Wasserrahmenrichtlinie: Überzogene Ökologisierung verschlingt Millionen7 min read
Lesedauer: 5 MinutenIn den vergangenen Jahren haben sich die Rahmenbedingungen für die Stromerzeugung massiv geändert und erneuerbare Energien in den Mittelpunkt gerückt.
Speziell der Wasserkraft kommt bei der Bewältigung der Energiezukunft eine zentrale Rolle als tragende Säule des Gesamtsystems zu. Gleichzeitig wird der Durchgängigkeit von Flüssen für Fische, Krebse und andere Wasserlebewesen für den ökologischen Zustand von Fließgewässern besondere Bedeutung zugemessen. Entsprechend wird in der österreichischen Ausführung der Wasserrahmenrichtlinie vorgeschrieben, wie dieses Ziel beispielsweise im Bereich von Wehranlagen und Wasserkraftwerken umgesetzt werden muss. Um diese Wandermöglichkeit u.a. für Fische herzustellen, hat die Energie AG in den vergangenen Monaten bereits viele Projekte in Angriff genommen und umgesetzt. In den kommenden Jahren stehen weitere Maßnahmen an, die insgesamt dann 13 Millionen Euro kosten werden. Die ökologischen und ökonomischen Interessen sind dabei aber nur mehr schwer auf einen Nenner zu bringen.
Die Wasserrahmenrichtlinie (WRRL) der EU und die entsprechende Umsetzung im österreichischen Wasserrechtsgesetz fordern, die Wasserqualität in den Fließgewässern zu verbessern und die durchgängige Passierbarkeit für Wasserlebewesen herzustellen. Während der ökologische Zustand der Gewässer in Österreich als gut gilt, sieht der Gesetzgeber die Notwendigkeit, im Bereich von Kraftwerken oder Wehranlagen, aber auch in Mündungsbereichen von Nebengewässern, die Passierbarkeit für Fische und sonstige Wasserorganismen herzustellen. Die Umsetzung dieser Vorgaben hat massive Auswirkungen auf die saubere und umweltfreundliche Stromerzeugung aus Wasserkraft in ganz Österreich und wird diese nachhaltig beeinträchtigen und schwächen.
Augenmaß, Hausverstand und Gesamtheit bei der Gesetzgebung beachten
Fakt ist, dass die Möglichkeit einer derartigen Passierbarkeit bei der Errichtung der Wasserkraftwerke lange Zeit nur eine untergeordnete Rolle gespielt hat. „Wir bekennen uns dazu, die Energie unserer Umwelt in Form der Wasserkraft zu nutzen“, sagt Energie AG-Generaldirektor Leo Windtner und stellt klar: „Wir sind uns aber auch unserer ökologischen Verantwortung bewusst.“ Wie alle österreichischen Unternehmen der E-Wirtschaft fordert Windtner aber „Augenmaß und Hausverstand“ bei der Gesetzgebung und eine ganzheitliche Betrachtung im Gesetzgebungsprozess: Mit der Umsetzung der WRRL und der zweiten Auflage des nationalen Gewässerbewirtschaftungsplans „NGP-2“ droht dem Gesamtsystem Wasserkraft das Gleichgewicht zwischen Gewässerökologie, Naturschutz, Umweltschutz und sozioökonomischen Ansprüchen verloren zu gehen.
„Lösungen mit Augenmaß und Hausverstand heißt, dass Wasserkraft nicht ausschließlich als Belastung der Umwelt und Gewässerökologie gesehen werden darf, sondern auch die Vorzüge der erneuerbaren, CO2-freien und nachhaltigen Stromerzeugung aus Wasserkraft und ihre Bedeutung bei der Erreichung der rot-weiß-roten Energieziele berücksichtigt werden müssen“, sagt Windtner. Entsprechend müssen die Ziel- und Strategievorgaben auf europäischer und nationaler Ebene abgeglichen und dann Nutzungskonflikte gelöst werden. Es sind dies Hochwasserschutz, Urbanisierung, Wildbachverbauung, Geschieberückhaltemaßnahmen, Landwirtschaft, Klimaschutz, Fischereibewirtschaftung, Naturschutz, Schifffahrt, Tourismus und natürlich auch die energiepolitischen Ziele sowie die Versorgungssicherheit. „Die Nutzung der Wasserkraft ist zentraler Baustein der Energieversorgung in Österreich und zwingend für das Erreichen der nationalen Klimaschutzziele erforderlich. Elektrischer Strom aus Wasserkraft ist gelebter Umwelt- und Klimaschutz“, stellt Windtner fest.
Umsetzung vernichtet Strom für
mehr als eine halbe Million Haushalte
Windtner, zugleich auch Vizepräsident von Oesterreichs Energie, der Interessensvertretung der österreichischen E-Wirtschaft, stellt im Namen der Mitgliedsunternehmen fest, dass österreichweit bisher für die Umsetzung der WRRL Investitionen schon bis jetzt rund 150 Millionen Euro getätigt und im Bereich der größeren Wasserkraft im Ausmaß von rund 200 GWh pro Jahr in Kauf genommen (das entspricht dem Jahresstrombedarf von rund 60.000 Haushalten, die Verluste bei Kleinwasserkraftwerken sind nicht eingerechnet) wurden. Insgesamt droht der heimischen Stromversorgung aber ein Gesamtverlust im Ausmaß von 1.800 GWh, was dem Jahresstromverbrauch von mehr als einer halben Million Haushalten entspricht. Dabei würden auch Umbaukosten von bis zu von 400 Millionen Euro entstehen.
Derzeit wird die Gesetzgebung unter der gewässerökologischen Zielorientierung allerdings einseitig vorangetrieben und dem Nutzen der Wasserkraft nicht Rechnung getragen. Entsprechend fordert die Energie AG abgestimmt mit den anderen EVUs wie die Interessensvertretung „Oesterreichs Energie“:
• eine ausgewogene Beachtung der verschiedenen Nutzungsarten der Fließgewässer und entsprechend abgestimmte Zielvorgaben
• Anerkennung der Einzelfallbeurteilung sowohl bezüglich der technischen und wirtschaftlichen Parameter von Wasserkraftanlagen als auch deren Umweltauswirkungen
• Berücksichtigung strategischer Planungen von Bund und Ländern unter Einbeziehung der Wasserkraftunternehmen
• Berücksichtigung der Kostenbelastungen unter der Berücksichtigung des radikalen Umbruchs am Strommarkt
• Ausnahmemöglichkeiten, wenn sich zeigt, dass ökologische Maßnahmen zu unverhältnismäßig negativen energie- oder volkswirtschaftlichen Auswirkungen führen würden
• Berücksichtigung des gegebenen Forschungsbedarfs
• keine Vorschreibung von Maßnahmen ohne den Nachweis einer wissenschaftlichen Begründung und der technisch-wirtschaftlichen Machbarkeit, insbesondere bei den Themen Fischschutz, Fischabstieg, Schwall- und Sunkerscheinungen
Für die Wasserkraftunternehmen wie die Energie AG haben die Gesetzesvorgaben erhebliche Auswirkungen, sowohl hinsichtlich finanzieller Aufwendungen als auch erzeugungstechnisch. „Alleine bei unseren Wasserkraftwerken sprechen wir von Gesamtkosten von ca. 13 Millionen Euro, die uns durch die Umsetzung der Wasserrahmenrichtlinie entstehen können“, stellt Windtner fest. Noch bedeutender ist allerdings die durch die Maßnahmen entstehende jährliche Mindererzeugung: Alleine bei den Kraftwerken der Energie AG macht das schon jetzt 3,8 GWh aus und kann bis zu 42 GWh erreichen. Diese Strommenge entspricht dem Jahresdurchschnittsverbrauch von rund 12.000 Haushalten. Zum Vergleich: Das neue Wasserkraftwerk in Bad Goisern wird pro Jahr rund 3.700 Haushalte versorgen können – es kann nicht einmal ein Drittel des entstehenden Erzeugungsverlusts gedeckt werden!
„Dass wertvoller und sauberer, erneuerbarer Strom aus Wasserkraft vernichtet wird, der eigentlich wichtiger Bestandteil für den Umbau des Energiesystems der Zukunft ist, kann den Menschen nur schwer vermittelt werden“, sagt Windtner.
Wasserkraftnutzung als zentrale Stütze des Generationenvertrages
Die Energie AG hat in den vergangenen Jahren bereits zahlreiche Projekte nach den Vorgaben des NGP umgesetzt und weitere in Vorbereitung. „Wir setzen entsprechend dieser Vorgaben die Herstellung der Durchgängigkeit, eine ausreichende Restwasserdotierung und die Verbesserung der Gewässerstruktur um. Dazu bekennen wir uns und das ist im Sinne des Generationenvertrages auch eine wichtige Maßnahme“, erklärt Energie AG-Technikvorstand Werner Steinecker.
Parallel dazu ist auch der Widerspruch zu den EU-Energiezielen für 2030 sowie den in der Weltklimakonferenz vereinbarten Ziele zur Bekämpfung des Klimawandels zu sehen: „Wir können nicht auf der einen Seite Klimaschutzziele vorgeben, die sich auf die CO2-arme Technologien fokussieren und gleichzeitig die sauberste Stromerzeugung aus Wasserkraft derart einschränken, dass die geforderten Ziele unerreichbar werden“, stellt Steinecker fest. Die Energie AG sehe sich als Teil der von Oesterreichs Energie präsentierten Stromstrategie für Österreich bis 2030, die zum Kern einer Energiestrategie für die kommenden Jahrzehnte werden könnte: „Mit der Strategie Empowering Austria können wir einen maßgeblichen Beitrag zur Reduzierung der CO2-Emissionen leisten, wenn die Nutzung erneuerbarer Energien wie der Wasserkraft nicht überbordend eingeschränkt wird“, sagt Steinecker.
Aus wissenschaftlichen Untersuchungen des ökologischen Gewässerzustands geht hervor, dass in den vergangenen Jahrzehnten ein stetiger Rückgang der natürlichen Fischbestände zu verzeichnen war. Eine Maßnahme um diesen Rückgang zu stoppen kann sein, die Bedingungen für die natürliche Reproduktion der heimischen Fischarten wieder zu begünstigen. Dazu zählt u.a. auch die fischpassierbare Anbindung von Nebengewässern. Diese sind als Laichgewässer und als Lebensraum für Jungfische bedeutend. Ein Musterbeispiel dafür ist die fischpassierbare Anbindung des Sipbaches an die Traun im Bereich des Kraftwerkes Traun-Pucking nach dem neuesten Wissensstand. Genauso müssen auch potenzielle Laichgebiete im Hauptfluss für ausgewachsene Fische erreichbar sein. Das ist der Grund für den Bau von Fischaufstiegshilfen an den Wehranlagen. Beim KW Marchtrenk wurde für diesen Zweck auch ein Altarm der Traun adaptiert.
Millionenausgaben bei Kraftwerken sorgen für weniger Stromertrag
Maßnahmen, die sich nachweislich positiv auf die Natur auswirken, werden seitens der Energie AG seit jeher forciert und auch bereits umgesetzt. Um bei der Vielzahl der ökologischen Anforderungen aber auch die richtigen Maßnahmen zu setzen, sind in vielen Bereichen noch weitere Forschungen notwendig. Die Energie AG unterstützt daher proaktiv auch Forschungsvorhaben, die nach effizienten Lösungen suchen und dabei speziell auch die Auswirkungen auf die Stromerzeugung berücksichtigen (z.B. Fischlift beim Kraftwerk Gmunden). „Unser Ziel ist es, dass jene Maßnahmen umgesetzt werden, die den größten Nutzen für die Natur haben und gleichzeitig die geringsten Einbußen bei der Stromerzeugung mit sich bringen“, stellt Steinecker klar.
Die Gesamtkosten für die Umsetzung der verschiedenen Maßnahmen und weiterführende Studien belaufen sich voraussichtlich auf ca. 10 Millionen Euro. Die Mindererzeugung durch die notwendige Wasserdotation der Fischaufstiege sowie von Ausleitungsstrecken werden bis zum Jahr 2020 ca. 15 Millionen kWh pro Jahr erreichen, was einem Durchschnittsverbrauch von rund 4.200 Haushalten entspricht.
Laut NGP sind sogar noch weitere ökologische Verbesserungsmaßnahmen angedacht, die derzeit noch nicht quantifizierbar sind, jedenfalls aber mit zusätzlichen hohen Kosten und noch zusätzlichen, empfindlichen Mindererzeugungen verbunden sein können. „Strom aus Wasserkraft ist Österreichs günstigste Möglichkeit, um die Energieziele 20-20-20 zu schaffen. Darauf müssen die Maßnahmenprogramme zur Verbesserung der Gewässerökologie Rücksicht nehmen“, schärft Steinecker die Forderung nach gemäßigten Umsetzungsvorgaben.
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