Aufgalopp für Sill-Kraftwerk Mühlen13 min read
Lesedauer: 8 MinutenNach gut anderthalbjähriger Bauzeit haben die Maschinen im neuen Wasserkraftwerk Mühlen der IKB (Innsbrucker Kommunalbetriebe) im Juni 2012 den Erstkontakt mit dem Wasser der Sill erfolgreich hinter sich gebracht. Die Anlage, die sich im Tiroler Wipptal über vier Gemeinden erstreckt und die einen Ersatzbau für zwei Altanlagen darstellt, wird im Jahr rund 11 Millionen kWh erzeugen. Das Herz der Anlage bilden drei Francis-Spiralturbinen vom Haller Turbinenspezialisten Geppert. Einmal im Regelbetrieb zählt das Kraftwerk Mühlen zu den größeren Anlagen im Kraftwerkspark der IKB. Aktuell laufen noch Restarbeiten am und im Umfeld des Kraftwerks.
Die alten Sill-Kraftwerke im früheren
Privatbesitz wiesen massiven Verbesserungsbedarf
auf, als die IKB die Anlagen
vor einigen Jahren erwarb. „Letztmalige
Vorkehrungen“ waren von Behördenseite
vorgeschrieben – ein untrügliches Indiz dafür,
dass akuter Handlungsbedarf bestand. „Als
sinnvollste Lösung stellte sich für uns letztlich
nur ein Neubau dar, der in weiterer Folge der
Überlegungen in ein einstufiges Nutzungskonzept
mündete“, erklärt der Projektleiter
der IKB DI Bernhard Quinger.
Bei der Anlage handelt es sich um ein
Niederdruckkraftwerk, welches Wasser aus der
Sill bis zu einem Ausbaudurchfluss von 13 m3/s
nutzt. An einer Wehranlage, ausgeführt mit
Schlauchwehr, einer Fischaufstiegshilfe und
einer Wasserkraftschnecke, wird das Triebwasser
über eine seitliche Entnahme weiter
durch das dreikammerige Entsanderbauwerk
geführt. Durch eine Druckrohrleitung aus
GF-UP Rohren der Firma Amitech mit der
beachtlichen Dimension von DN2600 wird
es über eine Gesamtlänge von rund 1.850
Meter bis zum neuen Maschinenhaus geleitet.
Dabei überwindet das Triebwasser eine
Bruttofallhöhe von 20,7 Meter. Drei Maschinensätze
im neuen Krafthaus verwandeln
höchst effizient die Kraft der Sill in elektrischen
Strom. Dieser wird ins Netz der
TIWAG in Pfons eingespeist.
AUF DER SUCHE NACH KRIEGSRELIKTEN
Der Startschuss für die ersten Arbeiten fiel im
Herbst 2010, als man daran ging, die alten
Industrie-Ruinen an der Sill, als die sich die
Alt-Kraftwerke darstellten, abzureißen. Die
eigentlichen Arbeiten am Kraftwerksbau wurden
im Dezember 2010 aufgenommen. Die
Einrichtung der Baustelle und die Herstellung
der Baustraßen erfolgten als erster
Schritt im Bauablauf, der von einigen
Bedenken überschattet wurde. „Den Trefferplänen
zufolge war mit dem Vorhandensein
von Kriegsrelikten im Bereich des neuen
Krafthauses zu rechnen gewesen. Die alliierten
Luftstreitkräfte hatten zwischen Jänner
und April 1945 über 1.200 Bomben über
dem Gebiet zwischen Matrei und dem Brenner
abgeworfen. Das Ziel war die Zerstörung
von Brücken und Eisenbahnverbindung.
Dass wir im Baubereich auf sprengfähiges
Kriegsrelikt stoßen könnten, war somit keineswegs
ausgeschlossen. Aus diesem Grund
Nach gut anderthalbjähriger Bauzeit haben die Maschinen im neuen Wasserkraftwerk Mühlen der IKB (Innsbrucker
Kommunalbetriebe) kürzlich den Erstkontakt mit dem Wasser der Sill erfolgreich hinter sich gebracht. Die Anlage, die sich im
Tiroler Wipptal über vier Gemeinden erstreckt und die einen Ersatzbau für zwei Altanlagen darstellt, wird im Jahr rund 11
Millionen kWh erzeugen. Das Herz der Anlage bilden drei Francis-Spiralturbinen vom Haller Turbinenspezialisten Geppert.
Einmal im Regelbetrieb zählt das Kraftwerk Mühlen zu den größeren Anlagen im Kraftwerkspark der IKB. Aktuell laufen noch
Restarbeiten am und im Umfeld des Kraftwerks.
D
Die Wasserfassung des neuen Kraftwerks Mühlen an
der Sill. Unmittelbar danach mündet der Navisbach in die
Sill. Zusammen mit der vorgegebenen Restwasserdotation ist für
eine ausreichende Wasserführung im Bett unterhalb der Fassung gesorgt.
AUFGALOPP FÜR SILL-KRAFTWERK MÜHLEN
wurden von einer Spezialfirma Vorsondierungen
durchgeführt, die am Ende glücklicherweise
aber nur Bombensplitter zu Tage
förderten“, erzählt Bernhard Quinger. Es sollte
nicht die letzte Beschäftigung mit
Kriegsrelikten im Rahmen der Kraftwerksrealisierung
bleiben.
SONDERLÖSUNG IM FASSUNGSBEREICH
Ein wesentliches Kriterium für den Erfolg des
Projekts war die Einhaltung des engen
Zeitplans, der sich einerseits durch die
Koordinierung mit den parallel laufenden
Hochwasserschutzarbeiten an der Sill sowie
anderseits durch die erforderliche Nutzung
der Niederwasserperioden ergab. Ab Jänner
2011 nahmen die beauftragten Baufirmen
zeitgleich die Arbeiten am Krafthaus, der
Wehranlage sowie an Teilen der Druckrohrleitung
auf. Es galt, bis Ende April 2011 die
Arbeiten im Sillbett abzuschließen. Bis dahin
musste der volle Gerinnequerschnitt wieder
freigegeben werden und die Baustellenbereiche
hochwassersicher sein.
„Im Vorfeld kam erschwerend hinzu, dass wir
ein Grundstück im Bereich der Wasserfassung,
das uns zuvor zugesichert worden war, am Ende doch nicht erwerben konnten. Das Unangenehme
daran: Der Navisbach mündet genau in diesem Abschnitt in
die Sill – und nach dem Kraftwerkskonzept war eine Nutzung
des Navisbachs nicht vorgesehen und auch nicht gewünscht.
Da die Wehranlage nun weiter nach flussabwärts ‚rutschte’,
musste der Navisbach in der Bauphase verlegt werden, um
einen speziellen Düker bauen zu können. Dieser Düker unterquert
nun den Mündungsbereich des Navisbachs in die Sill“,
erklärt der Projektleiter der IKB.
Auch die Sill musste zu dieser Zeit umgeleitet werden.
Nachdem die Betonbauarbeiten an der Wehranlage im April
2011 abgeschlossen waren, konnte sie wieder in ihr altes Flussbett
rückgeleitet werden.
Da die Sill vergleichsweise große Mengen an Sedimentfracht
führt, war der Bau eines großzügig dimensionierten Sandfangs
durchaus von Bedeutung. Ausgelegt auf die Ausbauwassermenge
von 13 m3/s wurde ein Dreikammer-Entsander errichtet,
der eine Reduzierung der Korngröße im Triebwasser bis auf
maximal 0,9 mm garantieren soll. Vor dem Eintritt in die
Druckrohrleitung wurde ein Feinrechen installiert, dessen
Querschnitt durch Rückspülungen laufend freigehalten werden soll. Der
Feinrechen stammt – wie der gesamte Stahlwasserbau – von der Firma GMT
aus dem Salzburger Kuchl, die sich in den letzten Jahren einen ausgezeichneten
Ruf im Stahlwasserbau für Wasserkraftwerke erarbeitet hat.
SCHLAUCHWEHR ÜBERZEUGT AUF GANZER LINIE
Den markantesten Bauteil an der neuen Wasserfassung stellt das Schlauchwehr
mit einer flexiblen Höhe von 3,20 m dar, welches vom oberösterreichischen
Hersteller Hydroconstruct aus Steyr geliefert wurde. „Es handelt sich um ein
wassergefülltes Schlauchwehr mit 300 m3 Füllvolumen, das sich durch seine
Flexibiliät und seine extreme Widerstandsfähigkeit auszeichnet“, erläutert
Quinger, der sich von der Technik überzeugt gibt.
Eine Vielzahl an Referenzanlagen in und außerhalb von Österreich gibt ihm
dabei Recht. Die Wasserfüllung in dem Schlauch dient der einfachen, stufenlosen
Regulierbarkeit der Anlage. Über einen Regulierschacht wird nach
Bedarf die Höhe des Wehrs an die Wasserführung angepasst. Die Anlage arbeitet
natürlich vollautomatisch, die Wartungsaufwände sind sehr gering, die
Betriebssicherheit hingegen sehr hoch. Weder Eisschollen, noch Baumstämme
stellen ein Problem dar. Mit Mühlen bei Matrei gibt es nun an der Sill bereits
das dritte Schlauchwehr von Hydroconstruct, zwei weitere befinden sich im Ortsgebiet von Steinach. Quinger: „Die Mon –
tagearbeiten waren für das Montageteam
allerdings sehr hart: Das Schlauchwehr wurde
im Februar dieses Jahres bei geradezu arktischen
Temperaturen installiert. Gearbei tet
wurde auf einer durchgehenden Eisfläche.
Trotzdem hat alles sehr gut funktioniert.“
STROM AUS DEM DOTIERWASSER
An der Wasserfassung wurde an der orographisch
linken Seite eine Fischaufstiegshilfe in
Form eines Vertikal Slot Passes angelegt, der
im Regelfall mit 130 l/s dotiert wird. Das Gros
der für die Wintermonate vorgeschriebenen
Restwassermenge, wird über eine, direkt an der
Wehranlage installierten Wasserkraft-schnecke
abgeführt. Diese ist auf einen Durchfluss von
1.000 l/s ausgelegt und er-reicht dabei eine
Leistung von 21 kW. Die „Schnecke“ bringe
zwar keine ausgesprochen großen Stromertrag,
sei aber unter dem Gesichtspunkt zu sehen,
dass man auch das Dotierwasser bestmöglich
nutzen – und somit den Gesamtwirkungsgrad
der Anlage optimieren wollte, so der
Projektleiter.
Im Hinblick auf einen langjährigen, sicheren
Betrieb schenkten die Planer des Kraftwerks
unter anderem auch der Wahl des eingesetzten
Betons erhöhte Aufmerksamkeit.
Quinger: „Für die Sohlplatte, für die Wehranlage
mit dem Tosbecken und für den
Düker haben wir ganz spezielle Betonrezepte
verwendet, um eine maximale Widerstandsfähigkeit
gegen Abrasion zu erreichen.“ GF-UP-LEITUNG IN REKORD-DIMENSIONEN
Ausgezeichnete Abrasionsbeständigkeit ist
eine Eigenschaft, welche auch moderne GFUP-
Rohre auszeichnet, wie sie für das neue
Kraftwerk Mühlen eingesetzt wurden. Konkret
vertrauten die Projektbetreiber der
Qualität der FLOWTITE GFK Wickelrohre,
hergestellt von AMITECH Germany, die
über eine Trassenlänge von 1.850 m verlegt
wurden. Mit der lichten Weite von DN2600
erreichte die Druckrohrleitung Dimensionen
wie bislang nur ganz wenige in Österreich realisierte
Leitungen für Wasserkraftwerke.
Geliefert wurden die Rohre von der Firma
Etertec, die die Generalvertretung von
Amitech Germany in Österreich inne hat.
Für den Einsatz der FLOWTITE GFK
Wickelrohre sprachen gleich mehrere Punkte.
Laut Angaben des Herstellers erlaubt das vergleichsweise
geringe Materialgewicht ein einfaches
Handling, das schnelle Verlegezeiten
garantiert. Zum anderen eignen sich die konstanten
Eigenschaften des Materials unter
allen Temperaturen, die extrem glatte Oberfläche,
die Beständigkeit gegen Korrosion
oder etwa auch gegen UV optimal für den
Einsatz in der Wasserkraft. Hinzu kommt
auch das Argument, dass – wie man bei
Amitech betont – Rohrleitungen aus GF-UP
eine höhere Toleranz gegen Druckschlag mitbringen.
Im Fall der eingesetzten FLOWTITE
Rohre von Amitech Germany liegt diese
bei etwa 40 Prozent des Nenndrucks.
SPUREN DES „BAYERISCHEN RUMMELS“
Im Februar letzten Jahres zogen erneut dunkle
Wolken über dem Bauvorhaben an der
Sill auf. Bei Grabungsarbeiten in der Baugrube der Druckrohrleitung in der Nähe des
Maschinenhauses wurden Überreste menschlicher
Skelette gefunden. Schnell war klar,
dass die Knochen älteren Ursprungs sein
mussten. Als dann gut erhaltene Teile von
Uniformen entdeckt wurden, konnten die
Archäologen den Fund zweifelsfrei dem
„Bayerischen Rummel“ zuordnen, einer militärischen
Auseinandersetzung im Jahr 1703,
bei der bayerische Truppen im Zuge des
Spanischen Erbfolgekrieges in Tirol eingefallen
waren. Der Brenner zählte zu jenen
Orten, an denen die bayerischen Truppen
zurückgeschlagen werden konnten.
Die Gemeinde Pfons hatte danach angekündigt,
man wolle die sterblichen Überreste
würdevoll beisetzen lassen – und mit einer
Gedenktafel an den Fund und die historischen
Ereignisse erinnern.
Für den Kraftwerksbau selbst zogen die
Funde jedoch keine nennenswerten Verzögerungen
nach sich. Quinger: „Die Zusammenarbeit
mit den Archäologen gestaltete
sich sehr gut. Diese gingen sehr zügig an die
Sicherungen und die Grabungen – und nach erfolgter Zuordnung wurde die Baugrube
prompt wieder freigegeben.“ Im Sommer
letzten Jahres wurden schließlich die Rohbauarbeiten
am Krafthaus abgeschlossen.
ÄNDERUNG: FRANCIS STATT KAPLAN
Im Zuge der Ausschreibungsplanung, die
ebenso wie die Ausführungsplanung von der
ILF Beratende Ingenieure ZT GmbH aus
Rum bei Innsbruck erarbeitet wurde, konnte
noch so manche Optimierung vorgenommen
werden. Das traf auch auf das Variantenstudium
bei der Wahl der Turbinen zu. „Ursprünglich
waren zwei baugleiche, doppelt
regulierte Kaplanturbinen mit vertikaler Welle
vorgesehen. Nachdem von der Firma Geppert
eine Variante mit Francisturbinen vorgelegt
wurde, zeigte sich in der Detailplanung von
ILF, dass der Einsatz von drei Francisturbinen
tatsächlich markante Vorteile mit sich
bringt: wie etwa eine bessere Bewältigung der
Druckstoß- bzw. der Unterdruckproblematik
in der Triebwasserleitung im Falle eines
Lastabwurfs, oder eine leichtere Zugänglichkeit
der Maschinen für allfällige Wartungs-und Instandhaltungsarbeiten, sowie eine bessere
Anpassung an das stark schwankende
Wasserdargebot der Sill“, erklärt Quinger.
Speziell für die Aushubarbeiten erwies sich die
mit dem Einsatz von Francisturbinen verbundene
geringere Gründungstiefe als weiterer
Vorteil. Das Krafthaus liegt im Bereich eines
vernässten Hanges in unmittelbarer Nähe zur
Sill. Somit musste mit starkem Andrang von
Hang- sowie Grundwasser gerechnet werden.
Dank der nachträglich gewählten Turbinenvariante
mit der geringeren Gründungstiefe
konnte der Aushub ohne aufwändige Baugrubensicherung
realisiert werden.
BESTE TURBINENTECHNIK AUS TIROL
Die im Nachhinein entwickelte Maschinenkonstellation
sah nun das Zusammenspiel von
drei Francis-Spiralturbinen vor, wobei die zwei
größeren baugleich konzipiert sind, und die
dritte als quasi klassische „Winterturbine“
dazu regelt. Auf Basis des Ausschreibungsergebnisses
erging der Auftrag für die elektromechanische
Ausrüstung an die Firma Geppert
aus Hall, die seit Jahrzehnten mit ihrem guten
Namen für exzellente Turbinentechnik aus
Tirol steht. Die Maschinen vom Haller
Traditionshersteller garantieren dem Betreiber
höchste Verfügbarkeit und Lebensdauer für
das „Herz“ seiner Anlage. Die Steuerung der
Maschinen wurde von der Firma EN-CO aus
Ratschings in Südtirol entwickelt. Ein speziell
angepasstes Steuerungsregime, ausgelegt auf
die Bestpunkte der Turbinen, sorgt vollautomatisch
dafür, dass das Wasserdargebot der Sill
stets optimal auf das Maschinentrio aufgeteilt
und abgearbeitet wird.
Während die beiden größeren Turbinen auf
eine Ausbauleistung von jeweils 900 kW ausgelegt
sind, ist die kleinere Turbine für 540
kW konzipiert. Jede der Turbinen treibt einen
direkt gekuppelten Synchrongenerator aus
dem Hause Hitzinger an. In Summe werden
die Maschinensätze pro Jahr rund 11 GWh sauberen Strom aus der Sill gewinnen. Das
entspricht etwa dem Strombedarf von 3.300
Haushalten. Die Energieableitung erfolgt
über unterirdisch verlegte Kabel.
KEIN LÄRM FÜR DIE ANRAINER
Aufgrund der relativen Nähe des neuen
Maschinenhauses zu einigen Wohnhäusern
spielte auch das Thema Lärmschutz eine
Rolle. „Die Fundamentsockel der Maschinensätze
stehen auf speziellen Schalldämmmatten,
die eine Übertragung von Schwingungen
an das Gebäude effektiv verhindern“,
erklärt Bernhard Quinger. „Hinzu kommt,
dass man eine spezielle, stark schalldämmende
Eingangstüre installiert hat. Außerdem
trägt auch die Tatsache, dass die Generatoren
mit Wasserkühlung versehen sind, zur
Schallminimierung bei.“
Über einen Wärmetauscher werden die
Kühlkreisläufe im Unterwasser des Kraftwerks
abgekühlt. In der kalten Jahreszeit wird
die Abwärme der Generatoren für die
Heizung des Gebäudes herangezogen.
VERBESSERUNGEN FÜR DIE ÖKOLOGIE
Für die IKB als Projektbetreiber nahm die
Einbeziehung der Anrainer und generell der
Bevölkerung der vier vom Kraftwerksbau
betroffenen Gemeinden von Beginn an einen
hohen Stellenwert ein. Um die Baubelastung
für die Menschen vor Ort so gering wie möglich
zu halten, bemühten sich die Verantwortlichen
erfolgreich um eine terminliche
wie technische Abstimmung mit den parallel
dazu laufenden Hochwasserschutzarbeiten.
Ein Mehrwert für die Bevölkerung entsteht
durch die Errichtung eines Rad- und Wanderweges,
der entlang bzw. auf der Rohrtrasse
führt. Die durchgängig ökologische Begleitplanung,
das übergreifende architektonische
Konzept der Anlagen sowie die neue Ufergestaltung
bringen nicht nur eine optische Verbesserung.
Darüber hinaus wurden dabei auch
bestehende Gefahrenquellen beseitigt. Zahlreiche
Rekultivierungs- und Renaturierungsmaßnahmen
erhöhen zudem die Qualität des
Sillabschnitts als Naherholungsraum.
Der avisierte „gute ökologische Zustand“ der
Sill wird durch die Vielzahl der ökologischen
Ausgleichsmaßnahmen früher erreicht werden.
Entsprechend der Vorgaben der Limnologen
muss die Sill nun mit bis zu 4.000 l/s Rest-wasser
dotiert werden. Eine moderne Fischaufstiegshilfe
garantiert den Fischen die Durchgängigkeit
des Gewässers im Fassungsbereich.
EINE INVESTITION IN DIE ZUKUNFT
Rund 15,3 Mio. Euro investierte die IKB in
das Projekt, das auch durch eine hohe regionale
Wertschöpfung punktet. Zahlreiche kleinere
und mittelständische Unternehmen aus
der Region konnten mit ihren Leistungen
zum Gelingen des Bauvorhabens beitragen.
Rund 3.300 Haushalte können mit dem
neuen Kraftwerk Mühlen nun mit sauberem
Strom aus Wasserkraft versorgt werden. Rund
7.000 Tonnen klimaschädliches CO2 werden
jährlich eingespart. Für die Innsbrucker
Kommunalbetriebe stellt die Anlage eine
wichtige Investition in eine Energiezukunft
dar, die auf eigene, sichere und saubere
Ressourcen vertraut.
Derzeit laufen noch Restarbeiten rund um
das Kraftwerk. Doch die Maschinen haben
die ersten Probeläufe hinter sich und können
in Kürze den offiziellen, dreimonatigen
Probebetrieb aufnehmen, in dem sämtliche
Betriebszustände auf Herz und Nieren getestet
werden. Im Herbst steht schließlich die
offizielle Einweihung der Anlage am Programm.
DIE RICHTIGE LÖSUNG FÜR EIN MODERNES „NERVENSYSTEM“
Mehr denn je legen Kraftwerksbauer heutzutage großen Wert auf hochwertige Steuerungs- und Leitsysteme für ihre
Kraftwerksanlagen. Im Fall des neuen Kraftwerks Mühlen an der Sill war dieses Bestreben offenkundig. Es wurde eine qualitativ
hochwertige Automations- und Leittechnik integriert, die praktikable Lösungen für unterschiedliche Anforderungen bietet.
Der Auftrag für die „übergeordnete Steuerung“ und die Einbindung in das zentrale Leitsystem der IKB ging an die Firma
Rittmeyer, die damit einmal mehr ihrem Ruf als kompetenter und flexibler Partner gerecht wurde.
Lässt man für die Turbine die häufig verwendete
Analogie vom „Herzen“ eines Kraftwerks
gelten, dann sollte der Begriff „Nervensystem“
für Steuer- und Leittechnik ebenso
zulässig sein. Schließlich spielt – nicht unähnlich
einem biologischen Organismus –
eine effiziente Aufnahme, Verarbeitung, Leitung
und Ausgabe von Informationen eine
tragende Rolle in jedem modernen Wasserkraftwerk.
Hinzu kommt, dass im digitalen
Zeitalter vollautomatische Lösungen gefordert
sind, die dabei ein Höchstmaß an
Zuverlässigkeit garantieren sollen.
Die Firma Rittmeyer zählt seit vielen Jahren
als etablierter Anbieter von Steuerungslösungen
für Kraftwerke mit einer langen Liste von
Referenzprojekten. Schon früher war das
Unternehmen mit Sitz in Wien für die
Innsbrucker Kommunalbetriebe aktiv geworden
und hatte das Leitsystem für das Kraftwerk
Obere Sill realisiert. Nicht zuletzt aus
diesen guten Erfahrungen heraus ging der
Auftrag für die „übergeordnete“ Steuerung
für sämtliche Regelorgane und die Turbine an
die Firma Rittmeyer.
FLEXIBILITÄT GEFRAGT
Der gesamte Auftrag umfasste die Ansteuerung
sämtlicher Schütze, Wehre, der Dotierturbine,
des Schlauchwehrs sowie die Regelung
des Pegels im Bereich der Fassungs- und
Wehranlage. Hinzu kamen die Überwachung
und Ansteuerung der Turbinensteuerung, das
Leitsystem im Kraftwerk und die Datenübergabe
an die zentralen Leitsysteme der
IKB. Last but not least wurden auch Wasser –
standsmessungen und Durchflussmessungen
von Rittmeyer realisiert. Zum Einsatz kamen
dabei das seit einigen Jahren bewährte, von
Rittmeyer selbst entwickelte, Kraftwerks –
leitsystem RITOP mit den Prozessstationen
RIFLEX M1.
Im Zuge der Projektumsetzung war vor allen
Dingen ein hohes Maß an Flexibilität gefordert,
da einerseits eine Menge an Lösungsvorschlägen
erforderlich war und anderseits
die Koordination der technischen Schnittstellen
zwischen den einzelnen Lieferfirmen
und zwischen den einzelnen Steuerungen
perfekt funktionieren musste.
Die Antworten, die das Team von Rittmeyer
lieferte, bestätigte am Ende, dass das
Unternehmen in der Lage ist, speziell in den
Fragen der Wasserkraft optimale Lösungen
für komplexe Aufgabestellungen zu bieten –
und dies völlig unabhängig von der Größe
des Kraftwerks. Derzeit sind die Spezialisten
von Rittmeyer in der Endphase der Inbetriebsetzungsarbeiten.
In Kürze wird die Anlage
den offiziellen Probebetrieb aufnehmen.
Bericht aus zek HYDRO – Juni 2012
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