Projekte

Baron Mayr-Melnhof setzt auf Energieunabhängigkeit10 min read

9. Dezember 2014, Lesedauer: 6 min

Baron Mayr-Melnhof setzt auf Energieunabhängigkeit10 min read

Lesedauer: 6 Minuten

Baron Franz VI. Mayr-Melnhof-Saurau hat mit dem Kraftwerk Gössbach 1 ein Projekt umgesetzt, das zu 100 Prozent für den Eigenbedarf realisiert wurde. Der gewonnene Strom wird …

ausschließlich für das in Leoben ansässige Sägewerk verwendet. Beim Bau des Kraftwerks galt es außerdem die nachhaltige Nutzung der ökologischen Ressourcen des Forstguts miteinzubeziehen. Zu diesem Zweck hat ein Studentenquartett mittels einer Potenzialanalyse die Ausgangssituation genauestens beleuchtet. Bei der Realisierung des Kraftwerks am Gössbach setzte man auf eine vierdüsige Pelton-Turbine aus dem Hause GHE. Das Regelarbeitsvermögen wird mit 2,34 GWh angegeben.

Ausgangssituation und Zielsetzung waren klar formuliert: „Die Hauptintension bestand darin, bei der Umsetzung die wirtschaftlichen Benefits erneuerbarer Energien mit der nachhaltigen Nutzung der ökologischen Ressourcen des Forstgutes von Baron Mayr-Melnhof-Saurau so gut wie möglich zu verbinden. Eine weitere Zielvorgabe: Das Kraftwerk in jener Weise zu realisieren, dass auch bestehende Fischereirechte nicht massiv verletzt bzw. weitere Synergieeffekte geschaffen werden“, so Dr. Thomas Schützeneder von SchueTo-Austria, der für die Gesamtplanung und das Baumanagement zuständig war. Um diesen Vorsatz auch wirklich mit der notwendigen Distanz und ohne einer gewissen Betriebsblindheit zu verwirklichen, setzte man auf die Jugend. Und so entstand eine grenzübergreifende Kooperation mit Studenten der bayerischen Fachhochschule Weihenstephan. Vier Studenten, die den Studiengang „Management Erneuerbare Energien“ belegten, haben sich für das ausgeschriebene Praktikum in der Steiermark gemeldet und machten sich gleich an die Arbeit.

VORPROJETKIERUNG MIT BAYERISCHER HILFE
Nach wöchentlichen Jour-fixe-Terminen wurden die Ergebnisse von den Studenten vorgestellt und diskutiert. Es stellte sich sehr schnell heraus, dass die umfangreichen Liegenschaften des Mayr-Melnhof-Besitzes große Potenziale unter anderem im Bereich Wasserkraft bieten. Jetzt war es also an der Zeit, ein eigenes Kraftwerk zu realisieren.
Nach der Konzeption ging man in die Planungsphase über, um letztlich das Projekt einzureichen. Dabei konnte man auf das technische Know-how des Planungsbüros InterTechno Engineering GmbH zählen, die mit der SchueTo-Austria GmbH das gesamte Behördenverfahren begleiteten. Während der Planung im Jahr 2012 änderte man noch das Design des zukünftigen Krafthauses. Von der bereits eingereichten und auch sehr verbreiteten Kubus-Form mit Flachdach rückte man schließlich ab, da dies nicht so ideal in die Landschaft gepasst hätte. In der Folge drängte sich die Idee auf, das Krafthaus im norwegischen Design zu bauen. Diese Variation hat den immensen Vorteil, dass man einen Teil des Daches jederzeit abheben und so die Maschinenanlage für eventuelle Revisions- bzw. Reparaturarbeiten problemlos ein- und ausheben kann. Außerdem wäre das ursprüngliche Krafthaus um 2,5 m länger und 3,7 m höher gebaut worden. Somit ist die Realisierung auch kostengünstiger ausgefallen. Die nachträglichen Änderungen wurden der Umweltanwaltschaft vom Planungsbüro SchueTo-Austria in Zusammenarbeit mit InterTechno Engineering GmbH präsentiert und auch ohne größere Probleme genehmigt. Darüber hinaus konnte man für den Holzbau das gesamte Material von rund 63 m³ in der firmeneigenen Holzfabrik produzieren.

PELTONTURBINE MIT HOHEM WIRKUNGSGRAD
Bei der Wahl der optimalen Maschinen-gruppe entschieden sich die Betreiber für eine vierdüsige Pelton-Turbine von der Global Hydro Energy GmbH. „Das oberösterreichische Unternehmen kann bei der Produktion auf eine Sieben-Achs-Fräsmaschine bauen, die dementsprechend genauer und präziser arbeitet“, erläutert Schützeneder. Ein hoher Wirkungsgrad, eine einfache Regelbarkeit des Durchflusses und eine extreme Laufruhe zeichnen die installierte Turbine, die über ein Schluckvolumen von 0,75 m³/s verfügt, aus. Neben dem Laufrad war in dem Auftrags-paket noch der Drehstrom-Synchron-Generator von Hitzinger, Absperrorgane sowie die Entleerungs- und Bypassleitungen inkludiert.
„Der Auftraggeber war sowohl mit den angelieferten und installierten Elementen als auch mit unserer Termintreue äußerst zufrieden“, zeigt sich Stefan Prünstinger von der Global Hydro Energy GmbH erfreut. Die Lieferung der kompletten Maschinenkomponenten erfolgte im November 2013 und einen Monat später ging die Erstinbetriebnahme über die Bühne. Das Kraftwerk erbringt eine Leistung von 595 kW.

LOKALE FIRMA ÜBERNIMMT STAHLWASSERBAU
Bei der Vergabe der Stahlwasserbauarbeiten wurde mit der Mayrhofer Maschinenbau GmbH ein lokal ansässiges Unternehmen betraut. Die im steirischen Wenigzell ansässige und knapp 70 Kilometer von Leoben entfernte Firma lieferte die komplette Anlage bestehend aus einem Tirolerrechen, Dotationsregelschieber, Einlaufschütz mit elektromechanischem Antrieb, hydraulischen Spülschütz, notschlusstauglichem Rohrschütz und die Feinrechenreinigungsanlage samt Steuerungstechnik sowie die gesamte Hydraulikanlage. „Bei der Hydraulikanlage kam der bewährte Stahlwasserbaustandard aus unserem Hause zum Einsatz, wobei die Hydraulikaggregate direkt bei uns ausgelegt, geplant und auch gebaut wurden“, ergänzt Daniel Mayrhofer. Für die Mayrhofer Maschinenbau GmbH hatte das Projekt Gössbach 1 auch eine spezielle Besonderheit, denn für die Umsetzung der Rechenreinigungs-maschine entwickelte man eine neue Konstruktion.

NEUARTIGE KONSTRUKTION IM EINSATZ
Daniel Mayrhofer erklärt: „Bei dieser Rechenreinigungsmaschine wurde eine neue Konstruktion eingesetzt, welche neben bewährter Qualität auch besondere Wartungs-freundlichkeit bietet. So liegt der Antriebszylinder außen und ist somit leichter zugänglich. Außerdem ist der Auflösungsgrad der Baugruppe wesentlich höher. Dadurch kann man im Reparaturfall nahezu jedes relevante Bauteil problemlos vor Ort tauschen.“ Ein sehr wesentlicher Aspekt, der sich speziell auf die Lebensdauer der Anlage positiv auswirkt. Im Juni 2013 begann man mit den Stahlwasserbauarbeiten, die zeitplangemäß und dank hoher Flexibilität mit Jahresende erledigt waren. „Besonders unsere langjährige Erfahrung wurde vom Auftraggeber sehr geschätzt. Die gesamte Projektabwicklung gestaltete sich sehr angenehm und unser junges Team konnte den sehr ambitionierten Zeitplan sehr gut meistern“, hebt Daniel Mayrhofer die reibungslose Kooperation hervor. Die hochqualitative Arbeit samt der robusten und funktionsfreundlichen Ausrüstung hat den Betreiber so sehr beeindruckt, dass die Mayrhofer Maschinenbau GmbH bereits einen weiteren Auftrag von den Kraftwerksbesitzern bekam. So wird auch das ebenfalls in der Steiermark ansässige Kraftwerk Lainsach die Handschrift der Stahlwasserbaufirma aus Wenigzell tragen.

KOMPLETTE DURCHGÄNGIGKEIT
Bei der Fischaufstiegshilfe entschied man sich für einen naturnahen Beckenpass, über den eine Restwassermenge von 100 Litern pro Sekunde abgegeben wird. „Zusätzlich werden noch max. 88 l/s dynamisch dotiert. Außer-dem wurde der Auslaufkanal in die Ufersicherung integriert, um so die aquatische Durchgängigkeit in die errichtete Pendel-rampe zu verbessern. Die Passierbarkeit ist jetzt komplett bis zur Mündung des Gössbachs in die Mur gegeben“, erläutert Dr. Schützeneder.

GUSSROHRE VON TRADITIONSUNTERNEHMEN
Anfang Mai des letzten Jahres begann man die Trasse über eine Gesamtlänge von rund 2.330 Metern bei einer Bruttofallhöhe von exakt 101,9 Metern zu realisieren. Die Gussrohrleitung der Nennweite DN800 wurde von den Tiroler Röhrenwerken TRM angeliefert. Die Betreiber setzten dabei auf ein Höchstmaß an Qualität, da es sich um eine lange Rohrleitung handelt, die durch alpines Gelänge verlegt werden musste. Und um auch auf der sicheren Seite zu sein, vertraute man einem Produkt, das über 70 Jahre erfolgreich im Kraftwerksbau Verwendung findet. „Gerade in Extremsituationen, an deren Ende häufig Haftungsfragen stehen, lassen wir unsere Kunden nicht im Regen stehen“, zeigt Rudi Stelzl von TRM auf. Ein Aspekt, der gerade im Planungsstadium und vor Beginn der Vergaben eine wichtige Rolle spielt. „Denn wer haftet im Falle des Falles? Wie sieht die Haftungssachlage aus, wenn Zwischenhändler bei der Rohrvergabe gewählt werden? Sind diese auch so professionell und potent genug aufgestellt, dass sie gegebenenfalls Schadensanspruch gegen Großkonzerne im Ausland durchsetzen könnten?“, gibt Stelzl zu bedenken. Er rät allen zukünftigen Kraftwerksbetreibern sich dies genau zu überlegen.

ÖKOLOGIE IM VORDERGRUND
Auch in ökologischer Hinsicht war die Rohrwahl samt den Verlegungsarbeiten bemerkenswert. Die duktilen Gussrohre sind aus Material der Recycling-Industrie, wie zum Beispiel Blechpakete und sortierter Stahlschrott, hergestellt. Somit weisen sie auch einen geringeren ökologischen Fußabdruck auf. Ein weiterer Vorteil des gewählten Rohrmaterials ist die deutlich geringer ausfallende Künettengröße. Dabei sind die Eingriffe in die Natur dementsprechend geringer. Und das nach der gängigen, abschnittsweise je Rohr-Verlegemethode erweist sich als umweltschonend. Das ausgehobene und gesiebte Erdreich wird als Bettungsmaterial wieder verwendet und dadurch entfallen entsprechende LKW-Lieferfuhren.

ANGST UM BESTEHENDE HEILQUELLE
Eine spezielle Besonderheit bei der Projektumsetzung war die Rohrverlegung oberhalb der bestehenden Heilquelle „Augenbründl“ mit der Wallfahrtskapelle Maria Kaltenbrunn. „Man hat befürchtet, dass diese im Zuge der Rohrverlegungsarbeiten austrocknen könnte. Um dies zu vermeiden, haben wir jede Woche quantitative Wassermessungen durchgeführt. Außerdem wurde ein Institut beauftragt, um die Wasserqualität der Quelle zu überprüfen“, erklärt Schützeneder die Ausgangssituation. Das Testergebnis war nicht nur für die zukünftigen Betreiber, sondern auch für die doch skeptisch eingestellte Bevölkerung bezüglich des Kraftwerkbaus sehr überraschend: Die Quelle war stark verunreinigt und als Trinkwasser definitiv nicht geeignet! Man ging gleich daran die Heilquelle komplett zu sanieren und so wurde der stark verschmutzte Sammelbottich säuberlichst gereinigt und mit Edelstahl ausgekleidet. Die direkt aus dem Berg im Gössgraben entspringende Heilquelle zeichnet sich besonders durch ihre Weichheit aus.

NEUER FORSTWEG UND BESSERE INFRASTRUKTUR
„Bei der Umsetzung der Druckrohrleitungstrasse ist ein Weg bzw. eine neue Forststraße entstanden, die zum Großteil auf der fertigen Rohrtrasse verläuft. Die Guss-Rohrleitung wurde zugsicher im Bereich der Quelle ausgeführt. Die Forststraße, die in diesem Bereich nur marginal aus dem Berg geknäppert wurde, ist mit Geotextil gesichert. Gleichzeitig wurde so ein sicherer Untergrund für den Forstweg geschaffen. Im Bereich der Heilquelle wurde durch die Rohrverlegung noch ein positiver Aspekt erreicht. Durch das Gefälle rinnt das Wasser noch besser ab“, erläutert Schützeneder, der in Zusammenarbeit mit Geschäftsführer Dr. Lutz Pickenpack und FD DI Willibald Ehrenhöfer von der Mayr-Melnhof Ökoressourcen GmbH die gesamte Koordinierung inne hatte. Weiters können jetzt alle linksseitigen Hänge aufgrund der besseren Zugänglichkeit problemlos bewirtschaftet werden.

KOMPLETTE STROMVERSORGUNG FÜR DAS SÄGEWERK
Um die Stromleitung zum bzw. durch das Sägewerk zu legen, mussten ganz kleine Zeitfenster genutzt werden, da dort in einem Drei-Schicht-Betrieb gearbeitet wird. FD DI Willibald Ehrenhöfer, Geschäftsführer der Betreiberfirma Mayr-Melnhof Ökoressourcen GmbH, konnte die Realisierung der insgesamt 1,7 Kilometer langen Leitung mit Hilfe der Hitthaler Bau GmbH erfolgreich umsetzen. „Die Energieableitung hat mit vier bis fünf Monaten länger gedauert als erwartet, dennoch haben wir dies sehr gut geschafft, da wir genügend Vorlauf eingeplant hatten“, ergänzt Dr. Thomas Schützeneder. Mit der erzeugten Gesamtenergie wird das in Leoben ansässige Sägewerk, die Mayr-Melnhof Holz Holding AG, versorgt. Das Kraftwerk erbringt eine Leistung von 595 Kilowatt. Mit dem Arbeitsvermögen von 2,34 GWh könnte man jährlich ca. 580 Haushalte zuverlässig mit Strom versorgen. Und auch die gesamte Energieversorgung wurde durch die neue 30-kV-Leitung ebenso verbessert. So nutzte auch die Telekom den Rohrleitungsgraben um Glasfaser- und Fernmeldekabel einzuziehen.

EIN PROJEKT MIT ZAHLREICHEN BENEFITS
Im Herbst steht noch die finale Kollaudierung auf dem Programm. Dann ist mit dem Kraftwerk Gössbach 1 in Leoben auch ganz formell ein Bau verwirklicht worden, den man getrost als Vorzeigeprojekt mit zahlreichen Vorteilen sowohl für Betreiber als auch Bevölkerung ansehen kann. Baron Franz VI. Mayr-Melnhof-Saurau hat auf seinem Grund ein Wasserkraftwerk realisiert, mit dem er die eigene Holzproduktion ökologisch mit erneuerbarer Energie versorgt. Die Infrastruktur wurde rund um den Gössbach verbessert und so steht der Bevölkerung mit einem wunderschönen Wanderweg auch ein neues Ausflugsziel zur Verfügung. Darüber hinaus wurde auch noch die Heilquelle Maria Kaltenbrunn wieder auf Trinkwasserqualität gebracht. Summa summarum kann man das Kraftwerk Gössbach 1 in Sachen Nachhaltigkeit, Akzeptanz und Benefits als echtes Vorzeigeprojekt ansehen. An diesem Kraftwerksbau wird demonstriert, dass in den derzeit schwierigen Zeiten auch ein Kleinkraftwerk wirtschaftlich betrieben werden kann und gleichzeitig hohe ökologische und technische Standards eingehalten werden können. Baron Mayr-Melnhof ist nun komplett vom Fremdstrom unabhängig und kann die Säge in Leoben mit selbstgewonnen, ökologisch freundlichem Strom versorgen.

Teilen: