht, diese Gefällstufen zur Stromgewinnung zu nutzen. Und im Jahr 1903 hatte der Grosse Rat des Kantons St. Gallen beschlossen, an allen drei Standorten ein Kraftwerk zu errichten“, ­schildert der zuständige Planer der Umbauprojekte, ­Dipl.­-Ing. Fernando Binder vom Planungsbüro fmb-ingenieure mit Sitz in Baar, die Entstehungshistorie der drei Kraftwerksanlagen. Ab dem Jahr 1906 war das Kraftwerks-Trio am Rheintaler Binnenkanal im Vollbetrieb und versorgte die umliegenden Rheintal-Gemeinden mit Strom. Die alten Maschinensätze hatten bis 1988 Bestand, ehe sie durch moderne Kegelrad-Rohrturbinen ersetzt wurden.

Kraftwerk Blatten_WILD METAL
Der von der Fa. Wild Metal realisierte Horizontalrechenreiniger hält
den Feinrechen über eine Länge von 22 m von Geschwemmsel frei.
© Wild Metal

Alter Fischpass funktionierte suboptimal
Alle drei Kraftwerke werden heute vom Ostschweizer Energieversorgungsunternehmen SAK betrieben, das 2016 offiziell den Auftrag vom Kanton erhielt, die Durchgängigkeit für die Fische an den Standorten gemäß der 2011 in Kraft getretenen Revision des nationalen Gewässerschutzgesetzes zu realisieren. „In der Folge gelang es uns, in enger Zusammenarbeit mit dem Bundesamt für Umwelt (BAfU) sowie dem Amt für Wasser und Energie des Kantons St. Gallen die Grundlagen für die Sanierungsprojekte auszuarbeiten. Diese wurden ab 2018 vom erfahrenen Ingenieursbüro fmb-ingenieure planerisch umgesetzt“, erzählt der Projektleiter der SAK, Martin Hersche. Er verweist auf den Umstand, dass die Kraftwerke bereits über Fischaufstiegshilfen verfügt hätten, diese aber modernen Standards nicht mehr gerecht geworden wären. „Die ursprüngliche Aufstiegslösung am Standort Blatten war als Beckenpass ausgeführt, der 1988 angelegt worden war. Im Nachhinein muss man diesen funktionell als suboptimal bezeichnen, da die Treppe für viele Arten zu steil war“, so Martin Hersche. Was den Fischabstieg anbelangt, so war das zuvor nur bei Hochwasser über die Wehranlage möglich. Welche Bedeutung diese Anpassung an moderne ökologische Kriterien hinsichtlich Fischmigration nun hat, unterstreicht Ralph Egeter, Leiter der Projektentwicklung SAK: „Der Rheintaler Binnenkanal ist ein wichtiges Gewässer für viele Fische. Hier leben 23 einheimische Fischarten – darunter auch vom Aussterben bedrohte, wie die Nase, Bitterlinge oder der Aal. Mit der nun erfolgten Sanierung können alle Fische fluss­aufwärts den Kraftwerksstandort umgehen und zudem haben sie jederzeit über die neue Fischabstiegsklappe die Möglichkeit ins Unterwasser zu gelangen.“

Kraftwerk Blatten _WILD METAL
Die neue Fischaufstiegshilfe am Kraftwerk Blatten wurde als 95 m langer, gestreckter Vertical-Slot-Pass ausgeführt.
© Wild Metal

Vertical-Slot als Ideallösung
„Gemeinsam mit unserem Planer haben wir im Vorfeld verschiedene technische Varianten für die Fischaufstiegshilfe untersucht. Letztlich hat sich für die drei Standorte am Rheintaler Binnenkanal der Vertical-Slot-Pass als optimale Variante herausgestellt“, erinnert sich Martin Hersche. Mit der Umsetzung wurde die St. Galler Betonspezialistin SAW Group beauftragt, die für die technische Aufstiegsvariante des Schlitzpasses die vorgefertigten Bauteile lieferte. „Konkret haben wir einen ca. 95 m langen Vertical-Slot-Fischpass realisiert, an dem die Pegeldifferenz zwischen den einzelnen Becken 15 cm beträgt. Die Becken selbst sind 2,25 mal 3,00 m groß und weisen eine Schlitzbreite von 35 cm auf“, geht Planer Fernando M. Binder ins Detail.  Die Lockströmung, die den Fischen das Auffinden des Einstiegs in den Fischpass erleichtert, ergibt sich aus dem Turbinenauslauf. Sie verläuft diagonal von der anderen Flussseite in Richtung der Fischaufstiegshilfe. Das finale Monitoring, das für 2025 geplant ist, wird letztlich gesichert Aufschluss darüber geben, wie gut die Fischaufstiegshilfe von den Bewohnern des Rheintaler Binnenkanals angenommen wird.

Kraftwerk Blatten 0_WILD METAL
Nach dem Kraftwerk Lienz gelang es der SAK nun auch das Kraftwerk Blatten mit einer modernen Fischauf-stiegs- und Fischabstiegshilfe auszurüsten. Seit Herbst letzten Jahres ist die Anlage nach dem erfolgten Umbau wieder in Betrieb. Ziel ist es, dass der Rheintaler Binnenkanal bis Ende 2024 vollständig fischdurchgängig wird.
© Wild Metal

Neuartige Fischabstiegshilfe
Eine komplette Novität für das Kraftwerk Blatten und die tierischen Bewohner des Rheintaler Binnenkanals ist die nun integrierte Fischabstiegshilfe, die zugleich generell eine Neuentwicklung darstellt. Fernando M. Binder vom Planungsbüro fmb-ingenieure: „Die Fischabstiegsklappe wurde in dieser Form neu von uns entwickelt und im Modellversuch getestet. Danach wurde sie in mustergültiger Weise vom Südtiroler Stahlwasser- und Maschinenbauspezialisten Wild Metal gefertigt und installiert.“ Es handelt sich um eine permanent überströmte, in halber Trichterform ausgeführte Klappe, die von ihrer Dimension her auch größeren Fischen den Abstieg ins Unterwasser ermöglicht. Sie wurde am Ende des ebenfalls neu eingebauten Horizontalrechens angelegt, sodass die Fische mit der Strömung ganz einfach zur Klappe gelangen können. Über die Fischabstiegsklappe wird auch das von der Rechenreinigungsmaschine ­entfernte Geschwemmsel abgeführt. Beim Reini­gungs­vorgang wird die Klappe etwas abgesenkt, um den Abfluss und die Strömungsgeschwindigkeit zu erhöhen. Dadurch wird das Geschwemmsel zuverlässig über die Fischabstiegsklappe abgeführt. Im Zuge der Umbauarbeiten für die Fischmigration wurde zugleich auch die stahlwasserbauliche Ausrüstung komplett erneuert. Der Auftrag darüber wurde an die Branchenspezialisten von Wild Metal vergeben, die einmal mehr in der Schweiz ihre Kompetenz unter Beweis stellen konnten. Neben der erwähnten Fischabstiegsklappe lieferten die Südtiroler die neue 7 m breite Stauklappe, den fast 22 m langen Horizontalrechen mit 15 mm Stabweite und die dazugehörige Rechenreinigungsmaschine, sowie den 6 m breiten Einlaufschütz. Während Klappen und Schütze ölhydraulisch angetrieben sind, erfolgt der Antrieb der Rechenreinigungsmaschine elektromechanisch.

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Die Umbauphase nutzte die SAK, um auch den Maschinensatz einer Sanierung zu unterziehen. Die Kegelrad-Rohrturbine ist bei 13,5 m3/s und 4,27 m Fallhöhe auf eine Engpassleistung von 400 kW ausgelegt.
© SAK

Zeit für Turbinensanierung genutzt
Die geplante Stillstandszeit des Kraftwerks nutzte die SAK auch, um dessen elektromechanische Ausrüstung wieder auf Vordermann zu bringen. Zu diesem Zweck wurde die Kegelrad-Rohrturbine von 1988 ausgebaut und generalüberholt. „Nachdem wir die Turbine ausgebaut hatten, wurde im Maschinenraum ein Leerrohr installiert. Auf diese Weise haben wir das Wasser durch das Kraftwerksgebäude geleitet. Der vollautomatisierte Einlaufschütz wurde für die Wasserstandsregelung eingesetzt“, erinnert sich Projektleiter Martin Hersche. Die frisch sanierte Kaplan-Rohrturbine ist auf eine Ausbauwassermenge von 13,5 m3/s ausgelegt und erreicht bei der Fallhöhe von 4,27 m eine Ausbauleistung von 400 kW. Im Regeljahr liefert der Maschinensatz rund 1,7 GWh sauberen Strom.

Volle Durchgängigkeit Ende 2024
Im Herbst 2023 wurden die Sanierungs- und Umbauarbeiten am Wasserkraftwerk Blatten am Rheintaler Binnenkanal abgeschlossen. In Summe beliefen sich die Kosten für die Sanierung der Fischdurchgängigkeit auf rund 3.5 Mio. CHF, die zur Gänze vom Bund finanziert wurden. Nachdem zuvor bereits 2022 am Oberlieger-Kraftwerk Lienz die Fischdurchgängigkeit hergestellt wurde, wird nun am Umbau des dritten Binnenkanal-Kraftwerks, dem KW Montlingen, gearbeitet. Wenn alles planmäßig verläuft, sollen die Arbeiten bis Ende dieses Jahres abgeschlossen sein. „Danach werden die Fische im Binnenkanal durchgängig in beide Richtungen wandern können“, erklärt Ralph Egeter. Ein echter Meilenstein in der Geschichte des Rheintaler Binnenkanals. Das Monitoring, das für 2025 geplant ist, wird letztlich zeigen, wie gut die barrierefreie Migration für die Gewässerbewohner funktioniert.

Erschienen in zek HYDRO Ausgabe 2/2024

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